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Nr 147. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 13. Dezember 1910. Seite 10. liche Haftpflicht nach den Bestimmungen über unlautere Handlungen in Frage kommen. Was aber das Ober- landeSgericht dazusagt, wenn Glätte auf einem Schul- wege vorhanden sei, das wird mindestens nicht den Bei fall der Eltern von Volksschulkindern, voraussichtlich aber auch nicht der Volksschullehrer finden. Da§ Urteil be gründet nämlich dre Ablehnung der Haftpflicht der Schul gemeinde aus unterlassener Streupflicht, wie folgt: Nach allgemeinen Rechisgrundsätzen hatte d e Beklagte die für den Verkehr der Schulkinder bestimmte Treppe in ver kehrssicherem Zustand zu halten und sie daher auch bei Glätte mit abstumpfenden Material zu bestreuen. Dafür, daß zur Zeit des Unfalls die Treppe glatt gewesen ist, daß die Beklagte dies verschuldet hat und daß der Un fall durch die Glätte verursacht ist, trifft den Kläger die BeweiSlast. Der aus Z 823 B. G.-B. Klagende genügt freilich feiner BeweiSpflicht, wenn er einen Sachverhalt dartut, der an sich betrachtet nach dem regelmäßigen Zu sammenhang der Dinge zunächst die Folgerung rechtfertigt, daß der eingelretene Unfall durch eine verkchrSunsichere Beschaffenheit der Oertlichkeit verursacht ist. Sache des Beklagten ist es alsdann, die besonderen Umstände nach zuweisen, aus denen sich seine Schuldlosigkeir ergibt. Ins besondere ist, wenn jemand auf einem Wege, der mit ge frorenem nicht bestreuten Schnee bedeckt ist, zu Fall kommt, nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die Glätte des Schnees die Ursache des Sturzes ge wesen ist. Keineswegs steht aber eine Vermutung dafür, daß, wenn an dem Orte des Unfalls Schnee gelgen hat, dort infolge des Schnees Glätte geherrscht hat. Hier steht zwar fest, das es am 1. Februar geschneit hat und daß am Tage des Unfalls, dem 2. Februar, nicht gestreut worden ist. ES läßt sich aber nicht fest stellen, daß die Treppe infolge des von den Scyulkin- Zum Vrssessorenskeil an der Berliner UniverfM Der jlrofessorenstreit an der Berliner Universität erregt in den gebildeten Kreisen der Reichshauptstadt das größte Aufsehen. Professor Ludwig Bernhard, der vor zweieinhalb Jahren zum Ordinarius für Nationalökonomie ernannt worden ist, geriet mit seinem älteren Fachkollegen Professor Sering in eine Reihe von Konflikten, die ihn schließlich veranlaßten, Prof. Sering eine Pistolenforderung zu übermitteln, die dieser indessen nicht annahm. Der un mittelbare Anlaß dieser Forderung war ein Brief, in dem Professor Sering, zugleich im Namen seiner Fachkollegen, der Professoren Schmöller und Wagner, den Prof. Bern hard des Wortbruchs bezichtigte. Die genannten beiden Nationalökonomen haben sich auch in einer am Schwarzen Brett angeschlagenen Kundgebung nachdrücklichst gegen den bei der Hörerschaft sehr beliebten Prof. Bernhard ausge sprochen, der seinerzeit gegen den Wunsch der Fakultät seinen Lehrstuhl erhalten hat. Vsrmlscdtes. Karlsruhe. (,,Halt, Zügle!") Von einem nied lichen Idyll auf einer Nebenbahn nach dem badischen Meckesheim weiß ein Leser der „Schwetzinger Zeitung" das folgende zu berichten: Auf der Station V. gab es uner wartet Aufenthalt. Da das Zügle etwas gar zu lange an hält und die Passagiere bereits unruhig zu werden beginnen, setzt es sich eben in Bewegung, aber nech rückwärts. Trotz eifrigen Spähens ist kein Wagen, der angehängt werden soll, oder sonst ein Grund des Rückwärtsmanövers ersicht lich. Da hält das Zügle mit einem Ruck und nun klärt sich die Sache: Auf der unweit gelegenen Anhöhe steht ein — Photograph, der aus Leibeskräften ruft und winkt: „Halt!" Das Zügle sollte doch nicht weiter zurückfahren, als es für eine wirklich schöne Aufnahme notwendig war. Inzwischen war auch der Stationsvorsteher mit Familie im Sonntagsstaate auf dem Perron erschienen und die Be diensteten nehmen im Zuge möglichst vorteilhafte Stellungen ein — der Photograph ist noch nicht zufrieden. „Dhun Se Ihm dicke Kopp uff de Seit, Se g'heere net zum Per sonal!" ruft er väterlich einem vorwitzigen Reisenden zu. Jetzt aber klappt es. Befriedigt schmunzelnd packt der Photograph den Apparat zusammen und winkt ganz wie ein Zugmeister zur Abfahrt, worauf das Zügle mit etwa 20 Minuten Verspätung abdampft. dern hinaufgetretenen Schnees trotz des am 1. Februar erfolgten Bestreuens so glatt gewesen ist, daß dagegen Sicherungsmaßregeln geboten waren. Es kann daher auch unerörtert bleiben, ob ein Bestreuen der Treppe über haupt zweckdienlich gewesen wäre. (Urteil des O.-L-G. Rostock II. 2. 8. vom 28. September 10.) Dresdner Produkten-Börse, 12. Dezbr. 1910. Wetter: Heiter. Stimmung: Ruhig. Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: weiten, weißer, M, brauner, alter, 74—78 Kilo, — M, do. neuer, 75—78 Kilo, 188—194 M, do. feuchter, 73—74 Kilo, 182—185 M, russischer rot 214—224 M, do. russ. weiß M, Kansas — , Argentinier 218—221 M, Australischer — M, Manitoba 224-232 M. Koggen, sächsischer alter 70—73 Kilo M.,do. neuer 70 -73 Kilo, 143-149 M., do. feuchter, 68-89 Kilo, 137—140 M., preußischer 150—154 M., russischer 160—162 M. Gerste, sächsische, 165-180 M, schlesische 185-200 M, Posener 175 -190 M, böhmische 205-220 M, Futtergerste 122-130 M. Hafer, sächsischer 152—157 M, do. neuer , beregneter 140-151M, schlesischer 153-159 M, russischer loco 153 -158, M. Mais Cinauantine 168—175 M, alter M, Rundmais, gelb, 138—141 M, amerikan. Mired-Mais , Laplata, gelb, 138-141 M, do. neu, feucht M. Erbsen, 160-180 M, Wicken, sächs. 168—180 M. vuchweffen, inländischer 180—185 M, do. fremder 180-185 M, Melsaaten, Winterraps, scharf trocken, — , do. trocken — do. feucht . Leinsaat, feine 370-380 M, mittl. 350-365 M., Laplata 370—375 M. Bombay 405 M. Und öl, raffiniertes 63,00 M. Rapskuchen (Dresdner Marken) lange 11,50 M, runde M. Leinkuchen (Dresdner Marken) I 19,50 M, II 19,00 M. Mal? 28,00—32,00 M. wsi?enmehle (Dresdner Marken): Kaiserauszug 35,00—35,50 M, Grießlerauszug 34,00—34,50 M, Semmelmehl 32,50—33,00 M. Bäckermundmehl 31,00—31,50 M, Grießlermundmehl 23,00 bis 24,00 M, Pohlmehl 17,50—19,00 M. Roggenmehle (Dresdner Marken) Nr. 0 24,00—24,50 M, Nr. 0/1 23,00—23,50 M, Nr. 1 22,00—22,50 M, Nr. 2 19,50-20,50 M Nr. 3 15,50—16,50 M, Futtermehl 13,40—13,80 M. wenenkleie (Dresd. Mark.): grobe 9,80—10,00 feine 9,00—9,40 M. Roggenkleie (Dresdner Marken): 11,00—11,20 M. verlinsr Setrsldsbörss. Auf niedrigere Auslandsmeldungen und russtche Of ferten war Weizen und Roggen abgeschwächt bei kleinem Geschäft,- H^fer, Mats und Mehl behauptet, aber um satzlos. Rüböl matt aöf Abgaben der Mühlen. klrcbücks fracdr!edten. Pulsnitz. Mittwoch, den 14. Dezember: Abends 8 Uhr Bibel- stunde im Konfirmandenzimmer (Jak. 2., 1—10 ) Pastor Resch. IW. Von 9 Uhr an Singstunde des Jungfrauenvereins. Obsrllcdlenau. Dienstag, den 13. Dezember: Bibelstunde in der Schule. Srotznaundork. Freitag abends 8 Uhr: Bibelstunde im Pfarrhause. ME -- >7^, M Die onlialtenfie Zteigerung fier Naturbuflerpreile Kat mefir unfi mehr rur verwenfiung geeigneter Lutter- Crlatzmittel unfi namentlicli fier piIanrenbutter-lULirgarins geführt, von letzterer linfi delonfierL deiiedr van den Vergh s bekannte Marken Palmkrone -- palmstolx- file Kelter llaturbutter In jsfier Vemsnfiungsart gleichkommen. Zn allen einlfiilfig. Selckükten erfiültllcki. pfienrenkutter Ml - - ------- - - - em neu öuM-kfrstr! Ueber die ersten trockenen Gräben setzten alle drei Pferde in fliegendem Sprung. »Hier müssen wir abstoppen," meinte Jagow. »Hinter dem Weidenbusch wird» unsicher. Der Graben ist sehr breit, der Boden sumpfig. Die Pferde haben keinen guten Absprung und scheuen auch leicht, weil Wasser in dem Graben fließt." „Desto besser, da lernen die Pferde Wassergräben springen l" Anne-Marie hob sich im Sattel. »Wenn Georg Rennen reiten will, muß er ein Pferd haben, da» jede« Hinderni« nimmt." „Auf da» Rennvergnügrn verzichte ich gerne." „Aber we»halb denn?" „Weil ich mir nicht» darau» mache, mein« Pferde unnötiger weise abzujagen." „Mein Vater trieb immer Sport. Da» gehört sich so für einen Trafen Lehmin — schon de» Beispiel» wegen." Georg lachte kurz auf. Anne-Marie bi» sich ärgerlich auf die Lippen und gallop- pierte gerade auf den Graben zu. „Frau Gräfin — der Sprung ist gefährlich l" versicherte Jagow noch einmal. „Ich hab- bereit» in dem Graben gelegen — und meinem Pferde eine dick« Sehne dabei angeritten." „Da« macht nicht» I" Anne. Marie warf ihrem Mann einen h«au»sordernden Blick zu. „Ich nehme auf olle Fäll« den Graben. Mein Mann will keine Rennen reiten, mein Junge brüllt vor Angst, wenn ich ihn aus» Pferd hebe — eine» von der Fan ilie muß doch wenigsten» Schneid zeigen I" „Da« ist keine Schneid, da» ist Uebermut l" warf Georg hin. „Aber du hast ja Geld genug, um dir ein andere» Pferd zu kaufen, wenn die« Schaden leidet." Anne-Marie überhörte absichtlich den Au»fall. Sie sah Jagow« mu»kulöse Neiterfigur, die mit dem Pferd wie zusammen, gewachsen erschien, aufmerlsam an. „Ich mag kühne Männer, kühn bi» zur Tollheit I" sagte st« langsam, jedr« Wort betonend. „Gut — also lo»I" Jagow trieb sein Pferd mit einem leichten Schrnkeldruck an. Georg ließ sein Pferd ruhig im Schritt. „Versuchst du'» nicht wenigsten»?' rief Anne.Marie. „Nein. Mein Pferd springt ohnehin über Wassergräben nur widerwillig, und hier, wo der Absprung so ungünstig ist, wäre e» dir reine Tierquälerei." „Eigentlich hast du recht, Georg. Rede der Gnädigen ihr Vorhaben au»," meint« Jago-v. „Li«ber Jagow, du schönst di« Damen schlecht zu kennen. Abreden bestärkt nur ihren Eigensinn." «Dem Mutigen gehört die Welt! Vorwärt», Herr von Jagow!" ermuntert« Ann«.Mari«. „Gräfin — ich wett«, der Auch» geht nicht über d«n Graben." „Er soll auch nicht gehen, sondern springen," lachte sie. Seit« an Seite jagten sie über da» moorige Gelände. Kurz vor dem Graben gab Anne-Marie ihrem Pferd einen Schlag mit der Peitsche. Der Auch», der an solche Behandlung nicht gewöhnt war, nahm da» übel, bockte und sprang so kurz herum, daß «ine weniger sicher« Reit«rin da» Gleichgewicht verloren hätte. Aber Anne-Marie saß fest. Sie wandte da» Pferd wieder, klopft« ihm beruhigend den Hal» und ritt noch einmal gegen den Graben lo». Durch da» fließende, glitzernde Wasser scheu gemacht, braL ihr Pferd wieder au». „Ich werde voranspringen," rief Jagow. Er nahm alle Kunst zusammen und brachte da« heftig widerstrebende Pferd glücklich über da» Hinderni». Da» stachelte Anne.Marie» Ehrgeiz noch mehr an. Sie ritt eine ganze Strecke zurück, um dem Pferd einen größeren Spielraum zu lassen. In langgestrecktem Lauf, vor Angst schnarchend, kam d«r Fuch« am Graben an. Ein sausen der Hieb, da» Pferd hob sich, sprang, brach aber am anderen Ufer in dem moorigen Boden in die Knie. Anne-Marie flog au» dem Sattel. Durch di« Heftigkeit dr» Sturze« betäubt, blieb sie einige Sekunden regungSlo» liegen. Jagow sprang mit einem Aufruf de» Entsetzen» sofort von seinem Pferde. Georg, der die Katastrophe von einiger Entfernung au» beobachtet hatte, kam heran. Er zerrt« srin Pf«rd am Zügrl durch den Graben. Mit Jagow» Hilfe brachte er «st Anne-Marie Fuch» hoch, weil sie fürchteten, da» Pferd könne mit seinen Hufen die am Boden liegende Gestalt der Gestürzten treffen. Der Fuch» lahmte etwa», schien aber nicht erheblich verletzt zu sein, Jagow hielt die drei Pferde und überließ r» Georg, seiner Frau zu Helsen. Anne.Marie richtete sich energisch auf: „Der Fuch» muß gleich noch einmal springen!" rief sie. Aber al» sie auf die Füße treten wollte, knickt« sie mit ein«m leisen Schrei zusammen. Ihr rechter Fuß schmerzte heftig und war jedeufall» ernstlich verletzt. Sie setzt« sich an d«n Grab«nrand. Georg versuchte, ihr den hohen Lackstiefel abzuziehen. Aber di« Schmerzen wurden zu arg. „Wat nun? ' fragte Georg. „Ich reite nach Hause," schlug Jagow vor, „und schicke Ihnen sofort meinen Wagen. Ihre Pferde kann ein Reitknecht später nach Lehmin bringen." „Ja, da» ist da» beste. Meine Schwiegermutter würde zu seh« erschrecken, wenn die Pferde ohne un» einträfen," bestätigte Anne-Marie. Sie ließ keinen Schmerzen»laut hören, obgleich man deutlich sah, daß sie litt. Geo g bracht« kein teilnehmende» Wort über seine Lippen, während Jagow ihren Unfall laut beklagte, ihren Mut noch lauter bewunderte. „Wollen Sie sich nicht erst etwa» bei mir in Malchin er holen, Frau Gräfin?" bat er. „Wir legen dann einen Not verband an." „Danke sehr. Schicken Sie lieber schnell Ihren Wagen und telephonieren Sie an den Arzt. Er soll sogleich mit seinem Verbandzeug nach Lehmin komm?«." „Wird alle» pünktlich besorgt. Morgen komme ich selbst und frage, wie e» geht." „Vielleicht kann ich Ihnen dann schon entgegenhumpeln, wenn der Fuß nur verstaucht ist." „Da» dauert manchmal länger al« ein glatter Bruch. Sie sind eine Heldin, Gräfin, daß Sie gar nicht klagen," „Davan wirds nicht besser. Ich danke Ihnen tauf ndmal, Sie haben so viel« Mühe durch mein Mißgeschick." Jagow küßte ihre Hand und stieg wieder auf, Georg» Pferd am Zügel mitnehmend. Der Fuch« der Gräfin graste ruhig, während Georg die Trens« um einen hohlen Weidenstumpf wand. Er sagte Anne-Marie kein Wort de» Vorwurf». Wozu? Ihr Eigensinn bestrafte sich ja schlimm genug. Sie selbst war zu stolz, um durch eine Klage sein Mitleid wachrufrn zu wollen. Dcr Schweiß trat ihr auf die Stirn, so heftig schmerzte ihr der verrenkte Fuß, wenn sie die leiseste Bewegung machte. (Fortsetzung folgt.)