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Nr. 128. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 25. Oktober 1910. Seite 6. zweiten Tenor von gleicher Berühmtheit, aber von größerer Sanftmut nehmen. Als er noch über das alles nachdachte, klingelte das Telephon. Eine Damenstimme. „Herr Burrian läßt Ihnen sagen, e möchte heute Abend doch singen. Lassen Sie uns den Vorfall von heute Morgen als ungeschehen bet achten!" Erst wollte der Kapellmeister nicht, denn Burrian hatte kurz vor dem telephonischen Anruf ein ärztliches Zeugnis geschickt, .daß er infolge einer plötzlich eingetretenen Indisposition nicht singen könne. Schließlich schickte Burrian einen Freund, der nun die Sache wieder einrenkte. Auch ein Zeugnis des Arztes, daß Burrian doch singen könne, wurde vorgelegt und zur festgesetzten Zeit stand der Sänger wieder auf dem Podium. Er sang natürlich glänzend und das Haus jubelte ihm zu. Karl Burrian, der daS Geld über alles liebt, strich sein Honorar in Gestatt von 12 „Blauen" ein und verließ das alte Nürnberg. Nus vem Ssrrcbtssaals. 8 Pulsnitz. König!. Schöffengericht. (Sitzung am 19. Oktober 1910.) i. Der bereits über bvmal vorbestrafte Karl Oskar Max F hatte am 6. Oktober 1910 in Großröhrsdorf ihm unbekannte Personen um milde Gaben zu seinem Lebensunterhalte angesprochen; so hatte er insbesondere bei der Auguste Emma verw. H. um Kaffee angesprochen. Als diese ihm aber welchen verabreicht hatte, hat er ihn nicht getrunken, sondern zur Haustür hinausge gossen. Das Schöffengericht verurteilte ihn wegen Bettelns gemäß tz 361 Ziff. 4 des Strafgesetzbuchs zu 5 Wochen Haft. Da F. ein arbeitsscheuer Mensch ist, erkannte das Schöffengericht auch seine Neberweisung an die Landespolizeibehörde. 2. Die Fabrikarbeiters ehestau Emma Emilie R. in Großröhrsdorf war angeklagt, die minderjährige Bertha Elisabath Sch. insofern beleidigt zu haben, als sie geäußert hatte, die Sch. habe bei dem Gutsbesitzer T. in Großröhrsdorf Geld entwendet und sich dafür Kleidungsstücke ge kauft. Sie wurde deshalb wegen Beleidigung zu 18 M Geld, an deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit 2 Tage Gefängnis zu treten haben, verurteilt. 3. Weiter war der Schuhmachermeister W. in Pulsnitz angeklagt, weil er am 18 September 1910 den Töpfergehilfen Karl August F. in Pulsnitz derartig mit beiden Fäusten ins Gesicht geschlagen hatte, daß er blaue Flecken und Huutschürfungen davontrug. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten wegen Körperverletzung zu 10 M Geldstrafe eventuell einem Tage Gefängnis. 4. Der Kutscher Otto Emil St. in Königs brück und der Schlosser Franz Oskar S., z. Zt. in Falkenstein in Haft, waren wegen Unterschlagung angeklagt. Die beiden Ange klagten waren im Juni dieses Jahres von der Firma Cerbone R. als Agenten für Sprechmaschinen angestellt. Sie erhielten bei der Anstellung jeder eine Sprechmaschine im Werte von 48 M als Muster ausgehändigt. In Niedersteina verkauften sie eine Sprech maschine mit 5 Platten an den Monteur P. und erhielten von diesem 46 M sofort von diesem bezahlt. Den Auftrag gaben sie nicht an die Firma R. ab und die gezahlten 46 M verwendeten sie in ihrem Nutzen. Sie versetzten auch die ihnen als Muster ausge händigten Sprechmaschinen. Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten je wegen Unterschlagung in 2 Fällen und zwar St. zu 38 M Geldstrafe und S. zu 2 Wochen Gefängnis. 8. Der Maurer Giovanni Battista C. aus Fiälis (Italien) war angeklagt, am 12. September 1910 in Großröhrsdorf in der Laube vor dem Hause des Kaufmanns S. ein Geldtäschchen mit ca. 18 M Inhalt, von dem er wußte, daß es ihm nicht gehörte, gefunden und das Geld in seinem Nutzen verwendet zu haben. Er wurde deshalb wegen Unterschlagung zu 18 M Geld, die durch die erlittene Unter suchungshaft als verbüßt gelten, verurteilt. 6 Weiler hatte sich noch vor dem Strafrichter zu verantworten der Arbeiter und Aushilss wächter der Wach- und Schließgesellschaft Johann Karl Gustav N. in Großröhrsdorf wegen Diebstahls. N. hatte in der Nacht vom 18. zum 19. September 1910 aus einem unverschlossenen Schuppen ein dem Tierarzt H. gehöriges Fahrrad weggenommen. Er be hauptete jedoch, er hätte nicht die Absicht gehabt, sich das Fahrrad anzueignen, sondern er habe sich nur einen Scherz gemacht, um dem Eigentümer das Zumachen der Tür an;»gewöhnen. Da ihm die Absicht des Diebstahls nicht nachzuweisen war, mußte er lcstcn- los freigesprochen weiden. 8 Die Angabe falschen Alters der Kinder auf der Eisenbahn zwecks Erlangung von Fahrpreisermäßigungen ist nicht ungefährlich, denn diejenigen, die die Angaben machen können sich leicht einer Bestrafung aussetzen. Bekanntlich werden Kinder unter 4 Jahren frei befördert, wenn für sie ein besonderer Platz nicht beansprucht wird, während ältere, aber noch nicht 10 Jahre alte Kinder zum halben Fahrpreise.befördert werden. Es kommt nun nicht selten vor, daß Eltern das Alter ihrer mitreisenden Kin der zu niedrig angeben, um eine ihnen nicht mehr zustehende Fahr preisermäßigung zu erzielen. Welch unangenehme Folgen eine solche Handlungsweise, die sich im Sinne des Strafgesetzbuches als Betrug charakterisiert, nach sich ziehen kann, mußte kürzlich eine den sogen, besseren Ständen angehörende Dame, Gattin eines ziemlich vermögenden Kaufmanns aus D., erfahren. Sie machte mit ihrem 10'/z jährigen Kinde, für das sie nur ein Kinderbillett gelöst hatte, eine Reise. Auf die Frage des Schaffners nach dem Alter des Kindes gab sie dieses auf 9'/, Jahre an. Der Schaffner hegte je doch Zweifel an der Richtigkeit dieser Angabe und stellte daher die Personalien der Dame fest, ließ sie jedoch unbehelligt mitreisen. Die Dame legte dem Vorfall, nachdem sie am Reiseziel angelangt war, keine weitere Bedeutung bei, erstaunte aber nicht wenig, als sie nach einiger Zeit eine Vorladung vor das Schöffengericht erhielt, um sich wegen Betrugs zu verantworten. Dort wurde sie zu einer Gefängnisstrafe von 3 Tagen verurteilt. In den Urteilsgründen hieß es, mit Rücksicht auf den Bildungsgrad und die Vermögens verhältnisse der Angeklagten sei von einer Geldstrafe abgesehen und auf Gefängnis erkannt worden. Gegen dieses Urteil legte die Angeklagte — lediglich wegen dieses Strafmaßes — Berufung ein, und beantragte, es bei einer Geldstrafe bewenden zu lassen. Die Berufung wurde jedoch von der Strafkammer verworfen. Dresdner Produkten-Börse, 24. Okt. 1910. Wetter: Schön. Stimmung: Ruhig. Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: Westen, weißer, M, brauner, alter, 74—78 Kilo, M, do. neuer, 75—78 Kilo, 198—204 M, do. feuchter, 73—74 Kilo, 192-195 M, russischer rot 218—228 M, do. russ. weiß M, Kansas , Argentinier 222—225 M, Australischer — M, Manitoba M. Rogqen, sächsischer alter 70-73 Kilo M., do. neuer70-73 Kilo, 151—157 M., do. feuchter, 68—69 Kilo, 145—148 M., preußischer 156-160 M., russischer 162-164 M. Gerste, sächsische, 165—180 M, schlesische 180—195 M, Posener 175-190 M, böhmische 205-220 M, Futtergerste 116-124 M. Safer, sächsischer 167—172 M, do. neuer 161—167, beregneter 146-158 M, schlesischer 165—170 M, russischer loco 160-165, M Mais Cinquantine 178—184 M, alter M, Rundmais, gelb, 140—143 M, amerikan. Mired-Mais , Laplata, gelb, 140—143 M, do. neu, feucht M. Lrbsen, 160-180 M, Wicken, sächs. 168—180 M. Vucbwesten, inländischer 180—185 M, do. fremder 180—185 M, Melsaaten, Winterraps, scharf trocken, — , do. trocken — do. feucht . Leinsaat, feine 383—395 M, mittl. 360—375 M., Laplata 380—385 M. Bombay 415 M. Rüböl, raffiniertes 62,00 M. ' Rapskuchen (Dresdner Marken) lange 11,50 M, runde M. Leinkuchen (Dresdner Marken) I 19,50 M,Il 19,00 M. Mal? 28,00-32,00 M. Wenenrneble (Dresdner Marken): Kaiserauszug 35,50—36,00 M, ! Grießlerauszug 34,50—35,00 M, Semmelmehl 33,50—34,00M, Bäckermundmehl 32,00—32,50 M, Grießlermundmehl 23,00 bis 24,00 M, Pohlmehl 17,50-19,00 M. Roagenmeble (Dresdner Marken) Nr. 0 24,50—25,00 M, Nr. 0/1 "23,50-24,00 M, Nr. 1 22,50-23,00 M, Nr. 2 20,00-21,00 M, Skr. 3 16,00—17,00 Ak, Futtermehl 12,20—12,60 M, ercl. der städtischen Abgabe. Westenkleie (Dresd. Mark.): grobe 9,40—9,60 feine 8,80—9,20 Roggenkleie (Dresdner Marken): 10,60—10,80 M. verUner Setreivsbörss. Auf ungünstige Berichte aus Amerika und Ungarn eröffnete der Getreidemaikt eine schwächere Haltung, die Veränderung war jedoch nur ganz gering. Roggen trotz höhtien JnlandSangebots behauptet, Hafer befestigt, Mais schwach Nüköl behauptet aber still. kauptgewlnne der kv S. Landeslotterls» 5. Klasse. — Gezogen am 22. Oktbr. 1910. — Ohne Gewähr. 100000 Mark. 65274 5000 Mark. 14619 72890 104925. 3000 Mark. 14813 15656 17479 29236 30903 34809 36673 38351 39556 48216 49295 50577 71000 80532 82013 91821 96613 103773 104325 107534. 2600 Mark. 187 990 13103 13991 17091 20^47 33250 34570 37452 40763 50264 53007 60563 64299 65028 68165 69788 90570 90640 98224 101369 106051 108725 109271. sOOO Mark. 474 559 2630 6989 17555 17656 18221 18303 18751 19376 19378 19907 23062 23595 27121 29312 30836 32900 34730 37132 39923 40370 40377 40666 41368 42228 43871 44461 50042 50287 53023 53512 55571 59375 60867 62560 63590 65396 68184 69545 72538 75276 76506 78918 79750 80291 80693 85405 86355 87150 95122 96038 103503 104350 104826 107050 107819 108237 109447. 500 Mark. 5383 11910 12963 13860 14194 27220 28594 32121 35328 43617 43823 43866 45605 53217 54799 56159 57989 58942 63777 65933 70946 75164 75690 75842 76961 79819 ' 81442 83475 84343 85491 86941 88672 89885 96448 97621 101156 101481 102636 106886 106909 107706. Gezogen den 24. Oktober 1910. 150000 Mark. 51330. 5000 Mark. 1135 34387. 5000 Mark. 6448 7256 21773 29533 34645 35120 40103 40831 51058 51197 59034 69189 69277 69522 70205 71379 73983 87616 92321 92762 93331 95376 95967 97579. 2000 Mark. 5900 6091 8269 12982 19174 29705 32578 38886 41544 47926 48301 50263 53865 54020 55742 55863 60035 60900 61640 62984 64167 68670 69441 77456 78066 83523 87931 88361 94184 97889 97925 99255 99399 101512. 1000 Mark. 495 1292 6366 11181 14368 14446 14488 21352 21577 22961 23310 25214 26472 27083 28029 28276 32606 37701 42830 42907 49117 56565 58731 59660 62880 64318 66614 68514 69986 70912 74956 75753 76109 78410 78722 79931 80254 84200 84628 89043 89394 90439 92068 95475 95976 103797 104746 105284 109266. 500 Mark. 812 2826 4070 10261 12123 13995 14263 18048 18283 22636 243>0 26869 30750 31435 32513 34317 36203 38418 40219 41543 42518 42763 43056 46302 50260 51539 52104 53297 58414 61326 62321 63949 70723 72491 73335 73884 73961 81384 81642 83863 87943 90887 93612 96948 97924 98427 98758 99134 99649 99687 100023 101424 101937 103261 106100 107100. bocken - Spislpaln der ßönlgUcken kottbeter su Dresden. Königliches Opernhaus. Dienstag, 25. Oktober: Lohengrin. (6 Uhr.) Mittwoch: Die Boheme. (ftz8 Uhr.) Donnerstag: Die Entführung aus dem Serail. (ft,8 Uhr.) Freitag: Volksvorstellung: Der Waffenschmied. (8 Uhr ) Sonnabend: Der Freischutz. (ft,8 Uhr.) Sonntag: Götterdämmerung. (5 Uhr.) Montag, 31. Oktober: Der Zigeunerbaron. (ft,8 Uhr.) Königliches Schauspielhaus. Dienstag, 25. Oktober: Asbrand. (ft,8 Uhr.) Mittwoch: Wenn der junge Wein blüht, (ft,8 Uhr.) Donnerstag: Die Räuber, (ft,7 Uhr.) Freitag: Die Stützen der Gesellschaft. (ft,8 Uhr.) Sonnabend: Der Graf von Gleichen (ft,8 Uhr.) X Sonntag: Kyritz-Pyritz. (ft,8 Uhr.) Montag, 31. Oktober: Usbrand. (ft,8 Uhr) Wettervorhersage der Kgl. S. Landeswetterwarte zn Dresden. Mittwoch, den 26. August. Südostwind, teils heiter, teils neblich, kälter, trocken. Magdeburger Wettervorhersage. Mittwoch, den 26. August. Teilweise aufheiternd, Niederschläge abnehmend, am Tage etwas müder, mit zum Teil Sonnenschein. Kiner 8roma unä mllcker, mihortigsr Selckunack relckmeo cUe beliebten van den vergh'lcken Marken palmkrone- --- -palmstolL läurckenäe öntteigleiMeil onsrkamU kelalte Pklanrenduttsr-Margarine - our. Sröhte krsporalr gegen llaturbutter bst gleiche» verwemtbarkelt. Zn allen einschlägigen Selchülten erkültlich. „Wenn Sie wiedelkommen, weiden wir unsere Verlobung ver- öffentlichen. Nur Ihre Eltern und unsere nächsten Verwandten sollen vorläufig davon wissen. Ich glaube wundern wird sich niemand. Alle werden diesen Ausgang längst geahnt haben. Vor Jahrhunderten find die Güter Lehmin und Rettershof schon einmal in einer Hand gewesen. Wie hübsch, da» «» nun noch einmal zusammcnkommt!" «Lehr hübsch!" bestätigte Georg mit angenommsnem Ernst. .Wenn auch der Name Stechow dadurch verschluckt wird — nur die Grafen Lrhmin beherrschen dann Rette» Shof." „Da» kommt daraus an! Graf Leymin darf sich nur der Gatte der Besitzerin und deren ältester Sohn nenne». Die nachgeborenen Söhne behalten den ursprünglichen Namen de» Vater». Relter»hof könnte ja getrennt von Lehmin stet» dem zweiten Sohn verbleiben.' Georg hätte am liebsten laut ausgelacht. Die Gelassenheit, mit der Anne-Marie nicht nur ihre und seine, sondern sogar schon die Zukunft etwaiger Kinder erwog, belustigt« ihn. »Alle» behandelt sie so geschäft»mäßig, wie wenn sie rin Necht»anwalt wäre!" dachte er. „Wenn ich etwa» in sie verliebt wäre, würde ich versuchen, diese Gemüt»ruhe zu erschüttern. Aber in ihrem blonden Kopf sitzen ja nur Zahlen, Butter«, Kornpreise und derartige». Ein Rechenexempel ist da» ganz« Mädchen. Und dabei ist sie wirklich hübsch und stattlich." Miß Fraser, die ihre „liebe Mary" ungern allein ließ, er schien wieder mit der Mitteilung, daß da» Frühstück angerichtet sei. „Georg bleibt hier," erklärte Anne.Marie. „Und Ihnen wollen wir r» anvertrauen, Fraserchen. Wir werden un» ver loben, sobald ich majorenn bin." Miß Fraser nahm diese Ankündigung sehr gelassen hin. Man merkte deutlich, daß zwischen ihr und Anne-Marie schon ost davon die Rede gewesen sein mußte. „Hcff-ntlich wird nicht gleich darauf die Hochzeit sein?" meinte sie ängstlich. „Mary ist ja noch viel zu jung." Anne-Marie schob lh cn Arm unter den ihrer Erzieherin. „Georg will mich ja noch garnicht haben!" lachte sie. „Erst will er ein berühmter Maler sein, nicht war?" „Wenn auch da» nicht, doch wenigsten» kein Dilettant mehr wie jetzt. Ich muß dann später suchen, mir allein weiterzu- helfen. Ich kann ja auch alljährlich einig« Wochen nach Paris zu Olhardt gehen, und der schickt mir zur Anregung gewiß gern einen seiner besten Schüler her." „Einen Maler — hierher?" Anne.Marie schien nicht sehr entzückt von dieser Ide«, „Sind denn da» Herren, die man bei sich im Hause haben kann?" Der Eintritt de» Diener» verhinderte die scharfe Antwort, die aus Georg» Lippen schwebte. In dem großen, durch di« tiefen Nischen und die dunkle Holztäfelung der Wände «in wenig düsterem Eßzimmer wurde er wieder heiterer. Sein schönheittliebende» Auge freute sich jedeSmal an diesem eigenartigen Raum, der vor langen Jahr hunderten der Speisesaal der Mönche gewesen sein mußte Er ließ seine Blicke von der prachtvollen Stukkatur der Decke zu den weinroten Nischen mit den schmalen, vergitterten Scheiben, gegen die Epheuranken schlugen, schweifen. Da» monotone be hagliche Ticktack der alten Standuhr wiegte ihn in eine träu- merisch-wohlige Stimmung. Sogar die Anne.Marie erschien ihm augenblicklich anziehend. Ihr blonder Kopf hob sich hübsch von dem dunklen Hintergrund der Holztäfelung ab! Die Diener bedienten völl'g geräuschlo» den breiten, runden Tisch, der mit alten Meißner Porzellanschalen voll weißer und goldgelber Kroku» geschmückt war. Auf da» Geplauder der Engländerin hört« «r kaum hin. Auch Anne-Marie» Fragen beantwortete er ein wenig kurz. Aber sie merkte seine Zerstreutheit entweder garnicht, oder deu tete auch sie wieder zu ihren Gunsten. Wahrscheinlich war Georg benommen von dem Glück, zum erstenmal al» erhörter Bewerber an diesem Tisch fitzen zu dürfen! Sie unterließ e» denn auch nicht, rhn-bei dem gemtinsamen Spazierritt auf alle Vorzüge Lehmin» aufmerksam zu machen. Die alten Waldbestände, die neuen Schonungen, die soliden Bauernhäuser, massiven Scheunen, die guten Necker und au»ge- dehnten fruchtbaren Wiesen — alle» mußte er sehen und be wundern. Sie hatte soviel zu erklären, zu zeigen, vorzuschlage», daß Georg kaum «inige Wort« «inschalten konnte, und Anne- Marie kam daher hochbefriedigt, «inen so gefügigen Gatten er wählt zu haben, nach Hause. „Jetzt ziehe ich mich schnell um, damit wir nach unserm kalten Ritt am Kamin Tee trinken können. Zum Abendbrot willst du wohl wieder in R«tter»hof bei den Eltern sein? Die erwarten di» gewiß schon mit größter Ungeduld und Spannung." Anne-Marie hatte bei dem Spazierritt da» „du" au» frü herer Zeit wie ganz selbstverständlich wieder ausgenommen. Mit ihrer soeben aurgesprochenen Vermutung behielt sie recht; denn kaum war sie in einem sehr einfach, aber schick ge arbeiteten weißen Tuchkleid, daß ihre volle Figur knapp um schloß wieder hereingetreten, al» unten bereit» «in Wagen vorfuhr. Georg sprang an» Fenster. „Wahrhaftig, die Arche Noah au« Retter»hof!" Sein Ton klang unangenehm überrascht. „Mama hat wahrscheinlich Angst, daß ihr Söhnchen bei der Dunkelheit mit der „Mairose" stürzen könnte. Und Papa kann natürlich sein« Ungeduld nicht bezähmen." Anne.Marie lächelte geschmeichelt. Sie stellt» schnell ihr« Teetaffe hin und ging dem alten Herrn von Stechow entgegen, der bereit» im Hautflur mit autgebreiteten Armen auf sie eilte. Frau von Stechow folgte langsamer. Sie hielt sich wie verschüchtert etwa» im Hintergrund. Ihr erster Blick galt vor allem dem Sohn, wa» er wohl für «in Gesicht mache. Anne.Marie erwidert« die Umarmung de» alten Stechow herzlich. „Ja, Onkelchen — Georg und ich sind vollkommen ring!" antwortete sie einfach und auf seine ihr schnell zuge- flüsterte Frage. (Fortsetzung folgt.)