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Nr. 37. Pultnttzer Wochenblart. — Donnerstag, den 27. März 1913. Seite 2. Dresden, 26. März. (Vom Hofe.) Der König nahm heute vormittag im Restdenzschlosse die Vorträge der Staatsminister und des königlichen Kabinettsekre- tärS entgegen. Heute, Donnerstag mittag 12,SS hat sich der König vom Hauptbahnhof aus zu einem etwa 14 Tage währenden Aufenthalt nach Lugano begeben. — (Zum Verschwinden des Oberjustizrat vr. Körner) Der Sohn des in Lindau am Boden» fee auf so rätselhafte Weise verschollenen Dresdner OberjustizratS vr. Körner, Herr Rechtsanwalt vr. Hans Körner ist wieder nach Dresden zurückgekehrt, ohne eine Spur seiner Vaters ausftnden zu können. Man steht nach wie vor vor einem Rätsel. Entweder ist er einem Verbrechen zum Opfer gefallen, dessen Spur man erst später entdecken wird, oder er hat sich in einem An» falle plötzlicher Geistesverwirrung nach einem anderen entfernt liegenden Orte begeben und hält sich dort un erkannt auf. Dresden, 27 März. (Unfälle in der sächsi schen Schweiz) vom Rotzenstein bei Dittersbach in der Sächsischen Schweiz ist der Dresdner Tourist Hans Rlotz abgefiürzt. Er hat schwere Verletzungen am Ropf und außerdem doppelten Beinbruch erlitten. Sein Zustand ist lebensgefährlich. Außerdem sind vom Pfaffenstein zwei weitere Touristen abgestürzt. Ueber den letzteren Unglücks fall fehlen noch nähere Angaben. Zittau. (DerOberlausitzerSängerbund), der über 100 Vereine in der KreiShauptmannschaft Bautzen mit etwa 3700 Sängern umfaßt, plant für dar Jahr 1914 die Abhaltung eines großen Oberlau- sitzer Sängerbundesfester in Zittau. Der Stadtrat hat sich zu einer finanziellen Unterstützung des Fester be reit erklärt. Der Bau der Festhalle wird zirka 18000 Mark betragen. Mittweida. (Schiebertanz.) ES ist genugsam bekannt, daß der Schiebertanz verboten ist und gericht- lich bestraft wird. Manche Leute scheinen sich dar im- mer noch nicht merken zu können und so stand erst jetzt wieder ein Pärchen vor den Schranken der hiesi- gen Amtrgerichtr. Beide wurden wegen Aursührung der Schiebertanzer verurteilt, und zwar erhielt der „Herr" 50 Mark Geldstrafe oder 10 Tage Gefängnir und die „Dame" 2S Mark Geldstrafe oder 5 Tage Ge- sängnir. Außerdem haben beide die Kosten der Ver- fahren» zu tragen. Leipzig, 27. März. (Eine Ehrengabe für den Vorsitzenden der deutschen Turner- schäft.) Die Villa, die der Ehrenvorsitzende der deut» fchen Turnerschaft, vr. Goetz, in Leipzig bewohnt, ist durch Kauf in den Besitz der deutschen Turnerschaft übergegangen. Die deutsche Turnerschaft wird ihrem langjährigen Vorsitzenden da» Hau» al» Ehrengabe zur diamantenen Hochzeit, die am 10. Juli stattstndet, übergeben. Lagssgefcmcvre. Deutsches Reich. Dortmund, 26. März. (Der Kronprinz von Sachsen in Rheinland und Westfalen.) Kronprinz Georg von Sachsen traf heute morgen in Begleitung de» Generals o. Carlo- witz und de» Grafen Münster in Dortmund ein und stieg im Hotel „Russischer Kaiser" ab. Gleich nach sei» ner Ankunft besuchte der Kronprinz den Gotte»dienst in der katholischen Kirche und setzte gegen 8 Uhr die Reise über Henrichenberg nach Herne fort, von wo sich der Königrsohn nach Düsseldorf begeben wird. — (Da» Kaiserpaar hat da» Osterfest) im Kreise der kaiserlichen Familie in Potsdam gefeiert nachdem e» am Tage vor dem Feste, als am 106. Ge burtstage Kaiser Wilhelm» l., längere Zett im Char- lottenburger Mausoleum am Sarkophage de» alten Kai ser» im stillen Gebet geweilt und dort einen prächti- gen kornblumengeschmückten Lorbeerkranz niedergelegt hatte. Da» Kronprinzenpaar beging da» Osterfest wie im vorigen Jahre in Danzig. Dort herrschte in der kronprinzlichen Villa am Morgen de» ersten Festtage» Heller Kinderjubel; denn da» fröhliche Spiel de» Eier suchen» löste bei den Prinzen große Freude au», zu- mal die kaiserlichen Großeltern ihre Enkel mit ganz besonder» schönen Ostereiern überrascht haben. Da» deutsche Kaiserhau» hat immer gern an den altüber- lieferten LolUsitten, die ja leider mehr und mehr ver- schwinden, festgehalten. England. Loudon, 27. März. (DieFrieden». rede Lord Churchill») Lord Churchill, der erste Lord der Admiralität, hielt gestern abend bei Beginn der Beratung de» englischen Flottenetats im Unter- Hause eine Rede, in der er aus die Erklärungen de» deutschen MarinestaatSsekretär» von Tirpitz und aus das dabei vorgeschlagene Stärkeoerhältni» von 16:10 zu sprechen kam. Churchill» Rede ist wegen ihre» fried- lichen Tones hochbedeutsam. Der erste Lord der briti- fchen Admiralität sagte u. a.: „Da» letzte deutsche Flot- tengesetz hat die Zahl der deutschen Kriegrschiffe bedeu- tend vermehrt. Ich Hage schon im vorigen Jahre den Vorschlag gemacht, wenigsten» eine Pause eintreten zu lassen, und wiederhole den Vorschlag in diesem Jahre. An der jetzigen Stärke der Flotten würde dadurch nicht» geändert werden. Wohl aber würde der Etat beider Länder eine Erleichterung erfahren. Da» ist kein Apell der Schwäch», sondern der Stärke, den wir an alle Nationen richten und mit besonderer Aufrichtigkeit an unseren deutschen Nachbar. Ich sage e» ohne Umschweife im Namen oer Regierung, daß wir den ruhigen Ton der letzten deutschen Marinedebalte mit Freuden be grüßen und mit Befriedigung seststellen, daß sich die deutsch-englischrn Beziehungen verbessert haben. Die beiden Länder sind zu der Ueberzsugung gekommen, daß es beider aufrichtiger Wunsch ist, den Frieden zu bewahren. Das Gefühl des wachsenden gegenseitigen Vertrauens beginnt den RüstungSwettkämpfen die Ge- fahr zu nehmen. Die Anerkennung des Stärkeverhält- nisseS von 16:10 durch Deutschland darf un» nicht veranlassen zu sagen, Deutschland dürfe auf Grund die- ser Anerkennung keine weiteren Schlachtschiffe bauen. ES würde der englischen Politik nur schaden, wenn der Staatssekretär de» Aeußeren in dieser Beziehung einen Druck auf die deutsche Regierung ausüben würde." Churchill betonte gegen Schluß seiner Rede, daß beide Nationen vollkommen freie Hand bei ihren Rüstungen zur See haben müßten, die» umso eher, al« sich in letzter Zeit nicht» ereignet hat, war eine Aenderung in ihrem Programm veranlaßt haben könnte. Russland. Petersburg, 26. März. („Nowoje Wremja" über die russische Diplomatie.) Die öffentliche Meinung beschäftigt sich in erregter Weise mit dem Schritt der russischen Regierung, gemeinsam mit den übrigen Großmächten Montenegro zu veran lassen, sich bezüglich der Belagerung Skutaris dem Wunsche der Großmächte zu fügen. „Nowoje Wremja" schreibt: Ein Telegramm aus Wien meldet, daß in den österreichischen Blättern die offizielle Mitteilung publiziert ist, nach der Rußland mit der Einverleibung Skutaris in da» zukünftige Albanien einverstanden sei. Wir verstehen, daß sich die russische Diplomatie geniert, die neue Erniedrigung der Ruffen und Slawen zu veröffentlichen. Aber wie begreiflich auch solche Stimm ungen sein müssen, da« Interesse der Allgemeinheit fordert e» aber, daß solche Mitteilungen über russisch, österreichische Verhandlungen nicht stet» zuerst in Wien der Oeffentlichkeit 'übergeben werden. Sollten wirtlich die russischen Diplomaten nicht einmal so viel Achtung vor der eigenen Heimat haben, daß sie wenigsten» in der Frage der Oeffentlichkeit gleiche» Recht für beide Länder verlangen. Amerika. Newyork, 26. März. (7000 Opfer der Ueberschwemmungen am Ohio.) Die Nachrichten von der Sturm- und Flutkatastrophe am Ohio lauten immer trostloser. Da der Regen anhält, verschlimmert sich' die Lag« stündlich. Der Bürgermei ster teilt mit, daß tn der Stadt 5000 Menschen um gekommen sind und daß die Katastrophe im ganzen Staate über 7000 Opfer gefordert hat. Mehr als eine halbe Million Menschen sind obdachlos. Der Gouver neur von Columbus richtet einen Apell an die gesamte Welt, in dem er um Hilfe für die Opfer der Kata- strophe bittet. Die Ueberschwemmungen in Ohio und den benachbarten Staaten sind ungeheuer. Die Stadt Dayton ist am schlimmsten betroffen. Die Einwohner haben sich in die obersten Stockwerke zurückgezogen. Viele Leichen schwimmen in den Straßen. Dkl Äll MimM Schneller al» in der letzten Zeit erwartet, hat sich da» Schicksal erfüllt. Nicht weniger al» fünf Monate hat die Festung dem Ansturm der Belagerung Stand gehalten und durch ihr tapfere» Verhalten dem alten Soldatenruhm der Türkei ein neue» Lorbeerblatt hin- zugefügt. Adrianopel, Skutari und Janina sind die Lichtblicke in dem für die Türkei so unglücklichen Kriege, der sicherlich einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn die Machthaber nicht so sorglos gewesen wären, und bei Zeiten alle erforderlichen Maßnahmen an- geordnet hätten. Wie dem auch sein möge, Adrianopel hat gezeigt, wa» eiserner Wille zu leisten vermag und der Name eine» Schükri-Pascha wird stets in Ehren gelten. Daß dre Einnahme Adrianopel» für den weiteren Gang der Dinge von größter Wichtigkeit sein wird, liegt auf der Hand. Freilich ist der Fall der Festung heute nicht mehr in dem Maße von Bedeutung, wie er vor Monaten vielleicht gewesen wäre. Denn heut ist da» Schicksal der Türket völlig entschieden und auch über da» Loo» Adrianopel» selbst konnte in den letzten Wochen kein Zweifel mehr herrschen, nach- dem die Mächte sich entschlossen hatten, dem Ueber- gang der Stadt an die Bulgaren, wenn auch mit schwerem Herzen zuzustimmen. Nun aber Adrianopel gefallen ist, wird e» der Türkei leichter sein, sich zu entschließen, nachdem sich da» Schicksal dieser Stadt, die ja lange der Hauptangelpunkt der Verhandlungen war, erfüllt hat. Adrianopel gefallen. Wim, 26. Januar. Adrianopel ist gefallen, nach dem sämtliche östlichen Fort» erstürmt waren. Die 3. (Schipka-) Division ist bereit» in die Stadt einge zogen. Die Türken sprengen ihre Pulvermagazine in die Luft. In Sofia sind viele Häuser beflaggt; in der Bevölkerung herrscht freudige Erregung. Sofia, 26. März. Al» erste zogen heute früh um 9 Uhr zwei Jnsanterieregimenter und eine Kavallerie abteilung in Adrianopel ein. Sie begegneten einem Flammenmeer. Schükri Pascha hatte die Stadt in Brand stecken lasten. Die Bevölkerung floh au» den Flammen dem feindlichen Feuer entgegen. Wien, 26. März. Gerüchtweise wird au» Sofia gemeldet, daß Schükri Pascha mit dem Rest seiner Truppen um 11 Uhr vormittag» kapituliert habe. Nach einer anderen Meldung soll er sich mit dem letzten Fort in die Lust gesprengt haben. Die Einnahme Adrianopel». Sofia, 27. März. In Adrianopel haben gestern noch an mehreren Stellen Straßenkämpse stattgefun den. Dis bulgarischen Truppen sind bemüht, die allenthalben wütenden Brände zu löschen. Türkische Truppenreste halten sich zum Teil noch in einigen Fort» im Westen der Stadt. Die Nordgrenze Albanien». Loudon, 26. März. Wie der Korrespondent der „Frkf. Ztg " erfährt hat sich die Bottschafterkonferenz bisher auf eine Grenzlinie für Nordalbanien geeinigt, die von der Mündung der Bojana au», dem Talwege de» Fluße» folgt, den Tarabosch eingreift und noch der albanisch-bosnischen Grenze hingeht. Djskooa soll serbisch werden. Entlang dem weißen Drin geht die Grenze bi» westlich von Prirrend. Ljuma fällt an Albanien, während die Dibra auSscheidet. Der schwarze Drin bildet die Grenze bi» zum Ochridasse. Die Entscheidung bei Tschataldscha naht, Konstautinopel, 26. März. Die bereits am Sonn tag begonnene Offensive scheint sich zu einer Ent scheidungsschlacht bei Tschataldscha zu entwickeln. Bei San Stefano wurde bi» Montag abend ununterbrochen geschaffen. Drei türkische Divisionen unter Führung Enver BeyS gingen am Sonntag in der Richtung nach San Stefano, Tschataldscha und DerkoS ab und e» folgten zur Ser eine Anzahl Tran»portdampfer. Der Hauptangriff richtete sich am Montag gegen Kani- köi. Die Türken verteidigten ihre Stellungen mit großer Hartnäckigkeit, verloren aber 600 Gefangene und 500 Tote. Türkische Niederlage bei Tschataldscha. Aonstgntinoxel, 27. März. Nach zuverlässigen Nachrichten sind die türkischen Truppen in der Tschataldschalinie geschlagen und über den Ort Tschataldscha zurückgedrängt worden. Der Gouverneur von Tschataldscha ist mit den übrigen Zivilbeamten bereits in Konstantinopel eingetroffen. Dee Rückzug der türki schen Truppen aus Kadiköj har sich fluchtartig vollzogen, ihre Stärke betrug hier 500 Mann und 80 Geschütze. Sie wurden erst nach heftigem Kampfe von der bulgarrschen Uebermacht ge schlagen, wobei sie 200 Tote und 70 Verwundete verloren. Nur der Rest konnte sich retten. Die Front des linken türkischen Flügels ist in die Höhe von Baklschiköj (4 km östlich Tschalald- schas zurückgegangen. Die Eisenbahn von Konstantinopel kann nur bis zu diesem Orte verkehren. Ueber die Stellung des rechten türkischen Flügels bei Derkos fehlen nähere Angaben. Oer neue Sänger-Wettkampk um die goldene Kaiserkette, der vom 5. bis 8. Mai in Frankfurt a. M im Beisein der deutschen Kaiserfami lie stattfindet, wird nach den engültigen Anmeldungen wiederum da» eigenartige Tsilnehmsrbild wie in den früheren Preissingen zeigen: Die Festlegung de» Fest- orte» auf Frankfurt macht bei der großen Entfernung und den darau» erwachsenden Unkosten, den ostdeutschen Vereinen die Teilnahme meist unmöglich. Der Lehrer gesangverein in Posen ist der einzige, der au» dem Gebiet recht» der Oder erscheinen wird. Nachdem die Mainstadt die große Festhalle für den Wettstreit erbaut hat, ist wohl kaum an eine Aenderung de» Festorte» zu denken; im Interesse einer Teilnahme ganz Deutsch land» an diesem deutschen Sängertage wäre indessen ein Wechsel in den Städten freudig zu begrüßen, da mit die Kosten für die einzelnen Sänger nicht zu hoch werden. Al» erste Wettbewerber um die erneute Kaiserkette (die erste Kette war bekanntlich au» Köln gestohlen und von den Dieben eingeschmolzen, sodaß sie zum zweiten male hergestellt werden mußte), kommen in Betracht der Kölner Männer.Gesangverein, der zweimal Sieger war, und der Berliner Lehrergesangoerein, der einmal da» Kleinod errang. Im ganzen nehmen 41 Vereine mit 8486 Mitgliedern teil, von denen jeder Verein ein« dauernde Angehörigenzahl von mindestens hundert Sängern haben muß. Eine Erhöhung der Sängerzahl für den Festbesuch ist nicht gestaltet, ebensowenig dür fen Berus»sänger extra für diesen Zweck hinzugezogen werden. Neueste direkte Meldungen vou Hirsch'» Telegraphen-Bureau. London, 27. März, (von der Londoner Bot schafterkonferenz. Gestern fand eine Besprechung der Botschafter statt, die zwei Stunden in Anspruch nahm. Der rumänische Gesandte, Nisu, war hinzugezogen wor den. Dieser erörterte die Lage der Hutzowallachen, welche befürchten, Serbien oder Griechenland zugeleilt zu wer den. Der Gesandte verlangte für sie religiöse und natio nale Privilegien. Dm weiteren verlaus der Ronferenz wurde die Nordgrenze von Albanien sestgelegt, während die Frage der Südorenze erst in der nächsten Sitzung zur Erledigung kommen wird. Dann stellte man den Text der Note an die Balkanstaaten fest, worin sie aufgefordert werden, die Feindseligkeiten einzustellen und Albanien zu räumen. Dem widersprach freilich der russische Botschaf ter, indem er erklärte, daß die Balkanstaaten in dieser Frage erst gehört werden müßten. Die übrigen Botschaf ter erklärten demgegenüber, daß bereits eine mündliche Aufforderung durch ihr« Vertreter erfolgt sei und daß die schriftliche Note nur die Bestätigung der bereits mitge teilten wünsche darstell«. Sofia, 27. März. (Die Einnahme Adria- nopelr.) Nachdem der Kommandant von Adria nopel, General Schükri Pascha, mit seinem Stabe von bulgarischer Kavallerie umzingelt war, hat er sich dem bulgarischen General Iwanow ergeben. General Iwanow teilte dem General Savow die» telegraphisch mit. Der Jubel in Sofia ist unbeschreiblich. Alle