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pulsnitzerMchenblatt Donnerstag, 2, Oktober 1924 ! Beilage zu Nr. 118 76. Jahrgang Soziale Aufwertung. An der Berliner Börse hat «» in den letzten Tagen einen Ritsenkrach gegeben: di« Kriegranltthe, seit Wochen da» beliebteste Objekt der Spekulation, war auf einen Kur» heraufgetrieben worden, der mit ihrem realen Wert in keinerlei Einklang stand, weil allerlei Gerücht« umliefen, daß der Uurschuß de» Reich», tage» beabsichtige, in irgendeiner Form «ine Aufwer tung der Sffenlltchtn Anleihen vorzunehmen. Jeder oernünfligr Mensch mußte sich von vornherein sagen, daß da» Wahnsinn sei. Di« Milliardenschulden, die da» Reich au» dem Kriege nach Hause gebracht hat, lassen sich überhaupt nicht generell verzinsen, selbst der Zin»fuß von einem halben Prozent würde schon Hun dert« von Soldmillionen verschlingen, die wir einfach nicht haben. E» Hilst dekhalb nicht», w«r Staats- papier« gekauft Hot im vertrauen auf die Solidität de» Staates, ist nun einmal betrogen worden. I« rascher man sich darüber klar wurde, desto nützlicher war e». De»halb war die dritte Steurrnotv«rordnung trotz aller Brutalitäten auf dem richtigen Wege; sie annullierte die Anleihe nicht, sie setzt« aber vorläufig die Verzinsung au», sodaß sich die Besitzer allmählich damit obfinden konnten, daß sie nur noch «in Stück Papier in der Hand hatten. Welch« Härt«, w«lch« Ung«r«chtigkeit, welcher Irrsinn gerade vom Stand punkt d-r Staatserhaltung au« darin liegt, darüber braucht kein Wort verloren zu werden, «in Volk, da» d«n Krieg so verlor«« hat, wi« da» brutsch«, kommt ohne Grausamkeit«« au» dieser furchtbaren Lag« nicht heraus, da müssen Opfer gebracht werden, ohne Rück sicht darauf, daß gelegentlich gerade die Schwächsten dies« Opfrr zu trag«« haben. Niemand wird «» den Betrogenen verdenken kön nen, wenn sie um ihr Recht kämpften. Und da war «» ,in Unglück, daß mitten in diese Bewegung hinein der Rttch»tag»wahlkampf einsitzte, wo die Parteien nun auf den Stimmenfang gingen, indem sie die Hoff nung der Besitzer von Staat»papter«n von neuem er weckten, obwohl sie wissen mußten, düß so gut wie nicht« ,u retten war. Di« Folge davon ist gewesen, daß tatsächlich dt« Leute wieder Mut schöpften, daß vor allem die Börse hier «in große« Geschäft wittert« und di« Staairpapiere in wentgrn Monaten aus da» zehn- bi» zwanzigfache ihre» Kurse» h«rauftriev«n. Alle Warnungen d«r Regierung halfen nicht», di« Versprechungen der Parteien wurdim nur zu gern g«- glaubt. Jrtzt kommt der Katzenjammer. Der «ur schuß de» Reich»tage» muß einsthen, daß so gut wi« nicht» zu mach«« ist, ab«r «r vtrschanzt sich vorläufig htnt«r dem Ftnanzminist«r, der wenigsten» zu einer Art sozialen Aufwertung bereit ist, indem er den Ar men und Bedürftigen, soweit sie noch tm Besitze ihrer Staat-papiere sind, rin« R«nte zahl«« will, die einer »weiprozentigen Verzinsung gletchkommt. Das ist na- türlich nur «in Almosen, aber der Gedanke dt» Finanz minister», daß nur diejenigen Anspruch ans Entschädi gung haben, di« wirklich Erst«rwerb«r der Anleiht« find, nicht dagegen di« große Schar der Spekulanten, die erst vor wenigen Wochen di« w«rtlos«n Papt«r« grkauft haben, ist richtig. E» wird vielleicht gelingen, d«n Krei» der sozialen Aufwertung noch etwa» zu er- weitrrn und die Mittel zu erhöhen, di« der Finanz. Minister au» JnflationSsteuern bereitsten«« will, aber viel wird hi» ebenso wenig zu machen sei«, wie bei der Aufwertung der Hypotheken, und ungerecht Lei- denbr wird „ Tausenden in jedem Falle geben. Deshalb ist,, notwendig, daß endlich einmal dieser traurige Kapitel abgeschlossen wird. Landeselterntag in Niesa. Fest»Vortrag de» Reichstagabgeordneien Dr. Philipp, Mitglied des BIldung»au»schufse». Ausgehend von der Feststellung, daß in Dtutsch- land politische und wirtschaftliche Kämpf« immer giEich- »eitig mit geistigen Krisen vor stH gehr», der Vortragende auf Grund eine» geschichtlichen u,h,x. blick.« fest, daß unsere heutige Lage der zu Beginn dr- 16. Jahrhundert» gleiche. Obwohl vielleicht Man cher geneigt sein würde, über d«n großen politische« und wirtschaftlichen Kämpfen die kulturellen zu ver gessen, so bildeten diese doch den letzen Untergrund alle» revolutionären Geschehen, in der Hetzt»««. Wir stehen in «in« gewaltigen Welten wend e, deren vor. bereitunz schon seit einem halben Jahrhundert plan mäßig durch dt« daran interessierten Mächte betrieben wird, die nur auf dt« günstig« Const.ll.rtton gewartet hätten. Lib«rali»mu» und Materialt»mu», zwei über dt« Romantik zur Philosophie der Aufklärung zurück- gretfende Bewegungen bilden die beiden Säulen für den SozialiSmu», der heut« ganze Kreise de» deutschen Volke« zum Kampfe gegen alle» geschichtlich Gewor den« in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft einige. Diese Ablehnung aller Autorität müßt« notwendiger Weis« auch zur Ablehnung all«» offiziell«« Christ«», tum» führen, wofür der Redner Aeußerungen von Liebknecht und Bebel al» Bewei» ansührt. Trotz de» programmatischen Satze»: .Religion ist P-ivatsach«!' löste nun die Revolution einen planmäßige» Kampf gegen di« christlich« Grundlage der deutschen Kultur aus. Rücksicht-lose sozialistische .Kultur'-Politik trie- Sen besonder« dt« Kultu»minist«ri»n, an deren Spitze Männer wie >. Hofmann und Fletßner standen. Dies« Willkürherrschaft deschwor eine Abwehrbewegung herauf, an der die Führung Sachsen übernahm. Der sächsische Notschrei erweckt« Widtrhall in ganz Deutschland Bei den Wahlen zur verfassunggebenden deutschen National. Versammlung zeigte e» sich, daß «» hauptsächlich di« Frauen waren, die die neuen sozialistischen Kultur, träger ablehnte«. Ein« Aenderung der kulturpolitischen Zustände konnte nur vom Reich ausgehen, wo da» Zentrum al» starke» Gegengewicht gegen die Llnk»- parteien in dt« Wagschal« gewors«n werden konnte. Eine Schwierigkeit bestand nur darin, daß da» Reich kein Recht hatte, gesetzgeberisch in Kulturfragen «in»u- greifen. Für diese» Recht setzte sich hauptsächlich der Abgeordnete Dr. Költzsch «in. Auf «in« Interpellation in der Nationalversammlung, bet der diese Frage akut wurde, erklärt« der damalige Präsident de» Reichs- Ministerium» Scheidemann, di« Regelung der Fragen von Kirch« und Schul« durch das Reich würde in einem ganz anderen Sinn« erfolgen, al» dt« Jntirpel» lanten sich dächten. Ergebnt» der Beratungen war der Schulkompromiß von Weimar (Artikel 146, 147, 149, 174 der Reichsverfassung). Artikel 174 bot die Handhabe zur Verhütung weiteren Unheil». Während in der neuen Verfassung dt« Trennung von Staat und Kirche mit aller Bestimmtheit und Klarheit aus gesprochen sei, wurde da» verhältnt» von Staat und Schule nicht so eindeutig geregelt. Wohl wurde der sogenannten .Kirchenschule" der Todesstoß versetzt; die von der Linken geforderte Beseitigung de» Reli gionsunterrichte» gelang indeß nicht. Eine weiter« Errungenschaft de» Schulkompromisse» bildet« dl« v«r- fossung»mäßige «ntlkennung de» sogenannten .Eltern rechte»'. Da» Elternrecht ist ein Naturrecht. Neben dem Recht der Eltern muß natürlich ein Recht der Allgemeinheit zur Mitbestimmung über di« Ktvd«r- erziehung anerkannt werden. Nachdem sich Staat und Kirche getrennt haben, geht indeß der sachlich« Inhalt d«r religiös«» Kindererzithung über den Rahmen de» Sraatseinflusse» hinau». Der Staat hat nur di« reit- giöse Erziehung überhaupt zu gewährleisten. Al» die Erwartung, di« Anerkennung des Eltern- rechte» würde zu Schädigungen de» christlichen Schul- gedanken» führen, sich al» rin großer Irrtum erwies, versuchten die Llnktpartetrn die Auswirkung de» El ternrechte» auf dem Weg« d«r Ländergrsetzgrbung zu vrrhindern. In d«r Erkenntnt», daß da» Christtntum doch stärk» im d«utsch«n Volke vrrankert ist, al» «» die Führer dachten, liegt der Grund für di« Berschlep. pung»takttk hinsichtlich dt» Rtich»schulgtsetzt». Di« vom alten Retchlschulgesetzentwurf al» Regel oorg«. sehen« Gem«inschaft»schul« hatte etwa» zu Zwitter haftes an sich, daß sie un, nicht vorwärts bringen kann. Di« beiden Hauptschularten wirden drmnach sein: Di« Bekenntnisschule und di« weltlich« Schule. Für di« Bekenntnisschule gilt: Unt«rricht im Geiste de» Bekennt nisses!— Wenn dt« Schultrennung erfolgt ist, könnte sich nun ein gewisser Lrhrermangel für di« Bekenntnis schulen bemerkbar machen, weil entsprechender Nach, wuch« fehlt. Nach rrreichter Trennung muß d«»halb nächst« Aufgabe der christlichen Elternoereine sein, für diese» Rachwuch» zu sorgen. — Christliche Schulen müssen zugleich deutsche Schulen sein. E» wird nur möglich sein, die Bek«nntnt»schul« zu sichern, wenn e» gelingt, einen festen R-chtsblock zu schaffen, der sich gegen die politische Link« durchsrtzt. Auf dem Wege von Volksbegehren und Bolk»«ntsch«id sind dt« christ- ltchen Massen mobil zu machen, damit da» Unrecht, da» die Revolution über die christliche Schule brachte, wieder gutgrmacht wird! Christlich« Eltrrn an dt« Front! * * * Am Sonntag wurden di« Flstttilnehmer durch d«n Mission» Posaunenchor, der auf den Straßen der inneren Stadt Choräle blte», erfreut. Der Festgotti»- dienst in der vollbesetzten TrinitottSkirche wurde durch di« Lithurgie de» Vikar Brunnemann und einer vom Kirchenchor vorgetragenen Motette «»»geschmückt. Der Festprrdiger, Pfarrer Fri.drtch in Ri.sa, mahnte etn- dnnglich an Hand von Jes. 45,11 sestzuhalten an der christlichen Erziehung in d«r Schule wi« durch die Kirche, tn»besondere den KindergotteSdienst al» geetg. nete Stätte erwähnend, al» auch ganz besonder» im Elternhaus«, und zwar, wtil au» d«n Kindern Gotte» Majestät den Erwachsenen «ntgrgenleuchte. In volks tümlicher Weis« zeigt« er alle die Aufgaben der an- dächtigen Gemeind«. Anschließend hielt der Mtssion»- Posaunenchor durch Vortrag von Chorälen auf dem Rosenplatz di« Lauschenden f«st. Den Abschluß der Tagung bildete der Gruß der Kinder an dt« Gäst«, die in dem wiederum vollen Saal« in einem von dem Elt«rno«r»in»vorfitzend«n Bergmann geleiteten Kinderchor Choräle und geistlich« Volk»l1«d«r vortrug««. D«r V«rband»vorfitz»nd« Dr. Htring «rinnert« in s«inem Dank« an dt« «rste Ta- gung 1922 in Dre»d«n, wo d«r von Lehrrr W«ise ge- gründet« Kinderchor bahnbr«ch«nd diesen Zweig der Elt«rnver«tn»arbett in da» Land hinaultrug. Während Herr Müller au» Löbau Eltern und Kindern an Bet- spielen seiner Erlebnisse tm Au»land den Wert treuer Arbeit darlegt«, prir» Herr Dr. Krebs, Leipzig, die Aufgabe de» Lehr«r» al» eine, die fröhliche» Christ«»- tum zu bewirk«» habe. Herzlichen Dank in humor vollen Worten sprach der V»band»g«schäst»sührer Geiß ler den Quartiergebern von Riesa au», di« an di« 200 au»wärttge Gäst« behrrbergt hattin. In d«m Schlußwort w«rt«te Herr Sup. Schersfig, Großenhain, die Arbeit b«r Llternveretn« al» «inen Dienst auch an unserem deutschen Volk« und stellte als Ziel die Durch dringung de» gesamten Volke» mit christlichem Geist« auf, welche» zu erreichen erst kommenden Generationen Vorbehalten sein würde. So nahm der Eltervtag, auf dtm in «in«r Presseausstellung die Preflearbeit de» verband«», al» auch btsonder» dt« Mitarbeit der Tag«»presse an d«m kulturellen, sittlichen und religiösen Aufbau unsere» Volke» gezeigt wurde, einen ernsten Verlauf und «inen einheitlichen Geist aufwetsenden Abschluß. 12. ordentliche Landessynode. 14. und 15. Sitzung am 29. und 30. September 1924. Die Montagssitzung beschäftigte eine Anzahl von Gesuchen. Das Hauptinteresse nahm jedoch der Bericht des Syn. Kühn- Bischofswerda zur Frage der Kirchensteuer für die 2. Hälfte 1S24 ein. Er berichtete folgendes: Die Befürchtung, daß für das Jahr 1923 eine neue Steurreinschätzung nicht durchgeführt wer den würde, hat flch leider verwirklicht. Für das Jahr 1924 ist die Reichseinkommensteuer auf ganz neue Grundlagen gestellt worden. Es erfolgen für Industrie, Handel und Landwirtschaft Vorauszahlungen nach neuen Grundsätzen. Da sich die Kirche für ihre Steuer auf eine Einschätzung des Jahres 1923 nicht stützen konnte, hat das Reich den Kirchen die Möglichkeit ein geräumt, die genannten Vorauszahlungen als feste Steuerveran lagung zugrunde zu legen und bei den übrigen Steuerzahlern Pauschbeträge festzustellen, die als veranlagte Einkommensteuern gelten. Für diese Pauschbeträge stellt das Reichsfinanzministe rium die Lohn- und Gehaltsempfänger in zehn Klassen, die natürlich die verschiedenartigsten Einkommen in einer Klasse vereinigen. Gegen diese Erhebung sind beim Landeskonfistorium schwere Bedenken gekommen. Eine Einteilung in die zehn Gruppen muß außerordentlich hart und unsozial wirken (Beamte der Besoldungsgruppen 10-12 in derselben Gruppe). Eine weitere Ungerechtigkeit besteht in der Einreihung nach den An- sangsgehältcrn. Die Eingruppierung sämtlicher Lohn- und Ge haltsempfänger hätte Anforderungen an die Kirchgemeinden gestellt, die die rechtzeitige Steuererhebung gehindert hätten und gewährte keinen Ueberblick über die Höhe des Steueraufkommens. Das Landeskonsistorium hat geglaubt, den Weg nicht gehen zu können und mußte darum auf die 1922 Einschätzung zurück greisen. Dieser hasten bei der vollständigen Verschiebung der Einkommenverhältnissc mancherlei Ungerechtigkeiten an. Aus Grund der in den Landesfinanzämtern gemachten Angaben ging das Konsistorium davon aus, daß mit einem Einkommensteuer- Soll von 45 Milliarden demnach für die Kirche bei einem Steuersatz von 10 Goldpsennig mit rund 4 Millionen zu rechnen fei. Erst nachdem die Steuerverordnung erschienen war, stellte sich heraus, daß das Steuer-Soll des Staates 71 Milliarden betrüge. Daher stellte das Landeskonfistorium für den 2. Ter min eine Herabsetzung der Landeskirchensteuer in Aussicht. In zwischen ergab sich die geradezu katastrophale Wirkung der aus der 1922er Steuereinschätzung beruhenden Kirchensteuer. Die inneren Ungerechtigkeiten waren krasser, als man im Kirchen regiment hatte ahnen können. Um die gröbsten Ungerechtig keiten einigermaßen auszugleichen, beabsichtigte das Konsistorium einen Generalerlaß auf das Dreifache der Januarkirchenfteuer für den Landeskirchensteuer Anteil vorzuschreiben. Einer Tren nung dieses Teiles von der Ortskirchensteuer widersetzten fich jedoch die Landerfinanzämler. Der somit notwendige Erlaß der Gcsamtkirchcnstcuer auf das Dreifache des Ianuarsatzer brachte jedoch eine vollständige Zerrüttung der kirchlichen Fi nanzen insofern mit fich, als die große Zahl derer, die fich durch die bisherige Steuererhebung nicht beschwert gefühlt hatten, auf den Weg gewiesen wurden, fich unter zwei Steuersystemen da« günstigere auszusuchen. Der Ertrag der hiernach eingehenden Steuern blieb etwa 50 v H hinter der erhofften Summe zurück. Gegenüber diesen unhaltbaren Zuständen macht sich nun eine Entschließung darüber notwendig, was geschehen soll, um für den 2. Termin 1924 einen wenigstens einigermaßen erträglichen Zustand zu schaffen. Grundsätzlich ergeben fich drei Wege: Der erste Weg, sich hinsichtlich der Vorauszahlungssteuerpflichtigen diesen Vorauszahlungen anzuschließen, die Gehalts- und Lohn- empsänger in die erwähnte» 10 Steuergruppen einzuschließen, ist wegen Einspruches der Landesfinanzämter nicht gangbar.