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Nr. 98 Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 16 August 1918. Sette 6. seit» wurde mit knapper Mehrheit beschlossen, noch mals den Versuch einer Einigung der Turnerschasien tu machen, um so das Zustandekommen der olymbi- schen Spiele nicht zu gefährden. Frankreich. Paris, 14. August. (Eine deutsch- sranzöstscheAnnäherung.) Der „Cri de Part»' schreibt: Jetzt, nachdem der Frieden in Bukarest ge- chlossen ist, kann Europa sich mit anderen Sachen be schäftigen. Wenn wir einem Freunde glauben, der gut unterrichtet ist, so wird die europäische Diploma tie keinen Feiertag haben. Mit größtem Feingefühl und größter Geduld arbeitet König Georg von Eng- land an einem großen und delikaten Projekt: Der An- Näherung Frankreich» an Deutschland. Bi» jetzt ist noch nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen, nur ein große» Londoner Blatt hat auf Befehl einen Versuch«- ballon steigen lassen. Frankreich und Deutschland werden sich dazu verstehen, eine Revision de» Frank- surter Vertrage» vorzunehmen. Der britische Souverän und seine Berater verhehlen nicht, daß Deutschland niemals Llsaß-Lothrtngen an Frankreich zurückgeben wird, ganz gleich, welchen Preis man dafür bietet. Aber würde sich Frankreich vielleicht mit einer Grenz- regulierung begnügen, welche ihm eine große Parl.e der 1870 verlorenen Elsaß zurückgeben würde und welche Entschädigung würde Deutschland hierfür ver- langen? Was müßte Frankreich geben? Indochina oder Madagaskar oder den Kongo mit einigen Inseln im Stillen Ozean? Dar wäre billig. Vor 20 Jahren warf man dem damaligen Kolonialminister Etienne vor, daß er die Stärke Frankreich» verschleudere durch koloniale Besitzungen. Ettöane antwortete: Laßt mich nur machen, wir nehmen Garantien, welche un» viel leicht gestatten, unsere europäische Lage einmal zu ver bessern. Wäre e» nun vielleicht dem Krieg-Minister von 1913 vergönnt die Pläne verwirklicht zu sehen, die er al» Kolonialminister 1893 entwarf? E» ist nicht» unwahrscheinlich. König Georg hat alle» vorgesehen, e» fehlt nur noch an der Zustimmung Deutschland» und Frankreich». Türkei. Konstantinopel, 15. August. (Die ent- schlossene Türket.) Der Großoester ermächtigte den Korrespondent de» „Daily Telegraph" zu erklären, daß die Drohung Sir Edward Grey» die Haltung der türkischen Regierung völlig unverändert ließe, und daß die türkische Regierung keine Drohungen, woher sie auch kommen mögen, von ihrer Haltung abbringen könne. Weder die Vorau»enthaltung auf finanziellem Gebiete noch eine Flottendemonstration würden ihren Entschluß erschüttern. Selbst dem Einschreiten einer Großmacht würde bi« zum Aeußersten Widerstand ge- leistet werden. Die Türkei würde eher völlig unter- gehen, al» Adrtanopel und Thrazien den Bulgaren überlassen. Amerika. Newyork, 14 August. (Gewaltsame Schließung der Newyorker Restaurant».) Die hiesige Polizei hat in der letzten Nacht mit Ge walt die Verordnung de» Bürgermeister» betr. Schlie- ßung der Restaurant» durchgeführt. 50 Mann stark erschien die Polizei punkt 1 Uhr in einem Restaurant de» Broadway und begann damit, die anwesenden Gäste einfach vor die Tür zu werfen. Tische mit Eß waren stürzten am und e» entstand ein großer Tumult. Viele Gäste verloren bei ihrer gewaltsamen Entfernung Juwelen, Uhren, Portemonnaie» usw., sie beabsichtigen daher, gegen die Polizei gerichtlich vorzugehen. wie dis söckslfcken Semeinds - Voifleder über Vas Srausnfilmmrsckt Senken? In Sachsen haben die FrauenfUmmrechtlerinnen kein Glück. Der Sächsische Landerverein für Frauen stimmrecht hatte an die Gemeindevorständ« eine An frage gerichtet, wieviel Frauen nach ß 24 der Revi- vierten Landgemein .»rdnung stimmberechtigt sind. Die Gemetndevorsscher haben den Frauenrechtlerinnen zum Teil recht drollige und launige Antworten zu- kommen lassen Der Gemeindevorstand StUegler in Sinselwitz schreibt: „Geehrte» Fräulein! Ich möchte Ihnen den guten Rat erteilen, daß Sie Ihrem Ort»- verein vorschlagen, sich doch lieber um die Kochkunst zu kümmern, al» um da« Frauenstimmrecht' — Ge meindevorstand Arnol' Bockwitz: „Die öffent'iche Mei- nung in hiesiger Gem.iude geht dahin, daß e» für eine junge Dame besser wäre, wenn sich dieselbe um einen Mann kümmerte, al» um hiesige Gemeindeange legenheiten'. Ein anderer Gemrindevorstand: „Geehrt« Frauen! Die Frau gehört in» Hau» und Küche und möchte lieber einen Strumpf stricken, unsere Frauen haben keine Zeit zu wählen, die müssen da» Vieh füttern, bei dieser Leutenot, daß da» Vieh wieder etwa» bil liger wird. Die Mädchen können zu un» auf» Land kommen, da finden sie Arbeit. Arbeiten will heutzu tage niemand mehr. Die Rittergüter- füttern keine Schweine mehr, denn sie bekommen keine Mägde für hohe» Lohn und daher da» teure Fleisch'. — Die launigste Antwort erteilte Gemeindevorstand Munkelt in Malfltz bei Bautzen. Sie lautet: „In hiesigem Ort« befinden sich keine stimmberechtigten Frauen. Aber den Frauen rate ich, doch lieber sich mit Strümpfestopfen Hosenflickeu und Suppekochen vertraut zu machen, denn wenn sie mal heiraten wollen, können sie nicht?. Im übrigen, wa» geht dem pp. Fräulein unsere Ge meindewahl an? Will sie vielleicht die ganzen Steuern für uu» Männer bezahlen? Sonst geht e» bei un» immer sehr gemütlich zu, will sich da» Fräulein irgend hier ansässig machen. Ich glaube aber, hier bekommt sie auch keinen Mann, denn dis hiesigen Schönen lassen sich auch nicht gern von den Fleischtöpfen Aegyp ten» sorttreiben. Denn, wie gesagt, bei un» geht r» sehr gemütlich zu, weil sich unsere Frauen nicht mit Politik befassen, da» überlassen sie un» Männern. Sie kochen den ganzen Tag über ein gute» Essen und > wir abends in di« Kneipe gehen und wieder nach Hause kommen, haben sie auch schon wieder eine gute Tasse Kaffee fertig und da» loben wir und sie sind glücklich. Wenn Sie nun darselbe auch so machen, wird e» Ihnen auch gut gehen, aber ein hochgelehrte» Herr Frl. Dr. jur. oder dergleichen wird nimmer eine gute Hau»frau ab- geben. Also auch hier hier gilt da» Sprichwort: Schu ster bleib bei deinem leisten'. AZ» Ler Server». Nerven-Kraktnsiirunx unä erprobtes Kräk- iixun^mitlel kür 8x11^3x59x50 unä kelkon- valesre»ten. kmpkoklen bei nervösen Störungen, Lrscböpkunxen unö klutarmut. In pscknnxen von zi 1,50 bis U 11,50. 7u kaben in 4potbeken unü vrozerien. Magdeburger Wettervorhersage für Leu 17. August. Wechselnd bewölkt — zeitweise heiter — etwas wärmer — spä ter Gewitterneigung — teilweise Regen. Für den 18. August. Wollig — etwas kühler — zeitweise Regen. vutter Preise auk diesigem wockenmarkte Sonnabend, den 16. August 1913: — 4 Stück M 2.80—2 90 — Marktpreise zu Kamenz am 14 August 1913. höchster »niedrigster Preis , Preis Preis 50 Kiio M. Pf- M. Pf. M. Pf. Korn, neues 8 10 7 75 S-u M ' — — Weizen 9 65 9 40 3 50 Gerste — — — — e-Urrch 1200 Schütt- Pfd.Maschin. 20 — Hafer 8 40 7 50 14 — Hafer neuer Heidskorn 7 90 7 50 Butter 1 KiloN^ niedrig. 2 2 80 50 Kartoffeln — — — — Erbsen 1 Kilo — —— neue 3 so — — Eier 8 Pfg. Marktpreise für Schweine uud Ferkel in Kamenz am 14. August 1913. Läuferschweine: pro Paar: Ferkel: höchster P>e!s 1'0 Mk. höchster Preis 46 Mk. Wittler „ 100 „ mittler „ 36 „ niedrigster 90 „ niedrigster „ 28 „ Für ausgesuchte Ware Preis über Notiz. Ges^üftsgang schlecht. hrbrnd. Anni Suodhiim streichel«« froh di« will« Hand, di« ans ihrem Arme lag. Mi« froh bin ich, daß Du Dich heut« ein wenig besser ssthlst. Gehe» wir auch nicht zu schnell Di« alt« Dam« lüch«lt« wehmütig. „Ach, mein« Anni, wie schwer mag e» Dir sein, Deine fii»Im Füße mein«« Tempo anzupass m. Anni schüttelt« mit sonnigem Lächeln d«n Kopf. „Gar nicht schwer! Ncht« ist mir schwer, wa« ich dir zuliebe tun kann.' Str waren an den Fenstern de« Lis«saal«S vorkbngr« gangen, in dem di« große« Erlerschi« Wandgrmäldr ange bracht find. Ja einem Korbstnhl an einem d«r geöffneten Fenster saß eine älter« Dam« und la». Unwillkürlich hatte fi, den Kopf grhobm, al« Mutt«, und Tochter langsam draußen vorübrrgi«g«n. Sie hatte gestützt, al« fie in da« Erficht der Mutt« blickt«. Nan «hob fi» sich überrascht und sah ihnen «ach. „Da« war doch Bettina — ganz gewiß — da« m«ß Bettina g«w«se» sein/ sagt» fi« Iris« vor sich hin, al« wollt« fi« sich srlbft rintn Zweifel beschwichtigen. Und kur, «nk- schloff«» legt« fi« di« Zeitung in drr fi« g«l«s«n hatte, auf den T sch, d«, vor ihr stand, «nd verließ den Lisesaal. Sie schritt schn«ll durch da« Speis«,immer und di« beiden Konvir« sationSräume. Dann eilt, fi« durch den trppichbelegten Gang «ach d« Garderobe, ließ sich Mantel und Schirm geben «nd »«ließ da« Kurhau» durch drn Hinte«« Au«ga»g. Schnell k««,te fi« den groß«« Konpriplatz vor de« Park« »«ich «nd bog in de» breite«, -utg,pflegte« Weg ei«, drr »echt« um den Teich tiefer in de« Kurpark führt. Dies«» W-g mußt«« di» b»id«n Damen »ach ihrer Mei- «ung «ingrschlagr» habt«. Forschend sah st» d»ns«lb«n rnllang «nd »«tdickt« dann auch sofort di» zwei Gesucht««, di« auf rinir Ba«k im von«««- schein Platz genommen hatten. Ohne Zöger« schritt st« mit ««gische« Haltung ans di» biiden Dame» zu. Dicht neben der Bank blieb st« stehen. Roch ,i« prüfender Blick traf au« ihren Augrn da« Gesicht drr alt«» Dam« di« sich zu gleicher L«U überrascht au» ihr« ruhend,n Stell,«, aufrichtrtr. Anch t» ihr,» Ang» blitzte »in Strahl d»« Erk»»»»»«. „Bettina! Nicht wahr — du bist r»! rief di« Ang«- kommen« mit freudige« Aufdruck und »«gleich streckten fich di» beidra Dam»» impulsiv di« Hände entgegen. „Elisabeth — wilch ein glücklicher Zufall! Wi, freu« ich mich, dich einmal widrrmsthm.' erwiderte Fra« Bettin, Sundh im. Elisabeth von Saßneck neigt» ihr frisch«« Gesicht herab und küßt« Frau Sundheim herzlich auf drn M»nd. Trotzdem st« fastti« einem Alter waren — fie waren Pen- fiontfreundinnr» gewesen — erschien Fra« von Saßneck b« d»ut«nd jünger. Bettina Sundhei« hatte «in schwer«« Leid«» früh«» altirn lassen. „Blrtb fitzen, Bettina, ich sah an Deinem müden Gang, daß Du leidend bist. Aber ich erkannte Dich sofort al« ich Dich am Lesesaal vorübergrhen sah, trotzdem Du Dich sehr verändert hast.' Bettina lächelt« wehmütig. „Ja, Elisabeth, ich bi« zur Kur hier. Aber Du? Du stehst gottlob nicht au«, al« brdürsttst Du ein«, solchen." „Uud doch bin anch ich auf ärztlich« V«rordnu«g hier, w«»n auch mehr, um «inen Leide» vor,»beuge». Wen« man über di« Fünfzig ist, stelle» fich allerhand Gtbttchm rin. Ich wollt« erst gegrn de« ärztlichen Befehl rrvolti««», weil ich mich gottlob gar nicht krank fühl«. Aber mm fr««« ich mich doch, daß ich g«horsa« war. So seh ich dich doch nach Iah« ,m endlich «inmal wiedir. W.« lang« ist e« her, daß wir un« »icht begegnet find? Fünf Jahr« gewiß." „Ja, so lange ist e« he». Wir haben un» ji leid«« im- mrr s«hr siltr» wiedergesehen. viit wir al« halbflügge Mm» schrn di« g«mei»,am« Pmfio»«pit hinter un« hatte», find wir un« immer wieder durch «in glückliche« Ungefähr auf Reise» begegnet.' „Da« Schicksal hat un« weit au«ei»and«g,führt. Al« ich Dich vor fünf Jahre« i« Schevmmgm traf, war ich kau« imstande «ich an dem Wiedersehen mit Dir ,u fr««,«.' „Ja, Du Arm«, da hattest D« da« größt« Läd Deine« Leben« zu trag«», dm« Du hattest kur, ,«vor Detum Sohn vrrlore«.' Fra« vo« Saßmck« Augm trübte« fich. „Seit sech« Jahre» biwei»« ich m«i»e» Emzigm, Bet« ti», ab« i»,wischm hab« ich »och «i«n a«d«m Verlust er litten. Mei» M«»n starb vor drei Jahre», er ko»»te d« Verlust «ns««» Sohne» »icht verwinde».' Bettina Sontheim« Auge» feuchtete» fich. „So find wir beide Witwe», Elisabeth.' „W « — auch du?' „Ja, vor zwei Jahr«» habe ich meine» Mann verlor«« — und viele« andere »och. Seit der Zeit bi» ich »i« mehr gesund g«w.sm.' Frau vo» Saßneck faßte ihre Hände. „Dir hat da« Schicksal aber wenigsten« dein liebr« Töchterchen erhalte». Wir reich bist Du »och immer,' sagt« fie tröstend. Und dann wandte fie fich an Anni S«»dheim, di« sich artig erhoben hatte, um Fea« von Saßnitz ihre» Platz au» zubieten. „Verzeihen Sie, wen» ich Sie erst jetzt begrüß», mein liebe« Kind. Sie gestatte» mir dies» vertrauliche A»r»de, dm» ich kannte Sie schon, al« Sie noch »in kleine« Mädchm warm. Freilich werden St« fich m«i»«r kaum noch «rt«»«r». E» war vor «ngrsähr ,-h» od«r «lf Jahr», al« wir in Zop» pot unsre« Bekanntschaft machte». Si« «an»tr» mich damal« sehr lieb und vertraulich Tante Elisabeth.' An»i« Gesicht rötet» fich. „Doch, gnädige Frau, ich erinnere «ich »och sehr gut jmer Zeit. Frage« St» Mama. Di» gütig» Tante Elisa« b«th, de« mir rin« schöne Peppe fchmkt« und ihr Soh» Han«, d«r mit «i, herrliche Sandburgen baute, habe« lange meine kindlich« Phantast« bistäftiot.' Fra« von Saßneck smfztt. „Ja, liebe Bettina, damal« «ar,» wir srhr glücklich und verlebt«« so««ig« Woche». Und ,v«i Jehr, spät«, trafm wi, i» N„a zusammm. Auch da war un« da« L<bm »och hold, »l« wi, un« später in Sch«vmi»g«n begegnet«», hatt« mich schon d« erst« hart« Schlag getroffe«, ««in H,n« war «» tm»k«, mit einem Kamerad«« zusamme», d«« ,, hatte »ettm wolle». Damal« konnte ich selbst Dein, Gesellschaft schwer ertrag«»." „Und »n» treffen wir UN« «ach Jahre« wird«, hi«. Oh, wi, habm wohl «i«andr, viel zu «zähle». Hast Du ei» wmig Zeit fü, «ich? (Fortsetz»«, folgt.)