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Nr. 126. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag den 25. Oktober 1910. Seite 2. schmückte Kirche, in der die Gemeinde sich zum Gottes, dienst versammelt hatte. Der OrkSgeistliche predigte über den vorgeschriebenen Text: Phil. 1, 3—11, und forderte die Gemeinde wie die oen einzelnen auf: Schau auf das gute Werk in dir! (vergl. Phil. 1, 6). 1.) Gott hat es angefangen, dafür laßt uns ihm danken. 2.) Gott wird es oollführen, darauf laßt uns trauen. 3.) Wir aber müssen es in uns wachsen lassen, das laßt uns erbitten und erstreben. Nach der Predigt betrat der Herr Ephorus den Altar und hielt eine Ansprache an die Gemeinde über 1. Kor. 3, 16 und 17, worin er in warmen Worten die Gemeinde begrüßte und in anerkennender Weise alles dessen gedachte, wodurch die Gemeinde sich zu einem Tem pel Gottes erbaut hat, und sodann in heiligem Ernst mahnte zu weiterer und immer treuerer Arbeit an sich selbst und an der Gemeinde, daß sie ein Tempel Gottes bleibe und immer mehr werde. Nach dem Gottesdienst, der noch durch einen gut vorgetragenen Chorgesang (Gem. Chor: „Der Herr ist mein Hirte" von Klein) ver schönt wurde, versammelten sich 35 Männer zu einer Hausväterversammlung in der Schule, in welcher der Herr Superintendent seiner Freude über manche gute kirchliche Sitte in der Gemeinde Ausdruck verlieh und sehr dankens- und veherzigenSwerte Anregungen für das kirchliche und häusliche Leben gab. Nachmittags 2 Uhr hielt Pastor Kaiser eine KatechiSmuSunterredungZ über die 3. Bitte des Vaterunsers mit 43 dazu erschienenen Jünglingen und Jungfrauen ab, welcher eine Unterredung des Herrn Kirchenrat Kaiser mit der konfirmierten Jugend folgte. Im Beisein des auch zu der Unterredung voll zählig erschienenen Kirchenvorstandes wurden sodann Kirche und Kirchhof besichtigt. Am Abend erfolgte endlich die Visitation des Pfarrarchivs, der Pfarrbibliothek und der Kirchenbücher und am Morgen des folgenden Tages die des Religionsunterrichts in der Schule bet den Herren Kantor Stübner (bibl. Geschichte: Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen, in Kl. l) und Hilfslehrer Richter (Kate chismus : 4. Bitte des Vaterunsers in Kl. II). Möge aus dieser Kirchenvisitation eine das Leben in Kirche, Schule und Haus befruchtende und fördernde Wirkung hervor gehen zum dauernden Segen für unsre liebe Gemeinde! Bretnig. In der am Sonnabend abend stattgehab- ten gemeinschaftlichen Sitzung des Kirchenvorstandes und des Gemeinderates, in welcher die Wahl des Pfarrhaus» bauplatzes zur Beratung stand, wurde mit überwiegender Majorität beschlossen, das Pfarrhaus auf dem Platze ne ben der Kirche, auf dem Herrn Gemeindevorstand Petzold gehörigen Grundstücke, zu erbauen. Kamenz. Hier starb der Tuchfabrikant Johannes Ale xander Max Minkwitz, der seiner Vaterstadt manchen er sprießlichen Dienst, zuletzt als unbesoldetes Ratsmitglied, geleistet hat. Kamenz. Im neuen Saale von „Stadt Dresden" fand am verflossenen Donnerstag die Jahresversammlung der Lehrerschaft des Schulaufsichtsbezirks Kamenz statt. 9 Uhr vormittags eröffnete sie der Vorsitzende, Herr Schul rat Dr. Hartmann, und begrüßte insonderheit die Ehren gäste. Nach dem vom Gesang umrahmten Gebet (H. Kantor Büttner-Königbrück) sprach der Vorsitzende über die alte und neue Aufgabe der Volksschule: Die Neuschaffung des BolkSschulgesetzes ist nicht eine Aufgabe, die nur der Lehrerschaft zufällt, sondern das gesamte Volk darf, ja soll mithelfen. Grundlegend sind die Gesetze von 1835 und 1873. Im ersten wurde mehr das Formalprinzip (W i e lehren wir), im zweiten das Matertalprinzip (Was lehren wir) hervorgetzoben. Ferner betrachtete man 1835 die Volksschule als solche, die Grund legt, Anfänge schafft, der Fortentwicklung, des Ausbaues bedürftig; 1873 meinte man, ihre Aufgabe sei, für bescheidene Ansprüche etwa? Abgeschlossenes zu bieten. Nach beiden Gesichtspunkten betrachtet, steht das Gesetz von 1873 hinter dem von 1835 zurück. Zeitgeschichtlich läßt sich das sehr wohl begründen und auch allgemein kann man behaupten, die Volks entwicklung geht in Pendelschwingungen vorwärts.' Dies neue Gesetz muß nun zweckmäßig die beiden alten ver binden. Die Neuschaffung muß aber weiter von dem Standpunkt der heutigen pädagogischen Wissenschaft aus in Angriff genommen werden. Auch darauf ging der Herr Redner im einzelnen näher ein und so kam er dazu, im Gesetz der neuen Volksschule folgende Aufgabe zu stellen. Aufgabe der Volksschule ist die gemeinsame und planmäßige körperliche und geistige Erziehung der schul pflichtigen bildungsfähigen Jugend des ganzen Volkes auf religiös-sittlicher, Volks- und kindertümlicher Grund lage durch Leibespflege und -Hebung, Unterricht, Arbeit und Zucht; zur Erlangung der allgemeinen Vorbedingungen für jede Weiterbildung, insbesondere aber die bürgerlichen Berufe und eine zur werktätigen und fördernden Teil nahme am Familien-, Gemeinde-, Kirchen- und StaatS- leben tüchtige Persönlichkeit. Nun ergriff Herr Schuldirektor Kälker-Großröhrsdorf zu seinem Vortrage das Wort. Er stellte zu dem Thema: „Staatsbürgerliche Erziehung in Volks- und Fortbildungsschule" folgende Leitsätze auf: Die Notwendigkeit staatsbürgerlicher Erziehung wird in der Gegenwart wieder stärker betont. Dazu drängt daS Parteigetriebe, die geschichtliche Unkenntnis, das mangelnde Pflichtbewußtsein gegenüber dem Staate, das Mißverhält nis zwischen Genuß und Erziehung, der Kampf der Stände innerhalb des Volkes, der Verfall des Familienlebens. Den Grund der staatsbürgerlichen Bildung legen wir in der Volksschule, indem wir Freude am Vaterlande ein pflanzen, kulturgeschichtliches Verständnis wecken, das Pflichtbewußtsein stärken, sittlich-religiöse Gesinnung pfle- gen, durch die allgemeine Volksschule die Stände sich näher bringen, durch Bildung kleiner Klaffen die Familien erziehung zu ersetzen suchen. Die Fortbildungsschule baut auf diesem Grunde weiter, indem sie dem Schüler die rechte Stellung zum Vaterlande weist, ihn in die Geschichte seines Berufes einführt, staatsbürgerliche Erkenntnisse auf Grund von Kenntnissen aneignet, den beruflichen Egois mus in den Dienst des Vaterlandes stellt, die Abhängig keit der Volkskreise von einander aufzeigt und die Berufs auffassung vertieft durch Herausbildung einer Berufsethik. Nach kurzer Aussprache und einigen Mitteilungen seitens des Herrn Vorsitzenden schloß der amtliche Teil der Ver sammlung. Nach gemeinschaftlichem Mittagsmahl einte noch am Nachmittag Musik und Tanz die Teilnehmer. Viele Vorträge zeigten, daß im Lehreryause Sang und Klang eine gute Pflegstätte finden. Kamenz. Wie uns die Agrikulturchemische Versuchs station für die Kgl. Sächs. ObeUausitz zu Pommritz mit teilt, haben sich nachstehende Firmen der Futtermittel kontrolle des Landeskulturrates für das Königreich Sachsen unterstellt: F. W. Kind, Kamenz, M E. Schöne, Kamenz, Herm. Herzog, Bischheim i. S., Aug. Nitsche, Pulsnitz i. S. Die Untersuchung der von obigen Kontroll- firmen bezogenen Waren wird für Landwirte und land wirtschaftliche Vereine, sowie für solche landwirtschaftliche Genossenschaften, welche kein offenes Handelsgeschäft haben, d. h. nur an Mitglieder verkaufen, unentgeltlich ausgeführt, wenn die Ziehung, Verpackung und Versendung der Muster in vorgeschriebener Weise stattgefunden hat. — Die unerhörte Beschimpfung des Kö nigs von Sachsen durch den päpstlichen Ba ron Mathies findet in der ganzen deutschen Presse einstimmige schärfste Verurteilung. Die „Franks. Zeiiung" hatte an ein Zitat aus dem Pamphlet dieses Herrn Schlußfolgerungcn über die Königstreue seiner katho lischen Glaubensgenossen angefügt, die völlig verfehlt waren. Die „Köln. Volkszeitung", bekanntlich ein lei tendes ultramontaneS Organ, wehrt sich denn auch dagegen und nimmt erfreulicher Weise sofort Veranlas sung, den päpstlichen Baron abzuschütteln, indem sie schreibt: „Wir wissen nicht, was die „Franks. Zeitung" mit der letzten Bemerkung sagen will. Will sie bez. ihr Mitarbeiter „aus katholischen Kreisen" die Katholiken als wurmstichige Stützen des Thrones bezeichnen? Die deutschen Katholiken sind doch gleichbedeutend mit dem. Verfasser eines einzelnen Buches. Wir haben dieses noch nicht gelesen, aber wenn das angeführte Zitat richtig ist, und noch mehr, wenn das ganze Buch in diesem Stile geschrieben sein sollte, so wäre es selbstverständlich, daß wir es durchaus ablehnen müßten. Herr Or. Mathies ist zwar von Hause aus Republikaner — als geborener Hamburger —, aber eine derartige Sprache, wie er sie hier gegen den König von Sachsen führt, ist unter allen Umständen ungehörig und in diesem Falle um jo verletzender, als die deutschen, nicht nur die säch sischen Katholiken, in dem König von Sachsen nicht nur einen echt deutschen Ehrenmann, sondern auch einen seiner Kirche treu ergebenen, ernsten Katholiken verehren." Dresden, 24. Oktober. (Po liz et b eri ch t) Gestern sprang eine 20 Jahre alte Kellnerin am AuSschiffungS- platze oberhalb der Albertbrücke in die Elbe, konnte aber von 2 Schiffern, die der Lebensmüden im Kahn nach fuhren, noch lebend ans Land gebracht werden. Als Be weggrund der Tat wird Schwermut bezeichnet. — Auf der AugustuSstraße fiel der Führer eines mit Steinen beladenen Lastwagens beim Aufstetgen auf den Kutscher bock zu Boden und wurde überfahren und am Unter schenkel verletzt. Dresden, 24. Oktober Die Sterblichkeit in Dresden stellte sich nach dem statistischen Ausweis, aus tauseno Lebende berechnet, im Juli aus 12,6, im August auf 12,5 und im September auf 12,1; in den gleichen Monaten des Vorjahres auf 12,8, 13,5 und 13,7. Im August und September starben insgesamt 1138 Personen, darunter 226 Kinder unter einem Jahre. In den beiden genannten Monaten wurden 869 Aufgebote und 550 Ehe schließungen vollzogen. Geboren wurden 1937 Kinder, davon Totgeburten 77 und außereheliche 394. Dresden, 24. Oktober. Der kaiserliche Telegraphen direktor Mohrmann ist heute früh gestorben. — Der König hat die Patenstelle beim achten Sohne des Geschirrführers R. H. auf dem Rittergute Taltitz übernommen. . Chemnitz, 24. Oktober. Das Begräbnis des Geh. KommerzienrateSGu st av Hartmann fand heute Nachmittag hier statt. Der Sarg, der mit dem Schnellzuge 12 Uhr 43 Min. aus Dresden auf dem hie sigen Hauptbahnhofe eingetroffen war, wurde von der Beamten- und Arbeiterschaft der Sächsischen Maschrnen- fabrik empfangen. Unter Glockengeläut und der Trauer musik zweier Regimentskapellen bewegte sich der Zug vom Bahnhofe durch die Straßen der Stadt, in denen viele Tausende Ausstellung genommen hatten, nach dem neuen Friedhöfe. Dem langen Zuge wurde die Fabrik fahne vorangetragen. Es folgte eine unzählige Menge von Blumenspenden, darunter ein Palmzweig, der von 5 Männern getragen werden mußte, die Fahne des Wer kes Lauchhammer mit einer Abordnung von Grubenleuten, ferner die Fabrikfeuerwehren, die ganze Beamtenschaft und die zahlreichen Leidtragenden folgten dem sechsspän nigen Leichenwagen. Am Friedhöfe schloffen sich die Vertreter der Stadt mit Herrn Oberbürgermeister Or. Sturm an der Spitze, die Vertreter der Handelskammer und der Gewerbekammer sowie verschiedene Stadtverordnete u. a. dem Zuge an. Am Grabe sprach der Oberhofprediger a. D. Keßler aus Dresden. — (Spitzbubenpech.) Ein Dieb stattete nachts einem Kartoffelacker bei Bärenstein einen Besuch ab, um sich dort von den Kartoffelsäcken den schönsten auszusu chen. Als er den Sack zu Hause auSschüttete, fand er, daß er einen Sack — jaule Kartoffeln „gemaust hatte. — Eine wertvolle Sendung wurde kürzlich auf der sächsischen StaatSeisenbahn befördert. ES waren 191 Kisten, in denen sich je 44 Kilogramm Goldbarren zu Münzzwecken befanden. Die kleinen festen Holzkistchen waren mit Bandeisen gut verschnürt und hatten 2 Handhaben aus Hanfseil. Bis Bodenbach be fanden sich im Wagen 2 Postbeamte als Begleiter. In Bodenbach wurde die Sendung umgeladcn und mit dem Zuge über Prag nach Triest befördert. Man dürfe nicht sehlgehen, wenn man annimmt, daß es sich hier um die neue türkische Anleihe handelt, die von Triest aus nach Konstantinopel befördert wird. Seifhennersdorf, 24. Oktober. Nach einem Vortrage des Herrn Fellgiebel aus Berlin über Zweck und Ziele des HansabundeS wurde hier eine Ortsgruppe gegründet, der sofort 56 Mitglieder beitraten. Leipzig, 25. Oktober. Im Universitätsgebäude wurde durch den Kastellan ein Paletotmarder auf frischer Tat ertappt. Es handelt sich um einen 30 Jahre alten Me chaniker von hier, der bereits wegen gleicher Delikte mit Zuchthaus vorbestraft ist. 6us oller XVsli. Bremerhafen, 24. Oktober. (Schweres BootSun- glück auf der Weser) Ein schweres Bootrunglück ereignete sich gestern auf der Wesermündung Der Gast wirt F ldmann halte mit seinem neunjährigen Töchter chen und drei Gästen eine Bootsfahrt trotz des äußerst scharfen Windes unternommen. In der Nähe des Leucht. turmS Hoheweg kenterte das Boot, und alle Insassen stürzten ins Wasser. Infolge deS heftiger einsetzenden Sturmes konnte ein bald eintreffender Fisch ampfer nur noch einen mit den Wällen kämpfenden, einen Elek trotechniker, retten, während der Gastwirt Feldmann, seine Tochter und die Fischdampfermatrosen August und Dietsch ertranken. An dem Unglück trogen dis Insassen selbst die Schuld, da sie sich trotz des heftigen Sturmes zu weit hinausgewagt hatten. Duisburg, 23. Oktober. (Massenvergiftung nach dem Genuß von Rauchfleisch) Unter Ber- giftungSerscheinungen erkrankten nach dem Genuß von Rauchfleisch mehrere Familien. Bisher liegen zehn schwer krank darnieder. Amuiden, 24. Oktober. (Vom Ballon Hilde, brandt.) Der Ballon Hildebrandt vom Berliner Verein für Luftschiffahrt, der am Sonnabend nachmittag in Schmargendorf ausgesticgen war, ist in der Nacht zum Sonntag in die Nordsee verschlagen worden. Bei Mor gengrauen wurde der Ballon von einem holländischen Lotsenboot gesichtet, dessen Mannschaft die Insassen deS Ballons retten und den Ballon bergen konnte. Keyman, 23. Oktober. (Schweres Dampferun glück.) Der 3240 Tonnen große englische Dampfer „Si ena Marena", der nach Havanna fuhr, ist am 12. Okto ber mit dem Loyddampfer „Rebecka" zusammengestoßen. Der erstere wurde leck, das Steuer wurde zerstört. Man glaubt, daß die Mannschaft umgekommen ist. Weitere Einzelheiten fehlen noch. Newyork, 23. Oktober. Der Dampfer „F'lly" fit am Freitag aus der Höhe von Para gesunken 50 Paffagiere sollen umgekommen sein. München, 24. Oktober. (E i n. F o r st g e h i l f e von einemWilderer erschossen) Der Fürstlich Hohen- zollernsche Forstgehilfe Fürst wurde bei einen! Zusammen stoß mit einem Wilderer von diesem erschossen. Die Frau des Forstbeamten kam infolge der Nachricht davon mit einer Frühgeburt nieder und liegt bereil« im Sterben. Vier kleine Kinder werden dadurch zu Waisen. Hanau, 24. Oktober. (Ausstand in der Edel metallindustrie) In Pforzheim haken die gcsam ten organisierten Kettenmacher der Edelmetallindustric ihre Kündigung infolge der Ablehnung ihrer Forderungen eingereicht. Auch ein Teil der Nichtorganisierten hat ge kündigt. Es steht ein w itereS Umsichgreifen des Aus standes auf die gesamte Edelmetallindustrie, in der hier etwa 30 000 Menschen beschäftigt sind, zu bfiü-ckten. nicht echsltlich Svende msn sich wegen LekLNntxsbe einer Verkaufsstelle airekt sn Otto stüxer, loclnvitrzrunll-Oreslien. unä koäenbsck s. 6.