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pulsnMWMMt Sonnabend, 3. Mar 1913. 1. Beilage zu Nr. 53. 65. Jahrgang. LagesgescdkcktE. Deutsches Reich. Berlin, 2, Mai (Der Kaiser beim Staatssekretär von Jagow) Die Spannung der politischen Kreise und der Publikums auf das Ergebnis der Londoner Botschafterkonferenz steigt in den Nachmittagsstunden des schönen Himmel- sahrt-tage- höher und höher. Telephonische Verbin dungen mit den leitenden diplomatischen Stellen sind nur schwer zu bekommen. Vor dem Auswärtigen Amt sammeln sich Gruppen, die sich schnell vergrößern, alk da- wohlbekannte Signal dek kaiserlichen Autos er tönt und Kaiser Wilhelm raschen Schrittes, nur von seinem Generaladjutanten begleitet, dar Palais de» Staatssekretärs von Jagow betritt. Etwa eine halbe Stunde dauert die Unterredung zwischen dem Kaiser und dem Staatssekretär, die in dem altberühmten Park geführt wird, der schon so manches hochpolitische Gespräch zwischen dem Kaiser und seinen verantwortlichen Mi nistern gehört hat. Der Besuch ist, wie in den No- vembertagen des Jahres 1909 in der Königgrätzer Straße nicht unbemerkt geblieben. An den Fenstern der dem Garten gegenüber liegenden Häuser zeigen sich Neugierige, die auS dem anscheinend ernst erregten Gesicht Rückschlüsse auf die politische Stimmung zu ziehen bemüht sind. Kurz nach 7 Uhr verläßt der Kaiser allein den Park, um sich nach Potsdam zurück zubegeben. Berlin, 2. Mai. (Die Maifeier) Di« gestrige Maifeier der Sozialdemokraten in Kroßberlin ist in dem gewohnten Rahmen verlaufen. Ruhestörungen sind nicht vorgekommen. Die Gewerkschaften hatten nicht weniger als 63 öffentliche Versammlungen, die sämtlich mittags 12 Uhr begannen, veranstaltet. Als Referenten, die überall das gleiche Thema .Die Be deutung de- 1. Mai" behandelten, waren außer Reichs- tagSabgeordneten der Partei, Stadtverordnete und Ge- werkschaftSführer, auch Frauen bestellt. Trotz lebhafter Propaganda für den Besuch dieser Veranstaltungen, war die Beteiligung stellenweise nicht stark. Die Nach mittag»- und Abendoersammlungen, der Partei, die fast sämtlich in großen Sommerlokalen Groß-Berlin» abgehalten wurden, waren bei dem schönen Wetter stark besucht. Oesterreich-Ungarn. Wim, 2. Mat. (Krieg werden wir keinen haben.) Hier wird ein sehr charakteristische» Wort de» Thronfolger» verbreitet, da» heute nachmittag gefallen ist. Die Adriaau-stellung wird übermorgen durch den Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand eröffnet. Ein hoher Beamter der Au-stellung fragte nun gestern den Erzherzog, al» er bei ihm wegen der Eröffnungrfeierlichkeiten vorsprach, ob der Thronfolger den feierlichen Eröffnung»«» auch abhalten werde, wenn Oesterreich an diesem Tage be reit» im Kriege stehe. Der Erzherzog antwortete wört lich: .Krieg? Krieg werden wir keinen haben. Sie ge- horchen nicht und wir werden sie htnau-werfen," Frankreich. Paris, 2. Mat. (Zusammentritt der Berner Konferenz.) Der „TempS" meldet au» Bern: Die deutsch-sranzöstsche Friedenskonferenz hat sich heute unter dem Vorsitze d'EstournelleS de Constant vereinigt. Eine große Anzahl deutscher und französischer Parlamentarier war zur Stelle. E» wird eine Resolution angenommen, die folgende Hauptpunkte enthält: Ersten» will man den Versuch machen, di« Marine und Militärausgaben Deutschlands und Frank- reich» zu beschränken, zweien» will man sich gegen- srttig verpflichten, im Falle eine» schweren Konfliktes zu einer freundschaftlichen oder juristischen Lösung zu schreiten, welche zwar von einer gewissen Presse ver schrien werde, die aber bereits Proben ihre» Wertes abgelegt habe. Die Resolution schließt, in Anbetracht dessen, daß die jetzige Konferenz, welche rege Tätigkeit sie auch immer an den Tag legen würde, nicht in der Lage ist, positive Beschlüsse zu fassen, der Vor schlag gemacht werden soll, eine Studienkommisston »u ernennen, welche die Deutschland» und Frankreichs Zukunft interessierenden Fragen untersuchen und ge gebenenfalls sich sofort vereinigen soll, um beide Re- gierungen in ihren friedlichen Bestrebungen zu unter- stützen. Hom Aakkan. Da» Ergebnis der Londoner Botschafter- konferenz. Berlin, 2. Mai, Wie aus London gemeldet wird, ist eine Einigung der Botschafter vorläufig unmöglich, da der österreichische Botschafter alle Vorschläge außer einer sofortigen gemeinsamen Aktion gegen Montene- gro abgelehnt hat. Die Verhandlungen bleiben vor- läufig noch geheim. Eine offiziöse Note ist erst für Freitag früh vorgesehen. — Demgegenüber meldet der Korrespondent de» .Berl. Lok. Anz. aus Pari» von einem bestimmten Beschluß der Konferenz. Wie hier verlautet, beschloß die gestrige Londoner Botschasterre- union, daß Montenegro aufzufordernsei, binnen 48 Stun den eine eingehende Antwort zu erteilen, und zwar klar und bündig, ob er gewillt sei, Skutari zu räu- men oder nicht. ES wird auch erzählt, daß von der Möglichkeit von Kompensationen für Montenegro die Reds gewesen sei. Die Sitzung war nach einer hier eingegangenen Depesche sehr bewegt, Man versichert, daß man einmal ernstlich befürchten mußte, der öfter- reichische Botschafter werde sein ferneres Verbleibs» in der Sitzung für zwecklos erklären. Dazu ist eS jaber doch nicht gekommen. Aber man betont, daß e» großer Mühe bedurfte, um das Datum der nächsten Sitzung für Montag, den 5. Mai, festzusetzen, nnd die Anwe- senheit aller Großmächteoertreter bei dieser Sitzung z: sichern, der aller Voraussicht nach strikte Erklärungen Montenegros vorltegen würden. Man bestätigt, haß Oesterreich und Italien die Zusicherung verlangtem ein Mandat für die Besetzung der Küste zu erhalten, fall» auch die neuen Erklärungen Montenegro» unbefriedi gend au-fielen. Oesterreichische Vorbereitungen. Wien, 2. Mat. Sämtliche in den Häfen von Triest, Zara und Spalato liegenden österreichischen und un- gartschen HandelSdampfer wurden heute vom Krieg». Ministerium gechartert. Ein AuSwanbererdampstr der Gesellschaft Austro-Americana, der mit Auswanderern an Bord heute abgehen sollte, mußte diese wieder au»- schiffen, weil er zum Truppentransport nach Süddal- matten benötigt wurde. — Heute nacht hat dar Krieg». Ministerium Befehl erteilt, daß die in Castelnouvjtste- hrnde GebirgSbrigade, ferner die Brigaden in Zara und in Spalato auf Tranlportdampfern einzuschiffen.-stnd. DerStandderKrise. Wien, 2 Mai. Nach den au» London und Pärt- vorliegenden Meldungen, die jedoch amtlich nicht be stätigt sind, ist gegenwärtig der Stand der Krise fol- gender: Die nächste Sitzung der Botschafterkonferenz findet am Montag unter der Mitwirkung de- ös^r- retchisch-unggrischen Botschafter» statt. Montenegro soll aufgefordert werden, Skutari binnen 48 Stunden zu räumen. König Ntkolau» hat unter dem Drucke von Rußland und Frankreich sowie auch Serbien» sich nach einer Nachricht aus nicht amtlicher Quelle öexeit erklärt, Skutari gegen territoriale Entschädigungen zu räumen. Die nächste Sitzung der Botschasterkonferenz wird somit über die Frage der territorialen EnMä- digung, gegen welche sich Oesterreich - Ungarn ausge sprochen hat, entscheiden. Die Möglichkeit, daß der Frieden erhalten bleibt und die von der Monarchie gegen Montenegro geplanten Maßregeln überflüssig werden, ist nicht ganz ausgeschlossen. Die Kris» ist noch nicht überwunden. In diplomatischen Krisen verlautet, daß die militärische Aktion Oesterreich-Un- garn» und Italien» sich auf ganz Albanien erstrecken würde. Wien, 2. Mai. Hier herrscht fieberhafte Erregung. Man erwartet jeden Augenblick seitens Oesterreich,-Un garn» einen entscheidenden Schritt, obwohl Oesterdeich- Ungarn die Bereitwillig test au»gesprochen haben, soll, bis zum Montag zu warten. Jedenfalls aber w«M>en alle Vorbereitungen getroffen, um nach Ablauf^der Frist sofort vorgehen zu können. An hiesiger kompe- trntrr Stelle ist immer noch nicht« davon bekannt, daß Montenegro seine herausfordernde Antwortnote zurück gezogen habe und sich gegen Kompensationen bexeit zeige, Skutari zu räumen. Insbesondere wird betont, daß, bevor Montenegro nicht tatsächlich Skutari ge räumt habe, von irgendwelchen Kompensationen Hher- Haupt keine Rede sein könnte. De» weiteren wird von unterrichteter Stelle erklärt, daß die Situation nach wie vor eine ungemein kritische sei. Im heutigen ge- meinsamen Ministerrate seien Fragen finanzieller und militärischer Natur erledigt worden, die sich auf die Durchführung der gegen Montenegro in Au-sichtige- nommenen Zwang»maßregeln beziehen. E» wird noch hinzugefügt, daß die Entscheidung über da» weitere Vorgehen in den Händen des Kaiser» liege. Die^e- vorstehenden militärischen Dispositionen werde der W- nisierrat nur zur Kenntni» geben, da jetzt der KMe- ralstab das Wort habe. Allgemein herrscht die Uetzer- zeugung vor, daß Italien sich unzweifelhaft an «Mer militärischen Aktion beteiligen werde, weil man hort über dar Zusammengehen König Nikita» mit Mad Pascha ungemein erbittert sei. Es heißt, OesterreiK- Ungarn habe Italien hinsichtlich Valonos gewisse Kon zessionen, gemacht. Die Rücksichten auf Rußland. » Wien, 2. Mäi. Die gestrigen Militärkonferenzen, die am Vormittag beim Kaiser in Schönbrunn, mm Nachmittag im Krieg-Ministerium stattsanden, haÄtN in den Absichten Oesterreich- tatsächlich eine AenderMg hervorgebracht. Während noch bi» gestern morgen der Plan bestand, ganz Montenegro mit Truppen zu über schwemmen, hat man sich nun entschlossen, um dis Em pfindlichkeit Rußland» zu schonen, den ursprünglichen Plan aufzugeben und die Aktion für die Befreiung Skutari» auf das Gebiet zu beschränken, das nicht zu dem alten Königreich Montenegro gehört Die öfter- reichischen Truppen würden von Cattaro und San Giovanne di Medua aus, da» besetzt werden soll, nach Skutari marschieren, da» man nicht im Sturm, son dern durch Aushungerung einzunehmen gedenkt. Gleich zeitig unternehmen die Italiener eine Aktion gegen Valon«. An der Milttärkonferenz vom Nachmittag haben Krobattn, Konrad von Hötzendors und mehrere Generale teilgenommen, darunter Potiorek dem da- Kommanda im Süden anvertraut werden dürfte. 6ucd Ssr Seläuterts trügt blttsrnocb an seinem Sali. (1813-Artikel zum Jubiläum der Schlacht bei Großgörschen am 2. Mai I8l3) 8. k. K. Am 2 Mai 1813 sahen die Dörfer Kaja, Star siedel, Rahna, Görschen und Cisdorf eine fürchterliche Schlacht. Wir nennen sie die Schlacht bei Großgörschen, der eitle Feind nannte sie die Schlacht bei Lützen. Unentschieden wogte der Kampf lange hin und her. Erobert und zurückerobert, waren die Dörfer bald französisch, ba d deutsch. In der Nacht nach dem Kampfe standen sie unter französischer Standarte also hatte Napoleon gesiegt Das Schlachtfeld galt es zu säubern von 22000 verwundeten und toten Franzosen, von 8000 Preu ßen und 3000 Russen. Man sehe die Zahlen einmal scharf an und man hat eine Vorstellung von dem Kampfe der hier ge tobt hatte. Rücksichtslos hatte Napoleon seine Truppen ins Feuer ge schickt — denn er wußte, es war ein Tag der Entscheidung und den wollle er als Sieger abschließen. Todesmutig stürmten die Preußen vor, denn es war ihr erstes Wiedersehen mit dem Unterdrü-er und das sollte ihn lehren, daß sie ein anderes Volk geworden waren, geläutert, erstarkt und des endlichen Sieges gewiß. Lau kämpften die Russen, denn nicht um Heimaterde ging der Kampf und was sie an Begeisterung über die Weichsel mitgebracht hatten, das hatte das zweimonatliche Zaudern ihres Kommandos vernichtet. Wäre Blücher ihr Feldherr gewesen, wahrhaftig sie hätten sich besser geschlagen und Napoleon wäre unterlegen Denn der Feind hatte ihn überrascht. Auf dem Wege nach Leipzig hört er Kanonendonner südwestlich in der Ferne. Ein kühner Kosakenritt hätte seine Marschlinie zerrei ßen können, ein Scharnhorst'scher Schlachtenplan hätte ihn ein kreisen können, ein Herantreten der russischen Garde zu den heldenmütigen Kämpfern unter Blüchers Befehl hätte des Kor sen Garde zermalmen können und Deutschland wären alle die Opfer bis zum 18. und 19. erspart geblieben Aber der russi- sche Bundesgenosse wollte kommandieren und konnte es nicht. Bald gingen die Befehle vom Zaren aus, bald von dem und jenem russischen General, zuweilen — und nicht Vie schlechtesten — von einem preußischen, und der die Leitung führen sollte, der Russe Wittgenstein, war in seiner Hilflosigkeit wohl froh, wenn er nicht anzuordnen brauchte. So verworren seine Anmarsch befehle gewesen waren, so unklar seine Vorstellung von Napo leons Schlachtenplan, den ruhig und klug zu entwerfen sein Ungeschick erst zugelassen hatte. So siegte Napoleon nicht über preusische Ohnmacht — keine Kanone, keine Fahne ließen diese sich entreißen — sondern über russische Schwerfälligkeit. Der Tag von Großgörschen ist uns ein Freudentag, weil er den Preußen das Selbstoertraun zu rückgab — sie sahen, was sie vermochten, sie erkannten, daß ihr Gottvertraun berechtigt sei. — Der Tag von Großgörschen war ein lichter Blick in die Zukunft — aber auch ein finsterer Blick in die Vergangenheck. Denn wäre Preußen nicht so tief von der Höhe der friderizianischen Zeit gesunken gewesen, so hätte es nicht so demütig sich von den Russen alles gefallen lassen müssen, so hätte es sich von seinen eigenen und bessern Feld herrn kommandieren lassen. Die Niederlage von Großgörschen war noch ein Schatten der Niederlage von Jena Aber es ehrt das preußische Heer nicht wenig, daß es durch diese Niederlage sich den freudigen Mut nicht rauben ließ zur tatkräftigen Wei terführung des Kampfes. Im festen Glauben an die Hilfe Gottes und mit dem Entschluß alles dranzugeben für des Va terlandes Ehre waren sie in den Krieg gezogen — solche edle Begeisterung mußte schließlich doch zum Siege führen. Nus vsr SesÄdüktswslt. — (Stuttgarter Lebensversicherungsbank a G. (Alte Stuttgarter). Nach dem Rechenschaftsbericht, der dem Aufsichtsrate der Bank in seiner Sitzung vom 17. April vorlag, wurden im abgelaufenen Jahae 1912, dem 58. Geschäfts jahre, neu einpereicht 14198 Anträge über Mk 110776680 Ka- p.tal si. V. 1Ü058 Anträge über Mk. 108457 960). Zur An- nähme gelangten in der Todesfallversicherung 11565 (i. V. 13368) Versicherungen über Mk 88088 540 (i. V. Mk 87 831265) Ka pital Mit Einschluß der Altersversicherung bezifferte sich Ende 1912 der Gesamtversicherungsbestand der Bank auf 163 567 Ver sicherungen mit 1 Milliarde und 77807118 Mark Kapital (i. B. 156551 Versicherungen mit 1 Milliarde und 19 223493 Mark). D-e Prämieneinnahme belief sich auf 42,5 Millionen Mark. «40,2 Millionen. Der Zinsertrag aus den Vermög^nsanlagen der Bankzstellte sich 15,6 Millionen Mark (14,5 Millionen). Der durchschnittliche Zinsertrag aus den Kapitalanlagen hob sich von 4,16 Proz. im Jahre 1911 auf 4,22 Proz. im Jahre 1912 Für fällige Versich'rungssumrnen und Rückkäufe waren 22 Millionen Mark (20,6 Millionen) zu zahlen. Der Prämienreserve wurden 19 Millionen (18 Millionen) Mark zugesührt. Die Verwallungs- kosten hielten sich in mäßigen Grenzen und betrugen nur 6 Proz. der Jahreseinnahme Der Jahresüberschuß in der Todessallver- sich-rung beläuft sich auf M 13140492 (12720356). Hiervon wurden an die Divmendenreseroen der Versichecteu überwiesen M 12850074 (12349654) Für den Erweiterungsbau des Bank gebäudes wurden M 220000 (300000) zurückgestellt. In den Pensionsfonds der Bankbeamten flossen M 65000 (60000) ud in die Kursausgisichungsreserve M 5418 (10702- Das Bank vermögen stieg von M 380818902 Ende 1911 auf M 404465733 Ende 1912; darunter befinden sich Extra- und Dwidendenreser- ven in Höhe von M 73544949 (70397687).