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Nr. 15 Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 4. Februar 1913. Seite 6. ment, in dem diese Kraftmenschen die letzten Muskelfasern zusam menreißen! Lin Moment, der das Blut in tausend Menschen zum Erstarren bringen kann. „Die lebende Brücke" wird ein Schan- spiel bieten, wie es Dresden niemals erlebt hat Aber sie wird nicht die einzige Ueberraschuna sein, die der Lircus Sarrasan! di rekt aus Amerika zu uns herübergeholt hat. Mit dem Aufwande einer enormen Gage ist es ihm gelungen, den drüben mehr als berühmten Ausbrecherkönig Harry Morton nach Europa zu locken. Harry Morton ist ein Lntfeffelnnqskünstler, der vor keinen Schwie rigkeiten zurückschreckt, ja der die Schwierigkeiten direkt anfsucht. Harry Morton erlöst sich aus sämtlichen Polizeifesseln der Welt: Harry Morton bietet sooo Mark demjenigen, der ihn so fesselt, daß er sich nicht befreien kann. Harry Marton spottet jeder Zwangs jacke. Aber Harry Morton vollbringt mehr als das. Er wird sich — anfs schwerste gefesselt — einen Strick um den Kals legen und bis in die höchste Höhe der Lircuskuppel emporziehen lassen, um sich so der Fessel zu entledigen. Ls ist dies ein Kunststück, in dem Harry Morton niemals einen Rivalen gefunden hat Sarra- sani's Novitäten sind mit diesen beiden gewaltigen Attraktionen kei neswegs erschöpft. Sarrasani wird ein fundamental neues Pro gramm seinen Besuchern zeigen, in ihm glänzen Darbietungen, wie sie Dresden niemals sah, und wie sie geeignet sein werden, dem Lireus Sarrasani die vollbesetzten Häuser zu erhalten Sämtliche Attraktionen werden nicht nur des Abends, sondern auch in den Nachmittagsvorstellungen (Sonnabend, Sonntag, Mittwoch z Uhr) znr Ausführung gelangen. 6us v m Ssricktssaals. Paris, 2. Februar. (DerKampfgegendasdeutsche Fabrikat in Frankreich) Das Polizeigericht fällte gestern das Urteil in dem Prozesse, den die französische Reifenfabrik Michelin, die seit einiger Zeit in dem Kampfe gegen das deutsche Produkt in Frankreich eine Rolle spielt, gegen die Hannoversche Continental Guttapercha Co. angestrengt hatte. Letztere wurde zu einer Geldstrafe von 1V0 Mk. verurteilt, weil sie die Auf schrift „Fabriziert in Deutschland an ihren Gummireifen so anbrachte, daß das Zeichen abgeschnitien werden konnte, ohne dah der Reifen beschädigt wurde Das Gericht sah hierin einen Betrug und fällte das erwähnte Urteil. Stimmngsbilder ms dem WchstM Sitzung vom 1. Februar 1913 Der Reichstag hatte heute nur eine ziemlich kurze Sitzung. Das Hans wies, wie meist am Sonnabend, eine recht schwache Besetzung auf, umsomehr, als noch zwei freie Tage in Aussicht standen und die Herren „M. d. R." sich noch gern ein paar weitere Feiertage zulegen. Das Haus w es so starke Lücken auf, daß man davon Abstand nahm, über eine Resolution na mentlich abzustimmen, da sich sonst die Beschlutzunfähigkeit des Hauses ergeben hätte. Die dritte Lesung des Zollerleichterungs- puknitref >Voctienbl3tt Amtsblatt 6e8 K^I. ^mts§encstt8 unck cies Ztacitrates ru pulsnitr Nur Uark 1.— xro Ous.rts.1 Kei ^bkolunA in Zer Liesest ästete Ile. össtsIIunASN wsrZsn jsdsrrsit sntASZsnxsnommsn gesetzes ging ohne sonderliche Schwierigkeiten von statten. Nach den bisherigen ergiebigen Debatten wuhte man beim besten Willen nichts neues mehr zu sagen und so wurde dann das Gesetz in dritter Lesung gegen die Stimmen der Konservativen angenommen Endlich kam man nun zum Etat des Reichsamts des Innern und zwar zum Kapitel Reichsgesundheitsamt, wo bei wieder verschiedene Abgeordnete Spezialwünsche vorbrach- ten. Dann begann man nochmals mit dem Etat des Reichs- patentamtes, wobei der Zentrumsmann Bell eine baldige Ein bringung der Novelle forderte Vergnügt ging man dann bis Mittwoch auseinander. Di: türkischen Zugeständnisse an die Balkanstaaten. Die türkische Antwort auf die Kvllektivnote der Groß mächte ist erfolgt. Man kann nur sagen, daß die Türkei alles mögliche getan hat, um- ihre bisherigen Sieger zufriedenzu stellen , man will sich jedoch aus feiten der Balkanstaaten nicht damit zufrieden geben. — Die Verhandlungen sind ab gebrochen und > er Waffenstill stand ist gekündigt worden. Ganz wollen die Türken Adria- nopcl nicht preisgeben, sie wol len diejenigen Teile der zwei- ten Hauptstadt ihres Reiches behalten, in welchem die heili ge» Orte der Mohammedaner liegen. Die Türkei ist bereit, das rechte Ufer der Tunischa, des mitten durch Adrianopel fließenden Nebenflusses der Ma- ritza, abzutreten, und sie ist be- reit, die Befestigungen von Adrianopel zu schleifen. Was die Inseln im Aegäischcn Meer anbetrifft, so wünscht die Türkei aus strategischen Gesichtspunk ten ihre Souveränität über die jenigen Inseln aufrechtzuer halten, welche in der Nähe ihrer Küst n liegen. Sie will aller- dings den Mächten die Bestim- mung des Regimes überlassen, unter dem die Inseln stehen sollen. Diese Anerbietungen genügen den Balkanstaaten aber nicht und so werden denn in den nächsten Tagen wahrschein lich wiederdieKanonen sprechen. DMßiopcl. K0lW7E1N0pkl. o 10 M;o <-o ro 100 km 7mm Bericht über die Warenpreise im Großhandel in der städtischen Hauptmarkthalle zu Dresden am 31. Jan 1913 Marktlage: Rot- und Rehwild fest im Preise. Hasen ruhig Geschlachtetes Hausgeflügel beachtet. Obst und Süd früchte mäßiges Geschäft. Apfelsinen billiger. Grünwaren reichlich am Markie und teils teurer Kartoffeln preishaltend. Eier weiter billiger. Butter und Käse unverändert. Rotwild, Dammwlld, Rehwild, Hasen und Kaninchen un verändert. Fasanenhühner und -Hähne unverändert. Geschlach tete Gänse 70—80 Pf., Truthähne 1 M, Truthühner, 1,10 M, Kapaunen 2,50-4 M, pro Stück. Butterund Käse unverändert. Landeier 6-6,20 M, Böhmische 4,80 M, Russische 4,60 M, Kalkeier 4 M für 60 Stück. Aepfel unverändert, nur Mar- chansker 12 M für 50 kx. Amerikanische Aepfel Kiste 20/22 Kg. 9-16 M, Italienische Apfelsinen Kiste 200er 8-19,50 M, 300er 8,25-19,50 M, Spanische, Kiste 420er 15 20,50 M, 714er 20—24 M, Zitronen Kiste 300er9—12 M. Blumenkohl 8-50 M, Rotkraut 27-28 M, Welschkraut 28 M für 100 Stck. Rosenkohl 25—50 M, Weißkraut 2,50 M, Grünkohl 12—12,50 M, Spinat 28 bis 30 M, Paradiesäpfel 50—65 M für 50 Kg. Kartoffeln unverändert Maltakartoffeln 8 M für 50 Kx. Dresdner Produkten - Börse, 3. Februar. Wetter: Regen. Stimmung: Matt. Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: Westen, weißer , brauner alter 75—77 Kilo, 196—200 M do. 73 bis 74 Kilo 190—193 M, do. neuer M, do. russischer rot 227—236 M, Kansas alter und neuer, 235—238 M, Argentinier 225-332 M Duluth springt I 237 bis 239 Mark, Manitoba 4 222 - 224. Roggen, inländischer alter 70—73 Kilo 163—169 M, do. neuer 67-69 K. 154-160 M, Sand do. do. 70—73 Kilo 166 bis 172 M, posener neuer M, russischer alter — M. Gerste, sächsische 178-189 M, schlesische 182 -198 M, pose- ner 187-108 M. böhm. 210-218, Futtergerste 162 166 M. (Feuchte Ware unter Notiz.) Hafer, säcksischer 174—184 M. feuchter und beschädigter 127 bis 157 M, schlesischer 174—184 M, russischer >81 — 185 M. amerikanischer 184—186 M. Mais Cinquantine 214—219 M, Rundmais M La Plata, gelber 153-156 M. Erbsen, Saat ü. Futter, 185-200 M, Wicken 215 -230 M. Buchweizen, inländischer 195—285 M, do. fremder 200—210 M. Melsaaten, Winterraps, scharf trocken M. Leinsaat, feine 285—290 M, mittlere 265—275 M, La Plata 245-250 M, Bombay 285 -290 M. Rüböl, raffiniertes 72 M Rapskuchen, (Dresdner Marken); lange 14,50 M, runde — M Leinkuchen, iDresdner Marken) I 18.00 M, II 17.50 M. Mast 33,00-35,00 M. Weizenmehle (Dresdner Marken), Kaiserauszug 35.50 36 00 Grießlerauszug 34,50—35,00, Semmelmehl 33.50 34.00 M, Bäckermundmehl. 32.00—32.50, Grießlermundmehl 24.5o bis 25.50, Pohlmehl 21.50 22 50. Roggennrehle(Dresdner Marken , Nr 0 26.50—27,00 Nr. 0/> 25 50 -26 00 Nr. 1 24,50 -25.00, Nr. 2 22 00 23.00, Nr. I 21.00-22.00, Futtermehl 14 40- 15 20. Weizenkleie «Dresdner Marken , grobe 11.60 12.00 feine 11.20—11.60. Roggenkleie (Dresdner Mark). 12.00—12 60. Setteivedericdt. Infolge Jnlandsangebot war der Letreidemarkt heute schwächer Auch Rüböl verkehrte in abgeschwächter Haltung auf billigere Saaten. Der geschätzte Radfahrer-Klub t Il i „Phönix" lädt den Ortsausschuß zu p « seinem nächsten Sonntag, d 9. Fe ¬ bruar im Hotel „Schützenhaus" abends '/,8 Uhr statifinkenden 5. Stiftungsfeste herzlich ein. Kegen Karte, die beim Schulhausmann, Herrn Schwie- bus, zu entnehmen ist. haben auch Jugendliche zur Galerie Zutritt. Mit Beginn des Balles aber haben diese den Saal zu verlassen. Dem geschätzten Radfahrer-Klub „Phönix" sei für seine Freundlichkeit herzlich gedankt Magdeburger Wettervorhersage zum 5 Febril rr. Ein wenig kälter, wechselnd bewölkt, zeitweise heiter, etwas Niederschläge in Schauern. Du wüst »in« Gerlachhaus«« — rin neu«» Geschlrcht mögr i« Ravtnau aufblüheu! Golt segn« diese« Geschlrcht, dem di« letzt« Gräfin Ravenau angrhör«» wird. Und wen« du glücklich bist, dan« verzeih« mir, daß ich dein« Kindheit freudlos vergeh«« ließ. Mein« Liebe und mein Segen mit dir allezeit! Dein Großvater Rudolf Ravenau. Jutta hatte ditsen Brief mit wachsender Erregung und Interesse gelesen. Nu« griff st« hastig, mit zitternde» Hände» nach dem anderen. Heiße Tränen rannen über ihre Wange«, st« mußt« fi« wi«d«r und wi«d«r trockne» und »er« mochte dir Buchstaben de« zweit«» Briefe« kaum noch zu les«». Zu mächtig war die Bewegung über de» Großvater» liebe« volle» Worte. Endlich beruhigte fi« sich so weit, daß sie den andere« Bries lese« konnte. Mit unbeschreibliche« Gefühle« erkannte fi» Götz Gerlachhausen» Haadschrift. E» war die Antwort auf da» Schreiben, da» der Graf damal» sa» Götz richtet«, bestand darin darauf, Jutta müsse erfahren, daß der Graf und er di« Vermählung Jutta» schon besprochen hätte», ehe fi« Heimkehrle. Bleich mit weitgeöffaete» Augen starrt« Jutta aus di«s«n Brief, der in ihren Händen zittert«. Ihr« Lpprn preßt«» sich fest aufeinander, al» wollen fi« den Schrei der V«e,w«iflu»g ersticken, der sich au» ihrer Brust lösen wollt«. Mit dumpfem Stöhn«« ließ di« Arm« auf de» Tisch finken und barg dann ihr Gesicht in den Händen. Die Erkenntni», daß er fi« liebe, du sie au» den Zeilen gewonnen, war nicht imstande, fi« zu entzücken, versank vielmehr in dem Jammer um vernichtete« L«be«»glück. Götz Serlachhausen liebt« fi« und fi« hast« ihn gekränkt, b«l«idigt wi« ein bo»haste» Kind. Stolz und Trotz hatten sie zu einem törichte» Schritt getriebe». Nu» war sie di« Brau» ri»e» and«rn, d«» sie überhaupt nicht liebt« — nie li«ben würde, nun fi« wußte daß Götz um fi» litt. Jmmrr würd« ih, Herz in Sehnsucht und Liebe a» ih» häng»«. Sie sprang auf und hielt de« schmerzend,« Kopf mit beide« Händen. »Wa« hab ich geta» — Gott im H mmel — wa« hab ich getan,- jammert» fi« v«rzwlif«lt. Groß« schwrr« Trän«« rannen zwischen ihre» Händen herab heiße Tränen, di« t«inr E»l«icht«rung brachte». Wir bittend streckt« fi« di« g«faH«t«n Händ« au». »Vergib Götz — vergib mir." Wie schnell hatte fi« den Glauben a« ih» aufgegeben — weil di« Mutt«, ihn anklagl« und «r stolz jed« Verteidig, ung verschmäht«! Sir hätte ih« gegen «ine ganze Welt verteidig«» müssen, fi« kannte ihn doch, sei« schlichte», ehr, liche» Wesen, und hält« de« Mutter sagen solle«: Du irrst dich, du bist falsch unterrichte», Götz Grrlachhausen ist «in Ehrenmann, ich liebe ihn und glaube an ih». Wie blaß und düster er damal« au»sah. al« er da« letzt« Mal in Ravenau war. Warum Höck, fi« i» j-n« Stund« nicht auf di« Stimm« ihre« Herzen«? Aber da war e« auch schon zu spät und fi« bereit« durch ihr Wort an Herbert gebunden — und «i» gegebene« Wort muß man halte« und wen» e« d>Lcke»d «schien. Niemand konnte fi« davon lösen, außer Herbert Son»f«ld, dem fi« sich freiwillig zu eigen gegeben. Si« warf sich voll Kummer auf den Diva» In ihr Weh schlich sich «in Gefühl au« Mißtraue» und Abneigung gegen ihr« Muttrr gemischt. S'« hätte e« nicht in Worte fasse» können, aber plötzlich war e« da. Warum hatte fi« so häßlich« Worte gegen Götz gesprochr»? Glaubte fi« denn selbst daran? Und wie sollte sie de« hinterlassen«, Brief de« Großvater« mit der Erzählung der Muttrr in Zusammen. Hang bringen. Jede» Wort in diesem Briefe atmet« Lebe und «rkärt« alle«, wo« ihr in dem Wise» de« Großvater« »»erklärlich gewesen. Nur ein« blieb g«h«!mni»voll — warum er die Mutt« mit seinem Haß verfolgte. War e« möglich daß «, i»i« echter Edrlman«, eine schuldlos« Frau so grau, sam straft« und bi» zu sein«» Sterbestund« voll Abscheu ihr« gedacht«. Götz wollt« ihr Dokument« übergib«», di« st, darüb« aufgeklärt hätte». Er «wart«»« ganz sicher, sie in dem Geheimfach zu finden, und al« fi« f«hlt«», «schrak « und v »färbt« sich. Wo waren di« Dokr-mente geblieben, wo waren und wa« enthielten sie? Wirr und zerrissen sah »« in ihrem Innern au«. Sie fürchtete sich vor dem Lebe», wir «in Kind im Dunkeln, da« di« schützende Hand verloren hat. Sehnsüchtig flogen ihre Gedanken nach Geilachhausen. Wie liebevoll war fi« dort immer von Götz und s«in«r Matte« ausgenommen worden! Wie übel hatte fi« «» ihn«» gedankt! Groll und Bitterkeit mußt« jetzt ihr« Herzen gegen die Undankbar« «füllen. Wenn sie alle» wüßte», ob sie ih» verzeihen würden? Si« schämte sich bi» zur Verzweiflung, daß fi« an Götz hatte zweifeln könne». Aber e» schien nun zu spät — zu spät. Seit jenem Abend war Jutta eine andere aeworde». Still und ernst wand,!« fi« ihre« Weg, wi« um Jahr« g«. alt«rt. Zu Weihnachten kam Herbert I» seiner Gegenwart beherrscht« fi« sich so gut e» ging und war freundlich und entgegenkommend. Aber dabei fühlte sie, daß « ihr vo» Tag zu Tag fremd« wurde. Ee hatte sich nicht stet» so in der Gewalt, daß nicht zu« weile» sein wahre» Wesen ein wen'g durchschimmerte. Doch verstand er e» immer mied« fii von seiner unbegrenzte» L eb« zu üb«rzeug«o, und veranlaßte fi« dadurch ihn zu dulve». — Einmal sag!« «: .Jutta, wenn ich dich jetzt noch lass«» müßt« — ich könnt« da» Leben nicht mehr ernagen. Lieber tot al» ohn« dich leb«».' Da schauert« fi« zusammen — sie fühlt« wird« di« Fessel, de fi« sich selbst angelegt. Jutta hatte Götz nicht wieder gesehen, aber ihre Ge danke» lösten sich nicht von ihm. Ihr« Mutte» gegenübe» mußt« fi« sich mehr al« je Zwang antun. . (Fortsetzung folgt.)