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Nr. 150 Pulsnitzer Wochenblatt. - Dienstag, d»n 16 Dezember irtL4 Se:» 7. ritzten, ist Set der heutig,« Mächtegruppteiung un» schwer zu erraten. Vermischtes. ' fLtn poisievolte« Inserat) hat ein Schuhmach«rm«ister tn Köslin in seinem Leibblait erscheinen lcssen: Dem geschützten Publikum di« ergebene Mitteilung, daß ich schwer- und leichtverwundet« Stiefel unter Berechnung billiger Aurkostea gründlich heile, und daß ich durch Geradertchten der Abfütz« meine Klienten vor dem schiefen Lebenkwandel bewahre. Die von mir v-rarb«itet«n Sohlen find hart wie Kochherd- Platten. Di» von mir gelieferten Stiefel zieren den Fuß wie die Unschuld da« Erficht eine« Kinde». Mein v.streben ist, die wert« Kundschaft auf den Beinen zu erhalten. Herm. W * (Wo du htngehst . .) »Und Ruth sagte zu ihrem Mann: Wo du hingest, da will ich auch hin- 8'h»n. Was kann man daraus für ihren Tharkter schließen?' — .Daß st« ihrem Mann nicht traute, Fräulein.' I« der Werkstatt. Kufatmend l«gte er sein Werkzeug hin und setzt« sich auf d n Schemel. Wie sollte er nur fertig werden! Morgen früh mußte er die Arbeit abltefern l Ec halt» vom Morgen bi« tn di« sinkend« Nacht geschafft, doch »un droh en ihn sein« Kräfte zu verlassen. Der Kopf schmerzte, di« Hand war wüdr, der ganz« Körper war d«r Erschöpfung nahe. Nur ein paar kugenblick« Kuh«! Da wurde behutsam die Klinke niedergedrückt und s«iu» Frau brachte ein T«rbr»tt mit Taff« und Kann«. ,Nan stärk« dich erst mal, Baler, durch «in« kräftig« L-ss« Tee. Ich schenk« st« dir gl«ich ein! Gteh so, nun trink! Und di« volle Kann, steht ht«r unter d«r Mütz«!' Mechanisch führte «r die Lass« zum Mund und leert« warm glerch noch »in« zw«tt«. Nh, wi« da« S«l«bt» und erfrischt«! Sollte er es nicht doch noch schaffen können? Und mit neuem Mut macht« »r fitz wi«d«r an dt« Arbeit. Al« er am andirn Morgen s«in« Werkstatt betrat und sein« 8r- S«tt f«r»ig und gut sah, da mußte er bekennen: gestern hätte »r da« nicht für möglich gehalten. Ja, der Teef »Du, Mutt«r,' rief er, ,wa« für «tn E«bräu hast du »tr d«nn da g«ftern gebracht?' — ,Da« war etwa» ganz Gut«», Vater, war T«i .Marke T«»kann«', und wenn dabet di« >rb«tt so gut von der Hand geht, sollst du ihn nun immer zu trinken bekomm«»!' Dresdner Mrusikdrief. Die Staatsoper brachte Kurt Strieglers Oper „Hand und Herz", die nach Anzengnibers gleichnamigem Drama vom Kompo- nisten selbst textlich sehr geschickt gestaltet ist und musikalijch alle Vorzüge der Strieglerschen Art zeigt. Der Komponist hat damit der deutschen Opernbiihne ein Werk geschenkt, das sich dank seiner sicheren musikalischen Zeichnung und die Echtheit seiuer Empfindung einen Platz im Spielplan vieler Bühnen erobern wird. Der Er folg war auch infolge der vorzüglichen Aufführung mit Fritz Vogel- ström und dem Ehepaar Plaschke in den Hauptrollen ein durch schlagender. Am gleichen Abend gingen auch die Wogen der Be geisterung im Konzcrtsaale hoch. Dort sang der berühmte Pasquale Amato, dessen Stärke allerdings mehr auf darstellerischem, als auf rein gesanglichem Gebiete liegt. Aber immerhin, wer die große Figaro Arie so singen kann, wie er, gehört zu den Auserwähltrn. Da hatte Max Pauer, der gleichfalls Solist dieses von Dobrowcn mit Intelligenz geleiteten Konzertes war, schweren Stand daneben. Aber auch er erwies sich als Künstler großen Formats, den freilich ein größeres Temperament zu noch bedeutenderen Leistungen stei gern würde. — Das gute Striegler-Quartett schloß seinen Brahms- Zyklus mit einem äußerst gelungenen Abend ab, an dem man das Quintett (8) und das Sextett (8), sowie die Violinsonate im in 8 m«II mit viel Wärme und Innigkeit zu hören bekam. — Otto Winters „Dresdner Diadrigalveieinigung" ist eine Hörcntwürdig- keit ersten Ranges. Wie sie diesmal geistliche Gesänge von Richard Wetz meisteren, war bewundernswert. vr. Ench H. Müller. Wochen-Spielplan Dresdner Theater Op«rnh«us. Mittwoch, 17. Dezember, außer Anrecht „Hand und Herz" ('/,— g.'/«1O). Donnerstag, 18., Anrechtsreihe 8, „Hänsel und Gretel" (6—8). Freitag, 19., Sinfomekonzcrt Reihe ä, (»/,8>, vonn. V-12 Uhr öffentliche Hauptprobe. Sonnabend, 20., außer Anrecht, „Hänsel und Gretel" (6- 8). Sonntag, 21., außer Anrecht, „Sieg,ried" (5—n.'/,10). Montag, 22, Anrechtsreihe „Don Pasguaü" (>/,8-'/Z0). Schauspielhaus. Mittwoch, 17. Dszcmber, Anrechts- reihe -1, „Die heilige Johanna" (7— m 10), Donncerstag, 18., außer Anrecht, „Intermezzo" (8—n. */,1>). Freitag, 19, An- rechtsreihe ä, „Die sieben Raben" ('/,8-'/Z0). Sonnabend, 20., Anrechtsreihe ä, ,.Jm Weißen Röhl" n.10). Sonntag, 21., Vorm. '/,12, 6. Morgenfeier „Weihnachten", für die Mittwoch-An rechtsinhaber der Reihe 8 vom 21. Dezember, „Die sieben Raben" C/-8- >/Z0). Montag, 22., Anrechtsreihe 8, „Die sieben Raben" (V-S-'/ZO). Aus dem Gerichtssaal. 8 Bautze«, 13. Dezember. (Die S ch i r g i s w a l d e r Affäre vor Gericht) Am Freitag begann vor dein gemein samen Schöffengericht in Bautzen der Prozeß gegen den Berliner Handelsanwalt Heinrich Sklarz und Genossen wegen betrügerischem Bankerott bezw. Beihilfe dazu Angeklagt sind neben Sklarz der 24 jährige Kaufmann Friedrich Mennona, der frühere Bürgermeister von Schirgiswalde, Paul Heßleiu, und Sklarz's Geschäftsführer, der Kaufmann Albert Strassburger. Der Prozeß hat den Zusammen- bruch der H. S. Mcnnong Textilwaren G. m b. H. in Schirgis walde im Sommer d I. zum Gegenstand. Zunächst wurde Men- nong vernommen. Rechtsanwalt Dr. Graf Leipzig erklärte, daß das Verfahren gegen Heßleln wegen Beihilfe zum betrügerischen Bankrott und gegen Straßburger wegen Gläubigcrbcgünstigung eingestellt worden sei, weshalb auch von ihrer Verhaftung Abstand genommen wurde. Am Nachmittag wurde Bürgermeister a. D- Hcßlein ver nommen. Er bekundet, von einer Bevorzugung der Stadtgirokasse Schirgiswalde und einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger könne keine Rede sein Bei der Besprechung des Vertrages mit Sklarz und der Stadt Schirgiswalde sei die Gefahr eines Konkurses nicht erwähnt worden. Allerdings habe Sklarz gewünscht, daß der Vertrag nicht in weiteren Kreisen bekannt werden möchte, weil sonst die Gefahr bestände, daß die Forderungen eines Dresdner Geschäfts« manncs nicht eingetrieben werden könnten. Nach dem Vertrage seien an die Stadtgirokasse Forderungen abgetreten worden und letztere gewährte daraufhin Kredite, um die Firma Mennong weiter führen zu können. Die Kredite hätten, obwohl sie nur bis 5000 M bewilligt worden waren, durch Eigenmächtigkeiten des entlassenen Kassierers Schultze die Höhe von 24 000 Mark erreicht. Die Sa nierung der Firma wäre zustande gekommen, wenn nicht von dritter Seite Störungen in den Vertrag hineingetragen worden wären. Der Staatsanwalt stellte fest, daß der Vertrag lediglich auf die Befriedigung der Stadtgirokasse hinauslief, von der Befriedigung der übrigen Gläubiger sei darin keine Rede. Einen Antrag des Verteidigers, Mennong ans der Hast zu entlassen, lehnte das Gericht ab. Voraussichtliche Witterung. Mittwoch: Ziemlich milde, wolkig, zeitweise aufheiternd, strichweise etwas Niederschläge. Später (abends) etwas kälter. Donnerstag: Vorwiegend trocken, zeitweise heiter mit Nebel, etwas kälter Freitag: Etwas kälter, teils heiter, teils wolkig, ohne besondere Niederschläge. Dresdner Produktenbörse vom 15 Dezember. (Amtliche Notierungen.) Weizen, inländ., Basis 74 Kilogramm, 2l4 -219, fester. — Roggen, inländischer, Basis 72 Kilogramm, 215—220, sester. — Sommergerste sächsische 248-268, fest. — Winterfuttergcrste LOO bis 230, ruhig.— Hafer, 175-180, ruhig, beschäd. 145—174, ge- schäfsl. - Raps, scharf trocken 370-380, ruhig. — Mais 210 bis 215, ruhig, kleinkörnig 230-240 ruhig.'- Rotklee 240 bis 275, ruhig. Trockenschnitzel 11,50—12,00, ruhig. — Zucker schnitzel 18,00-20,00, ruhig. — Kartoffelstöcken 21,50- 22,00, ruhig. — Weizcnkleic 13,90 -14,40, fest. — Roggenkleie 13,30 b. 13,80, fest. — Weizenmehl: Bäckcrmundmchl 38,50—40,00, ruhig. Jnlandsmehl, Type 70 33 00—85,00, ruhig. — Roggcnmchl» Typc 70»/., 34,00-36,00, ruhig. Die Preise verstehen sich bis einschließlich Mais per 1000 Kilogramm, alle anderen Artikel per 100 Kilogramm in Goldmark (eine Goldmark gleich 10/42 Dollar). Rotklee, Erbsen, Wicken, Peluschken, Lupinen, Mehl (Mehl frei Haus) !n Mengen unter 5000 Kilogramm ab Lager Dresden, alles andere in Mir-destmcngen von 10000 Kilogramm waggonsrei sächsischer Abladestationen. Schlachtviehpreise auf dem Diehhof Dresden vom IS. Dezember. Wertklafsen iso 74» 428 SSO S4S 2710 sös» I. Rinder. ^.Ochsen: 1. Bollfleisch, ausgem. höchst Schlachtwerte bl, zu S Jahren .... 2. Junge fleischige, nicht -urgem., Liiere ausgem 3. Mäßig genährte junge, gut genLhrte ältere . 4. Gering genährte jeden Alter« .... 8. Weidemastrinder ........ S. Argentinier v. Bullen: t. Bollfleischige ausgewachsene höchst Schlachtwerte* 2. Dollfleischige, jünger« 3. Mäßig genLhrte jüngere und gut genlhi te Liter 4, Gering genLhrte 5. Dänen L. Kalben und Kühe: 1. Bollfleisch, aurgemäft. Kalben höchsten Schlachtwerte« .... 2. Dollfleischige, ausgemäft, Kühe höchst. Schlacht werte« bi, ,u 7 Jahren S. Aeltere ausgemästete Kühe und gut entwickelt jüngere Kühe und Kalben 4. Gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben 5. Mäßig u. gering genährte Kühe und Kalben S. Dänen und Husumer Weidemastrinder . O. Fresser: Gering genährtes Jungvieh im Alter von 3 Monaten bi» 1 Jahr II. Kälber. I. Doppelender 2. Beste Mast« und Saugkälber .... 3. Mittlere Mast« und gute Saugkälber 4. Geringe Kälber III. Schaf«. 1. Mastlämmer und jüngrr« Masthamme 2. Aeltere Masthammel 3. Mäßig genährte Hammel und Schaf« . . 4. Holstein«! IV. Schroeire«. 1. Bollflkischige der feineren Rassen u deren Kreuzung, im Alter bi, zu I'/, Jahr« 2 Fettschwelne 3. Fleischig« 4. Denn, entwickel!« S. Holländer 7. «akonier Preise i. D.-Wk pr.SOKx f.Lcbend- u. (im Durchscha.) f. Schlachtgewicht S0 kx- 1 Pfd. S2-S4 (9») 43-47 s87> 30-37 s7l> 20-2S <83 82-84 48-4» 38—44 30-31 <»1) IN» (77) (73> (-) 80-82 (9») 42-4» (R) 32—3» (7«> 2S-2S (SM 18-24 (44-«7) - <-) - <-> 80—83 (131) 74—78 (127s «0-70(109.12«) 46-4» (94) 38-44 (91) 28—38 (»6-9») <-) »1-83 84-»» 7S—80 70-74 »0-70 Au,nah«epreise »der Nötig. Übersicht über die an den Hauptmarktorten Deutschlands in der letzten Woche gezahlten Fettviehpreise. (Unberechtigter Nachdruck verboten.) Die Preise sind in Mark für 50 Kilogramm Lebend gewicht bezw. Schlachtgewicht (8 bedeutet Schlachtgewicht) ange geben, Die erste Zahl bezeichnet den niedrigsten, die zweite den höchsten für die betreffende Vichgattung gezahlten Preis. Rindvieh A^Ünd Schweine Großvieh Kälber Lämmer Aachen . . . 18—56 88—88 25—44 74—78 Berlin ... 18-SO 40-105 26—46 «2-75 Bremen . . . 20—52 40- 85 25—42 58-71 BreSlau . . . 15-51 44—70 23-45 «5 81 Chemnitz. . . lb-so 45-66 25-44 58-80 Tüln a. Rh. . 20-59 35 110 25—40 64-78 Dortmund . . 15-55 30 94 18-43 «8-80 Dresden . . . 18—52 44-65 25-50 55-81 Elberfeld. . . 20-56 50-75 20-40 60-76 Essen.... 25-58 45 85 18-36 60—75 Frankfurt a. M. 10-56 30—66 22-40 «0-76 Hamburg . . 15—52 32—96 20—48 55—74 Hannover . . 15-52 30-70 15-38 60-73 Husum ... — — — 66—68 Leipzig . . . 22—52 30-60 20—45 60—7S Magdeburg . . 15—52 30- 60 20-40 60—78 Mainz . . . 10-58 40-S6 — 73-78 Mannheim . . 14—54 44—66 22-38 58-78 München. . . 15—54 50—65 — 56—76 Nürnberg . . 15-51 S58-81 830—50 73-84 Stettin . . . 12—44 33-78 15—40 60-73 Zwickau . . . 20—50 30-48 24-44 65-80 Aufgestellt am 12. Dezember 1924. — Mitberücksichtigl find noch die am 10. Dezember abgehaltenen Märkte. Südliches Großstadlleben. Aufnahmen eines reisenden Deutschen. Madrid, im Dezember. Man soll nicht sagen, daß es in europäischen Groß städten keine Romantik mehr gäbe. Wer nicht glaubt, daß Madrid eine Hauptstadt in unserm Sinne ist, der sollte sich durch Augenschein eines Besseren belehren. Es ist Königs residenz, hat über eine halbe Million Einwohner, breite Straßen und schöne, gepflegte Anlagen, große, vornehme Hotels. 10—12stöckige Geschäftshäuser, Museen, Theater und Kinos. Auch über einen gewaltigen Straßenlärm ver fügt die Hauptstadt, und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, daß die Madrider ihn besonders kultivieren. Äodes Auto fährt nicht nur mit Vorliebe schneller als es cwontlich gestattet ist, es läßt auch den Motor nach Möglich keit knattern und die Hupe ohne Not ertönen, um auf den harmlosen Fußgänger den für nötig erachteten Eindruck zu wachen. Des Morgens bei der Ausfahrt wird schon auf der Straße der Motor „probiert", als ob es gälte, den Lzean zu überfliegen, was besonders unangenehm ist für d > e Leute, die zwischen 5 und 7 Uhr noch das Anrecht auf etwas Schlaf zu haben glauben. Jedes Pferd und jeder Maulesel hat ein doppeltes Gehänge von etwa zwei Dutzend Glöckchen um den Hals. Gegen die Madrider Straßenhandler und Zeitungsverkäufer sind ihre deutschen Kollegen, auch die stimmbegabtesten und kehlkräftigsten, nur Waisenknaben. Eine Großstadt ist Madrid sicher. Aber eben eine Großstadt, aus der die Romantik noch nicht ganz geschwunden lst, neben dem Modernen und Modernsten lebt das Alte weiter. Es gibt große, weite Markthallen und schöne, reich ausgestattete Läden, in denen die Haus frau den Bedarf ihrer Küche decken kann. Aber auch der A"'* Gemüsehändler, der, gefolgt von seinem Eselchen, be- scheiden durch die Straßen trottet, macht seine Geschäfte, den paar Fetzen gehüllt, die Füße stecken in den leiben Hanfschuhen (alpar^s) und ve» non „chntzt em breitkrempiger Hut gegen die Sonne. Mit lauter Stimme, nur den besten Kennern verständlich, preist er seine Ware an, bis er von irgend jemand ange rufen wird. Im selben Augenblick hält auch das Eselchen, sein lebendes Kapital und getreuer Diener, inne und läßt in den auf seinem Rücken befestigten, zu beiden Seiten des Tierchens herunterhängenden Säcken nach den verborgen sten Schätzen kramen. Das tut Anita, die hübsche Köchin, recht ausführ lich, desto ausführlicher, je mehr sie sonst noch zu erzählen hat, bis sie schließlich mit ihren grünen Bohnen, dem Kohlkopf oder mit Apfelsinen an den Kochherd zurück kehren muß. Kann man aber von der hübschen Anita etwa bei 40 Grad im Schatten verlangen, daß sie drei Treppen hinunter- und wieder hinaufklettert, um einen Kohlkopf zu holen? Wer Spaniens Klima kennt, wird zugeben, baß inan es n i ch t verlangen kann. Wenn der Ruf des Mannes von der Straße herauftönt, tritt sie auf den Balkon hinaus und ruft ihn an. Dann verschwindet sie, um sogleich mit dem Einkaufskorb wieder in der luftigen Höhe zu er scheinen. An einer langen Leine befestigt, wird der Korb „über Bord" geworfen, worauf die Verhandlungen über den Einkauf beginnen. Der Händler legt ein „Muster" in den Korb, der sich alsbald wieder aufwärts bewegt. Natür- lich hatte er zunächst wieder versucht, etwas Minderwerti ges bei diesem Handel loszuwerden, aber Anita läßt sich nicht verblüffen. Mit Seelenruhe prüft sie die auf dem Luftweg angebotene Ware, rümpft das Näschen und er klärt: no ms xnsta (das gefällt mir nicht). -Und fünf Se kunden später ist der Korb wieder unten und wird von neuem geleert und gefüllt. Dieses Spiel wiederholt sich, bis Anitas Ansprüche befriedigt sind, dann geht der Korb zum letztenmal hinunter, um dem unten Harrenden die schwer verdienten Kupfermünzen zu bringen und das Rest- geld nach oben zu befördern. Das durch Händeklatschen verursachte Geräusch ist uns in Deutschland bekannt und vertraut geworden, wenn ein Verspäteter abends Einlaß ins Haus begehrt. Auch in Spanien kann man es jede Nacht unzähligem«! vernehmen, dafür aber bis zum frühen Morgen. Dieses Klatschen ist in spanischen Städten sozusagen der Haus schlüssel. Sowie es ertönt, setzt sich irgendwo ein mit Schlüsseln behangenes menschliches Etwas in Bewegung. Man hört es unter taktmäßigem Aufschlagen des spitzen bewehrten Stockes dem Hause näherkommen, vor dem man wartet und Einlaß begehrt, und nachdem ein prüfender Blick festgestellt hat, daß man in dieses Haus auch wirklich hineingehört, läßt der Sereno sein freundliches „buvnus uoeliss" (gute Nacht) vernehmen. Er hat immer etwas zu erzählen, wird aber dabei nie indiskret sein, trotzdem sein Beruf ihn wohl zum Mitwisser manchen Abenteuers macht. Wenn er schließlich umständlich die Haustür geöffnet hat, entzündet er ein kleines Wachskerzchen an seiner Lampe, das er seinem Klienten mit einem höflichen „8m-vi<Ms cks U8tsä"( Ihr Diener) überreicht, nimmt sein Trinkgeld in Empfang und verabschiedet sich mit gewählten Wonen. Freundliche Umgang-iformcn sind die starke Seite des Spaniers. Wer könnte in diesem Zusammenhang an den braven limpiu-dot-ts, den Stiefelputzern, vorübergehen, ohne Lie das spanische Straßenbild nicht denkbar ist! Im Hause werden nur dem schönen Geschlecht die Schuhe gereinigt, die Herren der Schöpfung gehen in einen salon äs limpiL- botus, wo eine Anzahl von fleißigen Gesellen den ganzen Tag damit beschäftigt ist, der Kundschaft das Schuhzeua- spiegelblank zu putzen. Auch außerhalb dieser „Salons' findet man auf jedem belebten Platz, in jedem Cafö und auf jeder Promenade eine Unzahl dieser Jungen, die stetH bereit sind, sich den Vorübergehenden zu Füßen zu stürzen und über die Stiefel herzufallen. Arbeit ist sonst nichD gerade ein sehnsüchtig begehrter Artikel im sonnigen Süden, aber diese beweglichen, flinken Kerle reißen sich darum, und sie machen ihre Sache gut und gründlich. Einer äußerte sogar einmal, als gerade das alte Regime durch die Militärdiktatur überrannt war, ein tüchtiger limpig Vota» sei immerhin mehr wert als ein schlechter Minister. Br. W i l l i a m.