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Pulsnitzer Mckendlatt Donnerstag 27. Kktoöer 1910. Anlage zu Ar. 127. 62. Jahrgang. Geheimrat Prof. Or. Albrecht Kossel (Heidelberg) erhielt den diesjährigen Nobelpreis für Medizin zuerkannt. Geheimrat Prof. l)r. Albrecht Kossel, der berühmte Lehrer der Physiologie an der Heidelberger Universität, ist der diesjährige Träger des medizinischen Nobelpreises. Diese hohe Auszeichnung, die nicht nur wegen ihres gro ßen Geldwertes (jeder Nobelpreis dieses Jahres beträgt 193,360 Frank) von den bedeutendsten Gelehrten der Welt erstrebt wird, ist dem Heidelberger Forscher als Anerkennung seiner bedeutenden Arbeiten über die Chemie der Eiwetßkörper zuteil geworden. Geheimrat Kossel wurde 1853 in Rostock geboren, habilitierte sich 1881 in Straßburg und lehrte dann als Professor in Berlin und Marburg, bis er tm Jahre 1900 nach Heidelberg berufen wurde. Oertttcdss und Säcdsiscbss. — (Vorsicht beim Einkauf von Obst- bäumen. Die Grundlage für einen einträglichen Obst bau legen wir hauptsächlich mit der Beschaffung des richtigen Pflanzmaterials. Der LandeS-Obstbauverein für das Königreich Sachsen, welcher schon seit Ja rzehnten bemüht ilt den Obstbau in jeder Beziehung zu heben, hält es zur bevorstehenden Pflanzzeit für dringend geboten, Grundbesitzer, die Neuanpflanzungen planen, auf die Wichtigkeit, nur das beste Pflanzmaterial zu verwenden, aufmerksam zu machen. Was nützen dem Baumbesitzer alle seine sonstigen Bemühungen und Kosten und wieviel Zeit verstreicht nutzlos, wenn nicht gesunde, wüchsig ? und sorteechte Bäume gepflanzt werden. Ein guter Baum ist leicht zu erkennen an der frischen, glatten, also nicht be- moosten oder gar borkigen Rinde des Stammes und der Neste; der letzte Jahrestrieb muß wenigstens eine Länge von 40 Zentimeter aufweisen, die Wurzelkrone soll frisch, mit möglichst vielen nicht zu starken Wurzeln auSgestattet sein. Die Bäume werden nur zu oft von dem Ausgraben aus der Baumschule bis zur Pflanzung unnötigerweise an der Luft belasten, die Wurzeln werden trocken und sterben eventuell auch ab. Viele minderwertige und un- sachgemäß behandelte Bäume werden von Hausierern und Händlern im Umherziehen zu billigen Preisen angeboten. Baumschulenbesitzer, die infolge übergroßer Produktion die Bäume nicht rechtzeitig absetzen konnten, wodurch die Bäume die Wüchsigkeit verloren haben, die Rinde verkorkte, der letzte Jahrestrieb kaum noch Fingerbreite erreichte, scheuen sich nicht, dieses minderwertige Material auf Auktionen zu jedem annehmbaren Preise zu verkaufen. Wir möchten davor warnen, diese scheinbar billigen Bäume zu kaufen. In den meisten Fällen stehen sie jahrelang, ehe sie ins richtige Wachstum kommen, und fristen nur ein dürftig erhaltenes Dasein, in sehr vielen Fällen wachsen solche Bäume nicht an. Immer ist aber damit Zett und Geld verloren und darum ist solches Pflanzmaterial mcht wert, gekauft zu werden. — (Reichstagswahl 1911.) Aus zuverlässiger Quelle erfährt der sächsische Erzähler, daß unser bisheriger RetchStagSabgeordneter, Herr Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Gräfe in Bischofswerda für die im kommenden Jahre zu erwartende Reichstagswahl wieder aufgestellt worden ist. Die vor kurzem in BischofSwe da abgehaltene Kreisoe sammlung des konservativen KreiSoerbandeS im dritten Reichstagswahlkreise hat, wie dem sächsischen Er zähler mitgetetlt wird, einstimmig beschlossen, die Kan- didatur des Herrn Gräfe zu unterstützen. Herrn Gräfe, der unseren Wahlkreis seit mehr als fünfzehn Jahren vertritt, ist es durch seine patriotische Haltung in allen nationalen Fragen gelungen, sich das Vertrauen seiner Wähler zu erwerben und zu erhalten. Wrr dürfen daher hoffen, daß Herr Gräfe auch jetzt wieder die Unterstützung der nationalen Kreise finden wird. Bischofswerda. Am Sonntag mittag ereignete sich auf der Dresden—Bautzener Chaussee bei Schmiedefeld zwischen dem Gasthof „Zum schwarzen Roß" und dem „Fuchs" ein Automobilunfall. Ein von Bautzen kommendes Auto fuhr an einer Biegung der Straße an einen starken Chausseebaum an, der das Automobil führende Besitzer und sein Chauffeur wurden in einem weiten Bogen auf die zum Glück recht weiche Wiese ge schleudert, das Auto fuhr im Straßengraben weiter und überschlug sich, sodaß die Räder nach oben standen. Wie durch ein Wunder sind die beiden Insassen ohne schweren Schaden davongekommen. Das argbeschädigte Automobil wurde durch viele hilfreiche Hände aus die Straße ge bracht und dort verladen. Dresden. (Landes-Heil- undPflegeanstal- ten.) Die unter der Verwaltung des Köntgl. Sächs. Ministeriums des Innern stehenden Landes-Heil- und Pflegeanstalten hatten am Ende deS 3. Vierteljahres 1910 inSgsamt 8682 Insassen, darunter (4732 Geistes kranke. Von diesen waren untergebracht 358 männliche und 306 weibliche auf dem Sonnenstein, 249 männliche und 332 weibliche in Untergöltzsch, 279 und 273 in Zschadras, 242 und 284 in Großschweidnitz, 470 und 747 in HubertuSvurg, 300 und 285 in Colditz, 190 männ liche in Waldheim und 64 männliche in Bautzen. Dazu kommen noch auf Hubertusburg 87 männliche und 143 weibliche Idioten sowie 46 männliche und 52 weibliche jugendliche Geisteskranke. In der Pflegeanstalt Hoch weitzschen 413 männliche und 383 weibliche Epileptische. Bon den LandeSerziehungSanstalten waren besetzt Chem nitz mit 115 männlichen und 85 weiblichen Blinden, Chemnitz mit 314 männlichen und 85 weiblichen schwach sinnigen Kindern nnd schließlich BräunSdorf mit 288 männlichen und 65 weiblichen sittlich gefährdeten Kindern. Die Landesheilanstalten hatten 940 Mann Zugang und 934 Mann Abgang, die LandeSerziehungSanstalten da gegen 661 Köpfe Zugang und 622 Köpfe Abgang, sodaß sich insgesamt eine wenn auch geringe Zunahme bemerk bar macht. 8. Dresden, 26. Oktober. (Nachruf des sächsi schen Saaltnhaber-VerbandeS an den Abge ordneten Dürr.Leipzig.) Der geschästSführende Vorstand des Landesverbandes der Saalinhaber im König reich Sachsen widmet dem kürzlich verstorbenen Landtags abgeordneten Dürr-Leipzig folgenden warm empfundenen Nachruf: „Herr Landtagsabgeordneter Dürr verschieden. Diese so überaus schmerzliche Nachricht durcheilte am 10. Oktober unser Sachsenland. Durch den Heimgang dieses Mannes erleiden die gewerblichen Stände einen sehr schweren Verlust, verliert das Saalgewerbe einen wackeren Freund seiner wahlberechtigten Bestrebungen, einen aufrichtigen Berater in der Bedrängnis. Mit Sach- kenntnis und Wärme trat er in der Ständekammer für all die Forderungen ein, welche sich im Laufe der Zeit erforderlich machten, ihm war es ernst, alte überlebte Gesetze zu beseitigen. — Wir rufen dem Heimgegangenen herzlichen und aufrichtigen Dank in die Ewigkeit nach und werden seiner jederzeit in Ehren gedenken. Dresden, am 25. Oktober 1910. Der geschäftsführende Vorstand deS Landesverbandes der Saalinhaber im Königreich Sachsen." 8. Dresden, 26. Oktober. (AuSdehnungderFest- lichkeiten an den Vorabenden der Sonn- und Festtage.) Die neue Verordnung der Ministerien des Kultus und öffentlichen Unterrichts sowie des Innern hinsichtlich der Ausdehnung der Festlichkeiten an den Vorabenden der Sonn- und Festtage tritt am 30. d. M. in Kraft und ist die Ausdehnung der Vergnügungen be reits Sonnabend, den 29. Oktober, bis 2 Uhr nachts ge stattet. Dresden, 25. Oktober. (Kandidatur zu den neuen Reichstagswahlen.) Mit dem uuf dem jungliberalea Parteitag vorgeschlagenen Vermittelungs- auSschuß zur wahltaktischen Vereinigung der beiden libe ralen Parteien, würden diese in Sachsen einverstanden sein. In Sachsen ist bereits in einigen Wahlkreisen eine Verständigung herbeigeführt, in anderen ist sie in die Wege geleitet und wird von beiden Partetvorständen unterstützt. — Die Nationalliberalen haben gegen den von ihnen bet der vorigen Wahl ausgiebig unterstützten General v. Liebert im 14. sächsischen Wahlkreis den Land- tagSabgeordneten Nitzschke als Kandidaten aufgestellt. Leipzig, 26. Oktober. Der Aviatiker Poulain,- der 3 Uhr 45 Min. in Halle zu einem Ueberlandflug aufgestiegen war, landete kurz vor 5 Uhr bei Schkeuditz, westlich von Leipzig. Morgen soll den „Neuesten Nach richten" zufolge rie Weiterfahrt nach Leipzig stattfinden. Oberwiesenthal. (Skikurse.) Wie schon seit Iah- ren, so werden auch in dem kommenden Winter durch den Leipziger Ski-Klub Skikurse bei Oberwiesenthal ar rangiert. Die KursuStetlnehmer werden diesmal in Grup pen eingeteitt wie folgt: Schüler, Anfänger, Fortgeschrit tene, ältere Herren und Damen. ES soll hierdurch d e Ausbildung der Teilnehmer gefördert werden. Reitzenhain. Auf dem Gebirgskamm ist nun- mehr die gesamte Ernte geborgen. Selbst die Kartoffel ernte ist im allgemeinen sehr günstig ausgefallen. Der H'rinz-HemaHL Roman von Henriette v. Meerheim b. k (Nachdruck verboten.) Den Alten überkam die Rührung. Mit einem Arm immer noch Anne«Marie umschlungen haltend, streckte er den anderen nach Georg au«. Aber der wich zurück. „Keine Rührszene, Papa, — bitte!" sagte er. „Na, ich werd mich doch wohl freuen dürfen?" ereifert« sich der Alte. „Gewiß!" — wir find alle sehr glücklich!" bestimmte Anne- Marie ruhig. Sie küßte Frau von Stechow die Hand. Ihr sonst immer allzu sichere« Auftreten wurde den alten Leuten gegenüber liebe voll ehrerbietig. E« war begreiflich, daß beide für sie schwärmten, „Wie hübsch, daß ihr gekommen seid!" fuhr Anne-Mari« fort. Sie schob Frau von Stechow im Salon den bequemsten Sessel an« hellflackernde Kamivfeuer: „Nun können wir in aller Still« Verlobung feiern. Außer un« braucht el vorläufig nie mand zu wissen." „Ja, da« ist besser. Anne-Mari« könnt« doch ihre Ansicht noch ändern," meinte Georg nachlässig. „Oder du vielleicht die deine?" neckte sie und stimmte herz lich in de« alten Stechow« laute« Lachen ein. Auch nur rin« E«kund« solch« Möglichk«it für d«nkbar zu halten, wäre der Erbin von Lehmin niemals eingefallen. „Ich habe dir einen Brief mitgebracht, der mit der Mittag«, post für dich ankam, Georg." Frau von Stechow kramte in ihrem seidenen Pompadour herum. „Laß doch den Wisch! Der hat Zeit bi« nachher," verbot der alte Stechow. „Freu die lieber an unseren Kindern. Stellt euch mal zusammen — so I Donnerwetter, wirklich ein hübsche« Paar! Anne-Mari« ist nur zw«i Fing«r brrit kl«in«r wir Georg. Ein Slaaomädet! Junge, du hast rm Glück! Wenn du d„ Anne-Mari« nicht auf drn HSnd«n trägst, brkommst du« mit mir zu tun." „Zeig mal den Brief her, Mama!" bat Georg. „Hier ist er." „Gestattest du, Anne-Mari» ?' „Bitte!" „Von wem ist denn da« Schreiben, Georg?" fragte Herr von Stechow. „Nicht «inmal einen Brief kann ich bekommen, ohne daß alle wissen müssen, woher und von wem er stammt!" Georg lächelte und la» rasch. Dann schob er den Brief in di« Tasche. „Da» läßt du dir gefallen, Anne.Marie?" neckt« d«r alte Stechow. „Vielleicht ist der Brief von einer Dame I" „Warum nicht!" Anne-Mari« nickt« Georg gleichmütig zu. „Die»mal nicht. Der Brief ist von Professor Olhardt au» Pari».' Georg strich liebkosend über seine Tasche, in der da» dünne ausländische Papier leise knisterte. „War schreibt er denn?" „Er hat in seiner Klaffe einen Platz sür mich frei," ant wortete Georg. „Am 1. April kann ich zu ihm nach Pari» kommen in sein Atelier." Seine Brust dehnte sich. Er atmete tief auf. „Wie ich mich freue!" „Junge, bist du toll I Du willst deine Braut gleich wieder allein lassen? — Anne-Marie, red du ihm den Blödsinn au»." „Warum? Wenn er doch so gerne noch etwa« malen lernen will I Georg interessiert sich nicht sehr lebhaft für die Land wirtschaft. Da ist da» Malen ein« ganz nrtt« Beschäftigung für ihn," entgegnete Anne.Mnrie kühl. In Georg« Augen blitzte eine Sekund« «in g«r«izter Blick auf. .Nicht wahr — e« ist rin« — ganz nrtt« B«schästigung sür mich l Hübsch ruhig, lridlich sauber, macht keinen Lärm und nicht viel Unkosten." „Hab ich dich verletzt?" Anne-Marie legte ihre Hand auf seinen Arm. „Ich verstehe ja so wenig vom Malen." „Da« schemr so. Na, schade» mqn»! Wir werden eben jeder unseren besonderen abgegrenzten Wirkung«krei« haben. — Ich reise also Ende März, Papa!" Der Ton klang sehr bestimmt. „Gut — wir fangen dann bald mit dem Umbau de« einen Flügel« hier an. In etwa neun Monaten kann alle« fertig sein," antwortete Anne-Marie an Stelle ihre« Schwiegervater«. „Ich bin dann auch majorenn und —" „Und bald mein liebe« Schwiegertöchterchen l" fiel der alt« Stechow selig ein. „Ein Jahr muß ich mindesten» bei Olhardt bleiben. Unter einem Jahre nimmt fder überhaupt keine Schüler an," wider sprach Georg. „Der Farbenkleckser l" polterte Herr von Stechow. Anne-Marie zuckle gleichmütig die Achseln. „Mir auch recht. Vor dem Frühjahr hätte die Hochzeit doch wohl kaum gepaßt. — Bitte, Miß Fraser, sorgen Sie, daß Rheinwein zum Abendbrot aufgesetzt wird. Und für Mamachen muß eine frische Anana» au» dem Treibhau» geholt werden. Die ißt sie am liebsten." „Du gute» Kind — an alle» denkst du!" lobte Frau von Stechow gerührt. „Da» ist doch selbstverständlich. E« ist ja so schön für mich, wieder Eltern zu bekommen!" Ein weicher, liebevoller Blick traf Georg. .Ich danke dir, Anne-Marie," antwortet« «r herzlich. „Du machst un« allen vi«l Freud« mit diesen Worten." Die letzte klrin« Mißstimmung schien damit zu verschwinden. Der Abend verging in ungestörter Harmonie. Die Seligkeit seiner Eltern — ein« schwer« Last fiel dem alten Stechow mit dieser Verlobung vom Herzen — freute Georg doch mehr, al« er sich selbst eingestand. Er wurde daher beim Abendbrot nach jedem Glas« de» duftigen alten Rheinweine« heiterer, zuletzt förmlich au»gelaffen lustig. Stimmungtmensch, der cr war, gab er sich dem Genuß der Stunde völlig hin. Der Wein funkelt« goldig in drn grünrn Römrrn. Die Wach«lichter