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Nr. 148 Pul»nitz«r Wochenblatt. — Donnerstag, den 11. Dezember 1913. Seite 2 lichen Ausstellung 1914 in Leipzig. In dem Aufruf heißt es unter anderem, daß Deutschland im nächsten Jahre mit einer Weltausstellung hervortreten werde, wie sie bisher nirgends geboten worden sei, mit einer Ausstellung, die das deutsche Buchgewerbe in seinem Wesen, seinen Leistungen und in allen seinen kultu rellen Beziehungen darstellen soll. Zittau, 10. Dezember. (Automobil-Verbin- düng.) Die sächsische Regierung hat die Errichtung einer staatlichen Automobilverbindung zwischen Zittau- Eichgraben und Deutschgabel in Nordböhmen geneh migt. Der Plan soll schon in der Finanzperiode 1914 zur Ausführung kommen. ^agssgsscklcdte. Deutsches Reich. Berlin, :o. Dezember, (presse stim men zur gestrigen Etatsrede des Reichskanz lers.) Sämtliche Berliner Morgenblätter bringen längere Kom mentare zu der gestrigen Ltatsrede des Reichskanzlers. So schreibt die „Kreuzzeitung". Ivas auch der Kanzler gestern über die aus wärtige Politik zu sagen hatte, war in der Grundtendenz auf den Ton jener Rede des britischen Lordkanzlers gestimmt, in der der Lord das Wort geprägt hat, daß in dem Verkehr der Nationen neuerlich die Neigung in Erscheinung tritt, einen größeren Idealis mus in den internationalen Beziehungen anzustreben, Auch Herr v. Bethmann betonte diesen Gesichtspunkt und er rückte natur gemäß die besseren Beziehungen Deutschlands zu England in den Vordergrund seiner Betrachtungen. Er sprach mit einem solchen Optimismus von dem zu erwartenden Ergebnis der Verhandlun gen, und von der Zustimmung, die es bei beiden Völkern finden werde, daß man den Nusgang mit hochgespanntem Interesse ent gegensehen kann, vor allem erfreulich sei, daß die afrikanischen Abmachungen keine verzichtleistung Deutschlands hinsichtlich unserer kleinasiatiichen Interessen in sich schließe und daß von Kompensa tionen der einen Macht an die andere keine Rede sein könne. — Die „Post" sagt: Die Weltlage ist ruhig und ohne Spannung. Dies ist die Hauptsache und für einen Reichskanzler eine Art Ge nugtuung. Da aber das Leben weiter geht, muß die Politik wei ter geführt werden. Herr v. Bethmann Hollweg meint, das die politische Lage klar und offen sei. Für ihn vielleicht, für uns, die wir seinen Ausführungen lauschten, weniger wir haben, an spruchsvoll wie wir sind, eine großzügige Darlegung unserer ge- genwärtigen und zukünftigen Beziehungen zu den anderen Mäch ten erwartet, davon haben wir aber nichts gehört. Das einzige, was wir mit Genugtuung verzeichnen, ist die Zusicherung des Kanzlers, daß von irgend welchen Verzichtleistungen Deutschlands keine Rede sein kann, Berlin, 10. Dezember. (Der Schutz der Ar- Seils wtllt gen.) Die Meldung eine- bayerischen Zentrumsblattes, daß im Reichsamt des Innern ein Gesetzentwurf betreffend den erhöhten Schutz der Ar beitswilligen ausgearbettet werde, trifft nicht zu. Im Reichsamt de- Innern beschäftigt man sich natürlich auch mit dieser in der Oeffentlichkrit vielfach erörterten Frage aber bisher nur in der Weise, daß da» erfor- derliche Material zur näheren Prüfung der Angelegen heit bearbeitet wird. Von der Ausarbeitung einer Vor lage ist vorläufig noch keine Rede. — (Sozialdemokratie und Arbeits losenversicherung.) Daß die Sozialdemokraten nach der Arbeitslosenversicherung so lebhaft rufen, weil sie die Aufmerksamkeit der Massen von anderen ihnen unliebsamen Dingen, z. B. von dem Rückgang der Mttgliederzahlen in ihren Organisationen, ablenken müssen und um neu« Mitglieder zu werben, die Un zufriedenheit zu schüren usw., wird ernstlich nicht be zweifelt werden können. Man muß daher die Behaup- tungen der sozialdemokratische Presse über den angeb lichen Umfang der Arbeitslosigkeit mit erheblichem Mißtrauen und jedenfalls mit großer Vorsicht ausneh- men. Einen drastischen Beitrag, wie es nur zu häufig damit steht, liefert u. a. auch der amtlich« Bericht über den Fortgang der Bauarbeiten an dem Rhein-Weser- Kanal. In diesem Berichte wird angegeben, daß im letzten Sommer für diese Bauten ein starker Bedarf an Arbeitern vorhanden war, daß aber alle Versuche zu diesem Zwecke Arbeitslose aus den Großstädten zu gewinnen, vergeblich gewesen find. Jene Arbeitslosen haben also die ihnen von der Kanalverwaltung gebo tene Gelegenheit zum Arbeitsverdienst ungenutzt ge- lassen. Würde nach sozialdemokratischem Rezept eine allgemeine Arbeitslosenversicherung eingeführt, so wür- den diese Arbeitslosen gleichwohl al» Reichsrentner haben leben können. Auch dieser Vorgang lehrt, wie außerordentlich große Bedenken vom Standpunkte des wirklichen Unterstützung»bedürfntsse» gegen allgemeine oder auch nur örtliche Arbeit»losenverstcherung bestehen. Hier ist in der Tat ein Feld, wo die Arbeiter in erster Linie durch Selbsthilfe und Selbstzucht, für den zeit weilig eintretenden Unterstützungsfall sorgen müssen. — (Sozialdemokratischer Reichtum.) Bei der Generalkommission sind für die au»gesperrten Maler, die ja seinerzeit au» ihrer Hartnecktgkeit diese Aussperrung selbst veranlaßt hatten, 261083 Mark eingelausen. Wenn die Seneralkommission dies jetzt erst bekannt gibt, so muß doch daran erinnert werden, daß seinerzeit immer betont wurde, die Gewerkschaften wären durch allerlei Ausgaben zu sehr in Anspruch genommen, und hätten kein Geld! Nun haben die Metallarbeiter genau 62 000 M hergegeben, die Fabrik- arbeiter 23 8S4 M, die Transportarbeiter 23 604 M, die Bauarbeiter 39 070 M, die Zimmerer 12 000 M, die Bergarbeiter 15 726 M. Dieser Posten gibt doch insofern zu Bedenken Anlaß, al» in den Bergarbeiter- Versammlungen unausgesetzt Klagen über den Rück- gang der Löhne der Bergleute laut wurden. Wenn nun die Zentralverbände der betreffenden Organisationen solche Summen für ausgesperrte Malergehilfen her- geben, dann scheint doch sehr viel Geld in den Kassen zu sein, zumal die Vorstände der Zentralverbände unausgesetzt neue Summen für die Gewerkschaften in Serbien und Bulgarien hergeben. So haben kürzlich I die Steinarbeiter und Schuhmacher ansehnliche Summen für die bulgarischen und serbischen Gewerkschastsge- nossen zur Verfügung gestellt. — (Die Elsässer beruhigen sich.) Von, derselben Seite, von der am Sonnabend versichert wurde, die Straßburger seien über die Entscheidung von Donaueschingen wütend und furchtbar „vor den Kops gestoßen", wird jetzt über die Stimmung in Straßburg berichtet, die Erklärung der Straßburger Regierung, die man als eine Ergänzung der Meldung au» Donaueschingen betrachte, habe „allgemein einen recht guten Eindruck gemacht", da sie bestätige, daß der Kaiser trotz der alldeutschen Wühlarbeit ein Freund des Lande» sei. Man hoffe jedoch allerseits, daß den Worten nun die Taten folgen und die Zusicherungen nicht nur auf dem Papiere stehen bleiben werden. Man erwarte von dem Statthalter, daß er, bevor er einmal zurücktritt, seine bisher in Elsaß Lothringen fruchtbar und im ganzen recht dankbar ausgenommen« Tätigkeit damit beschließe, die Zioilverwaltung zur alleinigen Verwaltung Elsaß-LothrrngenS zu machen. Gesterreich-Ungarn. Wien, 10. Dezember. (Stür - mische Sitzung im österreichischen Land tage.) Die heutige Sitzung des Abgeordnetenhauses nahm einen überaus stürmischen Verlauf. Die Ruthe- nen, erbittert durch die Vorgänge im Landtage, sowie wegen Ntchterledigung der ihnen versprochenen galizi schen Wahlreform verursachten durch Trommeln auf die Pultdeckel, Pfeifen und anderen Instrumenten einen solchen ohrenbetäubenden Lärm, deß viele Abgeordnete den Sitzungssaal verlass«: mußten. Da alle Beschwich tigungsversuche nicht fruchteten, sah sich der Präsident Dr. Sylvester gezwungen, die Sitzung auf 1 Stunde zu unterbrechen, um womöglich mit den Parteien, und besonders mit den Ruthenen, eine Verständigung über die ruhige Fortführung der Arbeiten des Abgeordne tenhauses herbetzusühren. Russland. Petersburg, 10. Dezember (Die Z«r- stückelung Finnlands.) In RegierungSkretsen besteht die feste Absicht, es bei der Angliederung zweier Kirchspiele d«s Gouvernements Wtborg an das Gou- yernement Petersburg nicht bewenden zu lassen, son- dern die Angliederung de» ganzen Gouvernements Wiborg an Rußland durchzusetzen. Die Maßnahme wird damit begründet, daß das Kriegsminiflerium die zur Verteidigung von Petersburg angeordnete Befestt- gungSlinie viel weiter vorgeschoben hat, als ursprüng lich geplant war. Da» Krieg»ministerium begründet diese speziell gegen Deutschland gerichtete Maßregel mit wichtigen strategischen Gründen. Frankreich. Paris, 10. Dezember. (Der Ein- druck der Kanzlerrede in Frankreich) Der „Temps" bespricht heute die gestrige Rede des deut- schen Reichskanzler» und sagt, daß der Oplimismu» de» Reichskanzler» berechtigt sei, und daß in allen eu- ropäischen Hauptstädten dieselbe Meinung vorherrsche, daß aber auch alle Länder für sich die Ehre in An- spruch nehmen könnten, in den letzten 16 Monaten die besten Beziehungen aufrecht erhalten zu haben. Der „Temps" bemerkt dann, daß der Kanzler nichts über die Reformen in Armenien, nicht» über die Frage der Aegäischen Inseln und auch nichts über die Ernennung des deutschen Generals von Sanders zum komman dierenden General in Konstantinopel gesagt habe, und hebt weiter hervor die Aeußerungen de» Reichskanzlers über die Verhandlungen mit England, die schon weit fortgeschritten seien, und daß die Verhandlungen zwi schen Deutschland und Frankreich noch im Anfangs- stadium seien, ferner daß ein vertrauliche» Zusammen- arbeiten zwischen Deutschland und England bestehe und zwischen Deutschland und England korrekt« Be- Ziehungen herrschten. Darau» brauche man nicht zu schließen, daß Frankreich gewissermaßen isoliert sei. Bi» zu diesem Schlüsse sei nur ein Schritt und viel- leicht habe Herr von Bethmann Hollweg gewünscht, daß man diesen Schritt tue. Neueste direkte Mekmugm von Hirsch'» Telegraphen-Bureau. Leipzig, 11. Dezember. (Drohender Streik der Studenten der Z a h n h eil k u n d e an der Universität Leipzig.) Die Studenten der Zahnheilkunde an der hiesigen Universität haben sich ehrenwörtlich verpflichtet, zur Erlangung der baldigen Zulassung zur Promotion an der medizinischen Fa kultät in den Streik zu treten und beschlossen, fall» eine weitere Verschleppung etntreten sollte, nach Mög- lichkeit die Universität Leipzig zu verlassen. Ferner wurde beschlossen, die Dozenten von der Einstellung der Arbeiten in Kenntni» zu setzen und sodann eine Audienz beim Kulutsmtntster nachzusuchen. Auch die Studenten der Zahn-Heilkunde an der Würz- burger Universität haben ebenso wie die Berliner Stu denten ihren Leipziger Kommilitonen eine Sympathie kundgebung gesandt. ES wird hier erwartet, daß die Bewegung auch auf andere Städte übergreifen wird. Paris, 11. Dezember. (Zur Rede de» deut schen Reichskanzlers.) Der „Petit Parisien" sagt, die Reds de» deutschen Reichskanzlers über die auswärtige Politik würde in Europa den besten Ein druck Hervorrufen, insbesondere, da Sir Edward Grey, Graf Berchtold und auch die italienische Thronrede sich bereit» in demselben Sinne geäußert hätten. Straßburg, 11. Dezember. (D i« ,W a ck e »"-Af färe vor dem Kriegsgericht.) In der Zaber- ner Sache haben sich heute vor dem Kriegsgericht der 30. Division die Rekruten Henke, Scheibel und Blellt wegen Vergehens gegen die ZZ 92, 93 und 101 de» Mtlitär-'Strasgesrtzbuchk» zu verantworten. Trotz des Verbotes des Obersten v. Reuter, die „Wacke»"-Aeuße- rung de» Leutnant» v. Forstner nicht in d e Oeffent- lichkeit zu bringen, ließ sich der Musketier Henke von dem Vertreter der „Elsässer" bewegen, die Aeußerung des Leutnants über die französische Fahne niederzu- schretben und diese Niederschrift von den Mitangeklag- ten unterzeichnen zu lassen. London, 11. Dezember. (Ein neues Geschütz gegen Aeroplane) Es verlautet, daß es dem englischen Kriegsministerium gelungen sei, eine Kanone Herstellen zu lassen, die mit Erfolg gegen Aeroplane benutzt werden kann. Die «anone, ein 3-zöllige» Ge schütz, kann bis zu einem W.nkel von 30 Grad auf- wärt» gerichtet werden. Schießversuche, die mit dem neuen Geschütz auf der Insel Wight 'vorgenommen worden sind, sollen ein gute» Resultat gehabt haben. Auch ein Artillerteregiment wurde mit derartigen Ka nonen ausgerüstet. Petersburg, 11. Dezember. (Unstimmigkeiten zwischen den russischen Militärinstruk- teuren in der Mongolei.) Seit einiger Zeit sind Gerüchte verbreitet, daß etwa» bei den nach der Mongolei entsandten MrlUärkonstrukteuren nicht in Ordnung ist. DaS Blatt „Wotschernje Wramja" be stätigt diese Gerüchte und meidet, daß zwischen den russischen Offizieren in der Mongolei und ihrem Chef, dem Obersten Nadeschny ein Zwist entstanden sei, der zur Folge hat, daß die Offizier« nicht mehr dort blei ben wollen. Statt 6000 Mann haben die Offiziere nur 600 Mann unter ihrem Kommando. Auf Befehl de» russischen KriegSminister» ist eine Untersuchung ein- geleitet worden. »«««««««^ NN Hnnskme von Inseraten lür Uns kuIsnttLer woekenblatt bis 8p'ät68t6N8 10 Ilbr vormittag an cien ^rsckeinunZstsZen: Dienstag, Donnerstag nnü Sonnsdenll! LMm lliMsts kfdittsn seim tsg§ Mim. Die Abreise der deutschen Militärkommisfiou uach der Türkei. Die Mitglieder der deut schen Militärkommission für die Türkei, Generalleutnant Liman von Sanders, Oberst Bronsart von Schellendorff, Oberst Weber, Major v. Feld mann, Major von Strempel, Major Perrinet v. Thauve- nay, Hauptmann von König, OberleutnantMühlmannMu ütärintendanturrat Burchardi, Oberstabsarzt Professor Dok tor Mayer und Major Nico lai wurden vom Kaiser zur Verabschiedung vorihrer Aus reise nach dem Orient em pfangen. Die Audienz sand im Muschelsaal des Neuen Palais in Potsdam statt. Die Herren traten dann die Neise nach Konstantinopel an, um dort ihre Aemter im türkischen Heere zu übernehmen. Gene ralleutnant Liman von San ders ist der Leiter der Mili tärkommission. Die deutsche Militärmissron für die Türkei.