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NssLebenimWort Schriftleiter: Paul Lindenberg 4924 4924 Arrr^ / ^Rowsn rEr Avs Gt'Mn - 3. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Kurze Jnhaltsnngabe zu unserem bisher vcröffcnlichtcu Romantcil. Hermann Lange war nach geraumer Zeit — man batte ihn wäbrend des Knc.es in Amerika im Gcsangenenlager sestgesetzt — nach Deutschland heimäc- kehlt und führte ein Einsiedlerleben im Oftseebad Heiligendamm. Mit den neuen Verhältnissen kennte er sich noch gar Nicht bcsrcundcn. auch nicht mit den neuen Menschen. Zu lehtcren gehörte nach seiner Ansicht eine junge, sehr selbständige Dame, die mit ihrem w nzjge» Gepäck allein reiste und sich im gleichen Bad »uf- batten wollte: die Baronet! Ludmilla Tiede», die er Lurch Zufall tennengelernt. Am so gcnden Tage tiaf er sie am Strand wieder, ihr, die zum ersten Mal am M er weilte, von seinen weiten Reisen berichtend, aber auch von feinen vielen Enttäuschungen im neuen Deutschland. Auch sie erzählte ibm von ihrer Jugend im elterlichen Schloß und wie sie gegen den Willen der Ihrigen Lem Drang geiolgt. sich selbständig zu machen und aus eigenen Füßen ,n stehe». Am selben Abend saß Hermann Lange auf der Terrasse dcö Kurhauses, als sich seine junge Be kannte zu ihm gesellte und ihn bat, sie in der Sbiclsaal zu begleiten, um Lie neuen Tyven zu beobachten. Beim Spiel verlor Heimann Lange; Ludmilla maß sich die Schuld zu - ihr war der Ort verleidet, sie wollte am nächsten Tage ab- reiscn. Dringend bat ihr neuer Bekannter sie, Lech noch zu bleiben, ihn nicht allein zu lassen! ,Nur das letzte dürfte Ihre kleinen Hände in drn einig Wildledernen ballten Die schwersten Jahre schienen doch sür sie vorüber zu sein — sie nickte ernsthaft — und man konnte mit etwas mehr Sicherheit der Zukunft entgegensehen. Das ließe soviel Zeit übrig, daß man sich mit den anderen großen Pro blemen der eigenen wie der allgemeinen Existenz befassen könnte. Ihre Augen sprangen voll Wasser. Sie war verzagt und hoffnungslos. Ihre Liebe zu diesem Volke, das vier Jahre gelitten, gekämpft, ausgeharrt — gesiegt hatte, wie kein anderes Volk je in der Welt, um sich dann selbst zu sich — am Daumen entstand ein neuer Riß. „Schad't nichts," dachte sie. „Es kommt auf eine Naht nicht an." Mit schwerer Stimme, denn ihr Bekenntnis drückte ihn nieder, schlug er vor, daß sic nun gemeinsam Stellung zum neuen Leben und zum neuen Deutschland nehmen wollten. stimmen, Baroneß. Aber Lücken hatte das Dach auch. Mein Bett ist oft Wochen lang nicht trocken geworden. Sonst bekamen wir soviel, um gerade leben zu können; aber um lange leben zu kön nen, fehlte uns eins: die Freiheit!" „Die Freiheit," wieder holte sie ergriffen. „Wollen wir unser Leid nicht abmesscn, Baroneß? Ter Wert eines Menschen liegt nicht an dem, was er er leben muß — das ist blindes Schicksal — sondern wie er die Prüfungen trägt. Viel leicht dürfen wir beide mit uns zufrieden sein?" Sie wich seinem fragen den Blick aus. Ihre Stirn faltete sich. „Ich war oft kleinmütig, verzweifelt — ganz, ganz ver zweifelt," gestand sie. „Nur eins tat ich nicht, tat ich nie: ich habe nicht geklagt und nie mand hat gewußt, daß ich litt." hungerte, fror, hatte nichts anzuziehen, konnte die Miete nicht zahlen, lief auf zerrissenen Strümpfen umher und auf durchlöcherten Sohlen —" sic holte tief Atem und beruhigte sich schwer. Tas war ihr Leben gewesen! Großer Gott! Jetzt erst sagte sie die Wahrheit. „Inzwischen," fuhr sie fort, ehe er noch sprechen konnte, „saßen Sie bequem in Ihrer Gefangenschaft, fanden Ihren Tisch gedeckt, denOfen geheizt, ein Dach über Ihrem Kopse—" ie hatte ein sehr heiteres Gesicht, während sie den Garten durchschritt. Richtig, da stand Härmen L Längi schon und hielt die Tür für sie offen. ä Sein Ernst wich bei ihrer fröhlichen Miene: s s^lehtman nicht aus, wenn man „Nein" und „Lebewohl" z sagen will. r „Ich dachte an so mancherlei," begann sie ohne Um- x schweife, „was man im Alltag ganz natürlich findet — ist Z man mal ein Stückchen abge- rückt, so in die Ferien hinein, wird einem erst wieder die Komik klar." Und sie erzählte ihm, wie sie sich im Winter selbst Brennmaterial auf einem Kinderschlittcn geholt habe, wie sie sich selbst Seife kochte, nach dem berühmten Rezept: „Nimm gute Seife und mache schlechte draus" — wie sie gegen einen illustrier ten „Reineke Fuchs" bei ihrer Krämcrsfrau eiu Paar große Filzschuhe eintauschen konnte, Ms M sich all' ihre Bekann- s,, 'als Rettnngsmittel stürzten, wenn ^ie sie einmal in ihrer kalten Stube besuchen und — „Was arbeiten Sie denn eigentlich," wagte er da zu fragen. „Ich —? Aber ich bm doch Goldschmiedin, habe ich Ihnen das nicht erzählt?! Und nach dem berühmten Re zept von der Seife habe ich, um Material zu bekommen, all' nieine eigenen Schmuck sachen eingeschmolzen und umgearbeitet." „Schade," ließ er entfließen. .. Sic blickte vor sich hin. „Ich habe alles ausgezeichnet — L später mache ich sie mir wieder. Aber was wollen Sie," A erregt wandte sic ihm das Gesicht zu, „ich mußte leben! N Mir schien das im Angenblick wichtiger als Barockringc oder y Nürnberger Ketten —" U „Und wenn Sie sic unverändert verkauft hätten?" ß „Nie hätte ich ein Familienstück fortgegeben!" L Ta er nichts^ erwiderte, meinte sie etwas hochmütig: 2 „Das verstehen Sie Wohl nicht und finden mich unlogisch." L „Hörmen Längs tritt durch Sie in eine neue Gefühls- 8 Welt und läßt sich gern belehren, Baroneß. Die Frage wäre N vielleicht so zu stehen: ist es Pietätvoller, Familiengeschmeide y einzuschmelzen oder es zu verkaufen?" 8 „Verstehen Sie dvch," sie stampfte mit dem Fuß, „ich A mußte doch Beweise meines Könnens erbringen! Und ich 8