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Nr. 10. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 23 Januar 1913. Seite 2. pfohlen, ihren Frühjahr-bedars tunlichst schon jetzt zu beziehen, das Ladegewicht der Wagen auSzunutzrn und die Wagen möglichst schnell zu behandeln. Hierbei wird noch besonder» darauf hingewiesen, daß bei Ausnutzung des Ladegewichts der Güterwagen von 15 und mehr Tonnen Ladegewicht unter gewissen Voraussetzungen ein Fracht Nachlaß gewährt wird. — (Sendungen nach unseren Kolonien.) Bei Einlieferung der nach Ostasien, Ostafrika und Süd» westafrika bestimmten Postpäckereien wird von den Absendern auf den Abgang der Reichspostdampfer viel fach keine Rücksicht genommen. Die Folge davon ist eine oft um Wochen verspätete Zustellung. Im In- teresss unserer Leser geben wir daher hiermit die näch sten, im ersten Quartale stattfindenden Dampferab- gänge bekannt und empfehlen dies« unsere Bekannt» gäbe sorgfältigst auszubewahren. Es gehen Reich», postdampfer nach Ostafien ab Bremerhaven am 19. Fe» bruar und 19. März, ab Hamburg am 6. Februar und 6 März, nach Ostafrika ab Hamburg am 29. Ja nuar, 14. Februar, 14. und 29. März und nach Süd- westasrika ab Hamburg 25. Januar, 10. und 25. Feö» ruar und 10. und 25. März. — (Wer im Winter die Vögel füttert)' muß daraus achten, daß ein Schneetreiben die Futter stelle nicht verweht, und daß keine Katzen die Tiere überfallen. Verwendet man FuLLerhäuSchen, so müs sen, um praktisch zu sein, deren schräge Dachflächen seitwärts bis über dar Futter hinwegreichen. Die ge- wöynlichen FutterhäuSchen sehen zwar schön vuS, er füllen aber ihren Zweck nicht. Hat man keinerlei Ap parate, so leistet eine auf die Sette gelegte, offene Kiste, die entgegen der Windrichtung steht, bei Schnee wetter auch gute Dienste als Futterstelle. — (Bund der Deutschen Jugendfür» sorgeverbände.) Dem Bunde haben sich neuer dings angeschloffen der Rheinisch-Westsälische Verband der JugendgerichtShilfe und Jugendschutzverein für die Rheinprovinz und Westfalen. AuSkunfttstelle beim Amtsgericht Lennep i. Wests. — Dergleichen ist nun- mehr die LandeSgruppe Königreich Sachsen durch den Verband für Jugendhilfe in Dresden, vorbehältlich der Zustimmung der Mitgliederversammlung, dem Bunde beigetreten. AuSkunfSstelle der Verband für Jugend- Hilfe in Dresden, Lothringerstraße 2 l. Kameuz. (Neue Bezeichnung.) Das König liche Ministerium de» Innern genehmigte, daß die hie- fige Tuchmacherfachschule künftig die Bezeichnung „Fach- Gewerbeschule der Tuchmacherinnung zu Kamenz" führe. Dresden. (AIS städtische Ehrenrenten für Kriegsteilnehmer) bewilligte der Rat der Stadt Dresden aus Anlaß de» RegierungSfubiläum» de» Kaisers jährlich 30 000 M bewilligt. Dresden. (Ein Weltläufer.) Da» Dresdener Journal schreibt: Heute stellte sich in unserer Redak tion der Weltläufer Carlo Maglia, ein im Elsaß ge borener Italiener vor. Er wird auf Grund einer in den Niederlanden abgeschlossenen Wette um 34 000 Mk. in 3*/, Jahren eine Reise zu Fuß um die Welt an- treten. Der Abmarsch erfolgt am 15. Februar d. I. vom Germaniadenkmal auf dem Altmarkte zu Dresden au». Er wild seinen Weg zunächst über Berlin nach Memel, dann nach Rußland, Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark, England usw. nehmen. Er wird sich seinen Lebensunterhalt lediglich durch Verkauf von Ansichtskarten mit seinem Bilde verschaffen. Carlo Maglia ist seit 12 Jahren BerufSläufer. Er ist Vege tarianer und trinkt nur wenig Alkohol. Königstein. (Jubiläum.) Ihr 375 jährige» Bestehen begeht die privilegierte Schützengesellschaft am 22. Juni d. I. Zittau. (Adermal» Grenzsperre.) Nach einer Mitteilung der Bezirk»hauptmannschast Friedland ist in einem Gehöft in Mildenau die Maul- und Klauen seuche au-gebrochen. ES wurde daher die Ein» und Durchfahrt lebender und toter Wiederkäuer, ungekoch ter Milch, frischer Rohstoffe von Klauentieren, von Stroh und Heu sowie von Dünger au» dem Gebiete der BrzirkLhauptmannschaft Friedland in und durch den Zittauer Bezirk verboten. Ferner wurden gemäß 8 168 der AuSsührungSoorschriften des Bundesrats zum Viehseuchengesetze für die Orte Markersdorf, Rei- chenau, Mittelweigkdorf mit Friedrich, Maxdorf und Neugersdorf und OberweigSdorf noch besondere ein- schränkende Bestimmungen erlassen. Obernenkirch, 20. Januar. (Zu dem kürzlich gemeldeten Mißgeschick- eines hiesigen Flerscher» gesellen, dessen Brieftasche mit 1000 Mk. Papiergeld die Schweine zerfreffen hatten, ist noch nachzutragen, daß demselben auch die übrigen 700 Mark von der Reichsbank in Berlin ersetzt worden sind. Crostau, 21. Januar. (Eine Kalbjagd aus den Kälber st einen.) Die seit Anfang Oktober vo rigen Jahres aus der Viehweide-Anstalt in Dürrhen nersdorf bei Ebersbach entlaufene 2jährige Kalbe hat in hiesiger Gegend viel zu reden Anlaß gegeben. DaS Tier hat sich seit genannter Zeit in dem Gelände im Walde am Bileboh, auf der Seite nach WurbiS zu, he- rumgetrteben. Dort ist eS auch vor Weihnachten von hiesigen Bewohnern an der WurbiS-Crostauer Wald- grenze gesehen worden. Die Spur des Ausreißers wurde nach dem Crostauer herrschaftlichen Walde zu verfolgt; e» gelang jedoch nicht, da» Tier etnzufangen. Von den Angestellten der herrschaftlichen Waldung wurde daraufhin in der Nähe der Kälbersteine eine Futter stelle eingerichtet, um das Tier nach und nach an die sen Platz zu locken. Dies ist jetzt auch gelungen. Am Sonnabend nachmittag wurde die seit 4 Monaten im Walde herumtreibende und in der Freiheit wildgewor dene Kalbe durch einen gutgezielten Schuß de» För- sterS Horn in Crostau erlegt und per Achse nach Cro stau gebracht; hier wurde da- erlegte Tier von dem Eigentümer abgeholt. Die seltene Jagdbeute hatte zahlreiche Neugierige herbeigelockt. Riesa. (Sämtliche Fleischerei-Inhaber Riesas) erlassen im „Riesaer" Tageblatt" heute fol- gende Bekanntmachung: „Durch die Maßnahme des Stadtrate» zu Riesa betr. den dänischen Fleischverkauf, sehen sich die ergebenst Unterzeichneten veranlaßt, um sich infolge etngrtretener milder Witterung vor größe rem Schaden zu schützen, hiesiges Rindfleisch in bester Qualität zu denselben Preisen zu verkaufen, wie vom Stadtrat zu Riesa festgesetzt ist. Ein sehr geehrtes Publikum von Riesa und Umgegend wird höflichst ge beten, die doch auch steuerzahlsnden Fleischer zu un terstützen. Waldenburg. (G esto rb en) am Herzschlag ist nach nur zweitägigem Krankenlager in Waldenburg Bürger meister Georg Richard Kretzschmar im 61. Lebensjahre. Der Dahtngeschiedene amtierte seit 2. Ma: 1889 in Waldenburg. Chemnitz. (Ein eigenartiger Ueberfall) wurde abends auf den Portier der Firma Bachmann und Ladewig, Aktien-Gesellschaft in Chemnitz, au»ge- geführt. Als ein Arbeiter bei ihm um Arbeit nach- fragte, fuhr plötzlich ein Automobil mit drei Insassen vor, die in die Portierloge eindrangen und den Por tier schwer mißhandelten, sodaß er blutüberströmt zu- sammcnbrach. Auf seine Hilferufe eilten Arbeiter her- bei. Dis Täter ergriffen die Flucht im Auto und ent kamen unerkannt. Der Arbeiter, der in der Portrer- loge um Beschäftigung nachsuchte, flüchtete ebenfalls. Er konnte aber noch eingeholt und der Polizei über geben werden. Leipzig. (An den gewaltigen Leipziger BahnhofSumdauten) hat vor wenigen Tagen der letzte Bauabschnitt begonnen. Er umfaßt den Rest des sächsischen Flügels, der auf dem Gebiet des alten Dresdner Bahnhof» erstehen wird. Bis Ende Januar wird der gesamte Dresdner und Chemnitzer Verkehr noch dort abgeferttgt, aber schon liegt da» Vorderge bäude an der Promenade halb in Trümmern, und die Bauplanke umzieht den größten Teil des Blockes. In der Nacht zum 1. Februar sollen die Einfahrten an die neue Halle angeschloffen werden, die auf dem Gebiet de» früheren Magdeburger Bahnhofs errichtet worden ist und zunächst den ganzen östlichen Zugver kehr Sachsen- zu tragen hat. In der Zahl der weit- gespannten Bogenhallen, von denen jede einzelne fast den Raum der Dresdner Mittelhalle der Hauptbahn- Hofe- allein bedeckt, ist sie die vierte; zwei wettere für den sächsischen Verkehr sind noch geplant und sollen im nächsten Jahr in Betrieb kommen Lagssgescmevte. Belgien. Brüssel, 22. Januar. (Anklagen gegen die französische Militärverwal tung.) Da» sozialistische Blatt „Le Peuple" wird morgen einen Artikel veröffentlichen, in dem anscheinend ein französischer Milttäraviattker scharfe Angriffe gegen die französische Militärverwaltung richten wird. In dem Artikel wird dargetan werden, daß die Kommando stellen, der Artillerie und Genietruppen, denen da« Fliegerkorps zugeteilt ist, in ihrer Eifersucht es fertig gebracht hätten, d^e Waffe, aus die das französische Volk die größten Hoffnungen setze, völlig zu unter graben. Der Schreiber de- Artikels klagt offen die französische Militärverwaltung an, daß sie die Millionen, die in der Bevölkerung für die Aviatik gesammelt worden seien, vergeudet habe. Der Artikel dürfte da» größte Aufsehen erregen. Bulgarien. Sofia, 22. Januar. (Rumänien und Bulgarien) Or. Danow und der rumänische Gesandte Misu sollen von ihren Regierungen tatsäch- lich die weitestgehenden Vollmachten erhalten haben, den bulgarisch-rumänischen Konflikt vollständrg beizu legen. Türkei. Konstantinopel, 22. Januar. (Zur Friede ns Verhandlung.) Wenn nicht ganz Un erwartete» eintritt, kann der Friede in wenigen Tagen abgeschloffen sein. Die Orffentlichkeit hat sich bereit» mit der Abtretung AdrianopelS abgefunden, fordert aber ernste Garantien für die Zukunft, insbesondere für den ungestörten Besitz Konstantinopels, sowie finanzielle Unterstützung zur wirtschaftlichen Hebung des Landes. Möglicherweise erfolgt schon heute abend die Übersendung der Antwort der Pforte an die Bot- schaster. Das Schriftstück ist vorbereitet und soll nach der Sitzung der National-Versammlung den Bot schaftern übergeben werden. Für die Oeffentlichkeit wird die Parole ausgegeben, daß nicht die militärische, sondern die finanzielle Lage die Türkei zwinge, den Rat der Mächte anzunehmen. Konstantinopel, 22. Januar. (Der gestrige türkische Ministerrat) beriet mit dem Rate der Neuesten den Wortlautder an die Großmächte «bzugebenden Erklärung. Nach den vorliegenden Meldungen ist dis Haltung der Großmächte weit davon entfernt, auch nur einige» Licht in die Situation zu bringen. Die Jnselfrage im Aegäischen Meere wird von den Großmächten nicht gelöst. Man glaubt, daß die Erledigung der Frage aus wichtigen Gründen, welche das Schicksal der asiatischen Türkei berühren, für später vorbehalten bleibt. Die Note enthält keine Zusicherung, ob mit der Preisgabe von Adrianopel die Ansprüche de» Balkan- künde» befriedigt sind. Er ist im Gegenteil ernstlich zu befürchten, daß die Türkei bald anderen materiellen Forderungen der Balkanbundes gegenüberstehen wird. Die Versicherungen der Großmächte, der Türkei mora lischen und finanziellen Beistand zu leisten, sind höchst platonisch. Die Pforte hört aus diplomatischem Wege, daß die Großmächte im Emoerständni» mit Rußland beabsichtigen, die Grenzen Albanien» wesentlich einzu schränken, sodaß die politische und wirtschaftliche Ent- Wickelung von vornherein unmöglich erscheint. Der türkische Generalstab neigt nur höchst bedingt zu der Ansicht, daß die türkische Armee eine offensive Beweg ung ausführen kann. Konstantinopel, 22. Januar. (Die Haltung der Pforte.) Die Blätter konstatieren, daß dem heute statifindenden Nationalrat kein konsultativer Charakter beizumeffen ist. Die Regierung werde sich nicht nach den Beschlüssen der Versammlung richten, sondern sich daraus beschränken, vertrauliche Auskünfte über die Lage und Gründe erteilen, die sie bewogen, die Verantwortung für die gefaßten Beschlüsse selbst zu übernehmen. Weiter melden die Blätter, daß die Pforte an dis Botschafter zur Uebermittelung an die Kabinetts Rundschreiben gerichtet habe, in denen die Ansprüche Griechenlands auf die Aegäischen Inseln kathegorisch zurückgewiesen werden und darauf auf merksam gemacht wird, daß die Herstellung einet dauernden Frieden» durch die Annektion der Inseln seitens Griechenlands vereitelt und die Spannung zwischen Türkei und Griechenland fartdauern würde. Lnvlicd SrisVsn! Konstantinopel. Die Regierung hat sich endgültig zum Frieoen unter bedingungsloser Uebergabe von Adrianopel entschlossen. Die Antwort soll heute abend überreicht werden. Diese Meldung wurde uns gestern vormittag auf dem Drahtwege übermittelt und wurde unsererseits sofort durch Aushang bekannt gegeben. Bet den Tür ken hat also doch die gesunde Vernunft gesiegt; sie wollen es nicht bi» zu einem völligen Verbluten in Adrianopel kommen lassen, sie erkennen die Gefahr, dis bei einer Neuaufnahme der kriegerischen Maßnah. men ihrer Hauptstadt droht. Daß aber die Pforte in so schneller Weise zum Friedenrschluß bereit war, muß doch etwas überraschen, denn man hatte sich schon auf noch einige Tage Hinausschiebung zweck» weiteren Feilschen» gefaßt gemacht. Aber e» ist schon so, wie »der Schlachtendenker Moltke gesagt: Zum Kriegführen gehört Geld, Geld und nochmal» Geld. Doch die Kaffen der Türkei wiesen schon seit Wochen infolge der enormen täglichen KriegSau»gaben Ebbe, Ebbe und nochmals Ebbe auf. Wenn aber kein Geld im Kasten ist, wenn die große Masse der Beamten schon seit Wochen ohne Gehalt Hinoegetieren muß, und wenn die Versuche der Regierung, im Auslande einen Pump aufzunehmen, von einer der Triple-Entente- Mächte verhindert werden, da blieb dann der Türket nicht» übrig, al» den von den Großmächten prüfen- tierten Frieden-wedel in Empfang zu nehmen. Der völlige Geldmangel, der jetzt infolge der Weigerung der Ottomanischen Bank akut geworden ist, und die immer größer werdende Gefahr eines Eingreifen» Rußlands in Armenien haben die Pforte mürbe ge. macht. Wie sich allerdings das Heer stellen wird, ist noch fraglich. Die Türkei gleicht bet diesem AuSgang dem Hasen, dem viele Hunde den Tod bringen! Wa» nach den letzten Meldungen kaum noch zwei, selhaft war, hat sich jetzt erfüllt, auch der Nationalrat in Konstantinopel hat sich für den Frieden-schluß auf Grund der Note der Mächte erklärt, nachdem bereit» das Ministerium und ein Kronrat unter dem Vorsitze de» Sultans sich in ähnlichem Sinne ausgesprochen hatten. Wa» jetzt noch kommt, ist überw'.egend nur Formensache, einer Einigung steht kaum noch etwa« im Wege; die endgültige Regelung ist in die Hände der Mächte gelegt. — Schweren Herzen» freilich mag man am Goldenen Horn nur zugestimmt haben, e» war eben Zwang, man konnte kaum noch ander», wenn man nicht noch größeres Unheil auf da» o»ma. Nische Reich heraufbeschwören wollte. Die plötzliche Nachgibigkeit und der Umschwung in Konstantinopel darf wohl nicht in letzter Linie auf den Druck zurück zuführen sein, den Rußland auf die Pforte mit ihrer Erklärung auSübte, daß man mehrere kleinasiattsche Wilajet» besetzen und in die Meerenge eintahren würde, wenn di« Türkei e» nicht über sich gewinnen würde, die Note der Mächte anzunehmen. Er läßt sich freilich nicht leugnen, daß diese» schroffe Vorgehen Rußland» vielleicht doch noch anderweitige Folgen zeitigen könnte, denn e» stellt sich fast al» ein un. freundlicher Akt dar, wenngleich man in Erwägung ziehen muß, daß die Aktion von dem Gedanken dik tiert war, der zögernd n Haltung der Türket ein Ende zu machen. Wahrscheinlich dürfte man sich vorher auch mit den Dreibundmächten über diese Maßnahmen verständigt haben, da andernfalls weitere Komplikatio nen nicht au-geblieben wären. Andererseits dürfte den Machthabern in Konstantinopel das Vorgehen Ruß- land» nicht ganz unwillkommen gewesen sein, da eS sich hierauf berufen kann, um vor dem Volke und der Krieg-Partei die Nachgibigkeit zu rechtfertigen, wenn- gleich nicht daran zu denken ist, daß es sich um be-