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Pulsnitzer Mckendlatt 62. Jahrgang. Sonnaöend 29. KKLoöer 1910. Deutsches Reich. Schwerin, 28. Oktober. (Die Fahr: des „p. VI." nach Kiel) DaS Luftschiff VI." traf hier hier gegen 2 Uhr nachmittags ein und landete glatt auf dem großen Exerzierplatz. Anwesend waren u. a. der Großherzog und die Großherzogin. Senator Weltzien begrüßte die Luftschiffer im Namen der Stadt Schwerin. Während das Luftschiff im ersten Teil der Fahrt mit ziemlich starken Wind zu kämpfen hatte, konnte es von Wittenberge ab, das es 12,35 Uhr passierte, ein beschleunigtes Tempo einschlagen. — Zu de ur S lande der Ma ul- und Klauen seu ä>e in Deutschland wird berichtet, daß unsre Viehbestand gegenwärtig einmal durä- die Verbreitung vom Tuchlec Markte her und zweitens durch Einschleppung vom Auslände als rurjeucht anzajehcn ist. Die Einschlep pung aus Rußland hat sich als sehr viel schwerer erwiesen, als bei dem sorgfältigen Grenzschutze anzunehmen war. Die starke Weiterverbreitung erklärt sich auS den gegen wärtig in der Landwirtschaft auszuführenden Arbeiten, der Ernte, Bestellung, Drescharbeiten, zu denen alle ver fügbaren Leute hcrangezogen werden. Die Statistik er gibt jedoch, daß im Durchschnitt auf je eine Gemeinde nur zwei verseuchte Gehöfte fallen. Es beweist das, daß es gelungen ist, die WeitcrauSbreitung auch innerhalb der einzelnen Ortschaften zu verhindern. Gegenwärtig sind im Deutschen Reiche 504 Gemeinden mit 1133 Gehöften von der Maul- und Klauenseuche .befallen, -'ie größte Zahi fällt auf den Regierungsbezirk Bromberg. Es folgen Posen, Allenstein, Köslin und Marienwerder Außerhalb Preußens sind auch in Sachsen, Vaden, Braunschweig, Anhält, Sachsen-Meiningen und ganz vereinzelte Fälle auch in Bayern zu verzeichnen. In Oesterreich kommen gegenwärtig auf 851 Gemeinden 11849 Gehöfte und in Ungarn auf 70! Gemeinden 76 000 Gehöfte, in denen die Seuche herrscht. Belgien. Die Brüsseler Trinksprüche zwi schen unserem Kaffer und dem König Albert von Belgien feierten lie beiden Völker als solche der Arbeit und hul digten der auf Arbeit be uhenden friedlichen Entwickelung der beiden Nationen. Für den Grundton der Trtnksprüche kannte gerade in Brüssel kein/ glücklichere Wahl getroffen werden. Sie beschämten die sozialistischen Arbeiter der belgischen Hauptstadt, die ge-ien den Brüsseler Besuch des deutschen Kaisers Stellung zu nehmen versucht hatten, und trafen genau den Punkt, in dem sich die Nationen berühren, die trotz ihrer geographischen Nachbarschaft noch vielfach getrennte Wege wandeln. Die Arbeit, die Belgiens größter Bildhauer Meunieur durch unsterbliche Meister werks verherrlichte, ist das Zeichen, unter dem sich nicht nur die beiden benachbarten Nationen, sondern schließlich alle Völker der Erde zu einer großen Gemeinde vereinigen werden Damit ist auch den Phantasien fremder Blätter von deutschen Plänen auf Belgien jeder Boden entzogen. Die Trinksprüche finden in der gesamten besonnenen Presse allgemeine Zustimmung. Brüssel, 28 Oktober. (Abreise des deutschen K ai s erp a ar es.) Gestern Abend fand in der deutschen Gesandschaft ein Diner statt. Um ffzH Uhr verließ der Kaiser mit Gemahlin und Tochter das Gesandschafts- gcbäude und begaben sich zum Bahnhof, wo um 11 Uhr die Abreise nach Station Wildpark erfolgte — Bei dem Besuchs der deutschen Abteilung der Brüsseler Weltaus stellung hat sich Kaiser Wilhelm, wie erst nachträglich be kannt wird, zu dem Reichskommissar Geheimrat Albert, der ihn führte, sich anerkennend über die deutsche Industrie geäußert. Der Kaiser sagte, daß ihn die Leistungen der deutschen Industrie aufs höchste befriedigten. Brüssel, 28 Oktober. Die Abreise des deutschen Kaiser paares erfolgte ohne große Formalitäten. ES waren je doch umfassende Maßnahmen auf dem Wege zum Luxem burg-Bahnhof getroffen worden, um die Volksmenge in Schach zu halten. Die kaiserlichen Herrschaften fuhren in Begleitung des belgischen KönigSpaareS kurz vor 11 Uhr in Automobilen zum Bahnhof. Der Abschied war sehr herzlich. Der König umarmte die Kaiserin und die Prin zessin Viktoria Luise und der Kaiser die Königin. Ehe der Kaiser den Wagen bestieg, äußerte er noch zu König Albert, er nehme von seinem Besuche in Brüssel den vor züglichsten Eindruck mit nach Deutschland. Um 11 Uhr 5 Min. fetzte sich der Hofzug in Bewegung. — Die heu tigen Morgenblätter behaupten, daß Kaiser Wilhelm wäh rend seines dreitägen Aufenthaltes sehr viele Fragen an seine Umgebung richtete. Diese Fragen beweisen, daß der Kaiser, über alles, was Belgien betrifft, aus dem Laufenden und sich überhaupt völlig klar über dis ihm bereiteter Kundgebungen ist. Türkei. Konstantinopel, 28. Oktober. (Die tür kischen Truppenbewegungen.) Starke Truppen teile überschritten die persische Grenze und besetzten Lie Distrikte von Urmia und Kirmandschehir, um türkische Untertanen zu schützen. Einer Aufforderung der persischen Regierung entsprechend, gingen mehrere Bataillone nach Nadjad in Nordpersien ab, um dem dortigen Räuberun wesen zu steuern; da diese Truppen viel stärker als ver einbart sind, hat die persische Regierung sie zurückzuführen. Griechenland. Athen, 28. Oktober. (Die poli tische Lage inGriechenland.) Infolge der Wahl- enthaltung der dre: alten Parteien wird der Gegenstand des Wahlkampfes nicht sowohl das noch unbekannte Re- formprogramm des Premierministers Venizelos, sondern vor allem die aktuelle und schwerwiegende Frage bilden, ob die neue Nationalversammlung konstitutionierenden oder revidierenden Charakter tragen soll. Eine Nieder lage der für den revidierenden Charakter der National versammlung eintretenden Partei Venizelos ist umsomehr möglich, als die Konstituante bereits in der aufgelösten Nationalversammlung gegen 130 Anhänger besaß und ihre Vertreter auch auf die Unterstützung der Radikalen und einiger Anhänger der alten Parteien rechnen können. Amerika. Als letzter Ballon des -Ben ne t - W e t t f l i e g e n S hat der nun endlich in den Wäl dern von Kanada aufgefundene Ballon „Amerika" mit >355 englischen Meilen die weiteste Reise gemacht und bekommt daher den ersten Preis. Ihm folgen „Düsseldorf" mit 1320, „Germania" mit 1190 Meilen usw. Die Insassen hatten mehrere Tage lang zu suchen, bis sie aus der Wildnis wieder in bewohnte Gegenden kamen. So sind alle Luftschiffe mit ihren Insassen glücklich ge borgen. TÄLLeiMsiät 1^ Qin ^QivvelleWe kostenlose ÄisenäMS kui Herb5t 6srl Henning — tlgmenr8i' 8lMe M. — — M - llmkn, llsmkli ll. iliMs. Wegen der großen, gesund heitlichen Vorzüge widme ich dem Artikel „Inliotaxen" die größte Aufmerksamkeit und deshalb ist dieses La ger sehr reichhaltig in sach gemäßer Weise ausgestattet. Der Urinz-HemcrHL. Roman von Henriette v. Meerheim b. 7 (Nachdruck verboten.) Plötzlich glitt ein Schatten über sein eben noch so heiterer Gesicht. Ec dachte nicht gern an die blonde Braut und die über seine Verlobung so glücklichen Eltern in seiner Heimat, ver öden, sandigen Mark zurück. Briefe wechselte er nicht mit Anne-Marie. War sollten sie sich denn auch schreiben ? Ec hätte wirklich nicht gewußt, womit er die Zeilen aulsüllen könnte. Sie mußte sich mit den Briefen, die er an seine Matter schrieb, und einer ab und zu gesandten Ansichtrpostkarte begnügen, die sie mit Grüßen durch sein« Eltern erwiederte. Anne-Marie wäre selbst sicher in Verlegenheit gekommen, wenn sie hätte rcgelmäß'g mit ihm korrespondieren müssen. Er interessierte sich ebensowenig für di« Ernteautsichten, Pferdekäufe und bauliche Veränderungen in Lehmin, wie sie sich für die Kunst schätze von Pari« begeisterte. Darin war ihre Uebrreinstimmung jedenfalls eine vollkommene. Der rasch dahinrollende Taxameter brachte ihn bald in da« jenseits der Seine liegende Quartier Latin. Wie eng, wie düster war e« hier im Vergleich mit d«n breiten Straßen, den wunder« voll«« Plätzen, die er eben verlassen hatte! Hier ging jeder seiner Arbeit nach. Unwillkürlich zögerte Georg einen Augenblick, ehe «r die schmale, hohe Eteintrepp« erstieg, die zu dem Atelier de« Pro fessor« führte. Da« Eonnengold blieb draußen, hier drinnen war e» kühl, grau und still. Der Professor war noch nicht anwesend, aber die Mitschü ler und Mitschülerinnen fand Georg bereit« sämtlich vor ihren Staffelreihen stehend vor. Alle drehten die Köpfe etwa« erstaunt nach ihm um. Dieser elegante jung« Herr in dem tadellosen Promenadenanzug, die weiß« Fli«derblüte im Knopfloch, sah so Sanz and«r« au«, wie alle anderen hier drinnen. Der Maler Maurice Roland pfiff durch die Zähne. Dann kratzte er weiter an seiner Palette, von der irgend eine hart näckig« Oelfarbe sich nicht ablöse» wollte. Der neben ihm stehende Herr, ei» großer, breitschulteriger Mann, mit einem spitzgeschnittenen blonden Bart und leuchtenden blauen Suge», grüßte freundlicher. Aber auch er wandt« seine Aufmerksamkeit sofort wieder dem Modell zu, da« regung»lo« in der vorgeschriebenen Haltung, etwa« gebückt, die Hände müde im Schoß zusammengelegt, dasaß. E« war «ine alte Frau mit scharfgeschnitt«nem Gesicht. Da« wirre graue Haar hing tief in di« ganz von Runzeln durchzogene Stirn. Die sehnigen Arme, die verarbeiteten Hände redeten eine deutliche Sprache von der Not eine« langen, sorgenvollen Leben«. Von den zwei ebenfall« im Atelier arbeitenden Damen sah Georg vorläufig nur die Rücken in langen grauen Malkilteln und einen rötlichen und einen braunen Haarknoten. Beide Malerinnen arbeiteten so eifrig, daß sie kaum bei seinem Ein treten eine Sekunde aufgesehen hatten. Georg zog seine Maljack« über. Sein eleganter Anzug genierte ihn auf einmal. Die Gleichgültigkeit der andere», die gar nicht« auf seine Vorstellung — er hatte beim Eintritt seinen Namen genannt — erwiderten, reizte ihn «in wenig. Freilich, wen konnte e« hier in Pari«, in diesem Kreise interessieren, daß er Georg von Stechow hieß, sein Vater Rittergutsbesitzer in der Mar!, er selbst bald Großgrundbesitzer der Herrschaft Lehmin sein würde? Hier galt nur da« „Können", nicht der Name, nicht der Besitz. Ohne ein Wort weiter zu sagen oder zu fragen, brachte er sein Malgerät in Ordnung und skizzierte die Gestalt d«> Modell« in knappen Zügen. Do« glückte I Ohne auch nur «inen Strich ändern zu müssen, hob sich nach kurzer Zeit die müde, zusammen gesunkene Gestalt der Alten plastisch von seiner Leinwand ab. Die übrigen, die schon länger gearbeitet hatten, machten jetzt eine Pause. Roland trat ungeniert hinter Georg« Staffelei, der ohne aufzusehrn weiterzeichnrte. Die Hände in die Hosentaschen versenk», blieb der Maler eine Zeit lang so stehen, daZ» nickt« er dem Blonden zu. „Sieh her, Norbert, — da» wird!" Der Blonde, den Malstock über der Schulter, kam auch heran. „Bravo I* sagte er nur. Georg freute da» Lob der Mitschüler mehr, al» er sich selbst tingestehen wollte. „Wir hätten» un» eigentlich denken können" fuhr Roland in halb entschuldigendem Tone fort. „Der Professor nimmt keine Stutzer und Dilettanten in seine Privatkurse. Aber weil Sie so im Wich» hier hereinkamen, in solch eleganter Gegend wohnen, waren wir mißtrauisch. Nicht wahr, Norbert?" „Ja, und wir machen auch nicht viele Faxen mit Vorstel lungen," stimmt« Norbert bei. „Wir nennen un», wie» gerade kommt." „Die Damen auch?" Georg trat ei» paar Schritt« von seiner Staffelei zurück. So — jetzt konnte er di« Besitzerin»«» d«» blonden und de» braunen Haarknoten» genau sehen. Die Rotblonde wandte ihm ein breite«, mit vielen Sommersprossen bedeckte« Gesicht zu. Ei« wischte ihr« Hand an der fleckigen Malschürze ab, ehe sie sie Georg treuherzig hinhielt. „Lucy O'R«illy — von Geburt Schottin," sagt« sie auf Deutsch mit etwa« fremder Betonung. „Hier kommt« übrigen» auf di« Nationalität nicht an, wir find alle Kinder einer Mutter, di« Kunst ist uns«re H«imat — nicht wahr? — Also sagen Sie ruhig „Lucy" zu mir, wie di« anderen, und zerbrech«» Sie sich nicht Ihre Zunge an dem O'R«illy. — Die« hier ist Nadine Holzinger." Di« Letztgenannte neigte grüßend den Kopf. Sie gab Georg, der sich höflich vor ihr verbeugte, nicht di« Hand. Sie sah ihm eine Sekunde «staut in« Gesicht, dann wandte sie ihre großen, dunklen Augen wieder ihrer Arbeit zu. Georg« Blicke ließen ihre Gestalt, deren anmutig« Schlank heit selbst der formlose Kittel kaum vrrbarq, nicht sogleich wie der lo«.