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Nr 20. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 15. Februar 1913. Seite 2. Aas Wichtigste. Die Hochzeit der Prinzessin Viktoria Luise und des Prinzen Ernst August von Cumberland soll im Mai in Wien stattfinden. Der Reichstag erledigte am Donnerstag den Ju stizetat und wandte sich hierauf der zweiten Le sung des Postetats zu. (S. ReichstagSber.) Der Reichstag setzte am Freitag die zweite Lesung des Postetats fort. (S. ReichstagSber.) Die Meldung von der bevorstehenden Auflösung der Deutschen Reformpartei wird jetzt bestätigt. Das Reichsgericht verurteilte den Kontoristen Neu mann wegen versuchten Verrats militärischer Ge heimnisse zu zwei Jahren Zuchthaus. Für den 14. April wird in Belgien der General streik angekündigt. Bei der Revolution in Mexiko wurde die kubanische und belgische Gesandtschaft zerstört. An der Küste des MarmarameereS unwert Konstan tinopel wütet die Cholera. PMW WHensHml. Aus innerpolitischem Gebiet dürfte jetzt eine Frage gelöst werden, die schon mehrfach die Gemüter auf das lebhafteste beschäftigt und viele Verstimmung hinter lassen hat. Die Verlobung des Prinzen Ernst August von Cumberland mit der Prinzessin Vittoria Luise ist geeignet, die vorhandenen Gegensätze auszugleichen. In unterrichteten Kreisen spricht man davon, daß ein Ausweg vielleicht dahin gefunden werden wird, daß der Herzog zu Gunsten seines Sohnes verzichtet, der wiederum seinerseits erklärt, seinen Anspruch nicht auf- recht erhalten zu wollen. Ein derartige» Vorgehen mag etwa» gekünstelt und sonderbar erscheinen, aber in einer Frage, wie der vorliegenden, wäre es verfehlt, ein kleinliches Verfahren einzuschlagen, er sollte viel mehr darüber Freude herrschen, daß man auf dem besten Wege ist, eine -um Teil recht unliebsame Epi sode der deutschen Staatengeschichte aus der Welt zu schaffen, nachdem eine Brücke zwischen den Häusern Hohenzollern und Cumberland geschlagen ist. Erfolgt doch auch der Uebertritt des Prinzen in die preußische Armee sicherlich unter Zustimmung der Herzogs von Cumberland. Der Vorgang ist auch naturgemäß von hoher Bedeutung für da» Schicksal der Welsenpartei, deren Existenzberechtigung damit vernichtet wird. Die Darlegungen de» Staattsekretär» v. Tirpitz haben ungemeiner Aufsehen in der ganzen Welt her- vorgerusen, begreiflicherweise am meisten in London, wo sie ein sehr friedliche» Echo weckten. Damit wäre einer der schwierigstem Punkte der ständigen Gegner- schast zu England behoben und naturgemäß wäre da- mit auch eine Besserung der beiderseitigen Beziehungen verbunden. Jedensall» dürfen wir un» über diese Wendung freuen, namentlich wenn dafür gesorgt sein sollte, daß wir un» nicht gar zu sehr festlegen, son- der» unter Umständen eine gewisse Bewegungsfreiheit haben. Große Genugtuung würde darüber herrschen, wenn e» gelingen könnte, den Frieden bald auch den Balkan zu bringen. Dort tobt der Kampf jetzt wieder aus der ganzen Linie, und wie immer wollen beide Teile gesiegt haben, und jeder beschuldigt die Gegenseite wegen der Siege-berichte al» Lügner. Allzulange frei- lich kann e» nicht mehr dauern, denn man sehnt sich allenthalben nach Frieden, und auch bei den Siegern ist die KriegSlust begreiflicherweise herabgegangen, da eine Mißernte droht, falls nicht bald an die Bestellung der Ländereien herangegangen werden kann, was bei längerer Einbehaltung der Reserven saft unmöglich ist. Auch im entfernteren Orient regt es sich erneut, und ein Gewitter scheint sich dort zusammenziehen zu wollen. Die mongolische Frage drängt nach Lösung, und bei dem Interessengegensatz zwischen Rußland und China wird e» hier wohl nicht so glatt absehen Rußland übt bekanntlich durch den Vertrag von Urga ein« Art Protektorrat über die Mongolei aus, während China diese nicht anerkannt und eine Grenzregulierung vorgenommen wissen will. Die Flamme de» Krieges ist jetzt auch aus der westlichen Erdhälfte entbrannt. In Mexiko hat man wieder einmal eine Rebellion, und e» ist dabei zu schweren blutigen Zusammenstößen gekommen. Uns hier interessiert weniger die innere Entwickelung der Dinge als vielmehr die Haltung der nordamerikanischen Regierung, die sich für befugt hält, eventuell einzu greifen. Man trifft in Washington bereits entsprechende Vorkehrungen, und mehrere Kriegsschiffe sind nach den mexikanischen Gewässern abgegangen. Oertlicbes unv SScdsrscbes. PulSnitz. (SonntagSplauderei.) Der heu tige Sonntag ist der Sonntag Keminkcere Diesen seinen Namen hat er nach seinem mit Psalm 25,6 be- ginnenden introitug, dessen beiden ersten Worte in der lateinischen Bibel lauten: Keminiscere, Oomine, zu deutsch: Erinnere, Herr. Nun haben wir bereits die erste Hälfte de» zweiten Monatt de» Jahre» hinter un» und der nächste Sonntag ist bereit» der Sonntag Okuli, an dem der leckere Borfrühlingrvogel, die Schnepfe, sich einzustellen pflegt. Stellt sie sich ein, dann ist der Frühling nicht mehr allzu fern. Wenn der Februar mehr und mehr seinem Ende zuneigt, dann erwacht um so stärker nicht nur im Menschen, sondern in der ganzen Natur die Hoffnung und die Sehnsucht nach dem Frühling. Aber so rech^ will doch noch immer keiner glauben, daß schon die Tage des Winter- gezählt sind, denn von sonderlicher Lieb lichkeit ist in der letzten Hälfte de» Februar» noch nicht viel zu merken. Allein die langen Tage zeigen doch unumstreitbar fest, daß wir un» mit Riesen- schritten der Frühlingstagundnachtgleiche nähern. Und da quillt unhemmbar ein süßes Dankgefühl in unS auf dafür, daß wir wieder einmal diese wunderbare Zeit ersten FrühlingSerwachen» erleben durften, die so reich an zartem und weichem in Ton und Stimmung ist, wie keine andere des ganzen Jahre». Pulsnitz, 15. Februar. (Da» neue Stadt- Krankenhaus) wurde, nachdem dasselbe nunmehr fertiggrstellt ist, gestern nachmittag seitens de» Rats- und Stadtverordneten-KollegiumS, der hiesigen Herren Aerzte und des Herrn BezirkSarzteS vr. Heyn eingehend besichtigt. Wie der Stadtrat im amtlichen Teil bekannt gibt, kann das Krankenhaus vom nächsten Montag ab in Benutzung genommen werden. PulSuitz. (Vereins-Jubiläen.) ES dürfte noch nicht allseitig bekannt sein, daß in diesem Jahre mehrere hiesige Vereine Jubiläen begehen. So kann der Militärgesangvereinauf ein 25 jähriges Bestehen zurückblicken, das er am 27. und 28. April feiert. Der Kö ni g l. S äch s. Militärv erein hält sein goldene» Jubiläum am. 25. Mai, in Verbindung mit dem Geburtstage unseres König» ah, und der Turnverein „Turn erb und" feiert da» 50 jäh- rige Bestehen am GründungStage — 14. September. Diese» Fest wird bereit» am Sonnabend, den 13. Sep- tember durch einen Kommer» eingeleitet werden. — Die Vereine treffen schon jetzt Vorbereitungen, um ihre Feste würdig zu gestalten. Pulsnitz. (»Dar letzte Wort") betitelt sich der Roman, welcher in der nächsten Nummer de» Puls nitzer Wochenblattes seinen Anfang nimmt. Gr ist verfaßt von I. Jobst Wir hoffen, daß dieser Roman bet unseren geehrten Leserinnen ebenso ansprechen wird, wie der zu Ende gegangene Roman „Hexengold" mit seinen überaus spannenden Punkten. PulSnitz, 15. Februar. (Die S äch sisch e Fecht- schule, Verband PulSnitz) hat in seiner gestern abend in Frenzel'S Restaurant stattgefundenen Vor standssitzung beschlossen, 14 würdigen und bedürf, tigen Konfirmanden und Konfirmandinnen aus hiesiger Stadt, PulSnitz M. S. und Vollung Unterstützungen zu teil werden zu lassen. Außerdem soll noch einer bedürftigen Familie ein Geldbetrag überwiesen werden. In recht erfreulicher Weise ist auch in diesem Jahre die Mitgliedschaft schon wieder zahlreich erworben wor- den, die gute Sache verdient es auch. Karten sind aber noch immer zu haben bei den Vorstandsmitglie dern, Fechtschulen zu 10 Karten beim Verbandskassierer, Herrn Stadtrat Cunradt. PulSnitz. (Po lizeibericht.) Ein Schwindler hat seit Anfang Januar d. I». in verschiedenen Städten Sachsen» sein Unwesen getrieben. Er stammt angeb- lich au» Berlin und hat überall Kriegsteilnehmer von 1870/71 ausgesucht und ihnen versprochen, die Vete ranenbeihilfe für sie zu beschaffen oder ihnen zu einer Erhöhung ihrer Rente behilflich zu sein. Als Gegen leistung forderte er unter Vorzeigung eine» Muster- buche» die Bestellung deS Werke» „Der Krieg 1870/71." Er verlangt sofortige Anzahlung von 12 Mk. und ver sprach, da» Werk in 14 Tagen zu liefern, was aber nicht geschehen ist. Er hat kann nicht» mehr von sich hören lassen. — Weiter wird noch vor einem Betrüger gewarnt, der gleichfall» schon verschiedentlich in Sachsen aufgetreten ist, sich Römer nennt, von Stettin gekommen und bst der Firma Siemen».Schuckert-Werke al» Ober monteur beschäftigt sein will. Der angebliche Römer prellt seine Opfer damit, daß er sich einmietet und angibt, er wolle seine Sachen vom Bahnhof holen und fehle e» ihm hierzu an dem nötigen Gelde, Er borgt die leichtgläubigen Leute bann an und ver schwindet auf Nimmerwiedersehen. In beiden Fällen warnt die hiesige Polizei vor den Schwindlern und bittet um sofortige Nachricht, fall» einer derselben in hiesiger Stadt auftreten sollte. — (DiedieSjährigenStutenmusterungen und Fohlenschauen) werden, wie die Königliche Amtshauptmannschaft bekannt gibt, wie folgt abgehal ten: 1. Kamenz, am 29. April d. I , 9 Uhr vormittag», 2. Strehla bei Bautzen, am 3. Mai d. I., 9 Uhr vor- mittags, 3. Moritzburg, am 26. April d. I , vormit tags 9 Uhr. In sämtlichen 3 Orten erfolgt zugleich eine Prämiierung der em- und zweijährigen Fohlen. Ohorn. (Der Fechtschulverband „Röder- t a l", zu dem auch unser Ort gehört, zählte im Jahre 1912 gegen 500 Mitglieder. Die Gesamteinnahme be- lief sich auf 1901 Mark. Verausgabt wurden 685 M. Oberlichtenau. (Festgenommen.) Am 11. d. M. nahm hier die Landgendarmerie einen stellungslosen Maurer fest, der als Dieb ermittelt wurde und dort beim Beiteln Stiefeletten gestohlen hatte. Kamenz, 13. Februar. (Stadtrat Schäfer fi) Der in weiten Kreisen bekannte Stadtrat Drogist Paul Hermann Schäfer ist gestern vormittag infolge eine» Schlaganfalles im 56. Lebensjahr verschieden In un- serer Stadt hat er eine Reihe Ehrenämter bekleidet. 1895 wurde er ins Stadtverordnetenkollegium gewählt und seit 1908 gehörte er dem RalSkollegium an. Auch auf politischem Gebiete ist er in den Vordergrund ge- treten und hat mit ehrlicher UeberzeugungStreue der Reformpartei gedient und den hiesigen Resormverein als Vorstand viele Jahre hindurch geleitet, Kameuz. (Durch Diebstahl) ist in einem hie sigen Gasthause ein Billardball (Elfenbeinkugel, 62 mm Durchmesser, im Werte von 35 Mark) abhanden ge kommen. Sachdienliche Wahrnehmungen sind der Po- lizeibeh-örde zu melden — In der Nacht zum 10. d. M. ist in der Kirche zu Ostro eingebrochen und zu stehlen versucht worden. Dem Täter ist man auf der Spur. Großröhrsdorf. (Autoomnibus — Stra- ßenpflasterung.) In der am Mittwoch in Groß röhrsdorf stattgefundenen GemeinderatSsttzung gab Herr Gemeindeoorstand Rentzsch bekannt, daß die Errichtung der Motorwagenlinie Radeberg—Großröhrsdorf—Bi schofswerda alsbald in Angriff genommen werden wird. — Dergleichen wurde bekannt gegeben, daß die Pflasterung der Staatsstraße durch den Ort vom Staat übernommen worden ist. Dieselbe soll streckenweise er folgen, beginnend im Jahre 1914. Sache der Gememde würde nun die Herstellung erhöhter Fußstege sein, die durch Einführung de» Motorwagenverkehr» zur Not- Wendigkeit wird. Somit wird der Gemeinde immerhin ein Kostenaufwand von ca. 30 000 M entstehen, der aber, da er sich auf mehrere Jahre verteilt, nicht allzu drückend wirken wird. Dresden, 13 Februar. (3 P er so n,epi in, ei per Dunggrube umgekommen) Beim Reinigen einer Düngergrube m LangenreinSdorf bei Crimmitschau haben der Gutsbesitzer Friedrich, sein Sohn und sein Pferdeknecht das Leben verloren. Der Knecht war be auftragt, eine Jauchengrube auSzupumpen. Als sich die Leitung verstopfte, wollte der Knecht den Schaden beheben. Von den giftigen Gasen betäubt, stürzte er in die Grube. Ihm eilte der Gutsbesitzer zu Hilse, aber auch er taumelte hinein, ebenso dessen erwachsener Sohn. Al« man die drei fand, war der Tod bereit» eingetreten. Dresden, 14. Februar. (Vom Verband säch sischer Industrieller) Die diesjährige 11. or- deutliche Hauptversammlung de» Verbände» sächsischer Industrieller findet am 24 d. M. im hiesigen Au», stellungrpalast statt. Im Mittelpunkt der Versamm- lung steht rin Vortrag des Herrn l)r. Stresemann über daS «merikanisch-kanadische Volk», und Wirtschafts leben. Dresden, 14. Februar. (Grubenunglück) Im BreunSdorfer Bergwerk bei Borna drangen bei einem Schachteinsturz Wassermaflen in die Grube, wobei drei Bergleute ertranken. Die Ertrunkenen sind Familien väter und hinterlassen insgesamt 15 Kinder. Leipzig. (ParttkulariSmuS) Vom neuen Hauptbahnhos wird ein tragikomische» Stückchen Par- ttkalariSmuS berichtet. Kommt dort ein Zug an, so dürfen die sächsischen Gepäckträger nur an die sächst- schen, die preußischen nur an die preußischen Züge he- ran. Genau so bei der Abfahrt. Kein Gepäckträger darf mit einem „ausländischen" Zuge etwas zu tun Haden. Will aber ein Reisender au» einem sächsischen Zuge in einen preußischen, so muß er erst einen sächsi schen, dann einen preußischen Gepäckträger bezahlen. Ebenso umgekehrt. Auch darf kein preußischer Gepäck- träger einen Koffer in ein Hotel tragen, dazu muß er sich erst mit einem Kollegen von der weiß-grünen Lan- deSfarbe in Verbindung setzen. „Im Zeichen de» Der- kehr,!" Neueste direkte Meldungen von Hirsch'- Telegraphen-Bureau. Essen, 15. Februar. (Neue Kriegsbestel lungen der Balkan st aaten.) Die Firma Kruvp