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Nr. 52 Pulsnitzer Wochenblatt. — Mittwoch, den 30. April 1S1S. Seite 2. Vorstellungen von Marionetten Theatern, von gewerbs- s mäßigen Singspielen, Gesangs- und deklamatorischen Vor trägen. Ferner wurden u. a genehmigt: die ortsgesetz lichen Beschlüsse über die Erhöhung der Gehälter der Gemeindevorstände in Großröhrsdorf Bernbruch und Lauß nitz; der 3. Nacktrog zum Grtsgesetze, die Anstellungs-, Dienst-, und Ruhegehaltsverhältnisse der berufsmäßigen Gemeindebeamten der Gemeinde Großröhrsdorf betr. Betreffs der Fernsprech Anschlüsse der Amtsstraßenmeister in Kamen; und Königsbrück beschloß der Bezirksausschuß, die Hälfte der Kosten auf die Bezirkskaffe zu übernehmen. Kamenz (Fohlenschau undStutenmuste- rung. Gestern vormittag 9 Uhr fand auf dem hie- sigen Albertplatze die diesjährige Fohlenschau und Stutenmusterung, verbunden mit der Prämiierung der 1. und 2jährigen Fohlen, statt. Zu dieser Musterung waren erschienen die Herren Landstallmetster Graf zu Münster, sowie Herr Landstallmetster a. D. Graf zu Münster-Linz. " Der Schau wohnten außerdem Herr Geh. Regierungsrat Amtshauptmann von ErdmannS- dorff, Herr Professor Dr. Gräfe-Bautzen, sowie eine große Anzahl Pserdezüchter bei. Als Preisrichter fun gierten die Herren Bezirkttierarzt Dr Zietzschmann, Tierarzt Richter-Dresden, Oekonomierat Nicke und Ritterguttpachter Hausse-Brauna. Vorgeführt wurden ungefähr 65 Stuten und Fohlen, davon int Zucht register eingetragen 22 Stuten und Fohlen. — In der in Hotel Lehmann stattgefundenen Nachversamm lung besprach der Herr Landstallmeister züchterische Fragen und erweckten besonders seine Ausführungen über den Weidebetrieb, sowie die häufigsten Pferde- krankhetten rege» Interesse. Et folgte hierauf die Prettverteilung, und erhielten nachstehende Herren aut unserem Bezirke Preise: Haase-GerSdorf, Christoph- MöhrSdors, Mager-Hä-lich, Mager Ntedersteina.Berndt- Gertdorf, Schöne-Ohorn, Tübel Großröhrtdorf und Gebler-Großröhrtdorf. U. a wurde auch der Wunsch laut, in Bischoftwerda eine Beschälstation etnzurichten, doch wird dies nicht möglich sein, da, abgesehen von den ziemlich hohen Unterhaltungskosten, die Beschäler der umliegenden Stationen nicht genug auSgenützt würden. Nachdem der Herr Landstallmeister noch kon statiert hatte, daß die Perdezucht in unserem Sachsen lande sich gegenwärtig in erfreulich aufsteigender Linie bewege, wurde die Versammlung geschlossen. Elstra. (Diebstahl.) In der Nacht vom Sonn- abend zum Sonntag wurde ein am Hause des Bäcker meisters Sommer angebrachter Schokoladenautomot gewaltsam entfernt und von den Frevlern in den Straßengraben der Landstraße nach Prietitz zu gebracht, daselbst geöffnet und seines Inhalte«, Schokolade und etwas in barer Münze, entleert. Auch in Steinbruch»- unterkunftSräumen bet Rauschwitz ist in derselben Nacht etnbrecherisch gearbeitet worden. Die Täter fino noch nicht ermittelt. Dresden, 29. April. (Hosnachrichten.) Das königliche Hoflager ist heute nach der königlichen Billa in Wachwttz verlegt worden. — Unter dem Vorfitze Sr. Maj. deS Königs und in Gegenwart Sr. König- ltchen Hoheit des Prinzen Johann Georg fand heute eine Sitzung des GesamtministertumS statt. Dresden, 29. April. (DerDirektorderPrin- zenschule Hosrat Pros. vr. Jacob f) Der Gymnasiallehrer und Studiendirektor der Prinzenschule Hofrat Prof. vr. Jacob ist gestern hier gestorben. Er hat ein Alter von 64 Jahren erreicht. Seit Grün- düng deS König!. Gymnasiums in DreSden-Neustadt gehörte er dieser Schule an und war Lehrer des Kö nig» und seiner Brüder, der Prinzen Johann Georg und Max; später als Studiendirektor der Prinzen- schule, Lehrer der Söhne de» Königs. Er gehörte auch zu den Lehrern de» Großherzog» von Mecklenburg. Schwerin und de» Herzog» Paul von Mecklenburg, sowie der deutschen Kronprinzessin während ihre» Dre»d- ner Aufenthalt». Seine Beerdigung findet am 1. Mat in Bautzen statt. Bautzen. (Der Einzug de»2. Kgl. Sächs. FeldartillerieregimentSN r. 28 inBautzen) wird bekanntlich am 17. Juli d. I. erfolgen. Da» Re- giment, da» seit dem Jahre 1878 in Pirna garniso- niert, wird am 26. Juni die Garnison verlassen, um zunächst aus dem Truppenübungsplätze Zeithain Schieß übungen abzuhalten. Nach der Beendigung rückt da» Regiment dann am 17. Juli in seine neue Garnison Bautzen ein. Al» Entschädigung erhält Pirna da» 1. Pionierbataillon Nr. 12, da» am 1. Oktober von Dres den dort eintreffen wird und die bi» dahin umgebau ten Kasernen der 28rr bezieht. Schneeberg. (Fleischertag.) Die Vorbereit ungen für den im nächsten Monat stattfindenden Säch sischen Fletschertag find im Gange. Die Tagung wird mit einer Vorstand»sitzung und geselligem Beisammen- sein eingeleilet. Am nächsten Tage ist Frühschoppen, Konzert, Hauptversammlung, Festtafel und Ball. Am dritten Tage erfolgt ein Ausflug mit Musikbegleitung nach dem Gleesberg. LeiSuig, 29. April. (Raub üb erfüll.) Ein fre cher Raubüberfall auf einen 12 Jahre alten Knaben am Hellen Tage verübt. Der Junge sollte für eine Ziegelei die Wochenlöhne im Betrage von 300 Mark fortschaffen. Unterwegs trat ihm ein Mann, der eine Larve trug, entgegen und entriß ihm den Beutel mit dem Gelde. Als der Knabe laut um Hilfe schrie, be- drohte ihn der Räuber mit einem Revolver, worauf der Junge in seiner Anast davonlief. Der Täter entkam. LagssgesÄrlckte. Deutsches Reich. Berlin, 29 April. (Heutige Sitzung der Budgetkommission.) In der heutigen Sitzung der Budgetkommisston de» Reichsta ges wurden beraten und unverkürzt bewilligt die Mann- schaftSetatSerhöhung der Infanterie, der Kavallerie, der Feldartillerie, der Fußartillerie, der Picniere, der Verkehr»truppen und der Trains, und zwar mit den Stimmen der Rechten, des Zentrum», der National- liberalen und der Fortschrittlichen Volkspartei. Berlin, 29. April. (Zur internationalen Lage.) Bet dem heutigen Empfange de» diplomati schen CorpS im Au»wärtigen Amte durch StaatSsek- retär von Jagow lag eine Meldung von einem beab sichtigten, selbstständigen Vorgehen Oesterreich-Ungarn» nicht vor. Zu dieser Wiener Nachricht wird von hie- siger maßgebender Stelle einem Vertreter des Hirsch- schen Telegrapraphen-Bureau» bemerkt, daß dieser nun- mehrtge selbstständige Eingreifen unserer Nachöarmo- narchie nicht verübelt werden kann, da die Botschafter- konfsrenz bisher ein einmütiger Vorgehen der Groß mächte nicht erzielen konnte, und ein weitere» Zau dern dem Ansehen Oesterreich-Ungarn» entschieden von großem Schaden sein werde. Immerhin glaubt man nicht, daß dieses alleinige Vorgehen einen Grund zur Beuninhrgung geben wird, da man nicht an ein Ue- berg eisen der Differenzen auf die Großmächte selbst hier glaubt, sondern durchaus die Ansicht vertritt, daß ein eventueller Konflikt lokalisiert bleiben würde. Berlin, 29. April. (Sraat»sekretär von Jagow in der Budgetkommisston.) In der heutigen Sitzung der Budgetkommisston erschien der Staatssekretär de» Auswärtigen Amtes von Jagow. ES wurde bei der Weite» beraiung der Wehroorlage zunächst über die Neutralität Belgiens verhandelt, und die Besorgnis ausgesprochen, daß bei der Stim mung in Belgien dort die Befürchtung herrsche, daß Deutschland im Falle einer Krieges die Neutralität nicht wahre. Man sei nun überzeugt, daß Deutschland die Neutralität wahren werde, es Di aber wünschen«, wert, daß die Regierung die» auch öffentlich erklärt. Der Staatssekretär erwiderte, die Regierung stehe auf dem Boden der Neutralitätsverträge und werde diesel ben halten. Die Vertreter der Sozialdemokratie wieder holen die bekannten Ausführungen über die auswärtige Politik. Sie fragen an, ob nicht eine bessere öster reichische Politik besonders hinsichtlich deS Verhältnisse» zu den in Oesterreich lebenden Serben und Kroaten käme. Weiler fragen sie, wie sich der Vertreter deS Auswärtigen Amtes zu der Berner Konferenz stelle. Der Staatssekretär erklärt darauf, man müsse auf die Stimmung in Frankreich Rücksicht nehmen. Die deut- sche Stimmung ist durchaus friedlich, ebenso diejenige in Oesterreich. Die Berner Konferenz könne nur an genehm sein. Ein Redner der Sozialdemokratie fragt nach den neuesten Stand der Botschafterkonferenz und der Lage auf dem Balkan. Der Staatssekretär erwiderte, e» sei unrichtig, daß wir die Südsl.wen von Oester reich abhalten wollen; eS sei nur darauf aufmerksam gemacht worden, daß Oesterreich» Streitkräfte im Süd osten jetzt stärker festgehalten werden bis bisher, lieber die Botschafterkonferenz könne er nicht» Neues sagen, Skutari stehe wohl nicht im Zusammenhang mit der Wehroorlage. Der KrtegSminister gab dann vertrau- liche Mitteilungen über au»wärttge KriegSrüftuwgen. Deutschland sei friedfertig, aber der Glaube an die Friedfertigkeit Deutschlands könne nicht erzwungen werden. England. London, 29 (Ein Engländer über den europäischen Friede^.) Auf einem Diner liberaler Parlamentsmitglieder sagte gestern Lord Beauchamp»: Die sech» Großmächte find so eng aneinder gebunden, daß ein Krieg zwischen zweien von ihnen die übrigen mit hineinzieht. Sir Edward Grey Hst durch die Aufrechterhaltung de» Frieden» seinem Vaterlande große Dienste geleistet. Unter den Persön lichkeiten, die zur Aufrechterhaltung de» Frieden» be sonders beigetragen haben, muß aber vor allem dem deutschen Kaiser Dank gezollt werden. Zwischen Deutsch, land und uns hat sich da» Band der Freundschaft in letzter Zeit außerordentlich verstärkt. Berlin, 29, April. (Die Braunschweigische Thron frage.) Einem Berliner Abendblatt wird au» Gmunden berichtet, daß die Thronbesteigung des Prinzen Ernst August von Cumberland beim Bundes rat gesichert sei, daß ferner die geplante GebietSerwei- terung Lüneburgs au» Hannoverschem Gebiet den Tat sachen entspreche. Prinz Ernst August soll demnach al» Herzog von Braunschweig und Großherzog von Lüneburg den Thron seiner Väter besteigen. Türkei. (DietürkischenVerlusteimBal- kan kriege.) Ein Telegramm au» Konstantinopel gibt eine Aufstellung der Verluste der Türken im Bal kankriege. Danach sollen in diesem Kriege 200 0Ü0 Mann umgekommen sein, davon 50 000 Mann allein bei Kirkkilisse und Lüle-Burga» und 30 000 bei den Kämpfen an der Tschataldschalinie. Außerdem starben wochenlang an Entkräftung täglich 600-700 Mann. Bei Movastir sollen die Türken 30 000 Mann verlo ren hoben DaS furchtbarste Gemetzel war bei dem Küstendilpaß, wo die Türken von den Bulgaren auf beiden Seiten angegriffen wurden. Annähernd 20 000 Mann betrug der Verlust allein bei diesen? Kampf. Die Balkanverbündeten haben ferner 150 000 Mann zu Kriegsgefangenen gemacht. Die Bulgaren nahmen 54 000 Mann gefangen, davon 30000 bei Adrianopel, dir Griechen 30 000 in Janina und Elassona. 40000 Türken sind von den Bulgaren und Serben gemein- sam gefangen worden, die Serben und Montenegriner machten 20 000 zu Kriegsgefangenen. Amerika. Newyork. (Die Einwohnerzahl NewyorkS. Nach der letzten Volkszählung hat Newyork 5 332 000 Einwohner; es hat somit London mit seinen 4 521 685 Einwohnern überflügelt und ist die größte Stadt der Welt geworden. Rechnet man allerdings London mit seinen Vororten zusammen, so bleibt dieses immer noch mit über 7 Millionen Ein wohnern an der Spitze. Immer langsam voran. Diplomatenmühlen mahlen langsam, aber auch nicht immer sicher, und die viel gerühmte Londoner Botschafterreunion hat bereits mehr wie einmal ver sagt, sie hat eS auch in der üblichen Verschleppung»- maschine nicht über sich gewinnen können, sofort in der Skutarifrage eine Entscheidung zu treffen, sondern hat nach dreistündiger Beratung, wie gemeldet, eine Entschließung bis zum Donnerstag vertagt. „Zeit ge wonnen, alle» gewonnen", dar ist der WnShen Schluß bet diesen Herren. Bezeichnend find auch die osfiziösen Mitteilungen, die eine selten optimistische Färbung zei gen und ersichtlich da-u dienen sollten, die O-ffentlich- tett zu beschwichtigen. Al» besonderes Moment wird auch heroorgehoben, daß die Vertreter Oesterreich Ung- arn» und Rußlands beim Verlassen der Konferenz zu sammengegangen seien und eine längere Besprechung hatten, bevor sie sich trennten. Man will dadurch augenscheinlich den Eindruck erwecken, al» wenn alle» in schönster Harmonie verlaufen sei. Lieb Vaterland kannst ruhig sein ist Lie Parole, bi» eines Tage» doch Europa vom Dröhnen der Geschütze an der montene grinischen Grenze überrascht werden wird, darauf steu ern die Ding« unbedingt lok, denn eine Haltung, wie sie der Zaunkönig Nikita einnimmt, kann Oesterreich- Ungarn sich nicht länger gefallen lassen, wenn seine Autorität al» Großmacht nicht geschädigt werden soll. Muß man doch erleben, daß Montenegro alle- tut, um die Schritte der Mächte zu durchkreuzen, eben der Mächte, deren Vermittlung für den Frieden man ganz gern angenommen hat. Angesichts der bisher gezeigten Ohnmacht Europa» aber glaubt der Herr der schwar zen Berge sich alle» herausnehmen zu können, in der Erwartung, seine Wünsche durchzusetzen, wenn er nur zähe bleibt. E» steht auch außer Frage, daß die Pro klamierung Essads zum Fürsten de» unabhängigen Albanien» im Einverständnis mit Nttita erfolgt ist, wie auch die angebliche Erstürmung und Kapitulation Skutari» ohne Blutvergießen auf Grund beider Ber- einbahrungen erfolgt ist. Durch diesen schlauen Coup glaubt König Nikita anscheinend Slutari für sich ret ten zu können. Ganz unbekümmert darum d tz die Lage dadurch ungemein kompliziert wird. Jedenfalls wäre es eigenartig, wenn Oesterreich sich bemühen würde, Skutari an Albanien fallen zu lassen, während dessen Fürst die Stadt garnicht haben will. Derartige Schie bungen kann sich Oesterreich-Ungarn unmöglich gefallen lassen und e» wird ihm niemand verargen wollen, wenn e» unter solchen Umständen mit aller Energie gegen Montenegro vorgehen will. In der Donaumo narchie hat man bisher eine unglaubliche Geduld ge zeigt und wahrhaftig nicht» überstürzt. Man hat sich bisher noch immer gescheut, scharfe Maßnahmen zu ergreifen, um ja nicht den Frieden zu stören, obwohl man in jeder Weise gerüfter ist, sofort loSzuschlagen. Auch jetzt noch scheint man vorläufig vow einem selb ständigem Vorgehen Abstand zu nehmen und sich da mit begnügen zu wollen, wenn die Botschafterkonserenz Maßnahmen vorschlägt, die einen energischen Druck auf Montenegro bezwecken und geeignet find, einen Umschwung herbeizusühren. Bei der Hartnäckigkeit de» montenegrinischen Herrscher» steht aber nicht zu erwar- ten, daß er sich eine» Besseren belehren lassen wird, und daher sind die Aussichten für die nächste Zukunft recht düstere. Italien und Montenegro. Wien. 29. April. Von besonderer Seite wird der „Neuen Freien Presse aus Rom gemeldet: Die italie nische Regierung wirkt mit allem Nachdruck für ein gemeinsamer Vorgehen der Mächte und ist gegen die Uebertragung eines europäischen Mandates an eine einzige Macht. Ebenso sucht man mit aller Energie Montenegro zur Nachgibigkeit zu bewegen. Wie e» heißt, hat der König von Italien selbst bei seinem Schwiegervater, König Nikita, dringliche Vorstellungen erhaben. Aktion dreierMächtc? Wien. 29. April. Nach einer römischen Meldung der „Neuen Freien Presse" wird die Antwort der mon tenegrinischen Regierung auf die letzte Note der Mächte für morgen erwartet. Sollte Montenegro sich weiter weigern, die Forderung der Mächte auf Räumung Sku- tari» zu erfüllen, so wird auf Grund eine» europäischen Mandates eine Intervention durch Oesterreich-Ungarn, Italien und England erfolgen. Der Ernst derLage. Wien, 29. April. Gerüchtweise verlautet, daß der Chef de» Generalstabes Konrad v. Hötzrndorff Vorbe reitungen für die Reise nach Cattaro trifft. Der Coup Essad Pascha». Konstantinopel, 29. April. Die Taktik Essad Pa scha», Albanien unter die Souveränität de» Sultan»