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Nr. 100. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 25. August 1910. Seite 8. zutreten. Nach Mitteilung dieses Schreibens ist auf Wunsch des Reichskanzlers am 28. Februar d. I. ein gemischter Ausschuß im Auswärtigen Amt eingesetzt worden, dem von Seiten des Auswärtigen Amtes die Herren Unter- staatSsekretär Stemrich, vr. v. Schwarzkoppen, vr. Matthieu, Exzellenz von Körner und Or. Lehmann angehörten. Zu diesen Mitgliedern des Auswärtigen waren vier Herren aus den Kreisen der Industrie zugewählt und diese er hielten den Auftrag noch 6 weitere Herren in Vorschlag zu bringen, die zu einer entsprechenden Erweiterung des Ausschusses herangezogen werden sollten. Ueber die Auf gaben dieses Ausschusses war in dem betr. Schreiben ge sagt: „Der Ausschuß oder Jndustriebeirat des Auswär tigen Amtes, wie er eventuell genannt werden sollte, würde vielleicht drei- oder viermal im Jahre in Berlin tagen und sich dann hauptsächlich mit der besseren Or ganisation der kommerziellen Reichsvertretung im Aus lande befassen, aber auch andere auswärtige Dinge be handeln". — RetchStagSabgeordneter Vr. Stresemann findet es angesichts dieser ihm vorliegenden Mitteilung unbegreif lich, wie offiziöse Blätter jetzt davon sprechen können, man habe an die Errichtung eines derartigen Ausschusses nicht gedacht. Man könne unter diesen Umständen nur annehmen, daß der neue Herr im Auswärtigen Amt, der den Gedanken eines derartigen Ausschusses bei seinem Amtsantritt vorgefunden hat, nicht geneigt war, ihn zur Ausführung zu bringen und man die ganze Sache wieder fallen lassen will. — Der unter dem Protektorat Se. Majestät des Königs stehende im Jahre 1875 gegründete Sächsische Mtlttär-LebenSverstcherungS-Verein zu Dresden ist in der Lage, über einen recht erfreulichen Zugang neuer Ver sicherungen im Monat Juli 1910 zu berichten. Es traten ihm in diesem kurzen Zeitraum nicht weniger als 540 Mitglieder mit einer Versicherungssumme von 360850 M bei. Der Gesamtversicherungsbestand beträgt 80 695 Mit glieder mit 23 714 270 M Kapital. Die Auszahlungen an die Mitglieder oder deren Hinterbliebene beziffern sich im Mouat Juli 1910 auf 38 232 Mark und in dem seit Be ginn des 35. Geschäftsjahres verflossenen 6 Monaten auf 209 905 Mark; seit Bestehen des Vereins aber ist die stattliche Summe von 3 460103 Mark ausgezahlt worden. Auskünfte und Prospekte erteilt die Direktion in Dresden, Schulgutstraße 7. Hohenstein-Ernstthal. Hier ist der 8 Uhr-Ladenschluß für alle Geschäftszweige mit offenen Verkaufsstellen an geordnet worden. Leipzig. Die hiesigen Straßenbahn-Angestelten rüsten sich zum Kampfe gegen die Straßenbahn-Ge sellschaften. In zwei von etwa 1200 Angestellten besuchten Nachtversammlungen kamen ihre Forderungen der Neu regelung der Löhne und in Beziehung auf Dienstzeit und Koalitionsfreiheit zum Ausdruck. In einer Resolution wird die Bürgerschaft der Stadt und besonders die organi sierte Arbeiterschaft um eventuelle Unterstützung in diesem Kampfe gebeten. Wenn nicht noch rechtzeitig eine Eini- gung herbeigeführt werden kann, so steht Leipig vor einem Ausstande, der auf fein ganzes Verkehrsleben von tief ein schneidender Wirkung sein wird. Zittau. Schwere Gewitter, die von heftigen Regen güssen begleitet waren, entluden sich am Montag früh über der südlichen Oberlausitz und dem angrenzenden Teil Nordböhmens. Während Zittau und seine nähere Um gegend von Schadenfeuern infolge von Blitzschlägen ver schont geblieben sind, hat der Blitz in Oberburkersdorf, Böhmisch-Weixdorf und Neu-Berzborf gezündet. Auch in Neusalza und Ostritz hat das Unwetter gehaust und be trächtlichen Schaden angerichtet. Ec/ Vie Finanzen des veutscben Deickes im vorigen Iakrs. Der Bericht über den Haus halt des Reiches im Jahre 1909, der vor kurzem bekannt gegeben wurde, zeigt ein ebenso erfreuliches als bemerkenswertes Resultat: Während in dem im Jahre 1998 ausgearbeiteten Vor anschlags die vermutlichen Ko- sten des Reichshaushaltes auf 2,865,409,018 M veranschlagt worden waren, haben sie tat sächlich nur 113,297,581 M we niger, also nur 2,752,111,437 M betragen. Das Reich hat näm lich im Jahre 1909 40,618,803 M weniger ausgegeben, als im Erat vorgesehen war. Das Reichsheer und die Marine ha ben nurzusammen 12,328,000 M etngespart, und an den fortdau ernden Ausgaben des Reichs schatzamtes waren 37,063,00 M erspart worden. Diesen Minder- auSgaben stehen stattliche un vorhergesehene Mehreinnahmen im Betrage von 72,678,778 M gegenüber. Die RetchSpost hat zu dieser Summe 9,088,000 M. die Reichseisenbahnverwaltung 6,363,000 M beigesteuert. Das Reich ist infolge dieser günsti- gen Finanzergebniffe des Jah ¬ res 1909 in der angenehmen Lage, weniger Schulden zu machen, als nötig geschienen hatte, nach dem Voranschlag blieb ein Fehlbetrag von 239,757,900 Mark. Tatsächlich sind aber nur 126,460,319 M durch eine Anleihe zu decken, also wenig mehr als die Hälfte. 6^/7 0<?/7 /-/S/NL'/'/SF W M Gutsherrin von Erlenhorst spielen kann. Hast mich ohnedies mehr al« Buben, denn al« Mädel erzogen." Der alte Herr nahm die Reitmütze vom Kopfe und kraute sich verlegen da« Haar. „Ja, siehst du, Mädchen, dir hat deine gute Mutter ge fehlt. Warst noch zu jung, al» sie dir genommen wurde. Und eine Stiefmutter wollt' ich dir nicht geben. Da hab' ich'« denn allein versucht. Viel Gute« ist dabei nicht heraulgekommen", schloß er mit einem neckenden Seitenblick, in dem sehr viel järt« kicher Vatersiolz lag. Sie richtete sich hoch auf im Sattel und sah ihn strafend an. „Pa — du bist ein Ungeheuer — aber ein liebe«. Geh — spiel dich nicht auf. Ich weiß ja doch, daß du bannig stolz auf deine Tochter bist." „So? — Na, e« geht nicht» über eine gesunde Dosi» Selbst» bewußtsrin. Hopp, Mädel, da kommt rin Graben. Gib acht, sonst liegst du drin!" „Gibt e« ja gar nicht, Pa. Wenn ich sonst zu nicht» nutze bin auf der Welt — reiten kann ich. Da« wirst du mir nicht abstreiten." „Tue ich auch nicht. Aber sieh, da guckt schon da« Herren» felder Dach über die Bäume. Wird wohl die ganze Nachbar schaft auf den Beinen sein, um Lies» zum Geburtstage zu gra tulieren." „Ganz sicher. Pa, da wird e« wieder von allen Seiten milde Erfahrungen für mich abwerfen vom Chor der Mütter. Diejenigen, die einen heirat«fähigen Sohn haben, werden mir vorpredigen, daß e» nun die höchste Zeit für mich ist zum Hei. raten Und die andern werden bei ihren liebevollen Ermah nungen durchblicken lasten, wie unweiblich, wild, unl« b-n«würdig und wer weiß, wat sonst ich' noch alle« bin. Ich komme mir dann immer ganz verwahrlost vor." „Ach nee? Ist da« dein Ernst?" Spott« nur, Pa. Ein bißchen haben sie schon recht. Sonst bin ich ja ganz zufrieden mit mir — aber nur wenn ich mich mit andern jungen Damen vergleich- — dann wackelt da« Gebäude meiner Selbstzufriedenheit ganz bedenklich." „Dann strebe doch danach, diesen jungen Damen gleich zu werden." „Geht nich, Pa. Da« kann ich nicht." „Hm — dann mußt du schon so bleiben wie du bist. Uebrigen« — die jungen Damen in Ehren, sie mögen dir m Wohlerzogenheit und Sanftmut über sein — aber meine wilde Hummel mit ihrem geraden, ehrlichen Sinn ist mir doch lieber. Untersteh dich, Mädel, und wachse dich zu so 'ner Zierpuppe au«, die immer lispelt und die Augen zu Boden schlägt, al« hätte sie kein reine« Gewissen. Herrjeh — da« wäre um auf die Bäume zu klettern. Nee, nee, Mau«, ich wüßte gar nicht, wie ich dich ander« haben wollte — lieber, kleiner Kamerad." Sie drängte ihr Pferd wieder dicht an da« seine und sah mit glänzenden Augen zärtlich in de« Vater» Gesicht. „Pa — lieber Pa!" Ec nickte ihr zu. Seine Augen glänzten feucht. „Schnell einen Kuß, Ursula!" Er fuhr sich mit der Hand über den Bart und drückte seine Lippen auf ihren frischen, roten Mund. Dann lachten sie beide wie ein paar fröhliche Kinder und nahmen die letzte Strecke bi» vor da» Herrenfelder Gut»hau» im flotten Galopp. Dort waren schon am frühen Morgen «ine Minge Gäste «ingetroffen, um der einzigen Tochter de» Hause» zum Geburt», tag zu gratulieren. Erlenhorst und seine Tochter wurden schon von der Veranda au» mit fröhliLem Zuruf begrüßt. Dolf und Han» Herrenfeld kamen herau»gestürzt, um Ursula vom Pferd zu heben. Ehe sie jedoch dazu kamen, war Ursula schon mit einem eleganten Satz herabgesprungen. Sie reichte den beiden Offizieren ohne Ziererei die Hand zum Gruß und nestelte ihr Rettkleid hoch. Dann schritt sie die Verandastusen hinauf, be grüßte Hau»herrn und Hau»frau und beglückwünschte da» blonde, hübsche Geburt»tag«kind. Diese» sah in dem weißen Kl«id, mit Lingesandt. Auf an Gewerbe- und taufmännisck-e Vereine in Städten mit annähernd gleichen Verhältnissen wie Puls nitz in Bezug auf Industrie und Landkundschaft gerichteten Anfragen haben sich die Vorstände wie folgt geäußert: Gewerbe-Verein Annaberg. (18. August.) In Beant wortung Ihres Briefes teile Ihnen mit. daß wir in Annaberg mit dem Ächtuhrladenschluß sehr zufrieden sind. Nachteil hat niemand gehabt, im Gegenteil wird es sehr angenehm empfunden, wenn man Abends im Kreise der Familie das Abendbrot einnehmen kann Mir ist nichts bewußt, daß sich auswärtige Kundschaft weggewöhnt hätte, die halten sich nicht solange in der Stadt auf. Hier wird von keiner Seite über den Ladenschluß geklagt und wie sich das Publi kum daran gewöhnt hat merkt man an den Ausnahmetagen (Sonn abend). Dakommtnach8Uhrkein Käufer, höchstens eine Briefmarke wird verlangt Fleischer und Bäcker sind ebenfalls sofort dabei gewesen. Eine alleinige Ausnahme bilden die Friseure, welche bis 9 Uhr offen halten. Für Annaberg war das Experiment mit dem S Uhr Ladenschluß etwas gewagt, weil unsere Nachbarstadt Buchholz nicht mitmachte und die Gefahr nahe lag, daß unsere Kunden nach 8 Uhr in Buchholz kaufen würden. Das dieses nicht der Fall gewesen ist, zeigte der Umstand, daß Buchholz jetzt ebenfalls den Achtuhrladen schluß eingeführt hat. Wir wünschen Ihnen einen guten Erfolg. Gewerbe-Verein Airchberg. (19. August.) In Beantwor- tung Ihres Geehrten vom 16 ds. teile ich Ihnen mit, daß der Acht uhrladenschluß sich bei uns sehr gut eingesührt hat, sodaß Käufer und Verkäufer ganz voll einverstanden sind und besteht derselbe schon über 2 Jahre. Hier werden die Fabriken um 6 Uhr geschlossen, sodaß der Käufer Zeit hat zum kaufen; es wurde erst auch viel darüber gesprochen, es bedarf nur einer Einrichtung und alle werden damit zufrieden sein. Kann Ihnen also den Achtuhrladenschluß nur empfehlen. Raufmännischer Verein Markranstädt. (18. August.) In Beantwortung Ihres Schreibens vom 16. er. teilen wir Ihnen mit, daß wir mit dem Achtuhrladenschluß sehr gute Erfahrungen gemacht haben und selbst heute die starren Gegner nicht wieder aufgeben würden. Einmal hat sich herausgestellt, daß sich das Publikum sehr schnell daran gewöhnt hat, frühzeitig einzukaufen und das Geschäft in kürzerer Zeit zu erledigen, als wenn bis in die Nachtstunden auf Nachzügler gewartet wird. Anderenteils aber auch empfinden die Ladeninhaber, daß die Spesen für Licht usw. für die Winterstunden wesentlich geringer sind und der Inhaber des Ladengeschäftes mehr über seine Zeit verfügen kann, als früher, wo er an das offene Ge schäft gebunden war. Ich glaube sogar, nicht zu viel zu sagen, daß man heute auf einen noch früheren Ladenschluß einginge. Wenn sich dort einige den früheren Schluß recht schwarz malen, so ist das eine allgemeine Erscheinung, die aber recht mittelaltsrisch und phi listerhaft zu nennen ist. Die Kundschaft gewöhnt sich an alles und ist der beste Beweis der Zweiuhrladenschluß der Leipziger Bankge schäfte und Rauchwarenzurichtereien Sonnabends. Es gehört nur Einmütigkeit dazu Am hiesigen Orte waren die Bäcker und Fleischer nicht dagegen, die größten Gegner waren altväterische Geschäfts leute mit kleinen Geschäften. K. V. verNnsr SetrelOsbörss. Auf die erhöhten amerikanischen Notierungen, die erneute Exportnachfrage Frankreichs und kleineres Ange bot vom Inland gestaltete sich die Tendenz am Weizen markte anfangs fester. Auch Roggen profitierte von der Festigkeit der Weizenpreise, doch war das Geschäft nur unbedeutend. Hafer und Mais blieben behauptet, Rüböl zog im Verlause weiter scharf an, schwächte sich indessen gegen Schluß etwas ab. Wettervorhersage der Kgl. S. Landeswetterwarte zu Dresden Freitag, den 26. August 1910. Südwinde, vorwiegend heiter, etwas wärmer, meist trocken. Magdeburger Wettervorhersage. Freitag, den 26. August 1910. Teils heiter, teils wolkig, etwas kühler, vorwiegend trocken. MrckNckG NacLricvtsn. Pulsnitz. Sonnabend, den 27. August, 1 Uhr Betstunde. HilfSgeistl. Schuster. Sonntag, den 28. August, 14. nach Trinitatis: 8 Uhr Beichte j ,, l/29 „ Predigt (Phil. 3,12—16)) Schuster. r/,2 „ Kindergottesdienst (Luc. 17, 11—19). Pfarrer Schulze. 8 „ Jungsrauenverein. Amtswoche: HilfSgeistl. Schuster. den zierlich gebrannten Löckchen sehr geputzt und sehr feier lich au». „Du kommst im Reitkleid, Ursula", sagte fie enttäuscht. Ursula lachi«. „In Gesellschaft»toilette kann ich mich doch nicht auf» Pferd setzen." „Du konntest doch fahren. Wir wollen später ein Tänz chen arrangieren." „Der Ritt war mir lieber, Liess." „Ich begreife dich nicht." „Da« tust du ja nie." „Aber tanzen ist doch himml'ch. Meine Brüder haben einige Kameraden mitgebracht. Alle« schneidige Tänzer." Ursula« Augen blitzten unwillig. „Da ist guter Rat teuer. Wie konnl' ich aber wissen, daß meiner hier so große Genüsse harren. Aber nun entschuldige mich, ich will erst di- anderen Herrschaften begrüßen." „Sie wandte sich von Liess ab. In nächster Nähe stand Herr v. Arnstrtten. Er hatte Ursula nicht au« den Augen ge laffen. Nun trat er schnell auf sie zu. „Gnädige« Fräulein, darf ich mich nach Ihrem Befinden erkundigen?" Sir sah ein wenig spöttisch in sein stille«, freundliche« Er ficht. Er war blond und blauäugig, rin bi«chen verblaßtr Schattie rungen. Aber seine Züge waren edel geschnitten und an- genehm. „Sie dürfen, Herr von Arnstetten. Ich danke der gütigen Nachfrage. Wie Figura zeigt, geht r« mir recht gut. Nur hab' ich wieder mal Pech gehabt. Man will hier tanzen und ich komme im Reitkleid. „Darf ich nach Erlenhorst reiten und Ihnen ein paffende« Kostüm holen." (Fortsetzung folgt.)