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Ar. 12!. Huirnitz«? Wvchsnvlatt. — Donnerstag, Lrv 18. Dezember 1824. Sette 8. Sächsischer LgRdtag. Sitzung vom 16. Dezember 1S24. In der heutigen Satzung ging er ansänglch recht ruhig zu. Zwei Anfragen über eine Bevorzugung der Konsumvereine bei Warenlieferungen an die Landesanstalten wurden von einem Regierungsvertreter dahin beantwortet, daß eine Bevorzugung nicht statlgefunden habe und auch nicht statifinden werde. Hin sichtlich der von den Demokraten geforderten Bereitstellung aus reichender Kredite für Industrie, Handel, Handwerk und Ge werbe sagte die Regierung zu, im Rahmen de» möglichen dem bedrängten Mittelstände zu helfen und wies auf einen Antrag der Deutschen Dolkspartei daraus hin, daß durch Errichtung der Sächsischen Zentralgenossenschastskasse das Kreditwesen in Sachsen gefördert werde. Recht lebhaft ging es danach gelegent lich der Beratung über die Beschwerde de» Ministerialdirektors i. R. Geh. Rats Dr. Böhme zu. Hierbei prallten die politischen Gegensätze auseinander. Der temperamentvolle deutschnationale Abg Dr. Eberle klagte die früher« sozialistische Regierung und vor allem den früheren Volksbildungsminister Fleißner an, das jedem Beamten verfassungsmäßig zustehende Recht der freien Meinungsäußerung mit Füßen getreten, einen hochver dienten Beamten an seiner Ehre schwer verletzt und an seinem Vermögen geschädigt zu haben. Die Linktsozialisteu gerieten über diese Feststellungen außer Rand und Band und gaben ihrem Unmut durch sortwährende Zwischenruse Ausdruck. Der Abg. Menke ries, so, wie e« Dr. Eberle schildere, werde es jetzt gemacht; woraus Dr. Eberle unter großer Heiterkeit des Hause» entgegnete: »Sei ruhig, unbeherrschtes Element!' Des weiteren meinte er, wenn die frühere sozialistische Regierung mit ihrem System bankrott gemacht habe, so liege es daran, daß sie Kei» Gefühl für Gerechtigkeit habe. Es lagen zu der Be schwerde Dr. Böhmes zwei Anträge des Untersuchungsausschusses zur Prüfung der Beamtenpolitik der Regierung vor, der Mehr heitsantrag der Linken wollte dir Anwendung de» § 13 der Beamten Pflicht-Gesetzes aus Dr. Böhme als zu Recht bestehend anerkenne», also sestlegen, daß Dr. Böhmes Tätigkeit den Be stand der republikanischen Regierung gefährdet habe, während der Minderheitsantrag der bürgerlichen Parteien die Anwen dung de» § 1S gegenüber Dr. Böhme für nicht gerechtfertigt erklärte. Bei der beantragten namentlichen Abstimmung über den Mehrheitsantrag ereignete sich der seltene Fall, daß der Antrag mit 3g gegen 3V Stimmen, also mit Stimmengleichheit abgelehnt wurde Hiergegen erhob die Linke lebhaften Protest, »erlangte nunmehr die Abstimmung auch über den Minderhetts- antrag und verließ, als die ungerechtfertigte Zumutung zurück- gewiesen wurde, demonstratio den Saal, während der zurück gebliebene Abg. Schwarz die Beschlußfähigkeit des Hauses anzweifelte. Es hals aber alles nichts, der Präsident stellte fest, daß durch die Ablehnung des Mehrheitsantrages der da» Ne gative von ihm darstellende Minderheitsantrag erledigt sei, der Landtag also wünsche, daß das Unrecht an Dr. Böhme wieder gutgemacht werde. Da» sich allmählich füllende Ha»s trat darauf in die Beratung zweier Anträge zur Kleinrentnersürsorge ein. Sowohl die Rednerin der Sozialdemokratischen Partei, Frau Thümmel, al» auch die kommunistische Rednerin, Frau Schlag, zeigte» nicht da» geringste Verständnis für die Lage der Kleinrentner, bezeichneten die Anträge al» Agitationr- anträge, meinten, man dürfe de« »beleidigten vtandesgesühl" der Kleinrentner nicht Rechnung trage» und müsse die Klein rentner genau so behandeln, wie die Sozialrentner und die anderen Unterstützungsbedürftige». Die nächste Sitzung findet Donnerstag, den 18. Dezember, nachmittag» 1 Uhr statt. MtMMge lo Ser »iMllrle See WWes vderlM w WM« ms. I« der Tuchindustrt« war der Geschäftrgang im allgemeinen schlechter al» im Oktober. Zwar find die Fabriken verschiedentlich noch auf Monate htnau» voll beschäftigt, aber nur auf Grund von Aufträgen, die früher «ingeganzen find. Im Oktober find nur wenig Neuaufträge zu verzeichnen gewesen. Der Grund hierfür liegt in dem schlechten Geschäftsgang bet den Grossisten, denn di« warme Witterung har allenthalben da» Wintergeschäft sehr ungünstig beeinflußt, sodaß die Grossisten auf erheblichen Posten von ausgesprochener Wtnterware fitzen geblieben find. Er besteht auch kaum AuSficht, daß die Ware noch in diesem Winter zu normalem Preis« abgesetzt werden könne. Die Läger find überall überfüllt, die Außenstände gehen nicht «in und dir Industrie leidet infolgedessen unter starker Geldknappheit. Das Auslandsgeschäft läßt leider auch viel zu wünschen übrig. Nach valutastarken Ländern läßt sich keine Ausfuhr ermöglichen. Zum Teil besteh» dort selbst ein« einheimisch« Industrie, wie «S beispielsweise in der Schweiz, in Italien, England, Holland, Frank reich und Nordamerika der Fall ist. Zum Teil können die deutschen Fabriken auch wegen ihrer Preise gegen da» Ausland nicht auskommen, wie dies besonder» in Dänemark, Schweden, Norwegen und Holland der Fall ist. Sehr geklagt wird darüber, daß dte ReichSregterung in letzter Zeit die Einfuhr englischer Fabrikat« in viel größerem Maß« gestattet, al» dies früher der Fall war. Dies ist umso bedenklicher, al» manche Bevölkerung», kreise ein« Vorliebe für englisch«» Tuch hab«», obwohl di« deutschen Erzeugniffe den «ngltsch«» an Güt« nicht nachstehen. Bri dieser Sachlage herrscht jetzt in Deutschland «in« gewisse Überproduktion. Di« Tuchfabriken be klagen er daher lebhaft, daß di« Etnfuhrkonttng«nt« «rhöht worden find und daß daher ein« groß« Anzahl von Händlern, die früher nie englische Stoffe geführt haben, jetzt damit Handel treiben. Nachdem «ine Zeit lang eine Besserung in der KahlungSweis« eing«tr«t,n war, hat sich der Geld- «ingang in letzter Zeit verschlechtert. ' vertliche und sächsische Angelegenheiten. — (In jedem Jahre bei Eintritt des Winters)' kann man von zahlreichen Unglücksfällen lesen, di« dadurch entstanden sind, daß Kinder noch nicht tragfähig gewordene Eisflächen betraten. 2n ihrer Freude, daß Winter geworden, wagen sich die Kinder, besonders Knaben, oft auf Teiche und Ge wässer in dem guten Glauben, „es werde ihnen nichts passieren." Wenn sie aber eingebrochen sind, dis Ränder, an denen sie sich krampfhaft festklammern, ebenso brechen und dis Strömung ihren Körper unter dis Eisdecke spült, ist es meist schon zu jeder Hilfe leistung zu spät, oder der Helfende mutz gleichfalls ertrinken! Es ist Pflicht der Eltern und Lehrer, die Kinder auf dis hier geschilderten Gefahren aufmerk sam zu machen und das Betreten ungeprüfter Eis flächen strengstens zu verbieten. — (Der Fichtenzweigals Barometer.) Die Tatsache, daß sich ein Fichtenzweig zu einem Barometer umwandeln lätzt, wird wohl nur wenig bekannt sein. Man entwipfelt sine junge Fichte unter ihrem ersten Quirl. Bon der abgeschnitrenen Spitze schneidet man all« Zweige bis auf einen ab. Dann schält man das Ganze und nagelt es mit dem stehen- gebliebenen Zweige nach unten an dis Wand an. sirici kvLÜttÄer Lercftrnack neue, vvffe Ko/- 4- F - /a/e/niÄM/zez-6 - Zo/em LSE? <8 - eckt mir 5inma-. mental. Tobak- u. Liqak>ettenfodnlk eni<1r«"^nb. baqo Lete.vnesclSn Bei kommendem schönen Wetter krümmt sich das Aestchen nach oben — das Barometer steigt, bei be vorstehendem schlechten Wetter senkt es sich nach unten — es fällt. Dieser originelle Wetterprophet ist nament lich bei den Waldarbeitern des Böhmer- und Bay rischen Waldes verbreitet und bewährt sich aufs Beste. — (Ist man verpflichtet eineZeitung zu lesen?) 2m Gesetz ist darüber nichts gesagt, wohl aber besagt der hier in Frage kommende § 276 des BGB.: »Fahrlässig handelt, wer di« im Verkehr erforderliche Sorgfalt autzeracht lätzt." Das bezieht sich zunächst auf den Schaden, den man anderen zu- fügt, aoer auch — sich selbst. Da nun alle obrigkeit lichen Verordnungen in unserer Zeit nicht mehr aus geklingelt, sondern durch Zeitungen veröffentlicht werden, sogar nach mehrfachen Gerichtsentscheidungen in den Lokalzeitungen veröffentlicht werden müssen, wenn sie der Allgemeinheit bekannt werden sollen, so ist jeder, der sich nicht in Strafe und Schaden bringen will, eben auch verpflichtet, eine Zeitung zu lesen. Tut er das nicht, so erlangt er auch nicht Kenntnis von den wie Pilze aus der Erde schießen den neuen gesetzlichen und behördlichen Verordnungen und hat kein Recht, sich im „Betretungsfaile" oder bei Nichterfüllung einer Zahlungs- oder Lieferungs auflag« damit zu entschuldigen, „«r habe das nicht gewußt, er lese keine Zeitung." Die Zeitung ist eben heute ein Organ des Verkehrs. Deshalb gehört das Lesen einer solchen nicht bloß zur Anwendung der üblichen, sondern der im Gesetze erforderlichen Sorg falt jedes Menschen. Wer also keine Zeitung hält, handelt „fahrlässig" nach dem Gesetz und hat diese seine Fahrlässigkeit voll und ganz zu vertreten. Un kenntnis von Bestimmungen schützt eben nicht vor Strafe und Schaden. Dresden, 18. Dezbr. (Ernteerträge im Jahrs 1924.) Nach den Ergebnissen der Anbau- statistik und der Nooember-ErnteschStzung sind im Freistaat Sachsen im Jahre 1924 im ganzen nach Tonnen geerntet worden: Weizen 170643 (160996), Roggen 827 730 <296844), Gerste bO 501 (57 729), Hafer 810347 (318 379), Kartoffeln 1597 506 (1253 378), Zuckerrüben 176815 (133 582), Runkel rüben 1531727 <1257 498), Klee 580766 (572 820), Luzern« 9258 (9944), Wiesen-Heu und -Grummet 661685 (642 675). Die eingeklammerten Zahlen be deuten di« Ergebnisse von 1923. Die Eesamterträg- nisse von 1924 sind bei Weizen, Roggen, Gerste, Kar- toffeln, Zuckerrüben, Runckelrüben und Wlesenheu größer als 1923, bei den Hackfrüchten sogar recht er heblich. Bei Hafer, Klee und Luzern« dagegen ist der Gesamtertrag von 1923 nicht erreicht. Die für das Land errechneten Durchschnitteerträge vom Hektar weisen bei den Halmfrüchten und Wiesen keine we sentlichen Unterschied« in den beiden letzten Jahren auf, während sie bei den Hackfrüchten im Jahre 1924 erheblich großer sind als 1923. Di- Zunahme be trägt bei Kartoffeln 27,9, Zuckerrüben »4,8 und Run kelrüben 24,6 Prozent. Unter dem Gesamtertrag der Kartoffeln befanden sich 1924 allerdings 12.3 Pro- zent kranke Knollen, während 1923 nur 3,5 Prozent der Knollen erkrankt waren. Dresden. (Ausschluß aus der Sozial demokratischen Partei.) Auf Antrag des Freiberger Bezirks beschloß der Beztsksvorstand Ost sachsen der L>PD mit 17 gegen 8 Stimmen, den Parteisekretär Bethke „wegen Auslieferung wichtigen Materials an einen bürgerlichen Minister" aus der Partei auszuschliesten. Bethke ist der Führer der Rschtssoziasiften. Es wurde früher schon fcftgestellt, daß Bethke in diesem ihm zur Last gelegten Falle vollständig korrekt gehandelt hat, daß er eine partei schädigende Handlung nicht vorgenommen, sondern im Gegenteil der Partei und dem ihr angehörenden Oberstaatsanwalt Dr. Asmuß genützt hat. Bethke wird wahrscheinlich gegen den Beschluß Berusüng beim Parteitage einleaen. Politische Rundschau. — (Die Fraktion-führer Srirn Reichs- präsidentrn.) Im Laufe de» Dien»tag empfing d«r Reichspräsident die Führer d«r einz.lnrn Fraktionen nacheinander, nachdem ihm in den ersten Vormittags stunden Herr Wallras in seiner Eigenschaft al» Reich»- 1ag»präfid«nt einen kurzen Bortrag über di« parla mentarische Lag« gthalten halt«. Jrgendwllch« Ergeb- nifl« hat d«r Besuch der Fraktion-führrr 5«im Retch»- präfidenten noch nicht gezeitigt, er galt vielmehr der Information über di« Stimmung innrrhalb dir «tn- zelnen Fraktionen. Vor Mittwoch Mittag wird Herr Ebert schwerlich «inen Auftrag zur Negirrungsbildung «rieiktn, da «r sich im Lauf« de» DteaStag über di« Person de» Kanzlerkandidaten noch nicht schlüssig wer den könnt«. E» ist aber onzunrhmen, daß «r sich zurrst an di« Sozialdemokrat««, di« im R«ich»tag am stärk sten vertret«» stad, wtnden wird. Am Anschluß an drn Part«iführ«rewpfang fand«n im Reichstaglgebäud« zahlreich« Fraktiontsttzung«« statt, in d«n«n di« Par- tetvrrtreter von dem Verlauf ihrer Besprechungen mit dem Rrichrpräfidenten Mitteilung machten. Aber auch diese Sitzungen blieben birher ergebnirlo». Die Demo kratisch« Fraktion hat anscheinend al» einzig« beschlos sen, die Bildung einer Großen Koalition anzustreben. Mit diesem Wunsch wird ste aber bei brr Deutschen volkrpartet keine Gegenliebe finde». Die Deutsche Bolkrpartei wird sich auch durch derartig« Qu«rtr«i- b«r«iin in ihrrm v«strrb«n nicht abhalteu lass««. di« Dtutschnalionalrn zu tätiger Mitardett a» den Regi«- rung»geschäite» heranzuziehen. Frankfurt a. M., 16. A«tze»d«r. (Di« Ver handlung«» der Stahlindustrien»» »er den fortgesetzt^ Wie di« Frankfurter Zritung erfährt, werden am Mittwoch die Verhandlungen zwischen den deutschen und französtschen Stahltndu- striellen in Pari» fortgesetzt werden. Man hofft, schon Anfang nächsten Jahre» zu einer «ereindarung zu gelangen, die den Autlaufch-oon Noh- und Fertig- fabrtkaten ermöglicht. Die Meldung de» Echo d« Part», daß di« Verhandlungen eingestellt worden seien, um »inen Plan Morgan» zur Bildung eine» Weltstahl trust«» weiter zu verfolg«», wird von beteiligter Seit« al» vollkommen unzutreffend bezeichn«». München, 16. Dezember. (SO Millionen Dollar für die bayrisch« Industrie.) Die Bayrische St«at»zritung meldet, daß dem Präsidial- mtrgUed de» Bayrischen JnduftriellenvrrbandesDr.Auhle von einrm am,rikanisch«n Bunkkonsorrtum ein Kredit von 30 Millionen Dollar sür di« bayrische Industrie gewährt worden ist. , - Frankreich- Paris, 16. Dezember. (Die Vertreter der deutschen Schwerindustrie in Pari» «tn- getroffen) Au» «reisen dir deutschen Wirtschaft», deiegation wird btkannt, baß dis Stimmung, in der di« Verhandlungen geführt werden, seit heute al» ge bessert angesehen werden kann. Di« Warrngruppen, die zur Verhandlung kamen, waren Gia» und K«ra- mik, wobei die schwierige Frag« der Saarproduktr aus diesem Gebiete noch nicht behandelt wurde. Di« Be ratungen über diese Warengruppen dürften morgen fortdauern. Die Verhandlungen werde« wahrscheinlich noch bi» zur nächsten Woche fortgesetzt und dann wird «ine Weihnachtspause eintreten. Di« nächst«» Tage soll«n u. a. dazu benutzt werden, eine Urberficht über die erzielten Ergebniffe zu gewtnnen. Die Vertreter der Schwerindustrie sind heute in Pari» eing«troffrn. E« find di« H«rren Thyssen, Klöckner, Bruhn au» der Firma Krupp, Gervin, Reusch und Klotzbach. England. — (Die Höhe der amerikanschen For derungen an Deutschland.) In der llnterhaus- fitzung teilte der Schatzkanzler mir; daß die Forderun gen der vereinigten Staaten sür die Lnterhalttkosten der amerikanischen Besatzungsarmee in Deutschland auf 147 Millionen Goldmark geschätzt werde, doch sei der Betrag noch nicht endgültig festgesetzt worden. Die britisch« Regierung bistreitr in keiner W«is« die Berechtigung der Forderungen. Marokko. — (Kritisch« Lage in Spantsch-M«' rokko.) Der überraschende Ansturm der RiffkabyleU auf di« spanischen Stellun,«» im Verein mit «ineB wohlgelungenrn Aufstand eingeborener Stämme t» Rücken der spanischen Arm,« hat eine «iturtton heraus'