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Pulsnitzer Wochenblatt 1elegr.-6dr.: Wochenblatt Pulsnitz vszirks-ttnzsigsr Fernsprecher: Nr. 18. Erscheint: Dienstag, Donnerstag u.Sonnabenv. 5lmts des Königs. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz Zeitraubender und tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Erfüllungsort ist Pulsnitz. Inserate kür denselben Tag sind bis vormittags IO-Uhr aukzugebsn. Dis künk mal gespaltene Zeile oder deren Naum l 2 pk., Lokalpreis t 0 pk. Neklame 25 pk. Bei Wiederholungen Nabatt. Nbonnement: Monatlich 45 pk., vierteljährlich Mk. 1.25 bei kreier Zustellung ins Saus, durch dis Post bezogen Mk. 1.41. Mit „Illustr. Sonnlagsblatt", „Landwirtschaft, licher Beilage" und „§ür Haus und Herd". und Zeitung vlatt umfassend dis Ortschaften: Pulsnitz, Pulsnitz M. S., Vollung, Orohröhrsdork, Sretnig, fZauswalde, Ohorn, Obersteina, Nisder- ftllllöulull I Ul 06II kl IiIIPgOt Ichisoozirir PUtSIllo, steina, Weihdach, Ober- u. Disderlichtenau, Zrisdersdorf-Thiemendors, Mittelbach,Orohnaundorf, Lichtenberg, Mein-Dittmannsdorf. Druck und Verlag von L. L. Förster's Erben (Inh.: 7« XV. Mohr). Expedition: Pulsnitz, Vismarckplatz Dr. 265. Verantwortlicher Nedakteur: I. XV. Mohr in Pulsnitz. Kr. «3. Dienstag, dm S. August 191V. «2. Jahrgang. Arbeitsnachweis. Gesucht werden: 2 Arbeiterfamilien für Landwirtschaft für 1. Oktober 1910 bei freier Wohnung, Lohn und Deputat nach Uebereinkunft, von Rittergut Döbra. 2 Tischlergesellen fürsofort in dauernde Beschäftigung von Carl Kapelle, Tischlermeister, Schwepnitz i. Sa. 2 Bau- nnd Möbeltischler in dauernde Stellung von Hugo Gey, Tischlermeister, Königsbrück. Aas Wichtigke. In Dresden tagte am Sonnabend und Sonntag der 8. Sächsische Handlungsgehilfentag. (S. d. bes. Art.) Der deutsche Kronprinz wird am 23 d. Mts. zum Hector MÄAnificeniissimus an der Königsberger Uni versität investiert und proklamiert werden. In Berlin hat ein Sturm am Sonntag große Ver wüstungen angerichtet. Am 22. d. Mts. beginnen die großen Kaisermanöver der Hochseeflotte in der Ost- und Nordsee. Um den deutschen Kohlenbergbau zu fördern, will die bayrische Staatsbahnverwaltung keine böhmische Braunkohle mehr für den Lokomotivenbedarf be ziehen. Am nächsten Donnerstag treten auf den Werften in Bremen und Vegesack 5500 Werftarbeiter in den Streik. Auf den Naphtawerken der Moskau-Kaukasischen Ge sellschaft in Baku ist eine Springquelle zutage ge treten, die täglich 350 000 Pud Naphta auswirst. Aus der WmerM m vierzig Zähren. Sachsens erste Gefangene. — Das erste Feuergefccht der sächsischen Truppen. — Der erste Schuß aus sächsischen Ka nonen. — Die ersten Tote» aus sächsischer Seite. — Kronprinz Alberts erstes Feuergefccht. — Die mörderischen Fahnen. . (Nachdruck verboten.) Die große Zeit von 1870/71 jährt sich Heuer zum 40. Male. Gleich den Truppen anderer deutscher Staaten haben auch die sächsischen ruhmreiche Heldentaten ver richtet. Wir geben hier zur Erinnerung an jene bewegte Zeit einige weniger bekannte, interessante Episoden aus dem großen Kriege wieder, an denen die sächsische Armee besonders hervorragend beteiligt ist. Die ersten Gefangenen im Kriege 1870/71 wurden von der sächsischen Armee am 17. August gemacht. Die 12. Kavallerie-Division hatte bet VigneulleS Rendezvous und erhielt den Auftrag, nach Harville vorzugehcn und gegen die Straße Metz-Etoin zu rekognoszieren. Sie traf bereits früh '/,8 Uhr bei Harville, um 9 Uhr mit der 23. Kavallerie-Brigade bet St. Jean les Buzy, mit der 24. bet Parfondoupt an der Straße von Metz nach Etoin ein. Dort stießen die sächsischen Soldaten zum ersten / Male in Feindesland, dessen Grenze die sächsische Armee am 11. August unter großem Jubel überschritten hatte, auf feindliche Soldaten. ES waren versprengte Rothosen, die sich sofort beim Anblick der blauen sächsischen Uni formen gefangen gaben. Das erste Feuergefecht, in das sächsische Truppen ver wickelt wurden, fand an dem denkwürdigen 18. August, - dem RuhmeStage von St. Marieaux CheneS und St. Privat de la Montagne statt. Die 24. Division (General major Nehrhoff von Holderberg) und die 23. Division Generalleutnant Prinz Georg) sowie die Avantgarde Generalmajor von CrauShaar) hatten den Befehl erhal ten, nach Roncourt oorzugehen bezw. St. Marie direkt anzugreifen. Die Avantgarde traf um Uhr nach- mittags auf den Höhen von Moineville ein. Hier war « «s, wo die ersten sächsischen Truppen ins Feuer kamen. ES waren dies das 2. Schützenbataillon (Major von DztembowSky), das 3. Schützenbataillon (Major Allmer l) und die 2. leichte Batterie (Hauptmann Westmann) Bet ihrem Erscheinen auf den Höhen erhielten sie lebhaftes Feuer von dem an der Westlistere von St. Marie stehen den Feind, das von den sächsischen Truppen erwidert wurde. Um ebendieselbe Zeit fiel auch der erste Schuß aus einer sächsischen Kanone. ES waren die Batterien der 24. Division, die 3. schwere Batterie (Hauptmann Keyßelitz), die 4. schwere Batterie (Hauptmann Groh) und die 4. leichte Batterie (Major v. d. Pforte), sämtlich von der 2. Fußabteilung des Feldartillerie-Regiments Nr. 12 (Major Richter), die das Feuer, und zwar aus einer Po ¬ sition nordwestlich von St. Ail, um i/,3 Uhr nachmittags eröffneten. Die ersten Toten aus sächsischer Seite fielen bei dem schwierigen Angriff aus St. Marie aux CheneS am 18. August nachmittags 3 Uhr 10 Minuten. St. Marie aux CheneS ist ein durchaus massiv gebautes, großes Dors, dessen äußere Umfassung fast ganz aus einer zu sammenhängenden Mauer bestand, die natürlich dem da- Dorf besetzenden Feind vortreffliche Deckung bot. Da gegen fällt das Terrain nach West und Süd von dem Dorfe in sanfter Böschung glaciSartig ab, und kein Baum, nicht einmal ein Strauch oder eine Unebenheit des Bodens bieten hier dem Angreifer Deckung, sodaß dieser schonungs los dem Feuer des Verteidigers schon von ca. 1800 m an ausgesetzt ist. Unter den Angreifern befanden sich die 12. Jäger (Major Graf von Holtzendorff), die ersten und dritten Bataillone des 104. Regiments (Oberst von Elter lein) und des 105 Regiments (Oberst von Tettau), das 3. Schützenbataillon (Majcr Allmer I) und die 4. Kom pagnie des 105. Regiments. Trotz des verheerenden, wahrhaft mörderischen Feuers, das unsere die glatten Anhöhen anstürmenden Truppen erhielten, stürmten sie, ohne einen Schuß zu tun, gegen das Dors an und in dasselbe hinein, sodaß die von drei Seiten überfallenen Franzosen schleunigst das Dorf räumten, wobei sie meh rere Hundert Gefangene in den Händen unserer siegreichen Truppen zurückließen. Freilich hatten unsere braven Truppen bei diesem mit wahrer Todesverachtung ge machten Angriff namhafte Verluste erlitten. Von Offi zieren wurde hier verwundet der Generalmajor von Leon- hardi, Major Allmer I vom 3. Schützenbataillon fiel. Kronprinz Albert, der kommandierende General, kam bei diesen Kämpfen um St. Marie und St. Privat zum ersten Male ins Feuer. Er hielt mit seinem Stabe bei Roncourt, und unter seinen Augen vollzog sich der von der Artillerie unterstützte Jnfanterieangriff auf St. Privat. An ihm nahm Generalleutnant Prinz Georg als Kom mandeur der 23. Infanterie-Division teil, und zwar im ersten Treffen des rechten Flügels der 45. Brigade. Bei dem Sturm auf St. Privat fiel Oberst von Schweinitz an der Spitze seines 107. Regiments. 23 sächsische Kom pagnien, nämlich acht Kompagnien des 107., acht des 101. und sieben Kompagnien des Leib-Grenadier-Regi- ments waren bei dem Sturm beteiligt. Bei ihm fand auch Generalmajor v. CrauShaar, Befehlshaber der Avant garde, den Heldentod. Ein mörderisches Feuer wurde besonders auf die Fahne des 1. Bataillons des 107. Regiments eröffnet. Mit ihr in der Hand sanken nachstnander nieder: Haupt mann Wichmann tot, Adjutant Leutnant von Götz tot, Leutnant Hahn verwundet, Unteroffizier Thümmel und Feldwebel Schumann tot, Soldat Manig schwer verwun det. Erst dem Gefreiten Hofmann, also dem siebenten Mann, gelang eS, die Fahne ins Dorf zu tragen. Auch die Fahne des 2. Bataillons des 107. Regiments forderte große Opfer. Mit ihr fielen Hauptmann v. Pape und ein unermittelt gebliebener Soldat, Feldwebel Thaßler und Sergeant Donner wurden verwundet und erst Soldat Götze konnte die Fahne ins Dorf tragen. Bei dem wei teren Sturm auf St. Privat fiel Oberst von Röder. Die sächsische Armee hatte an diesem denkwürdigen 18 August große Verluste. Es blieben: 16 Offiziere tot, 73 ver wundet, wovon später noch 13 starben, 233 Unteroffiziere und Mannschaften tot und 1440 verwundet, 425 vermißt, wahrscheinlich tot, im ganzen also 89 Offiziere, 2089 Unteroffiziere und Mannschaften, 110 Pferde. Am meisten litt das 1. Bataillon des 8. Infanterieregiments Nr. 107, das nur 2 Offiziere behielt! Die Tapferkeit der sächsischen Truppen und die Vorzüglichkeit der Leitung durch Kron prinz Albert und Prinz Georg wurde vom König Wil helm von Prenßen in einem an den König von Sachsen gerichteten Telegramm warm anerkannt. König Johann seinerseits erließ an die Truppen einen Dank und Tages befehl. v. n. OsrtNcdos unv Sücbslscdes. Pulsnitz. (Einquartierung.) Die für 8. d. M. in hiesiger Stadt erwartete Einquartierung, bestehend aus 13 Offizieren, 70 Mann und 27 Pferden der Feld-Art.« Regiments Nr. 48, traf gegen 12 Uhr mittags ein, wo rauf die Geschütze, Gepäck- und MnnitionSwagen auf dem Marktplatz ordnungsgemäß aufgestellt und die Quartiere bezogen wurden. Gleichzeitig waren 2 Offiziere, 10 Mann, 9 Pferde im hiesigen Rittergut und 16 Mann und 20 Pferde in Pulsnitz M. S. von derselben Truppe un tergebracht. Diese Batterie befand sich auf dem Marsch von Pirna nach Königsbrück und rückte am heutigen Tage gegen 6 Uhr vormittags nach dem Truppenübungs platz Königsbrück ab, wo bis 29. d M. Scharfschießen stattftndet. Von da aus begiebt sich diese Truppe ins Manövergelände bei Bautzen und bezieht in Bautzen Quartiere. PnlSnitz, 9. August. Der Viehmarkt, welcher heute hier abgehalten wurde, wies einen Auftrieb von 70 Ria- dern und 80 Schweinen auf. In beiden Tiergattungen ließ der Geschäftsgang zu wünschen übrig Pulsnitz. Die Ferienzeit neigt ihrem Ende zu. ES ist eine eigenartige Stimmung, wenn von den frohen Ferientagen sich Woche um Woche abgewickelt hat und der Ernst des Alltags allmählich wieder an die Tür zu pochen beginnt. Dann haucht Frau Wehmut über die Herzen. Keine Träne rollt, aber eine gewi e Bangigkeit hat doch alle erfaßt: Jung uno Alt. Und denken die Kleinen an die straffe Zucht der Schule, so verslattert auch den Erwachsenen das Phantom sorgloser Ungebun denheit. Jedem ist es, als tröpfele ein Tröpflein bitteren Wehmuts in seinen Freudenkelch, der nun fast zur Neige geleert auf seinem Ferientische steht . . . Doch der prak tische Mensch findet sich in alles, waS ihm unvermeidlich erscheint. Und glücklicherweise find heute die praktischen Menschen in der Mehrzahl. Sie verstehen die schwere Kunst, sich mit den Dingen abzufinden, wie sie sind. Man braucht deshalb noch keineswegs allen Idealen un treu geworden zu sein. Denn auch in Realen liegt Poesie. Man muß sie nur zu finden wissen. Dem Frohmütigen aber lacht das Leben überall; in Arbeit und Ueberfluß, in Freiheit und Gebundenheit, in der Tatkraflbetätigung des Alltags und im sommerlichen Genießen seliger Feri enzeit! Auch wenn die Ferien zur Neige gehen, soll man den Kopf nicht hängen lassen, denn die Ferien sollen bis zum letzten Augenblick die Quelle seelischer und körper licher Kräftigung sein. Was sie uns geben, soll Monde hindurch vorhalten. Und kommen auch die letzten Feri- entage näher und näher, wie lange dauert es, daß der neue Sommer neue Blüten und neue Ferien bringt? Es ist ein altes Wort, daß man vom Liebsten was man hat, scheiden muß. Auch für die Ferienzeit trifft das zu. Aber alles Liebe lebt sonnig in unserer Erinnerung wei ter. Sollten das die Freuden der Ferientage nicht auch tun? Schlecht wäre es um uns bestellt, wenn das nicht der Fall wäre. So aber bleibt uns die Dichterlosung: Wenn die goldnen Tage scheiden, Soll nicht Mißmut sie verleiden; Die nur wahrhaft sie beglücken. Die froh in die Zukunft blicken. — Heut vor vierzig Jahren, am 9. August 1870 traf König Wilhelm von Preußen mit dem großen Hauptquartier in Saabrücken ein. Auf seiner Reise von Homburg über St. Ingbert nach Saarbrücken begegneten ihm sächsische, hessische, mecklenburgische, preußische Trup penteile, sie alle jubelten dem greisen König zu. In Saarbrücken selbst gestaltete sich sein Einzug zu einer mächtigen Ovation. Hier in Saarbrücken wurden auch die letzten Anordnungen fertiggestellt zu den Marsch plänen, die die siegreiche dritte Armee von den Höhen von Fröschweiler durch die Vogesenpässe an dD Saar führen sollten, um mit vereinten Kräften den Gegner zu fassen. Heut vor 40 Jahren ergab sich die auf der Marsch linie der Württemberger gelegene Feste Lichtenberg, er gaben sich die aus der Marschlinie des V. Korps gelegenen Festen Lützelstein und Pfalzburg. Nur das auf der Marschltnie der Bayern gelegene Bitsch ergab sich nicht, und dieses Bitsch blieb auch gemäß seiner uneinnehmbaren Lage während des KriegcS der einzige feste Platz der Franzosen, der nicht kapitulierte.