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Nr. 102. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 30. August 1910. Seite 2. ein von Herrn und Frau Gneuß gespendetes Abendessen, ! bei welchem das obwaltende gute Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder so recht zum Aus druck kam. Möge es dem Jubilar vergönnt sein, bei steter Gesundheit noch lange seiner Arbeit nachgehen zu können! Ohorn. (Militär-Konzert) Auch an dieser Stelle sei aus das nächsten Donnerstag im Obergasthof stattfin- dende Konzert des Trompeterkorps der ersten Abteilung des 4. Feldartillerie-Regiments Nr. 48 hingewiesen und zu zahlreichem Besuch empfohlen. Nach dem Konzert wird zum Tanz ausgespielt. Großröhrsdorf. (Verleihung.) Se. Majestät der König hat allergnädigst geruht, dem Lehrer Herrn Johann Karl Heinrich LucaS, vormals an hiesiger Schule amtierend, das AlbrechtSkreuz zu verleihen. Leider hat der Dekorierte sich dieser Ehrung nicht lange erfreuen können, da er am Freitag, wie bekannt, seinen langen Leiden erlegen und gestern in den kühlen Schoß der Erde eingebettet worden ist. — Im Namen des Königs! In der Privatklage sache des Schneidermeisters und Agenten Bruno Löwe in Großröhrsdorf, Privatklägers, gegen den Redakteur Jo- Hannes Walter Mohr in Pulsnitz, Angeklagten, wegen Beleidigung hat das Königliche Schöffengericht zu Puls nitz in der Sitzung vom 30. März 1910, an der teilge- nommen haben: 1. Amtsgerichtsrat Reichert, a S Vorsitz ender, 2. Fabrikarbeiter Adam von Pulsnitz M. S., 3. Werkführer Merlin von Großröhrsdorf, als Schöffen, Remunerat Springer, als Gerichtsschreiber, für Recht er kannt: Der Angeklagte Johannes Walter Mohr wird wegen Beleidigung zu fünfzehn Mark Geld verurteilt. Er hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu tra gen. Dem Privatkläger ist auf Kosten des Angeklagten eine Ausfertigung des Urteils zu erteilen. Der verfügende Teil des Urteils ist auf Antrag des Privatklägers binnen zwei Wochen nach Zustellung der Urteilsausfertigung ein mal im „Pulsnitzer Wochenblatte" in demselben Teil und mit derselben Schrift, wie der Abdruck der Beleidigung geschehen, öffentlich bekannt zu machen. Reichert. Bretnig. (Gruppenfest der Gruppe Radeberg des ElbgausängerbundeS.) Von he:rlichstem Wetter begünstigt war das diesjährige Gruppenfest, das am Sonntag hier stattfand. ES mochten sich etwa 400 Sänger der Gruppenvereine Bretnig, Großröhrdorf, Klotzsche, Lange- brück, Pulsnitz und Radeberg eingefunden haben. Nach der Probe der Massenchöre, die im Gasthofe „Zur goldenen Sonne" stattsand, stellte man zum Festzuge, der sich um 3 Uhr vom UebungSlokale durch den festlich geichmückten Ort nach dem Festlokal, dem Gasthof „Zum deutschen HauS" bewegte. Hier begann nachmittags »/.4 Uhr das Gruppenkonzert. Wuchtig wirkte der Anfangschor „Armin bet der Seherin vor der Schlacht im Teutoburger Wald", vom Komponisten Max Thiede dem Elbgausängerbund als Ehrengabe für die Pflege deutschen Liedes gewidmet. Daß Chor und Orchester (Großröhrsdorfer Kapelle) bei dem rythmisH schwierigen Werke gut zusammenhielten, war das Verdienst des energischen Gruppenleiters Herrn Kantor Heinisch-Klotzsche. Auch die den ersten Teil beschließenden Gruppenchöre: „Der Schweizer", „Der Soldat" von Silcher, dessen 50. Todestages man hierdurch gedachte, und „Maien tanz" von Dürrner waren Glanzleistungen. An Einzel chören bot der Männergesangverein Radeberg das schwie rige „Blücher am Rhein" mit prächtigem Solo, der Mili- tärgesangerein Pulsnitz „'S war ein Gruß vom Mütter lein" und der Männergesangverein Pulsnitz „Bunte Blumen" von Jüngst (eine äußerst nennenswerte Leistung!) Der zweite Teil brachte als Massenchöre: „Frühlingsein zug" von Jüngst und als Schlußchor „Das deutsche Lied" von Attenhofer. Der Langebrücker Männergesangverein erfreute durch das Volkslied „Ade", der Liederheim-Klotzsche bot in vorzüglicher Ausarbeitung „Erste Rose" (Richter) und den Schluß bildeten der Männergesangverein Esche bach-Radeberg mit „Sonntag ist's" und „Jägerlust" (guter Vortrag) und der Männergesangverein Bretnig mit dem trinkfrohen „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang". Die Beteiligung der Sänger an den Massenchören war eine so mustergiltige. daß das geräumige (etwas hoch ge legene) Podium sich zeitweise zu klein erwies. Die glatte, pausenlose Abwicklung des Programms verdient beson deres Lob. Der Kommers nahm einen so herrlichen Ver laus, daß ihm einige Zeilen gewidmet werdea müssen. Die vom Orchester mit Schwung vorgetragenr Ouvertüre zu „Prinz Methusalem" schaffte sofort echte Kommers stimmung und trug dem verdienstvollen Direktor Herrn Otto Schäfer einen Extrabeifall ein. Namens der Ge meinde Bretnig begrüßte Herr Vorstand Petzold die Sänger schaft, ihr seinen Dank für die gebotenen Genüsse aus drückend. Herr Ortspfarrer Kränkel legte seiner zu Herzen gehenden Ansprache den alten Sängerspruch zu Grunde: Grüß Gott mit Hellem Klang!, und Herr Müller wünschte der Gruppe Radeberg im Auftrag des Bundesausschusses ein weiteres Blühen und Gedeihen. Es reihte sich nun Vortrag an Vortrag, sodaß aus der langen Reihe nur Herr Schmidt, Vorstand des Männergesangvereins Rade berg, deroorgehoben werden kann, der mit seinem „Finken hahn" und „Schreiners Hochzeit" Lachstürme entfesselte, und die Vereine Max Hirsch und Karl Barth-Radeberg, C. G. Großmann und „Orpheus", Großröhrsdorf genannt werden können. DaS ganze Fest stand im Zeichen er freulicher Disziplin und muß bei allen Teilnehmern den denkbar besten Eindruck hinterlassen haben und zum neuen Weiterstreben anfeuern. Lied hoch! (K. ?.) Kamenz, 29. August. Am gestrigen Sonntag hielt der Verein der Arbeitgeber des Töpfer- und Ofensetzerge werbes in der Kreishauptmannschaft Bautzen (Eingetra gener Verein) seine Jahresversammlung in hiesiger Stadt ab. Den 11 Uhr mittags im Hotel zum Stern eröffne ten Verhandlungen lag folgende Tagesordnung zu Grunde: 1) Bericht über die Dresdner Hauptversammlung, 2) Be richt über den deutschen Verbandstag in Berlin, 3) Be richt über die Konferenz der heiztrchnischen Kommission in Berlin, 4) Stellungnahme hierzu. Vor Beginn der Tagung fand eine Besichtigung der hiesigen einschlägigen Etablissements statt. Nach beendeten Verhandlungen statteten die Teilnehmer unserm schönen Hutberge einen Besuch ab. Bischofswerda. (Scharfschießen.) Die Königlichen Feldartillerie-Regimenter Nr. 28 und 64 werden am 31. August 1910 in der Zeit von vormittags 8 bis nach mittags 1 Uhr in dem von den Ortschaften Ober-Putzkau, Nieder-, Ober-Neukirch, Neudiehmen, GickelShäuser, Tröbi- gau eingeschlossenen Gelände ein Schießen mit scharfer Munition abhalten. 8. Dresden, 29. August. (Der Dresdner Rat haus esel.) Das schöne Elbflorenz hat seine Sensation. In einigen Tagen findet die Wethe des neuen Rathau ses statt und gleichzeitig wird auch der pompöse Rats» Weinkeller eröffnet werden. Der Rat hat für einen guten Tropfen gesorgt, denn sein Kellermeister hat am Rhein, an der Mosel, an der Saar und in Frankreichs Wein bergen für mehr als 350000 M allerbestes Rebenblut erworben. — Prozessor Wrba, Dresdens bekannter Bild ner, hat nun ein Kunstwerk geschaffen, das am Eingänge zum Ratsweinkeller Ausstellung gefunden hat: eine dur- stigen Eselreiter, einen „Dresdner RathauSesel"' Das Bildwerk Wrba'S, Dionysos auf einem zusammen gebro chenen Esel darstellend, ist ein bedeutsames Kunstwerk, aus dem ein antiker, glücklicher weinfroher Geist spricht. Auf einem Eselein, das sich wegmüd und faul mit lech zender Zunge, aber anscheinend gutem Humor, unter seinem Reiter zur Erde gelegt hat, sitzt ein nackter seh niger Bursch, in der erhobenen Linken eine Schale, in der herabhängenden Rechten eine volle strotzende Traube. Wie einstmals am Brunnenbubele in München senden auch gegen Wrba'S neueste Schöpfung Neugier, Spott» sucht und Humor ihre Pfei e und bei Tag und Nacht ist der Dresdner RathauSesel von vielen Personen um lagert Da? Kunstwerk findet wie ehemals das Brun- nenbuvele beim Publikum nicht die echte Würdigung und das echte Verständnis, ja, der Rat hat sich sogar gezwun gen gesehen, jetzt Tag und Nacht das müde Eselein mit seinem durstigen Reiter durch einen Polizeibeamten be- wachen zu lassen, denn die Svottlust des Publikums drohte auSzuarten und dem Kunstwerk selbst drohte Ge fahr. Man macht seine Witze über den Esel, über den griechischen Trinkqott, das heißt die Nüchternen. Man sagt, der Esel sei kein Esel, sondern ein Aff, und die Adern der Gliedmaßen des WeingotteS seien um der-nt- willen so angeschwollen, weil Dionysos so manchen Hum pen durch die trinkfrohe Kehle habe fließen lassen. Aller- ! lei Allotria hat man schon mit dem prächtigen Kunstwerk, das sicher einmal Popularität erlangen wird, wie das erwähnte Münchener Brunnenbubele, getrieben und deshalb hat sich auch, wie schon bemerkt, die Polizei sich des Eselreiters am neuen Rathaus angenommen. Die Spottlust des Publikums kannte in den letzten Tagen keine Grenzen mehr. Ein Spaßvogel steckte dem Eselein eine Handvoll Heu ins Maul, ein anderer Witzbold schob ihm ein Stück Zucker zwischen die Zähne. Ein anderer umwickelte Arme und Beine des Dionysos mit Binden, da er meinte die vom Künstler stark herausgearbetteten Adern deuten auf die Anzeichen einer beginnenden Arte rienverkalkung hin. — Studenten aber zogen mit vollen Humpen zum „durstigen Eselreiter". Sie allein verstan- den den griechischen Trinkgott und tranken ein Glas aus das Wohl des Künstlers Wrba, dem die dionysische Gott heit diese Gestalten offenbarte und dessen Eselreiter ein köstliches WtrtShauSzeichen, charakteristisch, künstlerisch wunderbar durchgearbeitet und herzerfreuend in seinem warmen tiefen Bronzeton ist. Nur über die Platzfrage kann man mit Professor Wrba anderer Meinung sein. 8. Dresden, 30. August. (Hoher Preis für eine Apotheke.) Die am Altmarkte gelegene Marien-Apotheke des Herrn O. Zielke ist für den Preis von 800 000 M ourch Kauf in den Besitz des Herrn Apothekers v. Wolski, bisher in der SalomoniS-Apotheke, übergegangen. Der Antritt erfolgt am 1. Oktober. 8. Dresden, 29. August. (Zeichen der Zeit.) Auf dem Schlachthose in Riesa haben die Pferdeschlachtungen eine derartige Steigerung erfahren, daß sich eine Erwei terung des Pferdeschlachthofes notwendig macht. Im Jahre 1896 wurden 70 Pferde geschlachtet, im Jahre 1909 dagegen 300. Die durch ine Zollpolitik verursachte künst liche Verteuerung der Lebenshaltung ist jedenfalls die Ursache des rapid steigenden Pferdefleischkonsums. Pirna, 29. August. Der Kantoren und Organisten verein der Kreishauptmannschaft Dresden und Boutz n veranstaltet am 28. und 29. September hier seinen dies jährigen VereinStag. Am Mittwoch, den 28. September, findet vormittags 10 Uhr im Hotel Adler die Hauptver sammlung statt, bei der Herr Seminaroberlehrer Organist Hörnig aus Dresden einen Vortrag über: Die neuzeit lichen Bestrebungen auf dem Gebiet der Stimmbildung, mit besonderer Betonung der Methode Professor Engels halten wird. Donnerstag, den 29. September, vormitt- tagS 9 Uhr werden in der Stadtkirche freiwillige Vor träge der Mitglieder geboten und danach wird ein Aus flug nach der Bastei unternommen. Reichenbach, 29. August. (Geh. Kommerzienrat Preibisch s.) Der Geheime Kommerzienrat Preibisch, ein bekannter Lausitzer Großindustrieller, ist heute ge storben. Er war lange Zeit hindurch nationalliberaler sächsischer Landtagsabgeordneter. ^agesgssckicdte. Deutsches Reich. Berlin, 29. August. (Eine ossi» ziöse Erklärung zur Königsberger Kaiserrede.) Die „Norddeutsche Allg. Zeitung" schreibt offiziös: Die Königsberger Rcde des Kaisers hat in einem Teile der Presse starken Protest hervorgerufen. In der Rede soll eine Verkündung des Absolutismus, eine Geringschätzung des Volkes und der Volksvertretungen enthalten sein. Demgegenüber stellen wir zunächst fest, daß die Rede kein Regierungsakt, sondern ein persönliches Bekenntnis des Monarchen war. Als solches atmet es den Geist des auf religiösem Grunde ruhenden Pflichtgefühls, den der Kaiser wiederholt bekundet und bei Ausübung seines Herrscherberufes stets betätigt hat. Als Unterlage für jene Behauptungen dient hauptsächlich die Stelle, welche besagt, daß der Kaiser ohne Rücksicht auf Tagesmeinungen seinen Weg gehen werde Der wäre ein schlechter König, der die Ansichten des Tages zur Richtschnur seines Han delns nähme. Der kaiserliche Redner soll sich aber mit jenem Wort in Gegensatz zur Verfassung gestellt haben. Diese Folgerung läßt sich nur aus der Fiktion einer von schwankenden Stimmungen abhängigen Parlamentsherr schaft oder gar eines Absolutismus der Masse erklären, wovon die Verfassung nichts weiß. Ebensowenig liegt in der Erwähnung der historischen Tatsache, daß die Könige von Preußen die Krone nicht aus der Hand von Parla menten empfangen haben, eine Mißachtung von Volks rechten und Volksbeschlüssen. Damit wäre eS auch nicht in Einklang zu bringen, daß die KönigSbergerReoe einen jeden im Lande zur Mitarbeit an der Wohlfahrt und lried- lichen Entwicklung des Vaterlandes auffordert. Ein Herr scher, der soviel Beweise davon gegeben hat, daß er fest auf dem Boden der Verfassung stehend, die schaffenden Kräf:e des Volkes zu fördern und zu achten weiß, sollte vor solcher Mißdeutung geschützt sein Hiernach ist end lich die Frage, was der Reichskanzler tun werde, leicht zu beantworten. Der Reichskanzler weiß, wie fern es dem Kaiser gelegen hat, sich in den aktuellen Streit der Par teien zu stellen und seiner Rede den absolutistischen Sinn zu geben, der zu Agitationszwecken künstlich hineingelegt und herausgelesen worden ist. Er wird daher den Kaiser gegen willkürliche Auslegungen und bösartige Verdrehungen verteidigen und die Geschäfte wie bisher in vollerjUeber- eir.stimmung mit der Krone unter Wahrung aller ver fassungsmäßigen Rechte führen. Berlin, 29. August. (Zum Zarenbesuch in Deutschland.) Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der Kaffer und die Kaiserin von Rußland kommen mit ihren Kindern nach Deutschland, um im Gr.ßherzogium Hessen bei ihren Verwandten einige Wochen zu verleben. Die Kaiserin Alexandra g-denkt. mit diesem Aufenthalt einen Kurgebrauch der Quellen von Bad Nauheim zu verbinden. ES ist uns eine Freude, die hohen Gäste willkommen zu heißen und uns der Herzlichkeit des Empfanges anzu schließen, der ihnen im schönen Heimatlande der russischen Kaiserin von deutscher Gastfreundschaft bereitet wird. Wir begleiten das Verweilen des verwandten und be freundeten HerrscherpaarcS auf deutschem Boden mit besten Wünschen für die Gesundheit der Kaiserin, wie für das Glück ihres hohen Gemahls und ihre: blühenden Kinder. — „Politik verdirbt den Charakter?!" Zu diesem fast immer gedankenlos nachgesprochenen Worte, das nur in Deutschland zitiert zu werden pflegt, ergreift Emil Bau (Köln) im Organ der Nationalliberalen Jugendvereine in einem sehr beachtenswerten Artikel über „Zentralisa tion der Stichwahlverhandlungen" das Wort. In dem Artikel, der im übrigen den ebenso beachtenswerten wie praktisch schwer durchführbaren Vorschlag macht, daß Aus schüsse der verschiedenen Parteien in Berlin generell die Stichwahlparolen für das ganze Reich auf Grund des Prinzips der Gegenseitigkeit regeln sollen, heißt eS: „Mit sattem Wohlbehagen verschanzt sich der Spießbürger, der Gottes Wasser über Land laufen läßt, mit distinguierter Gelassenheit der vornehme Kaufmann, Fabrikbesitzer und Gelehrte hinter das geflügelte Wort „Politik verdirbt den Charakter", wenn er zur politischen Mitarbeit aufgefor dert wird. In dem erhebenden Selbstgefühl pharisäischer Weisheit steht er unter leisem Achselzucken, mit einer Miene vorsichtiger Zurückhaltung und einem Einschlag wohlwollender Entschuldigung auf die närrischen Menschen, die für das Allgemeinwohl sich mühen, ärgern und ihm zuweilen lästig werden. Voll würdevollen Anstands nimmt er wie selbstverständlich entgegen, wenn deren Erfolge wohltuend ieine Geldbeutelinteressen berühren, oder was sonst Politisches nach seinem Geschmack und Sinne ge» schaffen wird. Aber wehe, wenn Gottes Wasser seine eigenen Kartoffeln bedroht, wenn eine Politik die Ober hand gewinnt, die ihn aus seinem olympischen WirtschastS- oder Geistesleben ausstört. Dann wird Zeter und Mordio geschrieen und ausgerechnet, die, die immer und immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, die selbst um die kleine materielle Unterstützung seiner Stimmabgabe mit Aufopferung großer Arbeit und Mittel haben kämpfen müssen, sollen schuld an dem Unglück sein. Politik ver- dirbt den Charakter genau so viel und so wenig, wie z. B. jede Erwerbstätigkeit es tut, sei es als Kaufmann, Arzt, Beamter oder Handwerker, sie löst ebenso gute und schlechte Charaktereigenschaften aus wie der Sport, die Kunst und tausend andere Dinge, die Handlung und Temperament verlangen. Wie es viele Kaufleute gibt, deren Tun und Handeln die schärfste Kritik besteht, bis herab zum gemeinen Betrüger, Aerzte, die voller Idealis mus ihren Beruf erfüllen, bis herab zum skrupellosen Gewinnsüchtigen, Künstler voll Schönheitssinn und ehr lichem Streben bis herab zum grenzenlos ehrgeizigen, neidischen, anmaßenden Stümper, so gibt eS auch Poli- tiker aller Grade, vom selbstlosen Menschheitsfreund bis