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pulMtzerMchenbiatt Sonnabend, 27. Dezember 1913. Beilage zu 155. 65. Jahrgang. OerMckes und SScdsiscdss. PulSnitz. (Nach dem Weih nacht» feste), vor dem Neujahrsfeste. Dar Weihnachirfest ist vorüber aber wir stehen noch immer in feinem Bann, und füh len uns wohl darin. Wohl ist dar eine Fest verrauscht, aber da- andere Fest steht vor der Tür. Diese Zeit zwischen den Festen, so kurz sie auch ist, hat doch gar einen eigenen Charakter. Wehmut und Hoffnung mi schen sich in ihm. Die Feststimmung ist geblieben. In tausend Einzelheiten prägt sie sich au», macht sie sich geltend. Dar hat viele und Ite^ Gründe. Noch ist er uns immer, alr hörten wir dar Hallen der Weih- nachirglocken, und der geschmückte Tannenbaum prangt noch in jeglichem Hause. Einmal sind wohl schon hier und da die Kerzen niedergebrannt, aber sie sind durch neue ersetzt worden. Der Geist der Liebe sitzt noch überall alr gern gesehener Gast. War er brachte, vergeht so rasch nicht: dafür ist seine Art zu echt, zu dauerhaft. Freude und Frohsinn haben noch überall eine behagliche Heimstätte. Niemand wird sie mit Ab- sicht verscheuchen wollen und jeder weiß, daß sie von selbst gar allzu rasch und leicht davonflattern. Mit Riesenschritten eilt nun dar alte Jahr seinem Ende zu. E- hat seine Pflicht getan: nun muß er den Weg allen Zeitlichen wandern. Syloesterfröhlichkeit breitet bereit« facht die Schwingen au». Neckereien und Bow lendüfte durchflaitern überall allmählich die Lüfte Dar neue Jahr schwingt seinen Haffnungischleter. Und irgend einen geheimen Wunsch hat jeder, den eS ihm erfüllen soll . . . Mit lachenden Augen schaut man in da- Land der Zukunft. Einmal wird nun doch uwhl da» Glück an jeder Tür vorsprechen! Möge das nur auch wahr werden und da« Glück einkehren bet einer jeder unserer verehrten Leserinnen, bei einem je den unserer verehrten Leser! — (Neujahrs-Glückwünsche.) Die Sitte, Freunden und Bekannten am Schluffe der alten Jah res mittel» einer Karte Glückwünsche für daS neue Jahr darzrbringen, ist wohl in allen Kulturstaaten gebräuchlich. Im deutschen Reiche gelangen bekannt lich alljährlich Millionen von Neujahrskarten durch die Post zur Versendung. Ueberau« geschmackvolle Neujahrskarten liefert in diesem Jahre unsere Druckerei und bitten wir an diese Aufträge sobald als möglich gelangen zu lassen, damit rechtzeitige Lieferung erfol- gen kann. — (Für die Vermögenserklärung zum Wehrbeitrag) wird die Frist bi» zum 20. Januar vielfach al» zu kurz angesehen. Die Handelskammer zu Köln beschloß soeben, eine Ausdehnung der Frist bi» zum 15. Februar zu beantragen. In der Erörte rung wurde erklärt, daß es kleineren Bankgeschäften gar nicht möglich sein werde, Aurzüge für die Wehr- steuerveranlagung rechtzeitig fertigzustellen. Ein Regie rungroertreter, der sich bet seiner Bank habe unter richten wollen, hab« sich dem nicht verschließen können E» soll die Hinausschiebung der Termins bis zum 25. Februar nachgesucht werden. Der Ausschuß des deutschen HandelStageS wurde um Unterstützung ersucht. — 5. L. K. (Monistische Propaganda unter den sächsischen Lehrern.) An eine große Anzahl von Volktschullehrern unseres Lande» ist von monistischer Seite kürzlich ein Schriftchen gesandt worden, da» die unflätigsten Beschimpfungen gegen Christentum und Kirche schleudert und am Schluffe für den Moni»mu» wirbt. Die Schrift trägt den Titel: ,Glaube, Vernunft, Naturali»mu» und Natur- Wissenschaft", von vr. B. Hellmut. B. Winkler- Ver- lag, Erdenglück, Post Frauendorf (Bez. Leipzig). E» ist sehr wahrscheinlich, daß diese Schrift an alle sächsi. schen Volk»schullehrer geschickt worden ist; au- zwei Ephorien wird un» mitgeteilt, daß sie dort an alle Lehrer gelangt sei. Um eine Probe von der Weise wte hier gegen Christentum gehetzt wird, führen wir folgende Sätze darau» an: „Der Gott, wie er un» zwangsweise in das kindliche Gemüt imprägniert wor den ist und wie er heute noch in der Kirche und in der Bibel festgehalten wird, ist ein menschenähnliche», leidenschaftliche», ungerechte», prahlerische», etfersüch- ttge», rücksicht»lofe» und grausame», aber auch uner- gründliche» Wesen." (S. 17.) „Soll man wirklich noch länger die göttliche Natur mit mystischem Ge- spensterglauben (gemeint ist da» Christentum) ver- quicken lassen und für solche Albernheiten neue Reli gionskriege, also di« schrecklichst«» Blutropfer, und Milliarden an Geldopfern für die Kirche und ihre Priester aufwenden, wo die Kulturländer immer tiefer in Schulden kommen?" (S. 30) „Die zehn Gebote von Moses sieht man für alle Menschen auch heute noch für gültig und zweckmäßig an ... . Wohl dem jungen Menschen, der rechtzeitig die Entdeckung macht, daß diese psässtschen Ktnderlehren, die kein Theolog selbst ernst nimmt oder gar befolgt, leere, nichtssagende, ja unflttige Wort« sind, gut für die Volksverdummung, aber verderblich für da» praktische Leben im Existenz kämpfe!" (8. 36.) Monismus und Naturalismus verträgt weder Komödiantentum, noch psässtsche Fröm- melet, und deshalb mutz es in der heutigen Zeit zwischen beiden Richtungen aus einer Seite die nötige Verachtung und auf der anderen Seite blöden Haß und die mit erhöhtem Eifer betriebene VolkSoerdum- mung geben." (S. 40.) — Mit solchen Mitteln sucht man unsere Lehrerschaft, wrlcher der Religionsunter, richt anoertraut ist, der Kirche und dem Christentum zu entfremden! Der Vorgang zeigt aber auch, wie man auf monistischer Sette unsere Lehrerschaft ein- schätzt und gegen diese Verkennung sollte sich diese wie «in Mann «rheben. Vermischtes. * (Kostbare Weihnachtsbäume.) Der schönste Schmuck de» Weihnachtsbaume» ist ohne Zwei fel die Ltchterschar, in deren Glanz das Symbol des Christfeste» feierlich erstrahlt. Und mit Recht wird e» daher wobl vielen wunderlich erscheinen, daß da» schlichte Kleid der Tonne bt»weilen durch die erlesen- sten Kostbarkeiten geziert worden ist. So pflegte die Königin Viloria alljährlich ihren WethnachtSbaum mit vielen kostbaren Dingen zu behängen. Aber am wertvollsten war doch die erste Christtanne, di« im Gräfin Felicie von Mielzynska, geb. von Potocka. Zu der Bluttat des Grafen Mielzynski Graf Alfred von Miaczynski, Neffe der Gräfin, auf schloß Dalowy Mokre in Pofen. Die Ehetragödir auf Schloß Dakowy Mokre (Reichstagsabgeordneter Graf Mielzynski, seine Gattin und ihr Neffe. Graf Matthias von Vrudzewo Mielzynski, der Mitglied des Reichslage» ist, hat auf Schloß Dakowy Mokre seine Frau und den Neffen seiner Frau, den Grafen Alfred von Mtazynski, den 24 Jahre alten künftigen Majoratsherrn des Gutes Bleu- dowo bei Stenschowo, erschossen. Es scheint, als ob der Graf in der Nacht seine Gattin mit ihren, Neffen bei unerlaubtem Verkehr überraschte. Graf Mielzynski Hot sich selbst den Behörden ge- stellt. Er befindet sich äugen- bkicklich im Amtsgerichtsgefäng nis in Graetz in Untersuchung»- Haft. WWWW Heimat! Orginal-Roman von A. Marby. 10) (Nachdruck verboten.) Der Erbe! Wer wird es sein? Der Zunächstberech tigte ivar seit vielen Jahren verschollen. Die Erfolglosigkeit der in den verschiedensten in- und ausländischen Zeitungen wiederholt erlassenen Ausrufe nach Ernst Georg von Eckarts burg ließ nicht mehr aus seine Wiederkehr hoffen. „Don seinem Schuldbewusstsein", sagte Marie Luise mit anklagender Härte, „in die Fremde getrieben, ist er darin untergegangen, verdorben, gestorben". So mochten auch „andre" glauben, die voll Ungeduld auf die gesetzlich beglaubigte Nachricht vom Tode des ver schollenen Vetters warteten. Da ivaren im letztvergangenen Frühjahr zwei Herren, die sich „von Eckartsburg" nannten, und als vollberechtigte Erben ausgaben, unerwartet im Schlosse eingetroffen. Obgleich sich Vater und Sohn höchst mißfällig über die fatal zerrütteten Verhältnisse der Standes- herrschaft äußerten und erklärten, sie wäre gegenwärtig kei nen Heller wert, waren sie geneigt, den Besitz anzutreten, so bald ihr Erbrecht auf das Majorat gesetzliche Bestätigung gefunden haben würde. Als ob sie das Besitzrecht bereits ln der Tasche trugen, so sicher mit Herrschergelüsten, traten die Agnauten aus, schlugen selbst gegen den Administrator, Viktor von Gehren, der erst kurz zuvor sein Amt auf Eckarts burg angetreten hatte, einen beleidigend hochmütigen Ton an, erteilten Befehle, tadelten, bis ihnen der junge Bevoll mächtigte ruhig und fest erklärte : „Zur Zeit hätten seine An ordnungen einzig und allein Gültigkeit". Im stillen gelobte er sich, Eckartsburg sofort zu ver lassen, im Fall das Majorat jener Seitenlinie, deren Haupt gegenwärtig im Schlosse weilte, zugesprochen werden sollte. Herr Gehren und Frau Müller, selbst die niedere Die nerschaft atmete auf, als die unliebsamen Gäste endlich ab- reyten, die während ihrer vierzehntägigen Anwesenheit zu Gehrens stiller Verwunderung und Frau Müllers offen aus gesprochener ehrlicher Entrüstung sich mit keinem Wort nach den Töchtern des verstorbenen Majoratsherrn erkundigten, vielleicht in der Furcht, durch eine teilnehmende Frage nach dem Geschick der armen Verwandten sich eine lästige Ver pflichtung aufzubürden. Aber auch die beiden Baronessen trugen kein Berlangen nach der persönlichen Bekanntschaft der ihnen weitläufig verwandten „Glücksjäger", wie Maria Luise sie nannte, die voll Bit erkeit hinzusügend, nicht ab warten konnten, das Majorat in Besitz zu nehmen. So lange die vermeinten Erben im Schlosse weilten, be durfte es der Abmachung Marie Luisens für die jüngere Schwester nicht, sich geflissentlich selbst von der näheren Um gebung des ihr so unendlich teuren Herrensitzes fern zu hal ten. Dagegen hatte sie seine Schwelle, seit ihrer Niederlas sung in der Meierei, noch nicht wieder so ost hintereinander überschritten, wie im Lause dieser jetzigen anhaltend schönen Märztage. Unter den plausibelsten Vorwänoen erschien sie wieder bei Frau Müller, traf auf ihrem Wege auch ein paar- mal mit dem Administrator zusammen, aber bei allen ihren längeren oder kürzeren Gesprächen sah sie weder von dem einen noch dem anderen ihr heimliches Verlangen erfüllt, nä heres über ihren Lebensretter zu erfahren. Nicht Herr von Gehren und nicht Frau Müller erwähnten seines kurzen Be suches, den Administrator direkt nach dem Unbekannten, mit dem Herta ihn von weitem gesehen, zu fragen, hielt eine son derbare Scheu sie ab. Aber mit der Schwester mußte sie über Gehrens und Frau Müllers auffallendes Geheimhalten sprechen. „Ich begreife nicht, Kleine, wie Du Dich deshalb aus- regen kannst", versetzte Marie Luise mit ihrem abweisend spöttischen Lächeln. „Was kümmern uns denn auch Herrn von Gehrens Bekannte? Außerdem hat er ja doch keine Ahnung von Deinem Interesse für den Bewußten. Ob ers überhaupt noch war? Du standest an jenem Tage noch so vollständig unter der Nachwirkung des Schrecklichen, daß Du schließlich das Opfer einer Sinnestäuschung wurdest und den Gegenstand Deiner Gedanken in Gehrens Begleiter zu er kennen glaubtest". „Nein, Liesel, eine mögliche Augen- und Sinnentäu- schung meinerseits ist ausgeschlossen", sagte Herta in bestimm tem Tone. Bon Stund an sprach sie von dem, was einzig ihr junges Herz ersi "te, nicht mehr, und da Marie Luise ebenfalls mit Absicht vermied, daraus zurückzukommen, konnte es den Anschein gewinnen, als ob die Erinnerung an de" durch Hertas Unbesonnenheit herbeigeführten aufregenden Vorgang in der Residenz, der ohne das blitzschnelle Zugreisen eines die Gefahr erkennenden Zuschauers ein tragisches Ende genommen hätte, sich allmählich verflüchtete. Inzwischen kam der Herbst mit seinen rauhen Winden, die die letzten gelben Blätter von den Bäumen wirbelten, und mit schier nimmer endenden Regengüssen, die breite Rinne durch die Dorf-, Wald- und Parkweae rissen, besonders aus- gefahrene, oder sonst schadhafte Stellen in Morast verwan delnd, unpassierbar für Fußgänger. Die Baronessen hatten das Haus seit Tagen nicht ver- lassen, doch nicht allein die Ungunst des übellaunigen Wetter gottes hielt sie in ihrem Arbeitszimmer fest, sondern beiden in jüngster Zeit durch Justiziar Kaltenbachs Vermittlung zu teil gewordene Aufträge, die eine pünktliche Ablieferungsfrist bedingten. In emsiger Tätigkeit schwand den Schwestern Tag um Tag dahin. Sich in der täglich früher Hereinbrechen chen Dämmerung kaum eine kurze Erholungspause gönnend, arbeiteten sie dann bei Lampenlicht noch einige Stunden. Ost schrieb Marie Luise bis tief in die Nacht hinein, wogegen sie bei der jungen Schwester auf das Zubettgehen in festge setzter früherer Stunde hielt, jede Opposition mit der Bemer kung abschneidend: „Deine zarte Körperkonstitution verlangt zur Kräftigung mehr Schlaf, als solch' robustes Menschen kind, wie Deine strenge Mentorin. Also ungestörte Ruhe, Kleine, und freundliche Träume!" Doch bevor Herta dem liebreichen Befehl gehorchte, schob sie noch fürsorglich ein paar Holzscheite in den unersättlichen Schlund des altdeutschen hübschen Kachelofens, als es lustig ausprasselte und anfing, behagliche Wärme zu verbreiten, erst dann verließ Herta mit zärtlichem Gutenachtkuß die uner müdlich fleißige Schwester. Es war ein unfreundlicher Novembervormittag. Große Regentropfen schlugen schwer gegen die Fensterscheiben, der Wind pfiff durch alle Ritzen und ob die Bedienung schlecht ihres Amtes gewaltet? es war kalt im „Studio" der Baro nessen. Herta sah, wie Marie Luise wiederholt fröstelnd zu sammenschauerte. Sie hatte allerdings wieder bis nach Mit ternacht geschrieben, nicht allein, weil die Arbeit pressierte, f