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Pulsnitzer Wochenblatt Sonnaöend, Aktoöer 1910. Beilage zu Ur. 116. 62. Jahrgang. OsrMcbSK und SäiBsrsAss. — DieErntearbeiten sind nun zum größten Teil beendet. Für den Landwirt beginnt jetzt wieder eine Zeit der Ruhe, beginnt die Zeit, in der er sich wie der um die Bestrebungen der Gegenwart bekümmern kann. Insbesondere der Landwirt tut nur gut daran, den Be strebungen der Gegenwart sein vollstes Interesse zuzu wenden, sich auf dem Laufenden zu erhalten. Der Land wirt vor allem darf niemals ununterrichtet bleiben über das, was gegenwärtig erstrebt wird, <r muß vielmehr den regsten Anteil nehmen an allen Bestrebungen, die auf Förderung seines Wohls bedacht sind. Das Pulsnitzer Wochenblair ist bekannt dafür, daß es auch b-strebt fit, das Interesse der Landwirtschaft zu schützen und zu för dern, daß es auch dem Landwirt eine Fülle anregenden und belehrenden Lesestoffes bietet. Wie das Pulsnitzer Wochenblatt bestrebt ist, dem Landwirt zu nützen, so soll anderererseits aber eder Landwirt es auch nicht unter lassen, auf das Pulsnitzer Wochenblatt zu abonnieren, denn je größer die Zahl der ländlichen Leser des Pulsnitzer Wochenblattes wird, destomehr fft es ja auch dem Puls nitzer Wochenblatt möglich, die Interessen der Landwirte unserer engeren Heimat zu fördern. Gerade das kom mende Quartal wird unendlich vieles wichtige bringen, das ein jeder unserer Landwirte in seiem eigensten Iw tereffe wissen muß. — Die Fleischteuerung bildet jetzt ein stän diges Kapitel in den Spalten der Zeitungen. Jnterres- sant dürfte es somit wohl für einen jeden unserer Leser sein, wie nach amtlichen Ergebnissen die Durchschnitts preise in einigen größeren Städten des Reiches im zwei ten Quartale d. I. waren. Es wurden gezahlt für hun dert Kilo vollfleischige Schweine (Schlachtgewicht) in Mün chen Mark 142,7, Mannheim 139,5, Frankfurt a. M 137,8, Dresden 135,4, Leipzig 134,0, Köln 131,8, Chem nitz 131,8, Berlin 130,4, Magdeburg 128,6, Danzig 97,7. Gezahlt wurden ferner für 100 Kilo bestes Ochsenfleisch (Schlachtgewicht) in München Mark 172,6, Mannheim 170,4, Leipzig 165,9, Frankfurt a. M. 165,2, Köln 164,6, Berlin 158,2, D r e S d e n 154,8, Chemnitz 154,7, Magdeburg 84,3 und in Danzig Mark 79,4. Vergleichen wir diese Preise mit denen der letzten Jahre, so ergibt sich, daß die Preise für Ochsen nur noch höher waren 4907 in Köln mit Mark 165,1, Dresden mit 158,4 Leipzig mit 170,2, München mit 178,9, die der Schweine nur noch höher in Magdeburg 1909 mit 130,7, und 1906 mit 133,1, in Köln 1909 mit 134,1, und 1906 mit 139,7, in Frankfurt 1906 mit 144,4, in Dresden 1906 mit 1408, in Leipzig 1906 mit 135,0, in München 1906 mit 143,7 und in Mannheim 1906 mit Mark 143,0 für je 100 Kilo. — (Die Kartoffelfeuer rauchen.) Nun ist eS richtiger Herbst geworden. Allzuviel gibt es in Feld und Garten nicht mehr zu tun. cher auf den Aeckern rauchen die Kartoffelfeuer. Auch das ist eine Festzeit im Leben der Natur. Ringsumher lachen noch die letzten Freuden der Ernte und ein warmes Dankgefühl gegen- ^>er der himmlischen Güte frohlockt in allen Herzen. Wenn die Kartoffelfeuer rauchen, dann werden manche liebe Jugenderinnerungen wach. Wir selbst, die wir jetzt ehrbar hinter dem Biertisch oder auf dem Kanapee hocken, sehen uns als Akteure so manchen lustigen Stretches. Denn was schmeckt wohl besser, als die aus Nachbars Acker herauSgezoaene, im Kartoffelkrautfeuer gargsröstcte Kartoffel? Es war ein Göttermahl. Und nichts hat uns seit den rasch verflogenen Jugendtagen so köstlich gemundet wie diese Herbstkartoffeln Und wenn uns heute einer zumutete, den beißenden Kraulqualm so wie da mals frohgemut zu ertragen, so würden wir uns sicher lich bestens für ein solches Ansinnen beadnken. Damals aber ward uns der Kartoffelacker zur Prärie und das Krautftuer zur flackernden Jndianerflamme, um dis wir, undefinierbare Siegesgeheule auSstoßend, jubelnd gar wunderliche Tänze auSführtsn Die Ze ren ändern sich. Das ist ein altes und wahres Wort. Schon am Kar toffelfeuer steht man da-?. Denn lodert seine rauchige Flamme, dann ist der schönste Teil des rollenden Jahres aus der Welt gegangen und die Veränderung im Antlitz und im Aussehen der Natur macht sich uns recht deut lich bemerkbar. Aber auch der Kartoffelfeuerzeit fehlt die Poesie nicht, die ja dem ganzen Herbst nicht abgeht. Bunt und kräftig sind alle Farben; noch einmal will sich uns das Leben in aller seiner Schönheit zeigen. Und deshalb behalten auch die Dichterworte recht, mit denen wir schließen. Sie lauten: Das sind des Herbstes weiche Stimmen, Wenn laut die letzte Grille geigt, Wenn ringSumh r der Nebel steigt Und blau Kartoffelfeuer glimmen. 82K. Dresden, 30. September. (Deutscher Luft schiffertag in Dresden.) Zu dem am 7. Oktober in Dresden statLfindenden Deutscher Luftschiffertag haben folgende hervorragende Personen aus dem Gebiete der Lustschiffahrt ihr Erscheinen zugesagt: GrafZeppelin, die Geheimräte Hergesell und BuSlep, die Professoren Or. Süring, Berson, Schütte-Danzig, Major v. Tschudi, Hauptmann v. Kehler, Freiherr v. Bassus, Direktor ColS- man -, der Herzog v. Arenberg, Graf Arco, Baron von Bleichröder, Kommerzienrat Büxenstein, Exzellenz von Nieder, Exzellenz v. Ahlefeld, Graf zu Dohna-Schlodien, Oberstleutnant Auer v. Herrenkirchen, der bekannte Meteo- rolog l)r. PoliS, Geheimrat vr. GanS-Frankfurt, Gras v. Sierstorpff, Rittmeister von Frankenberg, Gras v. d. Schulenburg-Wolfsbmg, Generaldirektor v. Oechelhäuser, Exzellenz Vizeadmiral Graf v. Moltke, Professor vr. v. d. Borne, vr. Bamler und viele andere. Die Liste der an gemeldeten Delegierten weist bis jetzt 170 hervorragende Namen auf. Leipzig, 30. September. (ZumLeipzigerSchutz- mannSmord.) Der Mord an dem Schutzmann Hentschel in Leipzig hat eine überraschende Aufklärung gefunden. Der Mörder, der sich Ignaz Denck nannte, wurde als ein gefährlicher russischer Revolutionär festgestellt. Er gab heute bei der Vernehmung zu, OsolewSki zu heißen und aus Odessa gebürtig zu sein. Im Februar dieses Jahres war er bet einem Attentat aus ein Mitglied des russischen Kaiserhauses beteiligt, das in Odessa ausgeführt werden sollte Der Anschlag wurde entdeckt und OsolewSki flüchtete. Glauchau. Ein recht sch lech ter Geschäftsgang ist gegenwärtig in der hiesigen Webwaren-Fabrikation zu verzeichnen. Ein großer Teil der Weber ist gezwungen zu feiern. In einzelnen Betrieben ist die Zahl der leer stehenden Stühle recht groß. Auch in den Appretur- anstalten ist dadurch wenig Arbeit. Hier müssen die Ar beiter tagelang auSsetzen. Pirna. (Kantoren- und Organistenverein. Im großen Saale des Hotels zum Adler begann Mitt woch vormittag sttH Uhr die Versammlung des Kan toren- und Organistenvereins der Kreishauptmannschasten Dresden und Bautzen. Es hatten sich dazu etwa 150 Teilnehmer eingefunden. Nach dem Gesänge des Liedes „Allein Gott in der Höh' sei Ehr'" begrüßte der Vor sitzende Herr Kirchenmusikdirektor Gurke die Anwesenden, besonders die Ehrengäste, und betonte, daß der Verein, der bereits 34 Jahre besteht, zum ersten Mal in Pirna tagte. Herr Pastor Lachmund oot in Vertretung des Herrn Superintendenten Kröber „den treuen Mitarbeitern" den Gruß des Kirchenvorstandes und der Kirchgemeinde, während Herr Bürgermeister Schneider der Versammlung den Willkommengruß der Stadtgemeinde darbrachte. Beide Herren schlossen ihre mit großem Beifall aufgenommenen längeren Ansprachen mit den besten Wünschen für die Tagung in Pirna. Hierauf betrat Herr Seminarober lehrer Organist Hörnig (Dresden) das Rednerpult und hielt den Hauptoortrag über: Stimmbildung mit be sonderer Berücksichtigung der Methode Professor Engels. Nossen Ostern 1911 eröffnet die unter staatlicher Aufsicht stehende Städtische Gemeindebeamtenschule zu Nossen einen neuen Kursus von einem Jahre. Nach dem vom Kultusministerium genehmigten Lehrplane und durch Einführung in die behördliche Bureau- und Kafsenpraxis will sie begabten jungen Leuten das erforderliche geistige Rüstzeug für den Gemeindebeamtenöe.uf vermitteln. Leipzig, 29. September. (Eine neue Abteilung im Leipziger Völkermuseum.) In Gegenwart einer größeren Anzahl Gelehrter und vieler Mitglieder des Rats und des Stadtverordnetenkollegiums wurde die neue prähistorische Abteilung des berühmten Völkermuseums eröffnet. Die Sammlung umfaßt zahlreiche Funde aus der Vorgeschichte Nordwest-SachsenS. ^agssgssckickto Deutsches Reich. Die Gewährung eines landesherrlichen Patengeschenkes hat der Kai ser für siebente lebende Söhne auch im Falle nicht vor- handener Bedürftigkeit genehmigt, sofern Gesuche um Uebernahme der Patenschaft gestellt werden. — Die Kaiserin von Rußland hat sich wäh rend ihres jetzt drei Wochen betragenden Kuraufenthaltes in Friedberg und infolge der Nauheimer Bäder in er freulichster Weise erholt. Der Besuch der Zarenfamilie beim hessischen Großherzogspaare ist infolge dieser gün stigen Erfolge endgültig bis in die letzten Oktober-Tage ausgedehnt worden. Vor der Abreise der ZarensannUe findet bestimmt eine Zusammenkunft unseres Kaisers mit dem Zaren statt. Frankfurt a. M., 29. Septbr. (Die National- liberalen und die kommenden Reichstags wahlen. Die Frage, welche Taktik die nationalliberale Partei für die kommenden Reichstagswahlen einzuschlagen hat, beschäftigte gestern abend eine stark besuchte Ver sammlung der Nationalliberalen in Frankfurt a. M. Parteisekretär Fleischer referierte über die politische Lage im Reiche und trug am Schluffe seines mit starkem Bei- -t- Ursula. -k- Roman von CourthS-Mahler. 20. Nachdruck verboten. Ursula wußte, daß er nur ihretwegen blieb, und eine um beschreibliche, heiße Angst bedrückte ihre Seele. Wie sollte sie dies Zusammensein ertragen? Al» sie später noch einen Augenblick allein waren, sagte sie hastig zu Vollrat: „Sie müssen un» meiden, Herr Professor — nicht wahr, Sie werden e» tun?" Er sah sie mit seinen zwingenden Augen an. „Nein, Ursula — nein — ich werde mich Ihrer Gesell« schäft freuen, so oft e» möglich ist." „Aber e» ist ein Unrecht", protestierte sie schwach, ohne vrr» hindern zu können, daß sie sich seiner Weigerung freute. Er lachte bitter. „Unrecht — wa» ist nicht alle» unrecht? Mir scheint, wa« der Mensch sich von ganzem Herzen sehnt zu tun, va» ist unrecht. In mir bäumt sich alle» auf gegen diesen Begriff seit ich Sie wiedergesehen. Wäre e» nicht viel weniger unrecht, wenn wir beide un« offen zu unsrer Liebe bekennten? Nein — erschrecken Li« nicht. Ich bitte Sie, gönnen Sie mir die armselig« Freude, einige Wochen in Ihrer Nähe weilen zu dürfen. Ursula, wenn Sie wüßten, wie ich mich all die Zeit nach Ihrem Anblick ge« sehnt habe, Sie hätten nicht den Mut, mich fortzuweisen." Sie trat von ihm fort an» Fenster und sah hinau», um ihm da» Leuchten der Augen zu verbergen. Er trat an ihre Seite. „Zürnen Sir mir?" Sie schüttelte den Kopf. Er ließ seinen Blick über ihr« anmutige Erscheinung gleiten. Wie schön sie war in dem schlichten, weißen Tuchkleid, da» sich glatt ihren Formen an schmiegte. Wie herrlich sie da» nußbraune Haar in glänzenden Flechten um den Kopf legte. Er hatte gar nicht gewußt, wie schön sie war. E« kam ihm erst jetzt zum Bewußtsein. Er seufzte tief und schwer. Die» alle» gehörte einem andern. War e» nicht doch besser, er floh ihrem Anblick. Brachte er nicht neue Stürme, neue» Leid? — Aber er blieb trotzdem. — So vergingen einige Wochen hin in stürmischem Auf und Nieder. Ursula pflegt« ihrrn Gatten noch aufopfernder und sorgsamer. Sie wich nicht mehr von seiner Seite. So sehr Will Vollrat» Augen auch bettelten und forderten um Augen blicke de» Alleinsein», sie willfahrte ihm nicht. Nur in ihre« Manne« Gegenwart sahen und sprachen sie sich, nur in seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher vor der «igenen Schwäche und vor Will« Ungestüm. Zu ihrem Schrecken lud Arnstetten den Professor dringend ein, nach Arnstetten zu kommen. Ehe dieser antwortete, sah er Ursula an. Vor dem wehen, bittenden Auidruck ihrer Augen schmolz sein Trotz. „Ich kann e« Ihnen nicht bestimmt versprechen. Vielleicht komme ich aber doch einmal, — um Ihr Idyll anzusehen, um zu sehen, wie man auf dem Lande lebt", sagte er leichthin. — Und dann kam der Abschied. Will mußt« sich gewaltsam im Zügel halten. Er hätte Ursula am liebsten von Arnstetten« Seite gerissen und sich mit ihr in einen stillen Erdenwinkel ge flüchtet. Aber er tat e« nicht. Sanz korrekt verabschiedete er sich mit einem Handkuß von ihr. Aber dieser Kuß brannte wie ein Feuermal auf ihrer Hand. Al« er dann allein war, packte ihn der Zorn auf Arnstetten. Wa« hatte der törichte Mensch in den Bergen herumzulaufen und sich zum Krüppel zu fallen. Damit kittete er dir« herrliche Geschöpf an sein elende« Leben und vernichtete ihr Glück. Wie litt sie unter dieser Verbindung, da» hatte «r gefühlt. Mußte er sie nicht befreien au» dieser Lage. Im törichten Sühnunglver- langen hatte sie Arnstetten ihrMkck geopfert - und sich selbst. Sollte er e« länger erdulde», daß sie sich verlor in selbstge schaffener Pein. — Er war in der Stimmung, sie einer ganzen Welt streitig zu machen. Wenn sie nur wollte — er würde sie befreien um jeden Prei«. Aber sie wollte nicht. Sie hatte sich in ihre Opferfreudig keit hineingeredet und würde auf ihrem Posten autharren — bi« zum «igenen Untergang, Da« wußte er genau. Da war e« wohl besser, wenn er sein eigne« Wünschen, sein Sehnen nach ihr bezwang und einsam weiterzog auf der Landstraße de« Leben«. Daß sein« Sehnsucht nach ihr durch diese» wochrnlange Bei sammensein neue Nahrung erhallen hatte, merkte er bald. Er konnte nicht mehr ruhig und entsagung»ooll ihrer gedenk«». Der Gedanke an Soa hatte alle Macht über ihn verloren. Der ge sunde Egoi»mu» des Menschentum» siegt« üb«r schwachmütig« Rru«anfälle. Sri» Sinn«» und Denken gehörte nur noch der Lebenden. Sie war sein mit jeder Faser ihrer Seele. Das wußte er. Sie gehörte ihm im Innersten ihre» Leben», wenn sie sich auch im Opferwahn dem andren zu eigen gegeben hatte. Dieser andere stand »wischen ihm und seinem Glück. Mußte er e» wirklich ruhig geschehen kaffen, da» sie ein ganze» Leben lang die barmherzige Schwester spielte und mit lächelndem Gesicht sich täglich von neuem opferte? Gab e» kein Glück für sie und ihn? War da» neidische Geschick durch nich-S zu versöhnen? Er litt namenlos unter all diesen Zweifeln und Quäle» und faßt« heute Pläne zu ihrer Befreiung, um sie morgen zu verwerfen. Nur die heiße, brennende Sehnsucht nach ihr blieb unveränderlich bestehen Di« ließ ihn Tag und Nacht nicht zur Ruhr kommen. * Für Ursula war nach ihrer Rückkehr nach Arnstetten ein andere« Leben angebrochen. Ihr« Opferfreudigkeit war dahin. E« lag wie ein grauer