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Dienstag, 12. Februar 1924 76 Jahrgang Beilage zu Nr. 18 Vm linsen» NWar«, den Tschechen. Die „Unabhängige Nationalcorrespondenz" läßt sich aus Prag melden: Immer häufiger werden die Stimmen, die den wahren Charakter des tschechischen Nationalismus, wie er sich besonders nach dem Kriege entwickeln konnte, überall in der Welt seststellcn. Skandinavische, englische, aber auch überseeische Blätter haben in letzter Zeit der österen Gelegenheit genommen, das nationalistische Getriebe im Tschechenreiche unter die Lupe zu nehmen, da fich die den tschechischen Radikalismus richtig beurteilenden Auslandsgäste derart häusen und fich ihre voneinan der völlig unabhängigen Darstellungen so verblüffend decken, baff auch die üblichen Angriffe, es seien bezahlte Deutschen freunde, voreingenommene Tjchechenhasser usw. nicht mehr ziehen wollen. Dern Ausländer fällt natürlich in erster Linie das auf, was er in Prag zu sehen bekommt und wie man sich in jedem Gespräche mit einem intelligenten Fremden, der insbesondere mit der Gcschästswelt zu tun hat, überzeugen kann, find es hauptsächlich zwei Tatsachen, die ihm auf den ersten Blick in die Augen fallen Er merkt, das in Prag das Geschäftsleben zum großen Teil in deutschen Händen ist und eine überraschend reiche, kulturelle Tätigkeit entwickelt wird. Unwillkürlich fragt er, woher es kommt, daß im äußeren Bilde der Stadt auch nicht ein einziges deutsches Schilds en zu sehen ist, während sich andere Sprachen ziemlich frei ausleben. Daß hier Gewalt im Spiele ist, wird ihm, mag er nun Schweizer, Italiener, Eng länder oder selbst Franzose sein, ohne lange Ueberlegung klar und diese Entdeckungen öffnen ihm die Augen über vieles andere, das hier geschieht, denn daß sämtliche deutschen Kaufleute ohne den geringsten Zwang ihre Schaufenster für die vielen aus der Provinz hcretnkommenden Deutschen unverständlich machen würden, glaubt auch der einfältigste Ausländer nicht, selbst wenn ihm auf dem Hradschin die tschechische Toleranz mit den blendendsten Farben ausgemalt wird. Das zweite, was ihm auffällt, ist die Unfreundlichkeit oder gar unwirsche Ab lehnung, wenn es ihm auf der Straße einsöllt, einen Tschechen in deutscher Sprache anzureden. Er braucht also garnicht lange Zeit hier zu sein, um herausgefunden zu haben, daß ihm der Deutschenhaß auf Schritt und Tritt entgegenschlägt. Nimmt er fich gar noch die Mühe, fich in Einzelheiten der Gesetzgebung und Verwaltung einzuarbciten, mit all ihren nationalen Win Kelzügen, jo hat er ein Bild, das alles andere eher zeigt, als nationale Toleranz oder gar Entgegenkommen. Sonderbar ist es nur, daß fich, obwohl tschechische Organe diesen Nationalis mus sogar zu ihrem Hauptprogrammpunkte gemacht, die „Na- rodni Myslenka" noch darüber wundert, daß diese Art Natio nalismus uicht gerade als Duldsamkeit ausgelegt wird, und daß diesen Ausländern, wenn fie, wie kürzlich ein Berichterstatter des „Temps", die Tschechen in diesem Zusammenhänge als die Preußen des Slawentums kennzeichnen, weniger die altpreu ßische Ehrenhaftigkeit und Sauberkeit, als die den Preußen fälschlich nachgesagte Härte und ihre Vorliebe für den Obrig keitsstaat vorschwebt. Es zeigt fich eben, daß es aus die Dauer sehr schwer ist, nach außen hin eine Musterdemokratie, grenzen lose Duldsamkeit und nationalen Liberalismus vorzuspiegeln, nach innen aber die radikalste Tschechifierung auf allen Gebieten zu treiben, gleichgültig, ob es fich um ^ine Schule, eine Aktien gesellschaft, eine Eisenbahn, um die Austeilung des Großgrund besitzes, um die Verleihung einer Vahnhossbuchhandlung, einer Bahnhossrestauratton oder auch nur um die Konzession für ein deutsches Theater handelt. vertlich« und sächsische Angelegenheiten. — (Für Imker.) Am Sonntag, den 17. Februars vormittags 11 Uhr, findet im Dresdner Haupt« bahnhofe (Meißner Saa!) eine Kreisversammlung statt, wozu dis Tagesordnung den Vorständen noch zugesandt wird. Jeder dem Sächsischen Vienenwirt« schaftlichen Hauptoereine angeschlossene Zweigverein des Dresdner Kreises ist verpflichtet, auf seine Kosten hierzu Vertreter zu entsenden; auch andere Imker können daran teilnehmen, sind aber nicht stimmbe- rechtigt. — Der 1 Vorsitzende des Sächsischen Bienen- wirtschaftlichen Hauptoereins, Herr Oberlehrer Leh mann in Rauschwitz bei Elstra, teilt zur diesjährigen Zuckerversorgung mit, daß für 1924 jeder dem Haupt vereine a geschlossene Zweigverein solchen bei der Löbauer Zuckerfabrik selbsr bestellen und beziehen kann, wobei er dieselben Vergünstigungen wie bisher beim Bezugs durch den Hauptvsrein genießt Aufs Standvolk werden 15 Pfund Zucker gerech: st; die von der Fabrik gelieferten Säcke werden diesmal nicht zurückgsnommen Der Zentner bester Raffinade einschließlich Sack, aber ausschließlich Fracht, kostet mit dem jetzigen Steuersätze 40 Goldmark; sollte die Zuckersteuer erhöht werden, so erhöht sich auch der Preis um den Mehrbetrag. Der Zucker ist bis Ende Februar abzunehmen ; spätere Abnahme würde einen Monatszuschlag bedingen Da mit Zuckerknappheit gerechnet wird, und es dieses Jahr keinerlei Zucker mehr vom Hauptoereine usw. gibt, so empfiehlt sich im eigensten Interesse, daß die Zweigvereins diese Gelegenheit zur Eindeckung für die Herbstfütterung benützen. — Billig ist nun dieser Zucker deswegen gerade nicht, da derselbe in den einschlägigen Geschäften bei Abnahme von 5 Pfund jetzt schon für 40 Pfen nig pro Pfund zu haben ist! Dresden. (Konzert vor Erwerbslosen.) Am Freitag nachmittag Uhr füllten über 2000 Erwerbslose Parkett und Ränge des Zentral Theaters. Der öffentliche Arbeitsnachweis Dresden und die Liga für musikalische Kultur hatten sich vereinigt, um einem Teil, der Erwerbslosen einmal gute Kunst zu bieten. Dis Direktion des Theaters und die Bank für Bauten hatten das Theater kostenlos zur Verfügung gestellt, und auch die Künstler, die ihre schönen Gaben spen« deten, hatten auf jedes Honorar verzichtet. Die Firma Rönisch hatte den klangvollen Flügel kostenlos zur Verfügung gestellt. Zu Beginn des Konzertes sprach Dr Müller von der Liga für musikalische Kultur, der neben Dr. Handrick vom Arbeitsnachweis sich viel Verdienst um die Veranstaltung erworben hat, einige einleitende Worte. Professor Henry Marienau und Mary Erasentck vereinigten sich in diesem Konzert zu Einzeldarbistungen und gemeinsamen Vorträgen. Al« Dritter gesellte sich der Pianist Herbert Burk hardt hinzu. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß die Zuhörerschaft den edlen Spenden reifer Künstler- schaft dankbar zujubelte. Chemnitz. (Sozialdemokratische Kan- didatenfürdenReichstag inSachsen) 2n einer am Donnerstag hier abgehaltenen sozialdemo-