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Pulsnitzer McdenblaN Donnerstag, 15. September 191V. - Laismiuimm. - Wenn auch den allgemeinen Manöoern, welche die deutschen Armeekorps alljährlich im Spätsommer abhal ten, für die militärische Ausbildung der Mannschaften die größte Bedeutung innewohnt' so wird doch stets mit besonderem Interesse die Entwicklung der Kaisermanöver verfolgt, nicht nur, weil der oberste Kriegsherr ihnen bei wohnt, sondern weil bei dieser Gelegenheit ganz speziell bemerkenswerte Neuerungen auf dem Gebiete der Lan desverteidigung erprobt, da die ganze Anlage mit dem großen Aufgebot mehrerer Armeekorps in erhöhtem Maße den Charakter des kriegerischen Ernstes wahrt. Von den schönen Manöverbildern, wie man sie in früheren Jahren sah, bekommt man nichts mehr zu schauen. Im Gegen teil wirken die heutigen Einrichtungen auf den „Manöoer- bummler" oft recht langweilig, schließlich sind aber die Manöver nicht der Zuschauer wegen da, sondern es han delt sich um die Wehrkraft der Nation, und da kann es nur erfreulich wirken, daß man in den letzten Jahren von dem früheren äußeren Tand Abstand genommen hat. Heutzutage werden alle Mittel der Technik zu Hilfe ge nommen, wie sie im modernen Kriege erforderlich sind, unbekümmert darum, daß manche Tradition verschwindet. Nicht mehr hält der Oberkommandierende hoch zu Roß auf einem weithin sichtbaren Hügel, die meisten Meldun gen bringen nicht mehr die Ordenanzoffiziere und Pa trouillenreiter, sondern der Telegraph und das Telephon und nicht mehr sieht man auf Hügeln die abgeprotzte Artillerie — ein bequemes Ziel für den Feind — Sie sucht heute hübsche Deckung und feuert gegen verdeckte Ziele. Auch die Zeiten sind vorbei, wo man die Batail lone wie auf dem Paradefelde hübsch geschlossen heran rücken sah, jetzt geht eS in losen, weitausgedehnten Li- nien vor, jede kleinste Möglichkeit wird zur Deckung be nutzt und um möglichst wenig Zielfläche zu bieten, wer den fast bei jeder länger zu haltenden Position Gräben ausgeworfen. Eine wichtige Neuerung bildet auch die in diesem Jahre ganz besonders erprobte Verwendung, der Kavallerie als fechtende Fußwaffe, eine Verwendung, die für den Kriegsfall von großer Bedeutung ist, denn der- gestallt kann der Gegner leicht getäuscht werden, indem er glaubt, eS mit größeren Jnfanteriemaffen zu tun zu haben. Die diesjährigen Manöver zeichnen sich ganz durch kriegsmäßige Einrichtungen auS, soweit dies selbst verständlich in dem beschränkten Raume sowie durch die FriedenSoerhältnisse möglich war. Gute Erfahrungen hat man namentlich mit der neuen grauen Felduniform gemacht, mit der einige Regimenter versehen waren; Selbst aus wenige 100 Meter waren die Mannschaften kaum zu erblicken, während die mit den alten Unifor men ausgerüsteten Truppen immerhin noch trotz aller Vorsichtsmaßregeln gute Ziele für den Gegner abgaben. Ganz ausgezeichnet geführt wurde die sogenannte Rote Armee, das erste Armeekorps unter dem Kommando des Generals von Kluch, der eS vortrefflich verstand, den Geg ner durch allerlei Listen zu täuschen und ihm nicht zum wesentlichen dadurch eine Niederlage beizubrmgen. In teressant war auch die Benutzung von militärischen Lenk- ballonS, von denen je einer auf jeder Sette zur Verfü gung stand; daß man sich freilich auf dieses neueste mili tärische Hilfsmittel noch immer nicht genug verlaffen kann, beweist die unfreiwillige Landung eines Lenkbal- -4 Ursula, -i- Roman von CourthS-Mahler. 13. Nachdruck verboten. Die Nacht brach an, ehe sie die Hälfte de» Wege» Hinte, sich hatten. Zum Glück war Heller Mondenschein, Schaurig tönten die ausstöhnenden Atemzüge Arnstetten» durch da» nächt liche Schweigen. Et wurde höchste Zeit, daß er in ärztliche Behandlung kam. Der Führer fragte einige Male: »Halten Sie noch au», Herr Professor?" Vollrat nickte. »Machen Sie sich keine Sorge um mich, ich schaffe e» " Je schwerer da» Rettungtwerk wurde, desto freier wurdt Vollrat um» Herz. E« war ihm eine Wohltat, sich für das Wohl eine» Menschen aufopfern ,u dürfen. Und wenn e» g«' lang, Arnstetten dem Leben wiederzugeben — dann war wieder ein Teil seiner Schuld gesühnt — und Ursula war vor Selbst vorwürfen bewahrt. Und er wußte, wie schwer solche Selbstvorwürse da» Leben machten. Sie sollte nicht so unglücklich werden wie er, so lange er e» verhindern konnte. Al» sie mitten in der Nacht vor dem Gasthause anlangten, ertönte au» einem der Fenster ein banger Schrei. Ursula hatte ihn ausgestoßen. Sie hatte die Männer kommen sehen. Gleich darauf kam sie hinausgeflürzt, hinter ihr Herr von Erlenhorst. Im Nu war da» ganz« Hau» alarmiert. Ursula war noch vollständig angekleidet. Sie war nicht zu Bett gegangen, hatte mit bangen Augen in die Helle Mondnacht hinau»geblickt. Sie hob beschwörend die Hände zu Vollrat empor. .Ist er tot?" Schrie e» in höchster Seelenangst. Er lächelte ihr beruhigend zu. Beilage zu Ur. 109. Ions aus gegnerischem Gelände, ebenso wurden durch eine Falschmeldung von einem Lenkballon aus völlig verkehrte Dispositionen getroffen. Im übrigen aber hat der Ver lauf des Manövers bewiesen, daß unsere Armee noch immer auf der Höhe steht und wir uns darauf verlassen können, daß sie im Ernstfall wie die Veteranen ihre Schuldigkeit tun wird. Kurt von Seydewitz, -er neue sächsische Finanzminister. An Stelle des vr. von Rüger, den sein hohes Alter gezwungen hat aus dem Amte zu scheiden, hat der Kö nig von Sachsen den bisherigen Ministerialdirektor im Fininzministerium Geheimen Rat Kurt von Seydewitz zum Finanzminister ernannt. Herr von Seydewitz ge hört einer Familie des Meißner Uradels an, die dem Lande schon viele verdiente Staatsmänner geschenkt hat; sein Bruder vr. Paul von Seydewitz war in den Jahren 1892—1906 Kultusminister. Der neue Finanzminister wirkte lange Jahre hindurch im Finanzministerium an der Seite seines verdienstvollen Amtsvorgängers, in des sen Geiste er nun das wichtige Amt wetterführen dürfte. Besonders auf dem Gebiete der Eisenbahnverwaltung hat Kurt von Seydewitz bisher bedeutendes geleistet. OerMcbss unv Säcbslscbss. -- (Die Seife wird teurer.) Seit Jahresfrist kämpfen die Seifenfabriken infolge unerwartet einge tretener Preissteigerung der Rohstoffe, namentlich aber der Fettwaren, einen schweren Kampf. Amerikanisches Schmalz erreichte wegen Mangel an Schweinen einen so hohen Preisstand, daß die Einfuhr sich nicht mehr lohnt. Als Ersatz kommt nun neuerdings Kunstspeisefett in großen Mengen in den Handel. Die Speisefettindustrie benötigt bessere Fettstoffe, wie Cocosöl, Palmkernöl, Baumwoll- »Nein, er lebt. Schnell «inen Arzt und «in bequ«me» Lager für den Verunglückten." Im Trubel der nächsten Stunden kam niemand so recht zur Besinnung. Alle» war auf den Beinen und wollte raten und helfen. Vollrat stand wie ein Fel» in der Brandung und dirigierte alle». Der Arzt kam schnell herbei. Ursula lehnte bleich, mit ge schloffenen Augen auf dem Korridor neben der Tür zu Arn stetten» Zimmer. Sie hörte sein dumpfe» Stöhnen, und ihr Herz zitterte vor Schmerz und Selbstanklage. Vollrat und Herr von Erlenhorst waren mit dem Arzt drinnen bei ihm. Vorläufig konnte der Arzt nur den verwundeten Fuß kühlen. Er war so stark angeschwollen, daß an ein« «ing«hende Beurtei lung nicht gedacht werden konnte. Daß «ine Amputation de» Fuße« bi» zum Knöchel notwendig sein würde, entging ihm nicht. Fü, alle Fälle gab er ein Telegramm auf an eive» bekannten Chirurgen der nächsten Stadt. Erlenhorst war tief erschüttert. Er konnte seiner Tochter nicht viel zum Trost« sag«n, al» drr Arzt g«gang«n war. Jeden« fall» wollte er die Nacht bei Arnstetten wache». Er bat Ursula sich wieder niederzulegen. »Nein, Papa — laß mich nur — ich kann doch nicht schlafen. Ach, Papa — wie unglücklich bin ich doch geworden durch meine Schuld." Erlenhorst strich ihr über da» Haar und küßte fie. Ein Wort de» Tröste» sand er selbst nicht. Al» er wieder hineingegangen war, kam Vollrat Heraul. Si, sah ihn mit erloschenen Augen an. Er blieb stehen und faßte ihre Hand. Am liebsten hätte er fie mit seine» Armen umschlungen und sie voll heißen Erbarmen» getröstet. Er wußte, wie e» jetzt in ihr au»sah. Solche Erlebnisse reifen den Menschen, aber sie bergen Not und Verzweiflung. »Möge diese Last von dir genommen werden, Mädchen", sagte er heiser. Fest drückte «r ihre Hand und ging hinau». 62. Jahrgang. saatöl und dergl., die früher nur zur Herstellung von Seife dienten. Die Folge hiervon ist, daß diese Fette einen ungeahnt hohen Preisstand erreicht haben und andere Fettwaren mit in die Höhe treiben. Der Seifenfabrikant sah sich demzufolge gezwungen, die Preise seiner Fabrikate ebenfalls zu erhöhen. Mit dieser Tatsache müssen sich die geehrten Hausfrauen abfinden. Eher ist eine weitere Preissteigerung als ein Preisrückgang anzunehmen. -- (Neuerung im Postscheckverkehr.) Nach dem Muster der seit dem 1. Juli d. IS. im Verkehr be findlichen Nachnahmekarten und Nachnahme-Postpaket adressen mit anhängender Postanweisung werden vom 1. Oktober ab auch Nachnahmekarten und Paketavressen mit anhängender Zahlkarte eingeführt zur Erleichterung der Inhaber von Postscheck konten, welche die für sie eingezogenen Nachnahmebeträge aus ihr Konto überwiesen haben wollen. Die Neuerung wird von den Kontoinhabern, die häufiger Nachnahmekarten oder Nachnahmepakete zur Post geben, nur mit Freuden begrüßt werden. Die Verwendung der billigen Zahl karte zu Ueberweisung von Nachnahmebeträgen auf das Postscheckkonto des Absenders ist seit dem 1. April d. IS. zulässig. Bisher mußte jedoch bet jeder Nachnahmesen- düng der Absender die mit einer Klebeleiste versehene Zahlkarte auf die Rückseite der Postkarte, der Paketadresse usw. kleben und an der Sendung mittels Siegelmarte oder dergl. befestigen, um sie von einer Beschädigung während der Beförderung zu bewahren. Dem wird nun, soweit es sich um die häufigste Art der Nachnahmesen, düngen handelt (d. s. Karten und Pakete) durch das neue Formular abgeholfen. Die auf hellbraunen Kartonpapier hergestellten neuen Formulare werden vom 1. Oktober ab von Postscheckämtern an die Kontoinhaber zum Preise von S Pf. für je 10 Stück abgegeben. Auch werden sie beim Postscheckamt auf Antrag des Kontoinhabers mit seinem Namen und der Nummer seines Kontos bedruckt. Am Schalter der Postanstalten werden sie nicht verkauft. Die beiden Formulare mit anhängender Zahlkarte, also sowohl die Nachnahmekarten als auch die Paketadressen können durch die Privatindustrie hergestellt werden. Sie müssen alsdann mit den amtlichen Muster in Papier, Farbe, Format und Druck genau übereinstimmen. Firmen, die die Formulare für ihren Gebrauch durch Privat druckereien Herstellen lassen wollen, werden von den Ober- Postdirektionen auf Wunsch Probeformulare geliefert. — (Die Saison beginnt.) Nur schwach und zögernd pflegt in den großen und kleinen Städten an fangs September die Saison einzusetzen. Aeußerlich merkt man noch nicht allzuviel davon, daß sie da ist. Aber in tausend Kleinigkeiten macht sie sich doch bemerkbar. Die Theater und Konzerte beginnen mit ihren Vorstellungen und Vorführungen. Die HauSschneidecinnen hantieren in jedem Hause, das auf sich etwas hält. Die Rebhühner flattern gebraten auf den Tisch, aus dem sich nur zu bald wieder Meister Lampe, Freund Hase mit den langen Ohren, sehen lassen wird. Und auch der Nachtisch ist saisonmäßig: Pfirsiche, Aepfel, Trauben und frische Nüsse sorgen dafür, daß auch die verwöhntesten Feinschmecker „saisonbefriedigt" sind. Aber die Saison beginnt nun allmählich auch nach anderer Richtung. Durfte man sich den ganzen Sommer hindurch als gewöhnlicher Feld-, Wald- und Wiesenmensch gebärden, dem etwas Naturwüchsiges anhaftete, so heißt eS jetzt wieder, allmählich die Bildung etwas hindurch- 8i« sah ihm nach und zitterte unter der Wucht de» Schicksal»" »Herr, mein Gott — rette ihn — laß mich nicht unter'' gehen, in Angst und Schuld!" flüsterte sie mit blaffen Lippen vo sich hin. In dieser Nacht streifte Ursula Erlenhorst alle» ab, wa» Uebermut und Unverstand an Schlacken in ihrer Seel« aufgestapelt hatten. In diesen martervollen Nachtstunden reifte ihre Seele vollend». Und ein fester Entschluß wurde von ihr gefaßt. Wenn Arnstetten Schaden litt an seiner Gesundheit — dann gehörte ih, Leben fortan ihm. Dann mußte sie sühnen mit ihrem Leben. Und sie wollte e« ja recht gern tun — wenn er nur durchkam, wenn nur diese entsetzlich« Last von ihr genommen würde. An ein eigene» Glück zu denken, war ihr nicht möglich. Und bei jedem unterdrückten Schmer,«»»schrei, der au» Arnstetten» Zimmer zu ihr herau»drang, wuchs die Opfermut mehr und mehr. Arnstetten» Fuß hatte wirklich amputiert werden müssen. Er war ganz zerschmettert und alle Sehnen zerrissen. E» gab keinen andern Aulweg, dem Patienten da» Leben zu retten. Al» Ursula von der Amputation erfuhr, brach sie zum erstenmal in ihrem Leben ohnmächtig zusammen. Einige Tage später saß sie bleich und elend im Garten vor dem Hotel und sah mit trostlosem Blick vor sich hin. Da trat Vollrat zu ihr, der eben von Arnstetten kam. Lie schrak zusammen. »Wie geht «» ihm heute?' »Gut, recht gut. Wir dürfen hoffen auf baldige Genesung. Und Sie? Wie geht e» Ihnen?" Sie sah mit schmerzendem Blick auf. »Wa» liegt an mir. Wenn er nur wieder grsund wird." »So sollen Sie nicht sprechen. Sie sollen sich ihr Leben dadurch nicht zerstören lassen." Sie faltete dir Hände zusammen und legt« fie verschränkt auf ihre Stirn. Dann sagte sie leise r