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Nr. 112. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 22. September 1910. Seite 2. sichtigung des alten Schulgebäudes von leiten der Herren Ver treter der Königl. Veziiksschulinspektion und des König!. Bezirks arztes Herrn vr. Sauer, welche die alten Räume für Schulzwecke ganz ungeeignet erklärten, zeigte der Schulvorstand den Willen eine neue Schule zu bauen und erklärte sich auch dahin der Be hörde gegenüber, vorderhand wenigstens für eine geeignete Bau stelle sorgen zu wollen. Aus diesem Grunde verschritt man zum Ankauf einer solchen, die man glaubte geraden zu haben, in einem Feldgründstücke, dem verstorbenen Gasthofsbesitzer Otto Freuden berg gehörig. Trotz eines gebotenen Kaufpreises von 8000 M pro Scheffel versagte der Besitzer den Verkauf des Grundstückes. Da besann sich der Schulvorstand auf das Gut Nr. 8 in Obersteina, welches dem Gasthofsbesitzer Herrn Emil Körner-Möhrsdorf zu eigen gehörte, der Grund und Boden, worauf die alten Wirt schaftsgebäude standen, mit dem daran liegenden Gartengelände erschien dem Schulvorstande als eine sehr geeignete Baustelle. Selbige wurde auch von der hohen Schulbehörde als vorzüglich passend anerkannt. Freilich war das jetzt noch ein frommer Wunsch und es hat Jahr und Tag gedauert, ehe der Besitzer in einen Verkauf willigte. Die politische Gemeinde kaufte das Stammgut mit zirka 45 Scheffeln und konnte nun den Bauplatz zum Preise von 3600 M an die Schulgemeinde abtreten. Daraufhin wurde in der Schulvorstandssitzung vom 11. Oktober 1909 der Schul neubau beschlossen und der Beschlug m der Sitzung vom 16. Okto ber 1909 im Beisein der Herren Vertreter der Königl. Bezirks schulinspektion dahin ergänzt, daß im Frühjahr 1910 der Bau be gonnen und Sommer 1911 fertiggestellt werden sollte. Von seiten der Schulbehörde wurde dem Schulvorstande als Anfertiger der Bauplan und Kostenanschläge, sowie als Leiter des Baues Herr Architekt Bähr-Dresden warm empfohlen, der auch bald mit einer Zeichnung erschien, die man mit wenigen Aenderungen annahm. Die Leitung des Baues wurde ihm auch übertragen. Jetzt stellte sich wieder ein Hindernis in den Weg. Wegen der verhängten Bausperre konnte man den Bau nicht vergeben, aber auch mit dem Baue nicht beginnen. Endlich in der Schulvorstandssitzung vom 11. Juli 1910 war es möglich, dem Herrn Baumeister Fischer- Pulsnitz den Bau zu übertragen und zwar vorderhand nur den Rohbau zum Preise von reichlich 42000 M, über die Vergebung des inneren Ausbaues wollte sich der Schulvorstand spätere Ent- schliehung vorbehalten. Der Bau ist nun heute soweit vorgeschritten, datz der Grundstein gelegt werden soll. Mit diesem Baue hat sich die Gemeinde, die aus 1150 Einwohnern in 190 Wohnhäusern wohnend, gebildet wird, eine grotze aber hohe Aufgabe gestellt. Sie wird keine Kosten scheuen, datz Werk herrlich hinauszuführen zur Ehre Gottes, zum Segen für die Gemeinde und zum Nutz und Frommen seiner Kinder. Was jetzt die Schulgemeinde Ober steina opfert, wird ihr Gott reichlich lohnen durch eine dankbare, wohlerzogene, gebildete Jugend. Das walte Gott! Obersteina, am Tage der Grundsteinlegung. O. 8ck." Höckendorf, 20. September. (Schulweihe.) vom wundervollsten Sonnenglanz begünstigt, feierte unsere Ge- meinde Sonntag, den (8. September, das schöne Fest der Einweihung der neuen Schule. Die predigt des Frühgottes- dienstes hatte auf Grund der Epistel der Gemeinde ans Herz gelegt, daß die Zugehörigkeit zum Herrn uns um unserer Rinder willen verpflichtet zum Wandel gemäß unserm Lhri- stenberuf, zur Einigkeit in der Liebe und zur Einheit im Glauben. Halb ss Uhr bewegte sich der Festzug ins Ober- dorf zur Abschiedsfeier von der alten Schule. Lingerahmt vom Gesang des Liedes 522 gab die Rede des Grtspfarrers und Vorsitzenden des Schulvorstandes ?. Jost, sowohl der Wehmut Ausdruck, mit der die Gemeinde die alte, ehrwür dige Schulfiätte verläßt, auf der die ev.-luth Schule seit der Reformation gestanden hat, wie auch der Freudigkeit des Auszugs, da die Gemeinde nur äußerlich den Grund und Boden verläßt, den Grund aber festhält und mitnimmt, auf den die Reformation die evangelische Volksschule gegründet hat, der Jesus Lhristus heißt; festhält gemäß Lph. 3—6 die Einigkeit im Geist, wie mit den Vätern so unter dem jetzigen Geschlecht, und sich der in dem Namen Rirchschule gegebenen Verbindung von Rirche und Sckule zum gesegne ten Dienst an ihren Gliedern dankbar bewußt ist. Nach der Schlüsselübergabe zog man durch die Schule auf den neuen großen Schulturnplatz, wo Herr Schulrat l)r. Hartmann die weiherede hielt. Er sprach im Namen der Rönigl. Bezirks inspektion die hohe Befriedigung der Rönigl. Schulbehörde aus über das schöne Grundstück, den wohlgelungenen Bau, die gediegene innere Schulausstattung, in der der Schulvor stand den Rindern verständnisvoll das Beste gewählt habe, und dann legte er die beiden Inschriften des Hauses aus, in der über den Schuleingang: „Alle deine Rinder gelehrt vom Herrn" (Hes. 5H, (3) das Ziel nicht bloß des Religi- ons-, sondern allen Unterrichts, in der über dem Eingang zur Lehrerwohnung: „Ich will dick segnen und sollst ein Segen sein" (s. Mos. s2, 2) den weg zur Erreichung die ses Zieles aufzeigend. Nach dem weihgebet des Drtspfar- rers endete der Vers: „Lob, Ehr und Preis sei Gott!" die ausdrucksvolle Feier. Kamenz. Herr Bezirtsarzt vr. Heyn in Kamenz ist vom 27. September blS mit 9. Oktober dss. IS. beur laubt. Mit seiner Vertretung ist Herr BezirkSarzt Or. Sauer in Bautzen beauftragt worden. Bischofswerda, 22. September. Das 60jährige Bürgerjubiläum feierte gestern Herr Stadtrat a. D. Scheumann, Ritter pp., Ehrenbürger unserer Stadt. Von den städtischen Kollegien wurden ihm durch Herrn Bürgermeister Hagemann und Herrn stellvertretenden Stadlverordnetenvorsteher Schachert herzliche Glückwünsche ausgesprochen. Bautzen. Das Rittergut Leichnam bei Klix ist durch Kauf in den Besitz des Rittergutsbesitzers Franz Alexander Heinrich Sachße übergegangen. Vorbesitzer war Konsul vr. Efienstuck in Dresden. Bautzen. Ein nettes Gefchichtchen ist vor kurzem einem Gendarm passiert. Derselbe saß abends nach beendetem Dienst in einer Wirtschaft in einem Dorfe In der Nähe von Bautzen, als ein Auto vorfuhr, dem ein junger Mann aus dem Wohnort des Beamten, mit einer Dame und dem Chauffeur entstieg. Die Autoge sellschaft ließ sich am Tisch des Gendarmen nieder, um sich, von den anderen Gästen beneidet, an Speise und Trank gütlich' zu tun. Auch der Gendarm wurde einge laden zu einem Trünke, was derselbe jedoch ablehnte. Nachdem sich die Autogesellschaft genügend gestärkt hatte, brach man aus, und da ein miserabeleS Wetter draußen war, lud man den Gendarmen ein, mit nach Hause zu fahren, war derselbe annahm, nachdem ihm die Zusage geg'ben wurde, mäßig zu fahren Die Zeche sollte spä ter bezahlt werden, da der iunge Mann gerade kein Geld bei sich hatre. Der Wirt kredidierte ihm. Zuhause an- gekommen, trennte man sich, und der Gendarm begab sich in seine Wohnung, in der alsbald ein Kollege von ihm erschien mit dem Befehl, am selben Abend noch „Einen" zu suchen und zu verhaften. Dieser „Eine" war eben der Auto-SportSmann, mit dem der Gendarm die Fahrt gemacht hatte, denn er hatte Verschiedenes in Sachen „Mein und D<in" auf dem Kerbholz wegen deren ihn der Staatsanwalt dringend zu sprechen wünschte. Der Gendarm war froh, daß er sich wenigstens nichts halte bezahlen lassen, ging hin und nahm den Sports mann am Kragen. Die „Dame", die jener am selben Abend in Bauten aufgegabelt hatte, ist infolge des klei nen Intermezzos nicht auf ihre Rechnung gekommen. — Am Sonntag fand in Sebnitz auf dem Sport platz die letzte diesjährige Gauvorturner stunde des 4. M.-H.-Gaues statt. Punkt >/i11 Uhr traten eine An zahl Frauenturnwarte, sowie 5 Turnerinnen vom Tv. Sebnitz, zu den Freiübungen an, geleitet vom Gauturn- wart Fischer (Bischofswerda). Dieselben sollen nächstes Jahr zum Frauenturnen, das laut Beschluß des Turn- auSschuffes in Sebnitz stattfindet, geturnt werden. Diesem folgte ein Turnen am Barren, geleitet vom stellv. Gau- turnwart Ackermann (Neustadt). Hierauf begann um 11 Uhr das Turnen der Turnwarte und Vorturner. Nach dem Turnwart Fischer dieselben herzlichst begrüßt hatte, wurde eine Gruppe OrdnungS- und Freiübungen ge turnt. Diesen folgten Freiübungen in vier Abteilungen, geleitet von den Bezirksturnwarten und zwar Hantel übungen Ackermann (Neustadt), Eisenstabübungen Börner (Bischofswerda), Gemeinübungen Petzolo (Bretnig) und Trockenschwimmübungen Kern (Schandau). Ein Riegen- turnen in 9 Riegen, Kürturnen und Spiele beendeten den praktischen Teil. Hierauf wurde nach dem Schützen haus marschiert, wo die Versammlung stattfand. An derselben beteiligten sich über 80 Personen, am Turnen nahmen ebenfalls über 80 Turner teil. Nachdem Gau- turnwart Fischer dieselben nochmals begrüßt, verlas der selbe zwei Kartengrüße vom Kreisvertreter Fickenwirth (Dresden) und vom Gauvertreter Gebler (Bretnig), die selben wurden mit einem kräftigen „Gur Heil!" erwidert. Ebenso begrüßte der Vorsitzende des Tv Sebnitz die Er schienenen namens seines Vereins. Bei Besprechung über das stattgefundene Turnen wurden kleine Mängel gerügt, im übrigen aber die guten Leistungen anerkannt. Von der Anwesenheit eines Vorturners des kürzlich erst in unserem Gau aufgenommenen To. LangwolmSdorf, sowie des GauturnratSmitgliedes Biener (Königstein) wurde freudig Kenntnis genommen. Als 2. Gauturnwart auf das Jahr 1911 und 1912 wurde Ackermann (Neustadt) einstimmig wiedergewählt. Die 1. Gauvorturnerstunde nächstes Jahr wird in Bischofswerda, das Turn wartturnen in Bretnig und die 2. Gauvorturnerstunde in Neustadt abgehalten. Gauturnwart Fischer regt an, Reisekassen in den Vereinen einzuführen, damit recht viele Turner da« nächste Gauturnfest, welches 1911 in Pulsnitz statt- ftndet, besuchen können. Auch soll nächstes Jahr einmal versuchsweise eine Gauturnfahrt mit Zöglingen nach Neustadt unternommen werden. Eine längere Aussprache entwickelte sich über das so glänzend verlaufene Turnfest in Zittau und wurden die d: gemachten Eindrücke leb haft ^besprochen, ebenso die vorgekommenen Fehler scharf gerügt. Anträge waren keine eingegangen. Nachdem noch zur Unterstützungskaffe 6 M 70 Pf. gesammelt wurden, schloß Gauturnwart Fischer hierauf die Versamm lung. „Gut Heil!" — Die obere Sächsische Schweiz wird nun bald wieder den König als Waidmann begrüßen können, da nach den Manövern die gewohnten Hochwildjagden im Gebiete des Winterbergs usw. stattfinden. In dem Heger hause beim großen Zschand bewohnt dabei der königliche Jäger ein schlichtes Zimmerchen, das dem König aber ganz besonders lieb geworden ist. Wie man hört, läßt Ler große Wildbestand diesmal „Waidmannsheil" im vollsten Sinne erwarten. Leipzig, 20. September. (Juwelendiebstahl.) Ein Unbekannter etwa 50-jähriger Mann, der sich in einem Juwelengeschäft Schmucksachen zur Auswahl vor legen ließ, hat dabei eine mit Brillanten reich besetzte goldene Brosche im Werte von 3500 Mark entwendet. Zschoppau. Nachdem Seminar-Oberlehrer Beck zurück- gekehrt ist, der von Mitte März bis Mitte Juli Amerika bereist hat, um im Auftrage der Regierung daS Schul- wesen zu studieren, begibt sich am 1. Oktober Seminar- Oberlehrer Pilz nach Paris, um dort ebenfalls im Auf trage der Regierung bis Mitte November Studien zu treiben. LagssgsscdlÄrts. Deutsches Reich. Berlin, 21. September (Amtsan tritt des UnterstaatssekretärS vr. Boehmer.) Staatssekretär von Lindequist, der von einem kurzen Urlaub nach Berlin zurückgekehrt ist, hat heute mittag^den neuernannten Unterstaatssekretär vr. Boehmer in sein Amt eingeführt und ihn mit den als Referenten fungie renden höheren Beamten und Offizieren des ReichSkolonial- amtS bekannt gemacht. Halle a. S., 20. September. (Dernburg — Reichs- tagSabgeordnrter.) Der Abgeordnete Wiemer er klärte in einer liberalen Versammlung in Nordhausen unter stürmischem Beifall, Dernburg habe sich ihm gegen- über zur Uebernahme einer freisinnigen ReichtstagSkandi- datur bereit erklärt. Mannheim, 20. September. (Die silberne Hoch zeit des badischen GroßherzogSpaareS.) Zur Feier der silbernen Hochzeit des badischen Großherzogs paares fand gestern ein Festbankett der Bürgerschaft im Nibelungensaale des Rosengartens statt, wobei Abgeord neter Bassermann die Festrede hielt. Die Versammlung sang stehend die Fürstenhymne. An das fürstliche Jubel paar wurde ein Glückwunschtelegramm abgesandl. An der Effekten- und Produktenbörse fand aus Anlaß der Feier gestern keinerlei Verkehr statt. Auch die städtischen Aemter, sowie die BureauS der Banken waren geschloffen. — (ReichStagSabgeordneterWeber gegen die Radikalisierung.) vr. Weber, der die national liberale Partei in der Reichsfinanzkommission vertreten hat und gewöhnlich als recht weit linksstehender Politiker angesehen wird, hat sich während des Sommers nach drücklich gegen das Hinübergleiten des Liberalismus auf die radikale Bahn ausgesprochen. Neuerdings weist er auf die große Gefahr hin, „die gerade für den deutschen Liberalismus in der im letzten Jahre eingetretenen, immer stärker werdenden Radikalisierung in Deutschland liegt", vr. Weber schreibt u. a.: „Man mag so liberal sein, wie man will: das große Bedenken muß jedem Weiterdenken den kommen, eine Partei zu unterstützen, die auf die niedrigsten Instinkte der Mafien spekuliert und auf diese ihre Politik zuschneidet. Ein Liberaler sollte auch bet den gewiß berechtigten Bestrebungen, eine reaktionäre Politik in Deutschland zu beseitigen, nie vergessen, daß er durch unbedingten oder bedingten Anschluß an die Sozialdemokratie oder durch deren Förderung sich und sein Programm selbst aufgibt. Je mehr sich der Libera lismus an die Sozialdemokratie anschließt, desto mehr von seinen Truppen wird und muß er verlieren . . . Die radikale Presse, vor allem auch das viel gelesene Berliner Tageblatt, lädt eine große Verantwortung auf sich, wenn man in gewiß berechtigtem Zorn über eine einseitige Wirtschafts- und Staatspolitik den großen Ge danken ganz außer acht läßt, daß sich die sozialdemokra tischen und liberalen Anschauungen schroffer gegenüber- stehen als diejenigen der konservativen und liberalen Parteien. Man kann mit jenen Plättern darin durchaus übereinstimmen, daß es notwendig ist, wenn man über haupt die Sozialdemokratie wirkungsvoll bekämpfen will, andere Bahnen in unserer Reichspolitik einzuschlagen als bisher; vergessen darf man aber dabei nicht, daß die Sozialdemokratie der größte Feind unserer Nation ist... Der Liberalismus sollte eS sich daher sehr überlegen, einer Partei die Steigbügel zu halten, die weiter nichts als Hohn und Spott für seine Bestrebungen hat, und die, wenn sie einmal zur Regierung gekommen sein sollte, vielleicht das meiste von dem vernichten wird, was die großen liberalen Führer deS Volkes nn Jahre 1848 ge schaffen haben." Immer von neuem wiederholt Abge ordneter Weber seine Mahnung, so noch in folgender Form: „Die moderne Entwicklung eines großen, im Weltgetnebe stehenden KulturstaateS, wie es Deutschland ist, drängt unwillkürlich zur freien Entfaltung aller in ihm wirksamen Kräfte; darin liegt auch begründet, daß eine kleine reaktionäre Klasse im Reich auf die Dauer die Herrschaft im Volke ganz von selbst nicht wird ausüben können. Wenn aber in dieser kurzen Zeit der Entwick lung auf der andern Seite die auf tausenderlei Irrlehren beruhende Sozialdemnkratie an Uebergewicht gewonnen haben sollte, dayn werden alle Bestrebungen des Libera lismus, das einmal verloren gegangene Terrain wieder zugewinnen, ebenso vergeblich sein wie die Bemühungen eines Gegners im Kriege, eine einmal geräumte Festung wieder mit Erfolg zu besetzen." Magdeburg, 20, September. (Vom sozialdemo kratischen Parteitag.) Der sozialdemokratische Par teitag beschäftigte sich heute den ganzen Tag mit der badischen Budget-Angelegenheit. Nach einer zweistündigen Rede Bebels, in der er in der Hauptsache die vom Partei vorstand beantragte Resolution empfahl. Abg. vr. Frank- Mannheim verteidigte das Verhalten der badischen Land- tagSfraktton. Die Fraktion habe den Nürnberger Partei- tagsbeschluß nicht verletzt, da dieser ausdrücklich besage: Wenn durch Ablehnung eines Budgets zu befürchten ist, daß ein schlechteres Budget zustande kommt, so sollen die Genoßen für das Budget stimmen. — Im übrigen hätten die Genossen durch Ablehnung des Budgets die badische Simultanschule dem Klerus auSgeliesert und alle Errungen schaften für die Arbeiter zunichte gemacht. Es sei doch wohl möglich, einen Staat auch unter den heutigen Ver- hältn.ssen zu modernisieren, in dem es weder Steuerbe- drückung noch Polizeiwillkür gebe. — In der Nachmittags- sitzung platzten die Geister sehr aufeinander. Die Radi kalen führten aus, eS müsse unbedingt Klarheit geschaffen werden, damit die Frage nicht wieder auf einem Parteitage erscheine. Jedenfalls hätten die badischen Genossen den Boden des Klassenkampfes verlaffen, indem sie einem Klein staat die Mittel zur FortexistenS bewilligten. Die Revisio nisten führten aus, die Frage werde, wenn der Nürnberger Beschluß nicht aufgehoben werde, wohl niemals von der Tagesordnung der Parteitage verschwinden. Abg. Hilden- brand-Stuttgart erklärte, wenn, was nicht möglich sei, die Partei in einem Landtage die Mehrheit erlange, würde sie sich lächerlich machen, wenn sie fortdauernd das Budget verweigern wollte. Rechtsanwalt Haase-KönigSberg führte aus, Frank und Genossen hätten sich zum mindesten im Sinne deS dolus eventualis schuldig gemacht. Abg. Kolb- KarlSruhe bemerkte, die badischen Genossen hätten, wenn sie das Interesse der Partei und der Arbeiter nicht ver letzen wollten, nicht anders handeln können, als für das Budget zu stimmen Die dänischen Genossen wären nie mals in die Gemeindeverwaltung eingedrungen, wenn sie sich nicht mit den Librealen verbündet hätten. Sie Hütten noch weiter gehen und den Versuch machen müssen, in die Regierung zu kommen. Diese Frage werde in nächster Zeit ebenfalls den Parteitag beschäftigen müssen. Alsdann verteidigte noch Abg. Keil-Stuttgart das Verhalten der badischen Landtagsfraktion, worauf die Debatte auf Mitt woch vormittag 9 Uhr vertagt wurde. Magdeburg, 21. September. Die Budgetbewilligungs debatte wird auch heute noch fortgesetzt. Vanzer-Bayreuth erklärt sich für den verschärften Antrag Zubeil und Ge- noffen. Maurer-München richtet an den Parteivorstand die Frage, wie der Zusatzantrang Zubeil und Genossen, wonach jeder sich von selbst außerhalb der Partei stelle, der gegen die Resolution des Parteitages handle, mit den