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II. »Tie gnädig Frau lassen bitte» Tas glattrasierte, i» wohlerzogener Ausdrnckslosigkeit versteinerte Anlich des Dieners verrät nicht, wie er den Besnchcr taxiert. Forstners Erschei nung ist nicht weltmännisch, aber durchaus einwandfrei und liegt ein ruhiges Selbstbewusstsein in seinem Benehmen nnd nn Ausdruck seines offenen, klugen Gesichts. Lore ist nicht gleich anwesend^ er Zeit, seiner Umgebung einige Anf- merffamkeit zu schenken. Sein künstlerisch gebildetes Auge er- srcni sich au dem feinen Formen- und Farbensinn, der hier offenbar bcitinim^w gewesen Die Einrichtung ist geradezu überraschend geschmackvoll. Es fehlt ihr anch die Dnrchgeistignng nicht. Plastische Kunstlverke und Bilder moderner Meister die anch Forstner kennt nnd bewundert, grntzcn ihn wie liebe Bekannte. Nun kommt Lore nnd begrüßt ihn sehr herzlich. „Aber Wilhelm, dn hast mir sa sogar einen deiner Sonn tage geopfert!", fagtc sie vergnügt. „Tas nenn- ich Freund schaft!" „Es schien mir ratsamer, zu dieser Stunde zn kommen. Dn sagtest, am Abend hättet ihr oft Gäste." Lore ist aufgesprungen. In ihren großen, schwarzen Augen schimmern Tränen. „O, Wilhelm, das ist schön, willst du Mir dazu verhelfen, daß es auch wahr wird?" „Von Herzen gern!" sagt er fröhlich. „Die kleine Lore kann halt nicht müßig sein! — Warte nur, kleine Lore, du sollst schon deine Werktage haben! Die Sonntage kommen danach von selbst." G „Ja, cs ist auch viel hübscher so. Wir nehmen seht in meinem Erker gemütlich den Kaffee." Der kleine, in Moos- H ^rün und Weiß gehaltene Ecksalon ist am wohnlichsten; er hat K Stofftapeten, bequeme, niedrige Sitzpolster und viel lebendiges, 7k frisches Grün. Auf dem Tische bemerkt Wilhelm ein zierliches G Telephon, das Lore auch sogleich in Aktion setzt: „Ich will dir 8 nur mitteilen, lieber Karl, daß Herr Forstner hier ist. Komm A doch zum Kaffee herüber, wenn du kannst. So? Noch wich- K tige Korrespondenzen zu erledigen? Wie schade! Komm aber Ä gewiß, sobald du fertig bist!" Sie läutet ab. „Das Telephon A ist nicht nur fürs Haus," sagt sie erklärend — „es hat mehrere V Leitungen, und wenn ich allein bin, ist's mir wie ein lebendiger 8 Gefährte. Der Gedanke erfreut mich, in die Weite hinaus- A zusprechen und Menschenstimmen hören zn können, wenn mich B danach verlangt." O „Dazu brauchtest du bei Frauz L Seiler kein solches Dings," A sagte er lachend. „Da gab's Lärm und Leben genug mauch- V mal zuviel! Ich kauu mir gut verstellen, daß du die Stille 8 hier noch nicht recht gewöhnt bist." Sie nickt schweigend. Der Z Versteinerte erscheint mit dem Servierbrctt. Run sitzen sie D einander gegenüber an dem breiten Erkerfenster, das einen V schönen Rundblick über die im Stern zusammenlaufendcn Promenadenwcge gewährt. Der unablässig dahinflntende K Passantenstrcng die wechselnden Bilder des bunten Sonntags- Von A. Erne st st (Nachdruck verboten.) ' I. tuen auf dem Promenadenwcge läßt Frau Kom merzienrat Frankenstein ihr Automobil anhalten. Es ist wie das Bild eines modernen Malers: das elegante, leuchtend weiße Geführt und die schöne junge Frau darin, im enganschließenden weißen Schneidcrkleide und weißen Fedcrhut. Alu Hintergrund grüne Parkbäumc und darüber ein tiefblauer, wmmcrucher Himmel. Manche der Vorübergehenden bleiben stehen und beobachten, wie die schöne Frau lebhaft winkt. Ein schlanker, gut,, aber ein fach gekleideter, junger Mann kommt von der anderen Seite des Weges herüber, offenbar ein bißchen überrascht und ver wirrt. „Grüß Gott, Lore! Du — Sie " „Sag nur ruhig Du, wie immer, Wilhelm. Es freut mich riesig, daß ick dich endlich mal wiederjehe!" „Ja, in deine Kreise komme ich nicht," sagte er lächelnd. „Aber morgen, da ist im Rotenburg Park das große Sommerscst, dn weißt schon —" „Ich weiß, aber meine Mittel erlauben mir's nicht!" „Ach komm doch," sagte sie dringend . „Nein, morgen ist Sonntag. Da hab ich mit anderen Z treibens schaffen numer neuen Gesprächsstoff, lasten viele einen netten Ausflug verabredet. Die ga Ze Woch sitz ma Z gemeinsame Erinnerungen auf auchcn bei der Arbeit " -vocye nist nn G Lore tragt cm weiches, lachsfarbenes Hauskleid. Es ist bei Sie seufzte leise auf. „Schou recht, Wilhelm Aber bc L Seiler angcfertigt uud Wilhelm hat das kapriziöse suchen wirst du mich eiumal, nicht wahr^ ^ Z Raukengew,rr der «tickerc, entworfen, d,e sich -Plastisch ,» Feierabend kommen. Bei uns wird's immr !vä W habcn Z wf chwarzcr Leide nusgefuhrt - Pikant von dem zarten oft Abcndgäste. Blei» Manu freut sich auch über deineu Ä Unterton abhebt. Früher gehörte die Ausführung derart,gcr Besuch; er weiß ja von unserer alten Freundschaft " Ä Mner Arbeiten in Lores Arbeitskreis: ,ctzt regen stch die Hande „'s ist recht, Lore. Ich komme ckwü e nmol »eb' wobl K anderer für sie. „Wie gern wurde ich nur einmal die Stickerei lind viel Vergnügen für dein Fest'" einmal, - Q für so ein Kleid selbst auferttaen!" sagt sic fctzt aus ihren Ge ¬ danke! Auch für deineu Ausilua'" trenuten iie Ä sanken heraus. „Aber mciu Biann lvill es nicht, .das hast du sich. Er geht hurtig weiter, wie ienwnd-de^ Z lange genug getan und kannst nun dciuc Augen fchoncn, bar ist. Die Begegnung mit der il n, sagt er. „Nimm das Auto oder laß an,Pannen, fahre ,pazlcrcn auch A^ w/rdc, hat ihn einigermaßen aus L ^r gehe in ei.ie Kunstausstellung; du keunst ohuch.u uoch so gewesen, er und dw fesiw^ fA chlore^die Zeschätzt^Kunst' wird 'chan.E.Haben," erwiderte Wichelm. Uud wie stickeriu des große,, Modehauses Franz L Seife? / L ? ß ^ben das^ G,uck,^re^ubc ihren Tag verfugen zu st> aut ni/'fubrw Anregungen T „Gewiß!" sagt sie eifrig beipflichtend. „Du darfst mich nickt so flut mW führte seine künstlerischen Phantasien wunderbar x ^"„»dankbar ballen^ Es ist nur — weint du 'Milbelm — Unen kuntm'/?d°" Nmsmü/dnf^or/s^bst^ A ich hab' jetzt soviel Zeit zum Nachdenken, nnd da ist mir die m>^-' ^^'l>en. -er Umstand, daß Lore selbst fcho Erkenntnis gekommen, daß das bittere Aiuß, von dem wir früher wöRnm L unter der Last unserer Arbeit oft gesprochen, auch ein süßes üeZ, Arbc'tsspharc. Kommerz G Muß sein kann! Es gibt soviel Freude, wcnu mau etwas müs bcowitete ennnal IN das leriihmtc Mide' L leistet, das einem nicht gleich jeder nachtut, das ernst genommen AsAo sofort durch deren « wird und eines guten Lohnes wert befunden! Immer spazicren- Erkundigungen ein L ör ? eutst am m, e el K gehen — das tun doch bei uns nur die Kinder und die Greise, familic »>w erfreute sich eines tadellosen Rufts Das genügte K Weiß es jetzt: der gute Wechsel zwischen Schaffen und dem zielbewussten Herrn. Er machte knmcn Vrorek und § Rasten, das ist das Wahre! Und wer keinen Werktag Hal, der heiratete das Mädchen, zum großen Mißfalle» seiner Mutt r Z b°t mich keinen Sonntag!" und der Gesellschaft. Heute, nach Jahr und Tag, hat sich die K Sie hat mit steigender Erregung gesprochen. Er kann nicht eine wie die andere mit der unabänderlichen Tatsache ab- K widersprechen. Jetzt überkommt beide etwas wie ein Er- acsn'ndeu Die Hauptinteresscnteu, das Ehepaar, sind mit- 8 schrecken. Wilhelm fühlt, als habe er in eine offene Wunde einander zufrieden Frankenstein macht ciu großes Haus, und H geblickt, und Lore ist es, wie wenn sie einen Perrat begangen cwe junge Gatti» be.ümmt sich umstcrhast. ß b^c an dem hochherzigen Manne, der den Mnt besaß, seinen Stiles das überdenkt Wilhelm Forstner auf femem Wege V ? mW ffme Ehre in ihre Hand zn legen. „Du verstehst nnd beschließt, der Einladung, durch die er sich im Grunde doch A richtig, Wilhelm?" fragt sic zaghaft. Er Hal stch sthon erfreut nnd geehrt fühlt demnächst Folge zu leisten. Ein biß- Z zurechtgcfunden. „Aber natürlich!" erwidert er, abnchtlich m cheu„ett/riqisie/au/^ „Glückskindes", dessen ß äanz lcichtcni Tone. „Was ist begreiflicher, als daß du erst d.e Rwnan bei Frauz L Seiler von Lores eiustigen Kollegiunen A beiden Welten miteinander in Einklang bringe» mum — deine NZs- b'i»--«-" w"d. W, -iS-»,, »m»«, L tzzxsLN-F'K 'iLiL'V üSNS ^^>wu. Q Brücken z» deiner früheren Welt nicht abgebrochen. Auf ihr kannst du zu uns hinüberkommcn, kannst den Acrmsten unter uns — in schöner, heimlicher Art! — wohltun und Daseins erleichterungen bringen. Du kannst ihnen „Sonntage" schaffen! Früher warst du eine jener vielen, die selbst erwerben und ent behren müssen und die Armut der anderen sehen, ohne helfen zu können. Heute kannst du das. Heut' bist du wie die Fee mit dem Zauberstabe. Es gibt Nöte, denen nur mit Geld abzuhclfen ist; dazu hast du die Mittel. Und es gibt Nöte, die nur durch langmütiges Mitfühlen und Mittragen zu heilen sind; dazu hast du die Zeit. Und das warme Herz. Nennst du solches Schaffen nicht auch Arbeit?! Und scheint es dir nicht, als sei sie ebenso ernst zu nehmen als das Durchziehen eines Seidenstoffes mit Gold- und Silberfäden?"