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Nr. 20. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 19. Februar 1910. Seite 2. Dieser Kirchenpatz ist für 15 Pf. postfrei zu haben beim Formular Verlag Neufriedstein in Gautzsch bei Leipzig. — (Zur Berusswahl.) Handwerk hat noch immer einen goldnen Boden. Leider gibt es heute gar viele Eltern, die ihre Söhne vom 1. Tage der Schulentlassung an, in die Fabrik schicken, damit sie gleich ein paar Mark verdienen. Solches Tun ist in keinem Falle im Interesse der jungen Leute, denn ungelernte Fabrikarbeiter gibt es heutigen Tages mehr als genug. Jeder Vater, der nicht über genügende Geldmittel verfügt, sollte in erster Linie bestrebt sein, seinen Sohn ein Handwerk erlernen zu lassen, -denn für fähige und strebsame junge Leute hat eine gründliche Erlernung eines Handwerks zwei wesentliche Vorteile. Sie bietet den meisten von ihnen die einzige Möglichkeit, einmal zur wirtschaftlichen Selbst ständigkeit zu gelangen und allen übrigen gibt sie die Gewähr für eine auskömmliche und verhältnismäßig un abhängige Lebensstellung, denn ein allseitig ausgebildeter tüchtiger Handwerker ist ein sehr gesuchter und überall gut bezahlter Arbeiter, einerlei, ob er Geselle oder Meister ist und namentlich die Fabriken sind es, die gut aus gebildete, tüchtige junge Handwerker gut bezahlen. Aller dings ist zur Erlernung eines Handwerks heutigen Tages mehr den je eine gute Schulbildung und eine normale körperliche Beschaffenheit unbedingt erforderlich. Der an gehende Handwerkslehrling muß unbedingt mindestens eine abgeschlossene gute Volksschulbildung besitzen, hat er eine Mittelschule oder eine Realschule durchgemacht, so ist dies für sein Fortkommen im Handwerk nur besonders vorteilhaft, er wird sich dann im Handwerk in den aller meisten Fällen eine weit bessere und auch geachtete Existenz erringen als z. B. Kaufmann oder Krämer. Wir wollen nur wünschen, daß diese Winke auch allseitig Be achtung finden zum Wohle derer, die binnen kurzem die Schule verlassen und in das Leben eintreten. — (Das Einkommen in Sachsen 1908.) Die Einschätzungen für das Jahr 1908 haben zu einem außer- ordentl ch günstigen Ergebnis geführt. Das insgesamt eingeschätzte Einkommen belief sich bei den physischen Personen auf 2 705 411000 Mark, bei den nichtphysischen Personen auf 92163 233 Mark, das sind zusammen 2 797 574 233 Mark oder rund 277 Millionen Mark mehr als im Jahre 1906. Ein solcher Sprung ist in den zweijährigen Zwischenräumen der spezielleren Ermitte lungen noch nie gemacht worden. Allerdings ist auch die Zahl der eingeschätzten Personen von 1945 806 im Jahre 1906 auf 2 042 967 im Jahre 1908 gestiegen, hat sich also um 97161 vermehrt, aber das Endergebnis zeigt die erfreuliche Tatsache, daß das Einkommen bei einer Verteilung auf den Kopf der Bevölkerung von 559,02 M im Jahre 1906 auf 603,28 Mark im Jahre 1908 stieg. Vor 10 Jahren, im Jahre 1900, betrug es 506,78 Mark; eS hat sich also im letzten Jahrzehnt um 96,50 Mark pro Einwohner erhöht. — Am 1. Dezember 1909 erfolgte unter zahlreicher Beteiligung der Bureaudiener der Staatsbehörden die Gründung eines Vereins, welcher den Namen „Landes- verein der Diener sämtlicher Staatsbehörden im König reich Sachsen" führt. Zweck und Ziel des Vereins sind: Hebung der StandeSinterefien, Erreichung einer gleich, mäßigen Besoldung für die jetzt noch in 3 Klassen ein geleilten Bureaudiener; ferner gewährt der Verein bei Sterbefällen für Mitglieoer und deren Ehefrauen eine Beerdigungsbeihilfe von 100 M. Sitz des Vereins ist Dresden. Der Vorsitzende ist zurzeit Hermann Klunker, bei der Königlichen Poltzeidirektion Dresden, an welchen auch alle Anfragen über Beitritt usw. zu richten sind. — Das diesjährige Musterungsgeschäft im Aushebungsbezirke Kamenz findet in den Tagen vom 1. b'S 11. März statt, und zwar in Königsbrück am 1. und 2., in Pulsnitz am 3., 4., 5. und 7 , und in Ka menz am 8., 9., 10. und 11. März. Hieraus folgt am 12. März die Losung für sämtliche im Jahre 1890 ge- geborenen Militärpflichtigen. — Laut Bekanntmachung dec Königlichen Amts hauptmannschaft Kamenz werden die diesjährigen Stuten musterungen und Fohlenschauen wie folgt abgehalten: 1., Kamenz, am 29. April vormittags 9 Uhr, 2., Strehla bei Bautzen, am 26. April nachmittags '/,1 Uhr, 3., Mo ritzburg, am 27. April vormittags 9 Uhr. — (Weibliche Realschüler.) Die Zulassung der Mädchen in städtischen Realschulen wird zweifellos in Kürze eine sächsische Mittelstadt der anderen nachmachen. Nachdem erst kürzlich die städtischen Körperschaften in Meerane einen dahingehenden Beschluß gefaßt haben, folgt jetzt Reichenbach i. V. Man äußerte sich hierzu im Stadtverordnetenkollegium, daß es zweifellos richtiger sei, wenn statt der akademischen Ausbildung der Frauen die praktische mehr angestrebt werde. Doch müsse man der modernen Strömung Rechnung tragen, um nicht als rückständig angesehen zu werden. Aus diesem Grunde sprachen sich auch die Stadtverordneten dahin aus, daß sie keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Ratsbeschluß hätten. — In Zwickau hat der Rat beschlossen, daß Mäd chen im Gymnasium Aufnahme finden sollen. — In den Lausitzer Flußgebieten wurden in der 1. Dekade (1. bis 10.) des Februar folgende Nieder schlagsmengen im mm oder Litern pro Quatratmeter ge messen: Spree 16 (normal 10), Löbauer Wasser 15 (9), Mandau 18 (12), Neiße 20 (10), Schwarze Elster 15 (8), Pulsnitz 16 (9). — Unte.normul waren die Nieders, läge nur in wenigen Flußgebieten Sachsens, insbesondere im Südwesten. Dresden, 17. Januar. (Ein deutscher Bauern- bund in Sachsen.) -kleinere und mittlere Gutsbesitzer Sachsens gründeten einen deutschen Bauernbund im Königreich Sachsen. Er bezweckt die Bekämpfung der Vorrechte der Rittergüter unter Fühlungnahme mit dem Mitt.lstand in Steuerfragen. 8. Dresden, 18. Februar. (Ein Major wegenBe- truges angeklagt) Die Staatsanwaltschaft am Dresdner Landgericht hat gegen den in Radebeul woh nenden Major a. D. Heinrich Wilhelm Weigel Anklage wegen Betruges erhoben und die 5. Strafkammer hatte bereits wiederholt Verhandlungstermine anberaumt. Der Major hatte aber bis jetzt jedesmal die Absicht des Ge richts durchkreuzt und war bis jetzt nie erschienen. Er hatte stets ein ärztliches Gesundheitsattest eingesandt und das Gericht hatte in entgegenkommender Weise das ärztliche Attest als Entschuldigung gelten lassen und den Verhandlungstermin jedesmal vertagt. Aber auch dem besten Richter reißt einmal der Geduldsfaden. Am Don nerstag sollte wiederum gegen den Major verhandelt werden. Aus Dresden, Blasewitz und Radebeul waren 12 Zeugen geladen, aber der angeklagte Major war aber mals nicht erschienen. Dafür aber sein Verteidiger. Dieser erklärte dem Gericht, daß sein Klient schon seit einigen Tagen von einer nervösen Unruhe befallen sei und jedenfalls nicht erscheinen werde. Diesmal hatte der Gerichtshof sich aber vorgesehen. Er hatte nämlich schon zuvor den Angeklagten vom Gerichtsarzte untersuchen lassen, der festgestellt hatte, daß die nervöse Unruhe ledig lich auf Furcht vor der Gerichtsverhandlung beruhe. Der Major werde seine Ruhe sofort wiede finden, wenn die Gerichtsverhandlung ihr Ende erreicht habe. Hierauf faßte das Gericht den Beschluß, gegen den Major Haftbefehl zu erlassen 8. Dresden, 18. Febr. (Bierbaums letztes Werk.) Der verstorbene Dichter Otto Julius Bierbaum hat kurz vor seinem Tode gemeinsam mit dem in Dresden woh nenden Schriftsteller Königsbrun - Schaup sein letztes Bühnenstück vollendet. Es ist heiteren Charakters und ist „Fortuna" betitelt. Ueber Zeit und Ort seiner Auf führung ist noch nichts bestimmt. Dresden, 18. Februar. Es ist beabsichtigt, mit der Volszählung am 1. Dezember eine allgemeine deutsche Wohnungszählung zu veranstalten. Bautzen. Zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe hat der König den am 12. Dezember v. I. wegen Ermordung seines unehelichen Kindes vom hiesigen Schwurgericht zum Tode verurteilten Kutscher Vetter aus Bisch heim begnadigt. Köbau. Folgendes Schulgeschichtchen erzählt man sich als wahr: An der Tür der untersten Knabenklasse klopft es. Der Lehrer geht hinaus und findet draußen einen kleinen Knirps, der auf die Frage des Lehrers, was er wolle, diesem mit wichtiger Miene versichert, daß er Ostern bei dem Lehrer in die Schule eintrete; vorher möchte er aber dem Unterricht gern einmal beiwohnen. Mit einem Lächeln weist der Lehrer dem Kleinen einen Platz an, wo dieser mäuschenstill bis zum Schluß des Unterrichts verharrt. Als der Unterricht zu Ende ist, äußert der Kleine beim Verlassen des Zimmers auf die Frage, wie es ihm gefallen habe: „Na, mit dahn Schule- giehn, doS war 'ch mer irscht wull noch amol überlähn." OlberSdorf. Auf dem Gelände der Braunkohlengrube „Glück auf" versank das zweispännige Geschirr eines Zittauer LohnfuhrwerksbesitzerS 4 Meter tief in die Erde. Nach längeren Bemühungen gelang es, das Gespann un verletzt zu bergen. Leipzig. Mit dem Besuche des Gewandhauskonzerts schloffen am Donnerstag Abend die Leipziger KönigStage, und fuhr der Herrscher abends noch nach der Residenz zurück. Beim „akademischen Turnabend" siel der König wacker ein, als die Turner beim Marsche „O Deutschland, hoch in Ehren" anstimmten, und hier war es auch, wo dem Königlichen Geber der Dank dafür ausgesprochen wurde, daß er am Mittwoch für die im Universitätskon- vikt speisenden 350 Studiosen vier Fässer guten Bieres spendete, welches natürlich schnellsten Absatz fand. In der Krauseschen Maschinenfabrik amüsierte sich der König lebhaft auch über die Künste der Schwimmer in dem Fabrikbade. Das sind einige kleine Züge aus dem dies maligen Besuche, welche den König so überaus beliebt machen. Leipzig. Der Anfang März 19r8 unter eigenartigen Umständen von hier verschwundene Schuldirektor Gerber an der 20. Bezirksschule in Volkmarsdors ist in Görz in Istrien an einem Herzleiden verstorben, ohne daß man wußte, wo er sich aufhielt. Annaberg. Das bekannte Hotel „Zur Post" kommt am 2. April an Amtsgerichtsstelle zur Zwangsver steigerung. Plauen i. B. Der im Gange befindliche Lohnkampf der Buchbinder und Kartonnagenarbeiter in Plauen i. V. hat bereits sehr scharfe Formen angenommen. In meh reren Betrieben ist der Streik schon auSgebrochen. Eine Firma, Grimm, läßt ihre Arbeitswilligen mittels Geschirr nach Hause fahren. Das Geschirr wurde neulich abends von Streikenden angefallen und beschaffen. Dem Kutscher drang eine Kugel in die Nase. Mehrere Verhaftungen sind erfolgt. Säcbsrscbsr Landtag. (Fortsetzung des Berichts der Donnerstag-Sitzung in vor. Nr.) Abg. Günther fordert namens seiner Partei mindestens, daß die Regierung sich auf den Boden des Verfassungsgesetzes vom 15. November 1848 stelle. Sollte dies abgelehnt werden, so müsse er darauf bestehen, daß allen größeren Berufsgruppen in ange messener Zahl Sitz und Stimme in der Ersten Kammer eingeräumt würden. Hierauf begründete der Abg. Hettner folgenden national liberalen Antrag: „Die Kammer wolle beschließen, die Kgl. Staats regierung zu ersuchen, der Ständeversammlung noch in der gegen wärtigen Tagung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der >V. in der Zusammensetzung der Ersten Kammer den seit dem Erlasse der Verfassungsurkunde eingetretenen wesentlichen Verschiebungen in den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des Landes Rech nung trägt, indem er vor allen Industrie, Handel und Gewerbe ein verfassungsmäßiges Recht auf eine ihrer gegenwärtigen Be ¬ deutung entsprechende Vertretung in der Ersten Kammer einräumt und ihr je einen Vertreter der Rechtspflege, der Heilkunde, des Untcrrichtswesens und der technischen Wissenschaft als für die Durchführung der staatlichen Aufgaben besonders wichliger Gebiete zuführt, für alle diese der Ersten Kammer neu einzufügenüen Mit glieder eine Wahl vorsieht und zugleich bei der Vertretung des Grundbesitzes die Zahl der Wahlberechtigten und Wählbaren durch Berücksichtigung des städtischen und des kleineren ländlichen Grund besitzes erweitert. 8. dem gemäß das für die Wahlen zur Ersten Kammer geltende Gesetz, die Wahlen für den Landtag betreffend, vom 3. Dezember 1868 ergänzt und abändert, es auch gleichzeitig in seinen Bestimmungen dem Wahlgesetze für die Zweite Kammer der Ständeversammlung vom 5. Mai 1909 anpaßt." Abg. Bett- ner führt aus, dem freisinnigen Anträge könnten seine Freunde nicht zustimmen, weil der erste Teil nicht logisch sei und der zweite Teil einen Bruch der Verfassung bedeute. Die Nationalliberalen wollten im Gegensätze zu den Freisinnigen, daß die Erste Kammer keine Berufsorganisation sein solle. Sie wünschen bei aller Aner kennung der Bedeutung der Landwirtschaft eine stärkere Vertre tung von Industrie, Handel und Gewerbe sowie eine größere Berücksichtigung des mittleren Bauernstandes. Hierauf begrün det Abgeordneter Riem folgenden sozialdemokratischen Antrag: „Die Kammer wolle beschließen, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, der Stände - Versammlung noch in dieser Ta gung einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die Erste Kammer aufgehoben wird." Redner verlangt, daß die Erste Kammer, die ses Ueberbleibsel einer längst entschwundenen feudalen Zeit, ganz von der Bildfläche verschwindet: Hierauf nahm Staatsminister Graf Vitzthum v. Eckstädt das Wort und erklärte, die Regierung hätte im Jahre 1905 den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, das die Reform der Ersten Kammer bezweckt hätte. Mit diesem Ent würfe, in dem sie sechs neue Mitglieder aus Handel, Industrie und Gewerbe vorgeschlagen hatte, hätte die Regierung das Aeu- ßerste bezeichnet, was an Reform der Ersten Kammer zulässig wäre. Da dieser Gesetzentwurf von der Zweiten Kammer 1905 abgelehnt worden wäre, wäre das Gesetz gescheitert. Ueber das Maß dieses Entwurfes könne die Regierung nicht hinausgehen. Sie müßte deshalb die vorliegenden Anträge ablehnen, zumal die Anträge außerordentlich unbestimmt gefaßt wären. Die Regierung müßte zudem abwarten, welche Stellung die Erste Kammer ein nehmen würde. Abg Mpih (Konserv.) ist mit seinen Freunden der Meinung, daß der glänzend entwickelten Industrie alle Rechte gewährt werden müssen, auf die sie nach ihrer Bedeutung An spruch hat, seine Freunde gingen aber bezüglich des Weges, auf dem dieses zu erreichen sei, mit den Nationalliberalen auseinander. Seine Freunde würden aber der Verweisung der vorliegenden An träge an die Gesetzgebungsdeputation zustimmen und sie dort einer wohlwollenden Erwägung unterziehen. Abg. Langhammer (Natl.) polemisiert gegen die Ausführungen des Vizepräsidenten Opitz und gegen die Erklärungen des Ministers. Er meint, letztere seien ein Zeichen von Schwäche und Verlegenheit. Abg. Dr. Spiest (Kons.) legt nochmals den konservativen Standpunkt dar und schließt mit dem Ausdrucke der Hoffnung, daß es der Gesetzgebungsdeputation gelingen werde, die Verhandlungen zu einem gedeihlichen Ende zu bringen. An der weiteren Debatte beteiligen sich noch die Abg. Merkel (Natl.), Günther (Freis.), Gpiy (Kons.), Brodaus (Freis.) und Rangier (Kons.), worauf die Antragsteller das Schlußwon erhalten. Die drei Anträge werden antragsgemäß der Gesetz gebungsdeputation überwiesen. Es folgen Petitionen. Die Peti tion des Fabrikinspektors Bitomsky in Dresden, seine Dienstauf kündigung als Stadtgendarm in Dresden betr., wird auf sich be ruhen gelassen. Ueber die zu dem Anträge des Abg. Niethammer und Gen., die Aufhebung des 6. Januar als Epiphaniasfeiertag und die Verlegung dieses Festes auf den nachfolgenden Sonntag betr., eingegangenen Petitionen berichtet Abg. Frenzel (Kons.) und beantragt, die Petition des Verbandes von Arbeitgebern der sächsischen Textilindustrie als durch den in der Sitzung der Kam mer vom 23. November 1909 gefaßten Beschluß erledigt zu er klären und die Petition des Verbandes Deutscher Handlungsgehülfen sowie eine andere Petition, die Erhaltung der Feier der Epi phaniasfestes betr. auf sich beruhen zu lassen. Nach wesentlicher Debatte beschließt die Kammer antragsgemäß Nachdem noch die Petition des Maurermeisters Hesse in Pirna um Gewährung einer Entschädigung aus Staatsmitteln auf sich beruhen gelassen worden war, vertagre sich die Kammer auf Freitag vormittag >/J0 Uhr. Dresden, (8. Februar. Vie Zweite Rammer erledigte in ihrer heutigen Sitzung verschiedene Kapitel des Rechenschaftsberichtes und einige Tite ides außerordentlichen Etats. Bei den Rechenschaftskapiteln „Landeslotterie" und „Apanagen" betr. stimmten die Sozialdemokraten gegen die nachträgliche Genehmigung der Ltatsüberschreitungen. Beim außerordentl. Etat wurden bewilligt zu Tit. (?, Umbau des oberen Bahnhofes Reichenbach i. v. als erste Rate <(00000 Ul, bei Tit. (y, Umbau des Bahnhofes Falkenstein einschließlich der Verlegung und Unterführung des Dorfstädter Kommunikationsweges, 400 ovo N und bei Tit. 2?, Versorgung des siauptbahnhoies Lhemnitz und des Ran gierbahnhofes Chemnitz-Hilbersdorf mit Lokomotivspeisewafser, (27000 Mark. Sämtliche Bewilligungen erfolgten den Anträgen gemäß. Nächste Sitzung Montag vormittag (( Uhr. Petitionen. Dresden, (8. Februar. Vie Erste Kammer genehmigte heute zunächst die Titel 8 und so des außerordentl. Etats, den viergleifigen Ausbau der Linie Bodenbach-Vresden zwischen Mügeln und Dresden, sowie Beschaffung des Grund und Bodens für den viergleifigen Aus bau der Strecke Pirna-Mügeln iS. Rate) und Erweiterung des Bahn hofes Hartmannsdorf betr. Die Einstellungen wurden in Ueberein- stimmong mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer nach der Vorlage bewilligt und alsdann bei einer größeren Anzahl Kapitel des Rechen schaftsberichtes die Ltatsüberschreitungen nachträglich genehmigt. Nächste Sitzung Donnerstag, den 2(. Februar, vormittags ^(2 Uhr. lagssgescdicdts. Deutsches Reich. Berlin, 17. Februar. Auf die gestrige Rede des Grafen Schwerin-Löwitz, die dieser bei dem Festmahl des deutschen Landwirtschaftsrates hielt, antwortete der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg u. a.: Für die vom Fürsten Bismart inaugurierte und vom Fürsten Bülow fortgesetzte Wirtschaftspolitik bin ich in meinen bisherigen Aemtern so ost öffentlich eingelreten, daß es keiner Versicherung bedarf, daß ich an dieser Po litik festhalten werde. Was der Landwirt in seinem Beruf Jahr aus Jahr ein üben muß, Unverdrossenheit Ausdauer, ist auch mir nötig wie das tägliche Brot. Zwischen Saa. und Ernte liegt auch in der Politik eine lange Zeit. Und wer bei schlechtem Wetter gleich das Vertrauen verliere" wollte, der taugt zum Staatsmann ebenso wenig w: "dwirl. Alle die Hagelschauer der Kritik, die auf muy niedersausen, machen mich nicht irre. Vor Ihnen, meine Herren, die st? aus allen Gauen des Vaterlandes, auch aus den südlichen gekommen sind, betone ich hier besonders gern die Pflicht gegen das Reich. Sie wissen, um die Angriffe besonders scharf und verletzend zu machen, stempelte man mich zum preußi schen Partikularisten und sagte mir Mißachtung süddeut schen Wesens nach. Ich wüßte nicht, wie ich Deutscher denken könnte, als wenn ich Preußen Beruf, wie ich mich neulich aussprach, darin erblickte, sich selbst stark zu Hal ten; dann aber seine Stärke in den Dienst des Reiches