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Pulsnitzer Mchenblatt Donnerstag, 2S. August lStü. Beilage zu Ar. Ivo. 62. Jahrgang. MM IttMWSlG Großröhrsdorf, 21. August. Einberufen von der Ge werbekammer Zittau fand Sonntag nachmittag im Gasthofe zum „grünen Baum" eine sehr stark besuchte Versammlung von Obermeistern und Mitgliedern der Innungen der AmtShauptmannfchaften Bautzen und Ka. menz statt, die infolge der behandelten Gegenstände für das gesamte sächsische Handwerk und Gewerbe von großem Interesse war. Gewerbekammervorsitzender Stadtrat Reiche- Bautzen eröffnete die Versammlung mit begrüßenden Worten, worauf Gemeindevorstand Rentsch für den Ta gungsort die Obermeister willkommen hieß. Syndikus vr. Gebhardt-Zittau leitete die Erörterungen über das Prüfungswesen mit einem Referate ein, aus dem hervor ging, daß die bei der Gewerbekammer Zittau in diesem Jahre eingelaufenen Berichte der Prüfungskommissionen den guten Eindruck des Resultats der Prüfungen befest igt haben. Die Ansprüche an die Prüflinge und deren Leistungen sind wiederum besser geworden. In einzelnen Fällen waren allerdings auch sehr mangelhafte Leistungen zu verzeichnen. Weiter gab Redner Einzelanregungen. In der Debatte wurde unter anderem der Wunsch laut, daß die Prüfungen im ganzen Lande einheitlich gestaltet werden möchten. Beklagt wurde, daß sich noch immer Lehrlinge der Gesellenprüfung nicht unterwerfen, anderer seits stellte aber die Gewerbekammer fest, daß die Zahl der Prüfungen fortgesetzt steigt. Allgemein herrscht die Meinung, daß die Ergänzung der Gewerbeordnung nach der Richtung, daß jeder Lehrling die Gesellenprüfung machen muß, unbedingt nötig ist. Auch der Handwerks und Gewerbekammertag verfolgt dieses Ziel mit Energie. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Weiter sprach Gewerbe kammervorsitzender Reiche-Bautzen über Meister- und ähnliche Kurse. Er konstatierte, daß die Kurse dank des Ernstes und guten Willens der Handwerker von bestem Erfolg begleitet waren. Die Gewerbekammer ist jeder zeit bereit, Wünschen nach Meister- und anderen Fach kursen Rechnung zu tragen. Bahnbrechend ist die Ge werbekammer mit einem Kursus für Frauen und Töchter in Bischofswerda mit bestem Erfolg vorgegangen. Die Versammlung nahm von diesem Bericht Kenntnis. Ein interessantes Thema der Tagesordnung war „Die Frau im Handwerk". Der Referent hierzu, Gewerbekammersyn dikus Or. Gebhardt-Zittau, betonte, daß es nicht ratsam ist, daß die Frau, soweit sie im Gewerbe und Handwerk steht, vollständig von den Bestimmungen der Reichsge werbeordnung unberührt gelaffen wird. Die Gewsrbe- kammer Zittau hat infolgedessen eine Erörterung der Frage in den einzelnen Innungen angeregt und forderte nun Berichte hierüber. Die Aussprache zeigte, daß im Schnei- dergewerbe die weiblichen Arbeitskräfte eine richtige Lehre erhalten und die selbständigen Unternehmerinnen zur Innung gehören sollen. Andere Handwerker warnten aber vor der Weiterverfolgung der Frauenfrage. Die Frau gehöre ins Haus, aber nicht in die Werkstatt und Innung. Oeffne man der Frau die Tür zum Handwerk, so schaffe man eine schwere Konkurrenz, denn die Frau werde wesentlich billiger und anspruchsloser arbeiten als der Mann. Diese Meinung machte die Versammlung zu der ihren. Weiter sprach Stadtrat Reiche-Bautzen über die Staatsdarlehen zur Förderung des Handwerkes. Die Erfahrungen zeigen, daß jetzt der zu diesem Zwecke ge ¬ bildete 2 Millionen Fonds von den Handwerkern zur Be schaffung von Motoren und Maschinen stärker in Anspruch genommen wird als früher. Im letzten Jahre wurden bei der Gew -rbskammer Zittau 81900 M derartige Dar lehen beantragt und mit Ausnahme von 3 Fällen mit 6360 Mark befürwortet. Am meisten haben Tischler, Bäcker, Fleischer und Stellmacher Gebrauch von der Ein richtung gemacht. Die Gewerbekammer Zittau erwartet, da noch Mittel vorhanden sind, weitere Gesuche; mahnt aber dringend zur pünktlichsten Erfüllung der damit ver bundenen Pflichten. Schließlich erfolgte noch die Erör terung allgemeiner Handwerker- und Gewerbefragen. Hierbei wurde auf die Schädigung hingswiesen, die dem Gewerbe trotz der schärferen Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb durch die Veranstaltung zahl- reicher Ausverkäufe durch gewisse Geschäfte erwachsen Der Jnnungsausschuß erstrebt für den Bezirk der Kreis hauptmannschaft Bautzen eine Verordnung zur Bekämpf ung der Ausverkäufe nach dem Muster der Kreishaupt mannschaft Dresden. Die Gewerbekammer Zittau hatte bereits eine Eingabe in dieser Sache an die Kreishaupt mannschaft Bautzen gemacht und darin empfohlen, die Inventur- und Saisonausverkäufe auf 2 im Jahre von 14tägiger Dauer in den Monaten Januar und Februar sowie Juli und August zu beschränken. Daraufhin hat die Kreishauptmannschaft Bautzen der Gewerbekammer nochmals Erörterungen aufgegeben, die gegenwärtig er folgen. Als ebenso schädigend, wie die unlauteren Aus verkäufe betrachtet die Versammlung die Wanderlager und die sogenannten „billigen Tage" der Warenhäuser. Syn dikus l)r. Gebhardt empfahl als Schutzmittel gegen die Wanderlager den Handwerkern, bei den Gemeindebehörden die höchste Besteuerung und ein Oitsgesetz zu erstreben, wonach die Etabiierung des Wanderlagers an dem frag lichen Orte vom Bedürfnis abhängig zu machen ist. Zwecks Bekämpfung des Hausierhandels in den Eisenbahn wagen vierter Klasse hat die Gewerbekammer Zitrau eine Eingabe an die Königl. Generaldnektion der Staats eisenbahnen beschlossen. Weiter wurden Bedenken laut gegen die angeblich gesetzliche Ausdehnung der Sonn tagsruhe. Sodann beschäftigte man sich mit der vom Sächsischen JnnungSverbande geplanten Altersrentenkasse für die Handwerker. Die zunächst noch nicht gesicherte Kasse, die für die Handwerker von großer sozialer Bedeut ung sein würde, wurde mit großer Wärme befürwortet. Andererseits beklagte man tief die Lauheit weiter Hand- werkerkreise in dieser Frage. Die weiteren Erörterungen behandelten die gesetzwidrige LehrlingSzüchteret, die Be aufsichtigung der Handwerksbetriebe u. a. m. Um 6 Uhr erreichte die Tagung ihr Ende. Es erfolgten Ortsbesich tigungen, wobei das neue Rathaus, ein stattliches, kunst volles Bauwerk, allgemein bewundert wurde. Osrtttcdss unS SäcdslfZrss. — (Die zweite Schreckensnacht in Straß- bürg.) War schon vor 40 Jahren die Nacht vom 24. zum 25. August eine grauenvolle gewesen, so sollte die vom 25. zum 26. August 1870 eine noch grauenvollere werden, die Herzen auch der Mutigsten in Angst und Schrecken versetzen. Am 25. August abends 7 Uhr begann von neuem das Bombardement. Aus mehr denn siebzig Festungsgeschützen, aus mehr denn 60 Feldgeschützen er goß sich ein ununterbrochener Eisenhagel über die Zitadelle Ursula. Roman von CourthS-Mahler. 4. Nachdruck »erboten. „Verflipte Rundlichkeit — ich muß entschieden einige Wochen in die Berge, um mir ein bischen Fett abzukraxrln. Hältst du mit, Ursula, oder willst du lieber Herrenfeld» nach Ostende be gleiten?" Ursula sah lächelnd in sein erwartungsvoll-» Gesicht. „War meinst du wohl? Ist eit nun interessanter, mit dir Brummbär in den Alpen herumzuklettern oder mir am Meereik strand von Dolf und Han» Herrenfeld schöne Augen machen und mich anbeten zu kaffen?" Er zuckt« scheinbar gleichmütig die Schultern. „Geschmack« fach«. Mach wa» du willst, mir ist alle« recht. Die Herrenfeld« möchten dich sehr gern mitnehmen." O, du Heuchler I Mach nur au« deinem Herzen keine Mördergrube, ich weiß ja doch, daß du kreuzunglücklich wärest, wollte ich dich allein lassen. Ich gehe natürlich mit dir. Wa« soll ich bei den Herrenfeld«, ist ja doch immer daiselbe." „Ich freue mich sehr, Mau«, daß du mit mir gehen willst. Aber ein bischen ungemütlich ist mir der Gedanke doch, daß du dich der Jugend entziehst und immer zu deinem alten Vater hältst." „Geh doch, Pa. Nun willst du bloß wieder von mir hören, daß mir deine Gesellschaft lieber ist, al« die der gesamten, heirat«« fähigen Männerwelt der Umgegend." „Aber auf diese Weise bekommst du nie einen Mann." „Schluß der Debatte, Pa. Die» Thema ist mir lästig" „Na, denn nich." — Sie ritten nun eine Weile im flotten Trabe schweigend auf dem breiten Reitwege dahin. Die klar«, würzige Lust wehte Ursula» Schleier lustig um ihr Haupt. Busch und Bäume trugen noch da» zartgrüne Laub de» Frühsommer». Zwischen den dunklen Eichen und Buchen stand zuweilen ein schlanke», weiße» Birkenstämmchen. Da» junge Birkenlaub duftete mit dem satten Erdgeruch um di« W«ttr. Schön war solch ein fröhlicher Ritt im Erlenhorster Wald« revier. Ursula sog mit tiefen Atemzügen die Heimatluft ein. In ihren Augen leuchtete warm die Freude an der Schönheit ringsum. Sie summte ein Liedchen vor sich hi». Plötzlich verstummte sie. Vom Dorfkirchlein wurde die zehnte Stunde vttkündet. „Da schlägt e» schon voll, Pa. Wir kommen natürlich wieder zu spät." „Macht nicht«, Mau», wir kommen um halb elf Uhr auch noch zeitig genug zu dem Geburt»tag»klimbim von deiner Busen freundin." „Du, mach mich nicht wild mit diesem Wort. Busenfreun« binnen gibt ek nicht. Ich wenigsten» hab« keine, dazu bin ich viel zu unausstehlich. Außerdem wäre Lies« Herrenfeld nicht mein Genre. Sie ist mir zu sanft, zu süß, zu albern mit ihren ewigen Modejournalen und ihrem permanenten Flirtbedürfni». Und ich bin ihr zu wild, zu unlieben« würdig und im Grunde unausstehlich. Daß wir trotzdem leidlich korrekt miteinander ver« kehren, ist eine Folge unserer großen Wohlerzogenheit." Hierauf antwortete Erlenhorst nur mit einem „Hm!" „Nicht husten, Pa! Jedenfall» bin ich nicht daran schuld, wenn wir unpünktlich kommen." „Ach wa«, akademische» Viertel ist gestattet." „Wir sind doch keine Studenten." „Nee — aber da» mit dem Zuspätkommen haben wir brenzlich rau»." Sie lachten ein Duett. „UebrigenS", fuhr Erlenhorst fort, hab' ich mich doch durch aus nicht verpflichtet, um zehn Uhr da zu sein." „Aber ich hab' e» Liess versprochen." „Dafür kann ich doch nicht. Sag' mal, Ursula, wirst du Kurt von Arnstetten wieder so schlecht behandeln heute?" „Wenn er mich dazu reizt." und die unglückliche Stadt. Bald flammte es an den verschiedensten Stellen aus. Blutigrot färbte sich der Nachthimmel. Und da kam noch die Kunde: Das Mün ster ist getroffen, das Dach des großen Schiffes ist in Brand geraten. Und so war es. Gegen Mitternacht hatte auch daS Münster sein Schicksal ereilt. Gierig umleckten die Flammen das stolze gewaltige Bauwerk. Ein wahrhaft schauriger Anblick bot sich. Und immer von neuem sangen die Eisengeschosse ihre nervenerschüt ternde Melodie. Um 2 Uhr nachts schwieg endlich das Feuer, trat für die geängstigten Bewohner Ruhe ein. Am Abend des 26. August bemächtigte sich plötzlich der Straßburger Einwohnerschaft Helle Freude. Man glaubte in der Ferne Kanonendonner gehört zu haben, glaubte ein französisches Korps sei zum Entsätze Straßburgs her beigeeilt, sei im Kampfe mit den Belagerern, glaubte man, nun gerettet zu sein. Doch nur zu bald sollte man inne werden, daß man sich getäuscht hatte, daß die Freude eine ettele war, daß Frankreich nichts zur Errettung tat. Und doch sollte daS Elend der Bewohner von nun an nicht weiter erhöht werden. Zwar richtete auch noch das Bom bardement in der Nacht vom 26. zum 27. August verächt lichen Schaden an, doch in der folgenden Zeit war das Hauptziel des Bombardements nur allein die Festung und nur in denjenigen Teilen der Stadt entstand weiterer Schaden, die in der Schußlinie lagen, die dem Feinde den Zugang zu se.nen eigenen Werken ermöglichten. DaS Stadtbombardement hatte sein Ende erreicht, nur noch das Bombardement der Festung wurde fortgesetzt, um endlich zu weichen den zähen, an sich völlig nutzlosen Widerstand Uhrichs, um wieder zuzuführen die alte deutsche Reichsstadt dem neuen deutschen Reiche. 8. Dresden, 23. August. (Kein Jndustriebeirar für das Auswärtige Ami?) Das Organ des Ver Landes Sächsischer Industrieller brachte kürzlich die Mit teilung, daß demnächst ein Im ustriebeirat für das Aus wärtige Amt in Funktion treten werde. Die Meldung rührte von dem Syndikus des Verbandes Sächsischer In dustrieller Reichstagsabgeordneten vr. Stresemann her. — In einer offiziösen Korrespondenz wird nun die Ab sicht des Auswärtigen Amtes, einen solchen Beirat zu schaffen, bestritten. ES heißt in den offiziösen Auslassungen wörtlich: „Man wird ohne weiteres annehmcn dürfen, daß eine solche Absicht im Auswärtigen Amt tatsächlich nicht besteht. Für Fragen der auswärtigen Politik kann ein Beirat aus den Kreisen des Handels und der Industrie wohl nicht in Frage kommen.. Es könnte sich also über haupt nur um die handelspolitische Abteilung des Aus wärtigen Amtes handeln, in der unsere Handelsbezieh ungen zu fremden Staaten gemeinsam mit dem Reichs amt des Innern und dem Reichsschatzamt bearbeitet werden. Für diese Reichsbehörden besteht aber bekannt lich der Wirtschaftliche Ausschuß, der in allen Fragen unserer Handelspolitik zur Begutachtung einberufen wird und soeben erst eine Erweiterung seiner Mitglieder er fahren hat. Daneben noch einen Wirtschaftlichen Beirat zu bilden liegt kaum eine Veranlassung vor." — Gegen über dieser offiziösen Verlautbarung weist jetzt Reichs tagsabgeordneter vr. Stresemann darauf hin, daß einem Mitglied des engeren Vorstandes des Verbandes Sächsischer Industrieller unter dem 8. Juni d. I. die Anfrage zu gegangen war, ob er geneigt sei, in einen zu schaffenden Ausschuß oder Jndustriebeirat des Auswärigen Amtes ein- „Er tut dir doch nie etwa« zuleide." „Nein. Aber seine ganze Art ist mir gräßlich. Weißt du — so Vergißmeinnicht in Milch gekocht, ist mir eine schreck liche Mischung." „Damit tust du ihm unrecht. Er ist ein ganzer Mann. Alle Menschen können nicht so wilde stürmische DraufloSgänger sein, wie du. Da» gäbe eine heillose Wirtschaft." „Dank, Pa! Du stellst mich in ein schöne« Licht." „Recht hab' ich doch. Arnstetten ist still und ruhig — und, weil er dich liebt, dir gegenüber zu nachsichtig. Aber er ist ein tüchtiger Landwirt — famoser Kerl überhaupt. Mädel, e« ist jammerschade, daß du dir nicht« au« ihm machst. Er wäre wahrhaftig ein Schwiegersohn nach meinem Herzen." Ursula riß wild an den Zügeln, sodaß da« Pferd sich nervö« aufbäumte. Sie mußte el erst wieder beruhigen. Dann ant« wortete sie ernst: „Da« schlag dir ja au« dem Sinn, Pa. Arnstetten mag ein Schwiegersohn sein für dich, aber kein Mann für mich. Den hätte ich gründlich unter dem Pantoffel — und dafür danke ich. Ein Mann, dem ich angehören soll, der muß mir imponieren. Heiß und kalt muß mir werden, wenn er mich ansieht, und schon seine Augen müssen mir gebieten: Die» tue und jene« laste." Erlenhorst lachte gutmütig. „Racker, solch einem Mann gibt «» ja gar nicht." „Dann werde ich lieber mit Grazie eine alte Jungfer." „Du Nichtsnutz, wa« soll dann au« m«inem schönen Erlen horst werden, wenn ich mal nicht mehr bin?" Sie lachte übermütig, und dann ritt sie dicht an seine Seite und streichelte zärtlich seinen Arm. In ihren Augen lag dabei «in w«ich«r, li«bevoll«r Au»druck. „Vorläufig bist du gottlob noch — und zwar s«hr. Pa — wir beide nehmen r« schon noch zusammen auf, bi« auch ich alt und grau geworden bin. Und dann hat deine wilde, nicht», nutzige Ursula so viel von dir gelernt, daß sie mit Würde di