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pulsnitzer^ocbendlatt Sonnabend, 15. Februar 1913. 2. Beilage zu Nr. 20. 65. Jahrgang. AeichMPAimmWsMn. Sitzung vom 13 Februar. Iw Reichstage ging heute die Beramng des Justizetats ohne sonderliche Erregung weiter. Der Fortschrittler vr. Haas be klagte gleichfalls die Wellfremdheit der Richter und die Unzu friedenheit über unsere Rechtsprechung, erstrecke sich auch auf die Kreise des Handels und der Industrie. Auf verschiedene Gebiete der Rechtspflege gmg der nationalliberale Abgeordnete Junck ein, indem er such e, Licht und Schalten gerecht zu ver teilen. Auch er gab die zeitweise Weltsremdheit der Richter zu, meinte aber rührend, daß unsere Zivilrechtsprechung durchaus im Einklang mit dem Volksempfinden stehe A> ch die Parstval- srage wurde von ihm in ablehnendem Sinne an eschnitlen, wäh rend der Reichspaiteiler Arendt sehr warm für Bayreuth ein trat. Dann kam man zur Abstimmung über die vorliegenden Resolutionen. Die nationalliberale, welche bei Zwangsverstei gerungen von Grundstücken den Gemeinden wie dem Staate ein Vorverkaussrecht verleihen null, wurde mit geringer Mehrheit abgelehnt, dagegen sand eine Zentrumsresolution über den Zwangsvergle ch außerhalb des Konkurses einstimmige Annahme, desgleichen eine nationalliberale Resolution, wonach bei allen Erlässen von Behörden usw. eine Anfechtungsfrist enthalten sein muß. Der zum Kapitel Reichsgericht vorliegende sozialdemokra tische Antrag, von den geforderten Reichsanwälten einen zu streichen, fand Annahme. Man kam nunmehr zum Postetat, bei dem der sozialdemokratische Abgeordnete Ebert gegen die Plus- wirlschaft vom Leder zog. Er hält dre Aufbesserung der Besol- dungsverhältnisse und Kinderzulagen für notwendig und behaup tet die Wünsche der Beamten weiden nicht beachtet. Zum Schluß zog e fich noch einen Ordnungsruf des Präsidenten vr. Kaempf zu. — Ein Reg.erungsvertreter führt aus. daß die Kom mission nlcht so ohne weiterrs neue Etatsposilionen schaffen la n, Abg. vr. Hegenscheidt meint die Ersparnispoluik müsse andauern, jedoch nicht auf Kosten der Ostmarkenzulagen deren Wegfall eine starke Härte bedeuten würde Bom Abgeordneten Windeck werden die Petitionen von lothringischen Postbeamten begrün det. Zum Schluß ergreift der Abgeordnete Werner-Gießen das Wort und wünscht eine Vermehrung der Stellen für höhere Postbeamte, ebenfalls hält er die Vermehrung der Sekrelärstellen sowie die Vermehrung der Stellen für gehobene Unterbeamten für notwendig Das Haus vertagt sich gegen 7 Uhr auf Frei tag, wo weiterberaten werden soll. Sitzung vom 14. Februar. Im Reichstage nahm man die Verwaltung des Herrn Kraetke weiter unter die kritische tupe Der Zentrumsabgeordnete Nacken kam mit einem großen Wunschzettel. Er verlangte vor allem Einführung der Kinderzulagen, für die er im Gegensatz zum Reichs schatzsekretär kein besonderes Gesetz für notwendig hielt, weiter trat er auch entschieden für eine Erhöhung der Gehälter ein. Herr Kühn, der Hüter des Schatzes der nach ihm das Wort ergriff, will aber feine Taschen zugeknöpft halten. Auf verschiedene der vorge brachten wünsche ging Staatssekretär Kraetke ein. indcm er bei verschiedenen Neueinrichtungen mit guten Erfolgen auswarten »nnte. Der Spezialist sür das Postwesen bei den Nationallibera len, Herr Beck haidelberg, forderte gleichfalls, daß endlich die wünsche der Beamten auf Gehaltserhöhung Berücksichtigung fän- der Achniiche wünsche brachte auch Herr Oertel vor. Auch ent- puppte sich Vorredner als kein Freund der Anstellung von Frauen in der Postverwaltung, weil dadurch vielen Männern das Brot genommen würde. Ls ist eben ein Unterschied zwischen dem Dich ter Gertel, der der Parole huldigt: „Kommet den Frauen zart entgegen", und dem konservativen Politiker Gertel, verschiedene Wünsche brachte auch der Fortschrittler Kopsch vor, der u. a. auch tadelt, daß die Fürstlichkeiten auch keine Telephongebühren zu bezah len brauchlen. Redner betont noch den Wunsch, die Zahl der Assistenten von s8vo auf zovo zu erhöhen und erwähnt, daß kein Unterbeamter mit z M pro Tag eine Familie ernähren kann. Dann wandte er sich zu den Telegraphenarbeiterausschüffen, die man mehr hören sollte. Das Haus vertagte sich um 6'/, Uhr auf Sonnabend ss Uhr. pulsmlrer ^Vockenblatt Amtsblatt cle8 K§I. ^mts^ericiits unci 6es Ztaätrates ru pulsnitr Nur Urrk I.— xro Quartal bei ^bkolunA in cker Oescbüktsstelle. SsstsIIungsn wsrcksn jscks^sil snkßssxsnAsnommsn UMWen aus dem W.Mnüermnl Pulsnitz Geburten: Max Georg, S. des Bandwebers Max Bruno Garten in Niedeist ina. — Max Archur, S.des Zimmermannes Bruno Mar Hommel in Obersteina. — Flora Johanna Mar garete, T. der lediaen Bandausschlägerin Ida Flora Militzer in Pulsnitz. — Johanna Dora, T. des Fabrikarbeiters Paul Bern hard Lunze in Ohorn. — Kurt Arno, S. der ledigen Fabrikar beiterin Frieda Elsa Oswald in Ohorn. Eheschließungen: Karl Otto Mager, Gutsbesitzer in Mittelbach mit Marie AnnaHübler.WirtschaftsgebilfininVollung. Spielplan der Kgl. ISottbeoler 2» vresden. Vom 16. bis 24. Februar 1913. — — Königliches Opernhaus. Sonntag: Lohengrin (6 Uhr). Montag: Hänsel und Gretel (6. Volksvorstellung ) Dienstag: V Sinfonie-Konzert Ser. -4. Mittwoch: Geschlossen. Donnerstag: Samson u. Dalio. Freitag: Ariadne aus Naxos (7 Uhr). Sonnabend: Tannhäuser (7 Uhr). Sonntag: Liebesketten. Montag: Rigoletto. Königliches Schauspielhaus. Sonntag: Die Torgauer Heide; Hanns Frei P/-8 Uhr). Montag: Der Tyrann. Dienstag: Die Hermannsschlacht. Mittwoch: Geschlossen. Donnerstag: Hanneles Himmelfahrt. Freitag: Maria Magdalene. Sonnabend: Die Torgauer Heide; Hanns Frei. Sonntag: Gyges und sein Ring (2 Uhr Volksvorstellung); Der Damenkrieg p/,8 Uhr). Montag: Jedermann Neklameteli. Tausende von Erfahrungen aus allen Ländern liegen vor, welche die volle Wirkung des Thomasmehles für die Winter saaten beweisen. Auch Herbstsaaten, die noch keine Phosphor säuredüngung erhalten haben, sind für eine kräftige Thomas mehlkopfdüngung sehr dankbar Uebersicbt über die an den LauptmarktsrtenDeutsch- lands in der letzten Woche gezahlten Zettviehpreise. Die Preise sind in Mark für 80 Ke Schlacht- bezw. Lebend gewicht (l bedeutet Lebendgew.) angegeben. Die erste Zahl be- zeichnet oen niedrigsten, die zweite den höchsten für die betr. Viehgattung gezahlten Preis. (Unberechtigter Nachdruck verb.) Aufgestellt am 13. Februar 1913. Mitberücksichtigt sind noch die am 12. Februar abgehaltenen Märkte. Rindvieh Hammel, Schafe u. Lämmer Schwein« Großvieh Kälber Aachen . . . 60—92 82-122 88-96 79-81 Barmen . . 80-92 80-100 -95 75-80 Berlin . . . 73—91 76-150 64-94 70—82 Bremen . . 63-88 75-115 80-105 60-80 Breslau . . 65-82 84-105 62-96 70-79 Chemnitz . . 60-92 89-129 86-95 70- 81 Danzig . . . 26—481 38-801 28-411 50-62 l Dortmund . . 62—94 82-110 — 72-79 Dresden . . 72—96 88—120 66—102 76-84 Elberfeld . . 55-93 85-110 90-100 65—80 Essen .... 75-95 87—118 90-98 65—79 Frankfurt a. M 51-96 93-112 98—100 78-80 - Hamburg . . 54—103 91—146 87—106 53-61! Hannover . . 63—89 80-105 78-98 70-80 Husum . . . 86—93 — — 60-57 l Kiel .... 66—88 82-120 80-100 54—61 l Köln a. Rh. . 66-98 51-881 97-105 71-81 Leipzig . . . 65—95 60-681 37—481 68-80 Magdeburg . 28-62! 30-95 l 43-451 65-79 Mainz . . . 60—96 98—104 — 74—84 Mannheim 60-98 90-110 72-86 80-82 Nürnberg . 80-90 71-87 56—80 76-80 Stettin . . . — 60-90 — 76—79 Zwickau . . . 60-94 48-62 1 46-61 l 74-85 „HeLengoLb". Roman von H. Courths-Mahler. 30 (Nachdruck verboten.) „Ja — ja — ich weiß nun alle» — alles." „Arme, kleine Jutta!" Sie umklammerte seinen Arm. „Götz, sie haben Großpapa versprochen, mich zu schützen. Retten Sie mich, helfen Sie mir. Ich kann meine Mutter nicht wieder sehen — sie nicht — und auch Sonsfeld nicht. Er zuckle zusammen. „Jutta — verstehe ich Sie recht — Sie wollen Ihre Verlobung lösen?" fragte er tonlos. Sie hielt seinen Arm noch immer fest. „Ja, ja. Nie will ich ihn Wiedersehen. Er ist ein Ehrloser. Er hat mich betrogen." Er stöhnte auf. „Jutta, was hatte er Ihnen getan? So schlecht hat er Ihre Liebe gelohnt?" Sie sah ihn erglühend an und beichtete ihm nun ausführlich, was sie in Ravenau und ihren Herzen er- lebt hatte, wie sie Götz verkannt, da man ihn ihr oer- leumdete. Sie schloß: „Ich war ja damals ganz von Sinnen, weil ich glaubte, Sie liebten eine andere." Er faßte ihre beiden Hände. „Und jetzt Jutta — und jetzt?" „Jetzt weiß ich es besser. Götz, ich habe Ihren Bries gefunden in einem Schreiben von Goßpapa an mich. Hier — ich trage ihn seitdem aus meinem Herzen. Ach Götz, wie furchtbar habe ich gelitten, für meinen unseligen Trotz." Sie weinte leise vor fich hin Götz trat von ihr z rück, weil er fühlte, daß er fich nicht länger beherrschen konnte. Am liebsten hätte er sie in seine Arme geschloffen und die Tränen von ihren Augen geküßt. Fern von ihr blieb er stehen und sagte mit unterdrückter Stimme; „Jutta — wissen Sie, daß Ihr ganze- Verhalten jetzt mir ein Recht gibt, zu glauben, daß Sie mich lieben?" — Sie erhob den Kops. Ihre Hände lagen fest auf den Armlehnen des Stuhle». Obwohl dunkle Röte in ihr Gesicht stieg, hielt sie den Blick au». „Ja, Götz — ich liebe Sie — schon seit ich Sie da» erste Mal gesehen und ich war ganz glücklich, al» ich zu bemerken glaubte, daß auch Sie mich gern hätten. Götz verzeihen Sie mir, stehen Sie mir nicht so fremd gegenüber, soll ich mich noch mehr vor Ihnen demütigen?" Er preßte die Hände um die Stuhllehne, als wollte er sich einen Halt geben. „Jutta — auf Ihre Worte gibt e» nur eine Ant wort, die ich Ihnen aber nicht geben darf. Deshalb wage ich mich nicht in Ihre Nähe. Noch sind Sie Sonsfeld- Braut — Sie tragen seinen Ring noch am Finger." Jutta streift« hastig den Ring ab und legte ihn auf den Tisch. „Hier, nehmen Sie ihn, und helfen Sie mir, meine Freiheit wtederzuerlangen. Es ist kein Unrecht, daß ich mich von diesen unwürdigen Fesseln frei mache. Dann lege ich mein Schicksal in Ihre Hände." Er kam langsam näher und setzte sich ihr gegen über. Mir einer zarten Bewegung zog er ihre Hand an die Lippen. Endlich sagte er verhalten: „Und was soll nun geschehen, Jutta?" „Frei will ich sein — frei. Alles andere über lasse ich Ihnen, Götz." Sie sahen sich lange tief und innig in die Augen. Dabet entging ihnen ganz, daß der Wagen unten vor- fuhr, der Frau von Gerlachhausen aus der Stadt zu rückbrachte. Als sie gleich darauf in das Zimmer trat, blieb sie erschrocken stehen. Doch schon hing Jutta an ihrem Halse. „Tante Anna, liebe Tante Anna — verzeihe mir, sei mir wieder gut." Da blieb der überraschten gütigen Frau nichts weiter übrig, als Jutta an sich zu drücken. „Eine sturmverschlagene Schwalbe hat sich zu uns geflüchtet. Da wirst du etwas zum Pflegen und zum Verwöhnen haben," sagte Götz mit einem glück- lichen Lächeln zu seiner Mutter. Diese sah da- Lächeln und da- glühende Mädchenantlitz vor sich. Sie zoutta mit sich aus da» Sofa. „Nun erzählt, schnell, Eure Gesichter verraten seltsame Geschichten." Nachdem sie alles erfahren, berieten sie alle drei, wie Juttas Angelegenheit, mit möglichster Vermeidung unnötigen Aussehens geregelt werden könnte. Da Jutta bestimmt erklärte, daß sie ihr« Mutter jetzt nicht wiedersehen wolle, sand Götz sich bereit, nach Ravenau zu reiten. „Meine Mutter darf nicht in Ravenau bleiben," hatte Jutta gesagt. „Sie soll eine standesgemäß« Rente unter der Bedingung erhalten, daß sie Ravenau verläßt. Was Sonsfeld betrifft, so bieten Sie ihm Geld für meine Freiheit, Götz — ich glaube, damit kommen Sie zuerst zum Ziel —" „Bitte geben Sie mir einige Worte an Ihr« Mutter und an Sonsfeld mit, damit ich mich auf Ihren Willen berufen kann. Dem Schreiben an Son», selb können Sie Ihren Ring beilegen." Jutta schrieb sofort. Al» Götz kurz daraus zum Aufbruch fertig, sich von Jutta und von seiner Mutter verabschiedet«, bemerkte letztere: „E» wird gut tun, Frau Wohlgemut zu bitten, daß sie sür unser arme» Schwälbchen einige bequeme Sachen herüberschickt." Jutta siel ihr um den Hals. „Du behältst mich hier, Du Liebe, Gute?" Selbstverständlich. In Gerlachhausen bist Du vorläufig am besten ausgehoben. Und metn Götz hätte doch keine ruhige Stunde mehr, wenn er Dich Unband nicht in sicherem Gewahrsam wüßte." Frau von Sterneck und Sonsfeld erfuhren, als fie nach Hause kamen, von Frau Wohlgemut, daß Jutta noch immer nicht wohl sei. „Das Kind wird doch nicht ernstlich krank sein? Ich werde sofort zu ihr gehen", sagte Gwendoline zu Frau Wohlgemut. „Gnädige Komtesse verlangt nur Ruhe wegen heftigen Kopfschmerzen," berichtete Jettchen, „ste hat sich eingeschlossen." Damit beruhigte sich die Mutter. „Al- dann die Diener nicht mehr anwesend waren und Gwendoline mit Sonsfeld im Salon Kaffee nahm, saßen fie sich sehr behaglich gegenüber und rauchten Zigaretten. Gegen 4 Uhr wurde ihnen zu ihrer Verwunde rung Götz Gerlachhausen gemeldet. „Was will denn der?" fragte Sonsfeld leise. Gwendoline gab den Diener einen Wink. „Wir werden ja hören," sagte sie seelenruhig. „Es ist nur gut, daß Jutta unsichtbar bleibt. Der hat, scheint mir, ein dickes Fell " Frau von Sterneck warf den Rest ihrer Zigarette fort und sah Götz mit ironischer Höflichkeit entgegen. Was schafft uns die Ehr« Ihr«» so s«lt«nen Besuches?"