Volltext Seite (XML)
Nr. 1. Puttnttzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 2. Januar 1913. Seite 3 gödie hat sich in der verflossenen Nacht in einem wiener Lafe abgespielt. Dort erschienen um Mitternackt 3 junge Leut«, nahmen an einem abseits stehenden Tisch platz und verlangten Tee. Nach einiger Zeit fielen die drei Freunde von ihren Stühlen auf den Boden. Die Kellner eiUen herbei, die jungen Leute wanden sich in Schmerzen. Als einige Aerzte herbeikamen, waren die drei Unbekannten schon tot. Man glaubt, daß sie sich mit Zyankali vergif tet haben. Die drei jungen Leute haben Abschiedsbriefe hinterlassen, in denen über das Motiv der Tat Angaben enthalt«» sind. New-Jork, 1. Januar. (Generalstreik der Kellner.) Die Gewerkschaft der New-Aorker Hotel- kellner hat den sofortigen Generalstreik sämtlicher Ho telkellner und anderer Hotelangestellten New-AorkS an- geordnet. Newyork, 3(. Dezember. (Ausschreitungen der streikenden Schneiderinnen.) Dn Newyork, wo etwa (00000 Schneider und Schneiderinnen streiken, kam es gestern, wie -von dort gemeldet wird, zu blutigen Ge walttätigkeiten. Etwa H000 Werkstätten sind bereits ge schlossen. Der Besitzer einer dieser Schneidereien hatte 60 Mädchen von New Jersey importiert, um den Streik zu brechen. Lin ganzes Heer vom Amazonen der Nadel und Schere versammelt« sich vor d r Werkftadt und stürmte sie. Die Polizei trieb die wütenden Weiber jedoch mit dem Knüppel auseinander. Madrid, 1. Januar. (Vin englischer Damp fer gescheitert.) Ein Telegramm aus Cadix meldet, daß in der vergangenen Nacht gegen 1 Uhr ein großer Dampfer, der allem Anschein nach in diesem Hafen eine Landung vornehmen wollte auf dem Golf, von Terra Nueva gescheitert ist. Genaue Einzelheiten über das Unglück fehlen noch. Von anderer Seite wird mitgeteilt, daß er sich um das Paketboot „Mackenzie* dar der englischen Clan-Linie angehört handelt. Neueste direkte Meldungen Werda«, 2. Januar. In der Neujahrsnacht wurden bei Ruppertrgrün die beiden Weichenwärter Iakob und Otto von dem Südexpreßzug Berlin—München überfahren und buchstäblich zermalmt. London, 2. Jan. (Die Friedenskonferenz.) Die Friedenskonferenz begann gestern nachmittag um 3 Uhr. Venizelos führte das Präsidium. Reschid Pascha ergriff olr erster doS Wort und führte aus, daß die ihm von Konstantinopel zugegangenen Instruk tionen gestatten, neue Vorschläge zu machen, die Pforte meint, sie erachte es für notwendig, die Großmächte über Albanien, Kreta und Macedonien zu befragen. Adrianopel und Albanien werden in die Besprechung nicht miteinbezogen. Die Balkandelegierten erklärten hierauf, diese Vorschläge nicht annehmen zu können. Die verbündeten Balkanstaaten wollen nur mit der Pforte und nicht mit den Großmächten unterhandeln. Reschid Pascha erwiderte, daß die Türkei, um ihren guten Willen, einen FrtedenSschluß herbeizuführen, zu bezeigen, folgende letzte Vorschläge mache: 1) Macedo- nien und EpiruS werden unter Einschluß von Salo niki abgetreten. Die Türket fragt nicht mehr nach ei- ner Autonomie, sondern tritt einfach diese Länder ab. 2) Die Pforte schlägt vor, über die Regierungsform und Grenze Albaniens die Mächte zu befragen. 3) Adria- nopel kann die Türkei auf keinen Fall abtreten. Sie wünscht die Grenze dieses Vilajets mit Bulgarien selbst festzustellen. 4) Die Inseln im Aegätschen Meer und den Dardanellen muß die Türkei ebenfalls behal ten, da sie für die Verteidigung notwendig sind. 5)DieGnt- scheidung über Kreta solldenSchutzmächtenüberlassen sein. Alsdann wurde die Sitzung auf eine Stunde unter brochen, um den Balkandelegierten Gelegenheit zu ge- ben, über diese neuen Vorschläge sich zu beraten. Bei Wiederbeginn der Sitzung erklärten die Bevollmächtig ten der Balkanstaaten, auf diese neuen Vorschläge nicht eingehen zu können. Man könne nur eine Frage, die- jentge von Adrtanopel, von den Verhandlungen ab trennen, da sämtliche kriegführende Mächte nur einen einzigen und keinen Sonderfrieden zu schließen beab sichtigen. Die Delegierten wollen alle Fragen, die er ledigt werden, direkt mit der Türkei verhandeln und nicht mit den Großmächten. Die Balkanstaaten wür- I den, wenn sie mit der Türkei Frieden geschloffen hät ten, schon wissen, über welche Fragen sie mit den Groß mächten zu verhandeln hätten. Reschid Pascha erklärte, über diese Antwort nach Konstantinopel berichten zu wollen. Er hofft, vielleicht schon am Freitag im Be sitz der Antwort der türkischen Regierung zu sein. Loudo«, 2. Zauuar. (Die Botschafterkonfe renz.) Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es der jetzt stattfindenden Botschafterkonferenz noch nicht möglich sein, die Abtretung Albaniens auf die Tagesordnung zu setzen. Die Verhandlungen der Botschafterkonferenz leiden, wi» allseitig hervorgehoben wird, sehr unter dem Druck der militärischen Vorbereitungen der verschiedenen europäischen Staaten. Paris, 2. Januar. (Gesundheitszustand Kaiser Franz Josefs.) Der Korrespondent des „Echo de Paris* berichtet, daß der Gesundheitszustand Kaiser Franz Josefs nicht so gut sei, wie ihn die offiziellen Berichte glauben machen wollen. Warschau, 2. Januar. (Eisenbahnunglück.) Aus der Warschau-Wiener Bahn wurde in der Nähe der Station Gorckowice infolge Schienenbruchs ein Zug zur Entgleisung gebracht. 22 Waggons wurden zertrümmert, glücklicherweise wurden abernur3Personen, darunter Soldaten, verletzt. Sofia, 2. Januar. (FriedenSaussichten.) Entgegen den offiziösen pessimistischen Meldungen ist man in hiesigen sonst gut unterrichteten Kreisen der be stimmten Ansicht, daß es den Vorstellungen und Rat- schlügen der Mächte doch gelingen werde, die Pforte von der Nutzlosigkeit ihres Widerstandes zu überzeugen und sie zur Annahme der von dem Balkanbund aus- gestellten FriedenSbedingungen, insbesondere zur Abtre tung von Adrianopel zu bewegen. Wellungen ms dm Pulsnitzer Wochenblatt werden jederzeit entgegengenommen. Gegen monatliche Teilzahlungen von Al. 3.-komplett zu beziehen durch: Versandbuchhandlung „DieLide",München, bägerskaße )7 Die Erde und die Kultur Die Eroberung und Nutzbarmachung der Erde durch den Menschen In Verbindung mit Fachgelehrten gemeinverständlich dargestellt von vr. L. Reinhardt. 5 starte Bänd« von nahezu 4<XX> Seiten mit vielen Textbildem und über 400 Kunstdrucktasrln zum Gesamlpreise von Alk. 4S.50, zahlbar in monatlichen Raten von nur Alk. 3.- Bd. >. Die Erd« >»«d ihr Wirtschaftsleben. Von Dr. Rudolf Yoh. Mit Abbildungen im Text, 70 Kunstdrucktafeln und einer Katte der Weltwirt schaft in io Farben. Preis in feinem Leinenband Alt. s.so. Bd. 2. Kulturgeschichte des Menschen. Die Grundlagen einer allgemeinen Kulturgeschichte. Von Dr. L. Reinhardt. Mit vielen Illustrationen im Text und -2 Kunstdrucktafeln. Preis in feinem Leinenband Alk. >0.- Bd. I. Kulturgeschichte der Autztiere. Von Dr. L. Reinhardt. Mit vielen Illustrationen im Text und 70 Kunstdrucktafeln. 76S Seiten. Preis in seinem Lcinenband Alk. >0.- Bd. 4. Kulturgeschichte der Auhpflanzen. Von Dr. L. Reinhardt, iscx) Seiten mit vielen Illustrationen im Text und >60 Kunstdrucktafeln. Preis in zwei starke Leinenbände gebunden Alk. 20.- Feder Band ist auch einzeln käuslichl ÄllllNIM-. §ahn L Hassel »VUvUjlU bach, Dresden,herrlich, Upillllpn! wie frisch «epfl- Beilch. WLIiUfLlli duftend, ä Flasche 0.8o, 1 —, 1.50, 2,50; Seife L SV Pfg Max Jenftsch, Central-Drogerie Okkene stellen. achtbarer Eltern, welcher Lust hat Pfefferküchler zu werden, kann Ostern in die Lehre treten. Georg Gräfe. Gesucht wird für 1. Februar besseres, zuverlässiges bei hohem Lohne. Frau Apotheker Stierba deckten »Gruenij« »rocicene Lckuopenflecdt«, Mropk. Lkrem», »lief affens I-ülZs DM—LdL«1ev^vetnLe»cti>vüre, ^üerdetne. »H« Vuntlen »Ins! ott »ekn dsirtnIcing» «er disber vereedlick kollt« L» Msrsea. m»cne noed einen »1t 6er veilen» bevLdrtea Nino-SAib« Hk« voo»ekL6l. öe»1»n61e1I. Dose 1,1 r».2M. I)»nk»ckretben xeken tUxlick ein. eckt in Ort^nLlpackune ivetü - Kfrü» - rot I'». 5ckudort Ar Lo., VelnbSKI»-vre»6e^ fA» Enkelkind ,in« Brithie ab. Sem Schreib,« schloß er mit Götz' Bri,s zusammen in «i« Kuvert. Darauf schrieb «r mit fest» Züge«: -Für «rin, herzlich geliebt, Enkelin Jutta.* Da»« „ ,« einem Wandschrank, dessm Tür sich glatt, mit Tapet« bespannt, in da« Mauerwerk fügte. Er öff. n«t« st- mit einem seltsam g,formte« kunstvolle« Schlüssel. Der Wandschrank, feuersicher iu bas Manerwerk eingebaut, enthielt kostbar, Silber, und Goldgerät« u«d i« einer Mb», neu! Kassette dru Familieuschmuck der Raveuaus, dr» Gwen, doli»« damals verpfänd« e. Auf dem Deckel der Kassette be fand sich da» Wapp,« der Ravenau» i« Gold, mit erhabene» Ornamenten v»,««. Ei» leiser Druck auf eine winzig« Ro sette in de« Okuamente» öffnete de« Deckel der Kaff-tte. Ohne den Schmuck eine« Blickes zu würdigen, legt« der Graf das verschlossene Kuvert mit den beide» Briefe« hinein und verschloß den kostbare» Behälter. Dann ließ er durch Seidelmann sein« Enkelin rufe», di« halb darauf «intrat. „Willst Du nicht ei» w«nig draußen im Sonnenschein fitze», Großpapa? Es ist herrlich im Freien." „Gleich geh« ich mit Di», mei» Kind. Zuvor will ich Dir etwas sage». Sieb hi» dies« Kassette, sie enthält die Familiendiamauten dn Ravenaus und Srbö»rode«. Später kannst Du Dich daran erfreuen, h««t« will ich Dir nur ,«i, gen, wie dir Kassette zu öffn,» ist.» Nachdem die« geschehen war, stellt, « die Kassette wi«. der in de« Wandschrank, schloß ihn ab und überreicht« Jutta de» Schlüssel- „Wahre ih« gut, Ki«d. Der Schrank enthält viel« Kost« barkeiten, n»d da« Schloß ist so kompliziert, daß e« unend liche Mühe kosten würde, e« oh», Schlüssel ,« öffnen. Am beste» trägst Du dr» Schlüssel a» einer Kette um den Hal«.* Jutta versprach, da« zu tu», fragt« ab»: „Warum gibst Du ih« «ir, Großp-p- ?' „Weil der Inhalt dieses Schrankes mich nicht interessiert und doch eine» Tage« Dir gehör«« wird. Versprich nu«, so lang« ich lebe, di« Kassette nicht zu öffne« — außer wen» ich Dir di« Erlaubnis da,« geb«.' „Ich verspreche es Dir. Und fitzt geh« ich gleich hinauf, um «in Krt chen für de» Schlüssel ,u hole». Dan« kehre ich zurück, und wir begebe» «u« ins Freie. Er nick!« ihr zu und fi« gi»g. In drr Nach», die diesem Tag folgt«, wurde es plötzlich im Schloß lebendig. Der Graf hatte wieder eine» besonder« schwere» Anfall seine« Leiden«. Er verlangte nach seiner Enkel!« und ließ eine» reitend«« Bot«» nach Gtrlachhansr» senden, Götz h-rbe zub tte». Jutta eilt« bestürzt herbei. Sie halt« nur eine« Mor genrock übrrgeworf««. Ihr Haar hing in zwei schwere» Flech ten über den Rücken. Ll« sie mit bleichem Gesicht da« Schlafzimmer ihre« Großvater» bitrat, fand sie ih» halb aufgerichtet, von Seidel mann und Frau Wohlgemut «nt,»stützt, im Bett sitzend. Schwer rang » mit furchtbarer Atemnot, die ih» befallen batte. Sei» Gesicht war bläulich gefärt und di« Augen starr ten ihr angstvoll »«tgegen. Sie eil'e an sei«. Seit« nnd beugt« sich über iHv. „Großpapa, lieber Großpapa!' ries fi« schmerzerfüllt, Er »astet« nach ihrer Hand und sah sie mit «inem un, beschre'bliche» Bl ck an. .Mein -- ltrbes — Kind!* Jutta küßt« seine Hand und wandt« sich an Frau Wohl gemut. „Wurde »um Arzt gesandt? Was ist denn mit Groß papa g-schebe»? „Der Arzt muß bald hi« sei«. E» ist ein Anfall de» alte« Leihen« vns»e« gnädige» Herrn Grafe«.' Jutta bückte betroffen auf. „Hatte Großpapa schon öfter solch« Anfälle?* „Ja, leid» — aber nicht so schlimme wie heute. E« ist auch schon «ach Herrn von Gerlachhausen geschickt mord««." Jutta umfaßt« fest di« Hand de« Krank««. „Mein armer, lieber Großpapa, ich wußte ja gar nicht, daß Du so krank bist. Kann ich Dir nicht helfe«? Der Krank« schüttelt« lricht den Kopf u«d macht« Sei delmann ei« Ze ch«« Der verstand «I sofort und reicht« dem Kranke» ei« neue» Pulver. Danach wurde der Atem etwas leichter. Ravenau ließ sich noch mehr ausricht««. Dan« zog er Jutta zu sich. „Kind — m«in« Jutta! Du kannst mir bas Sterbe« leicht machen." „Großpapa!* „Ja — «s g«ht z« End«. Willst Du?" „All«» will ich tu« — nur bleib« bei mir," sagt« fi« mlt tränenttsticktrr Stimme. „Ich hab ja niemand als Dich, m«i« lieber, lieber Großpapa!" „Doch — Götz Gerlachhausen — Jutta, liebst Du ih» ?" Si« verbarg erglühend ihr Gesicht in seinen Händen und nickte ein wenig. Aber er hatte es bemerkt und auch Jettchen Wohlgemut, die mit ihrem guten Gehör di« geflüstert« Frage vernommen, sah da» Erglühen und das leise Neige« des jungen Haupte». Ravenaus Auge» leuchtete» i» verklärtem Glan,« „Dann ist alles gut — Götz wird Dein Schutz und Schirm sei» — bald ist «r hi» — dann — dann —". Ein neu«« Her,krampf hindert« ihn am We tersprechen. Jutta» Hand «mklammrrnd, bäumt« er sich auf, dann fiel «r plötzlich zurück, ei» stöhnender Seufzer enifloh feine« Lippen und darauf noch ei» Ruf: „Jutta! Han» Georg l Mit brechende« Auge« sank der letzte Ravenau zurück auf sei» Lager. — Er war tot. Der Arz», der bald danach «intrat, konnte nur »och d«« erfolgt«« Tod konstatieren. Jutta saß wie «starrt neben dem Sterbebett. Jettchen Wohlgemut, di» weinend ihrem Herr« di« Auge» »«gedrückt, wollt« Jutta fortiührev, ab« sie schüttelt« stumm dr» Kopf und barg da» Gesicht in de« Hände«. Si« könnt« da» Graurnvoll« nicht fassen. Zum erste» Male sah fi« einen Mensche« sterben — und e« war der einzig«, mit dem sie die Bande de» Blute» verknüpfte«. So sa«d sie Götz, al» der Marge« bereit» graute. E« war so schnell wi» möglich von Gerlachhausen abgeritte«, kam aber nun doch »« spät. (Fortsetzung folgt.)