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Donnerstag Ar. 25. 3. März 1910. Iagssgss<B!cvts. Deutsches Reich. Berlin, 1. März. Der Kaiser wird, wie der „B. Z.", aus unterrichteten Kreisen mitge teilt wird, die für dieses Frühjahr wieder geplante Mittel meerreise wahrscheinlich aufgeben. Die kaiserliche Familie wird das Achilleion auf Korfu nicht besuchen. Dagegen ist ein längerer FrühjahrSaufenthalt in Homburg in Aussicht genommen; man erwartet dort den Kaiser be reits Anfang April. Berlin, 1. März. Das deutsche Exekutivkomitee für die amerikanische Ausstellung trat heute morgen zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, in der beschlossen wurde, auf dem bisherigen Standpunkt stehen zu bleiben und eine Zustimmung zu der Verschiebung der Aus stellung unbedingt abzulehnen. Entweder solle die Aus stellung in diesem Jahre als amerikanische Ausstellung in Berlin stattfinden, oder der Gedanke wird ganz und gar fallen gelasfen werden. In diesem Sinne soll dem amerikanischen Komitee Mitteilung gemacht werden. Berlin, 1. März. In der letzten StaatSministerial- sitzung ist über die Wiederbesetzung des Unterstaatssek retärspostens im Landwirtschaftsministerium beraten. Die Ernennung des Geheimrats Küster zum Unterstaats sekretär im preußischen Landwirtschaftsministerium wird auch bereits amtlich bekanntgegeben. Berlin, 1. März. Die Berliner Sozialdemokratie plant für den nächsten Sonntag Massenversammlungen unter freiem Himmel, um gegen die preußische Wahl reform zu protestieren. Berlin, 1. März. Oberstleutnant Mödebeck, einer der bekanntesten Berliner Luftschiffer ist heute früh an Lungen entzündung gestorben. Berlin, 2. März. Mit der Einstellung jüngerer bür gerlicher Offiziere bei der Garde wird bereits der Anfang gemacht. Wie daS Militär-Wochenblatt meldet, sind zwei bürgerliche Portepee-Unteroffiziere als Leutnants in zwei Garde-Jnfanterie-Regimenter eingestellt worden. Frankfurt a. M., 2. März. Wie die „Volksstimme" meldet, hat das Amtsgericht gegen Leute, die am 13. Febr. bei den Straßendemonstrationen am Hohenzollernplatz verhaftet worden waren, wegen groben Unfug Haftstrafen von fünf Tagen und noch mehr ausgesprochen durch ein fachen Haftbefehl Es wird gerichtliche Entscheidung be antragt werden. Schweden. Stockholm, 2. März. Die Königin von Schweden reist morgen nach Deutschland ab und begibt sich über Berlin zunächst nach Karlsruhe, woselbst sie am 15. d. M. eintreffen wird. Die Königin ist nahezu wiederhergestellt. Holland. Amsterdam, 2. März. In maßgebenden Kreisen Hollands bringt die von der preußischen Regie rung angeblich geplante Umformung zu einem Staffel tarif keinerlei Aenderung in der streng ablehnenden Hal tung gegenüber den Schiffahrtsabgaben hervor. Nicht die Höhe der Abgaben ist es, die man bekämpft sondern daS Prinzip der Abgaben selbst. Russland. Petersburg, 2. März. Aus Wladiwostok wird gemeldet: Die Japaner beginnen mit dem Bau eines enormen KriegshasenS nebst erstklassiger Seesestung mit außergewöhnlich starken Forts im koreanischen Hafen Tschinhai. Für die Ausrüstung der Festung sind 10 Millionen Jen angewiesen. Serbien. In dem Hofe nahestehenden Kreisen wird dem Besuch des Königs Peter in Petersburg absolut keine politische Bedeutung beigelegt. Man erklärt, es würde eine allzu deutliche Geringschätzung für König Peter gewesen sein, wenn man seinem Ansuchen, in Petersburg einen Besuch zu machen, dort nicht entsprochen haben würde, nachdem König Ferdinand von Bulgarien bereits zweimal in Petersburg empfangen worden ist. Türkei. Konstantinopel, 2. März. Vom Staatsrats gericht der ersten Instanz wurden sämtliche Beamte des türkischen Postamtes in Skutari bei Konstantinopel syste matischer Diebstähle von Postgeldern schuldig befunden. Der Postdirektor Nasim und sein Adjunkt stahlen allein 334000 Piaster. Merkwürdigerweise verurteilte man die beiden nur zu Zurückerstattung des Gestohlenen. Konstantinopel, 2. März. In Seert, Savillan u d Pervari in Armenien-Kurdistan ist es zwischen Armeniern und Kurden zu blutigen Zwischenstößen gekommen, in folgedessen beorderte die Regierung eine größere Anzahl Soldaten in jene Ortschaften, um weiteren Unruhen Ein halt zu tun. In Musch verheerten die Kurden unter dem berüchtigten Nasir Aga die armenische Kirche und entheiligten sie. Der Muscher Deputierte im Parlament, Kegham Efendi, machte cem Minister des Innern Talaat Bey hiervon Mitteilung. Der Minister versprach eine Untersuchungskommission nach Musch zu schicken, die mit weitgehenden Vollmachten zur Verfügung energischer Maßnahmen im Interesse des Friedens auSgestattet werden soll. Griechenland. Athen, 2. März. Die Offiziere der Landarme verlangen von der Militärliga eine gründliche Reinigung der Armee von unsauberen Elementen und unfähigen Offizieren. Vsrmlscdtss. * (Ein mittelalterliches Eifersuch tsv erbr e- chen.) AuS Paris wird gemeldet: Einem Verbrechen aus Eifersucht ist die Pariser Polizei auf die Spur ge kommen. Seit einiger Zeit liefen beim Pariser Polizei präsidium Anzeigen ein, daß der Drogist Jean Parat, der sein Geschäft in der Rue Vaugirard hat, seine Frau grausam behandle. Es wurde der Polizei sogar mitge leilt, daß er Marterwerkzeuge gegen sie anwende, wie sie schlimmer nicht den dunkelsten Zeiten des Mittelalters gebraucht wurden. Auf Grund dieser Anzeigen begab sich der Chef der Geheimpolizei Hamard, von dem medi zinischen Sachverständigen Socquet begleitet, nach dec Wohnung des Drogisten, um eine eingehende Untersu chung vorzunehmen. Bei ihrem Erscheinen war der Dro gist nicht anwesend. Dagegen befand sich seine Frau in einem kleinem Zimmer des Obergeschosses. Der Chef der Geheimpolizei wollte eintreten, doch war die Tür ver schlossen. Aus seine Aufforderung hin, zu öffnen, erklärte Frau Parat, daß ihr dies nicht möglich sei. Daraufhin wurde ein Schlaffer geholt, der die Tür uufbrechen mußte Als Hamard und l)r. Socquet eintraten, bot sich ihnen ein seltsamer Anblick. Frau Parkt saß auf einem Stuhle neben ihrem Bett. Eine eiserne Kette war mehrere Male um ihren Nacken geschlungen und führte zu dem einen Bettpfosten, an dem sie mittelst eines kunstgerechten Schlos ses angemacht war, zu dem nur der Drogist den Schlüs sel besaß. In ihrem Arm ruhte ein etwa drei Monate altes Baby, während ein etwa drei Jahre altes Mäd chen auf dem Fußboden fpielte. Die Polizei befreite Frau Parat aus ihrer ungewöhnlichen Lage und nahm sie mit sich auf das Polizeipräsidium. Hier stellte sich heraus, daß die Unglückliche nicht nur mit schweren Ei senketten an das Bett festgeschmiedet gewesen war, son dern daß sie noch ein eisernes Halsband trug und daß ihr außerdem ihr Mann ein einem Badeanzug gleichen des Gewand angelegt hatte, das vollständig aus Stahl gefertigt war. ES glich dem Panzer eines mittelalterli chen Ritters. Eine Stunde später wurde gegen Abend auch der Drogist Parat verhaftet, in dessen Besitz sich die Schlüssel zu den seltsamen Kleidungsstücken seiner Frau vorfanden. Er war sehr erstaunt, daß sich die Polizei um „seine intimen" Familienangelegenheiten kümmerte. Nach seiner Ansicht war sein Verhalten seiner Frau ge genüber durchaus nicht außergewöhnlich. Sie betrog ihn wie er glaubte, und deshalb schmiedete er sie am Bett fest und versah sie mit einem Tugendpanzer. Frau Parat dagegen erklärte, daß ihr Mann nicht recht bei Verstand sein müsse, sie fordere weiter keine Freiheit, wie die, die jeder verheirateten Frau zustehe. Ihr Mann aber verfolge sie mit einer geradezu lächerlichen Eifersucht. * (Ein Rätsel LuegerS.) Der Schwerkranke hat noch immer Minuten, in denen er bei gutem Humor ist, dem er die Zügel schießen läßt. So wird in Wiener Blättern das nachstehende Scherzwort erzählt: Die Aerzte saßen am Krankenlager herum und l)r. Lueger gab ihnen folgendes Rätsel auf: „Meine Herren! Was für ein Un terschied besteht zwischen unseren vier Fakultäten?" Als die Aerzte nicht gleich antworteten, sagte er: „Hören Sie zu! Die juristische Fakultät zieht die Leute aus, die me dizinische bringt die Leute um, die theologische begräbt die Leute und bezüglich der philosophischen weiß man nicht, wozu sie überhaupt existiert." Die Herren lachten und Lueger fügte hinzu: „Was ich über d^e medizinische Fakultät gesagt habe, ist nur ein Scherz gewesen." * (Das lächelnde Kalb.) Der Deutsch-schwei zerische Sprachverein hat die ganz vernüftige Ansicht, daß in einem deutschsprechenden Lande nicht die Hotels ein Menü haben dürfen, sondern die Gasthäuser eine Speisekarte haben müssen, auf der alles in der Mutter sprache ausgedrückt ist. Die Schweizer Gastwirte stehen aber zuweilen, besonders in Sachen der Kochkunst, mit der deutschen Sprache aus gespanntem Fuße, und des halb hat der Verein ihnen ein kleines Wörterbuch über geben, das sie in dringenden Fällen zu Rate ziehen sol len. Nun tischte ein Gastwirt eines schönen Tages einer Gesellschaft von Sprachgelehrten ein Gericht auf, das bisher immer als „ris veau a la jarckiniöre" aufgeführt worden war (es ist Kalbsmilch mit Gemüse). Es mußte unbedingt deutsch ausgedrückt werden, und nach län gerem Wörterbuchwälzen brachte der Sprachkünstler dann die treffliche Uebersetzung zustande: „Das Lächeln des Kalbes an der Gärtnerin." Wettervorhersage der Königlich Sächsischen Landrswettsrrvarte;n Dresden. Freitag, 4. März: Nordostwind, meist heiter, kühl, kein erheblicher Niederschlag. Magdeburger Wettervorhersage. Meist trocken, teilweise heiter, vielfach Nachtfrost und Reif. Tag — milde. — MrÄdUcds Nackrledtsn. Pulsnitz. Sonnabend, den 5. März: 1 Uhr Betstunde. Hilfs geistlicher Prehn. Sonntag, den 6. März, Laetare: r/z9 Uhr Beickte. l 9 „ Predigt (Röm. 5, 1—6) j Pfarrer Schulze. V-2 „ Prüfung der Konfirmanden-Knaben. Pfarrer Schulze. 5 „ Passtonspredigt (Matth. 26, 57—66). HilfS- geistlicher Prehn. 8 „ Jungfrauenverein. Amtswoche: Pfarrer Schulze. Dienstag, den 8. März: Abends 8 Uhr Bibelstunde im Konftrmandenzimmer (Joh. 14, 27—31). Pfarrer Schulze. -4 Irrungen. 4— Kriminal-Novelle von G. Struder. 6. Nachdruck verboten. »Taktloser Bursche", sprach der Baron zornig, „wie kannst du dir unterstehen, zwischen einem Fremden und diesen Herrn derartige Vergleiche zu ziehen? Geh hinaus und frage den Menschen wie er heißt und wa» er von mir will." Hätte der Baron seinen Gast im Auge behalten, so würde et ihm sicherlich ausgefallen sein, daß dieser bei den Worten de» Diener« merklich erblaßte. Der Besuch einer unbekannten Per sönlichkeit auf Etzelhof war indessen ein so seltene« und außer gewöhnliche« Ereigni«, daß die Nachricht hiervon die allgemeine Andacht auf den Ueberbringer derselben gelenkt hatte. Man sprach lebhaft darüber, wer der Fremde wohl sein könne und welcher Zweck ihn hierhergeführt, al« Johann wieder eintrat und berichtet : „Der Herr nennt sich Karl Springer und behauptet, daß er dem Herrn Baron Mitteilung zu machen habe, welche für den selben ungeheuer wichtig und erfreulich seien. Er habe «ine weite Reise unternommen und bitte dringend vorgelassen zu werden." Der Herr von Dürenstein atmete bei dieser Mitteilung vernehmlich auf, während der Baron in nachlässigem Tone sprach: „Karl Springer heißt der Mensch! Der Name ist nur gänzlich unbekannt. Wichtige und erfeuliche Nachrichten hat er für mich! Na, Johann, führe ihn herein, hierher zu jun«, da mit w'r alle hören, wa« er will." Kaum «ine Minute später trat der Angemeldete in« Zimmer. Ehrerbietig und vollendeter Eleganz verbeugte er sich vor den Damen, verneigte sich sehr leicht vor dem Herrn von Dürenstein, etwa» tiefer dagegen vor dem Baron und sagte darauf ohne de Spur von Unbefangenheit zu dem letzteren: „Mein Name ist Karl Springer, wie ich Ihnen soeben mittrilen ließ, und ich irre mich wohl nicht wenn ich annehme, daß ich die Ehre habe, dem Herrn Baron von Siepen gegen überzustehen." „Allerding», der bin ich", versetzte dieser steif, doch wa» wünschen Sie?" „Die Eröffnungen, die ich Ihnen zu machen habe, sind für Sie allein bestimmt, Herr Baron. Ich weiß daher nicht ob ich . . .' Mit vornehmer Ungeduld fiel der Baron hier dem Sprechen, den in» Wort: „Vor meinen Angehörigen habe ich keinerlei Geheimnisse. Reden Sie also und machen Sie die Sache möglichst kurz." Eine flüchtige Röt« zeigte sich bei diesen in beleidigendem Tone gesprochenen Worten auf der Stirn de» jungen Manne», doch gleich darauf erwiderte er verbindlich lächelnd: „E« gereicht mir zur außerordentlichen Ehre, die Bekannt- schäft der Damen machen zu dürfen. Dieser Herr ist wohl der zukünftige Stammhalter de» Hause», der Herr Sohn?" „Mein Name ist von Dürenstein", warf dieser gleichgültig und ohne nur mit einem Gliede auf seinem Stuhl« sich zu rühren, hin. „Von Dürenstein", sprach der erstere, der die immer un geduldiger werdende Miene de» Baron» gar nicht zu bemerken schien, sinnend, „von Dürenstein, den Namen meine ich einmal gehört KU haben. Ach ja, jetzt entsinne ich mich, ein Bekannter von mir hatte in Südamerika einen Freund diese» Namen», den er mir al» einen munteren und blonden jungen Mann de» Oesteren rühmte. E» freut mich aufrichtig, Sie kennen zu lernen, Herr von Dürenstein, obwohl Sie schwarz sind und also jener von Dürenstein nicht sein können'" Die Blässe, welche bei diesen Worten da» Gesicht de» also Angeredeten Überzog, entging den Anwesenden, da die Erwide rung de» Baron« die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. „Herr Springer", stieß er hastig hervor, „ich bitte Sie dringend zur Sache zu kommen. Auf Ihre gewiß interessante Unterhaltung verzichte ich, teilen Sie mir kur, mit, wa» Sie zu sagen haben, oder wir brechen da» zwecklose Zusammen sein ab." Dieser Mal gingen die schroffen Worte, ohne irgendwelche Gemüt»bewegung hervorzurufen, an Springer vorüber. Mit un- verkennbarer Ironie erwiderte er: „Ihrem Befehle komme ich untertänigst nach, Herr Baron, wobei e» mir zur besonderen Genugtuung erreicht, Ihnen von vornherein bemerken zu können, daß meine Mitteilungen Ihre kostbare Zeit nicht lange in Anspruch nehmen und meine Gegen wart hierselbst nur noch^auf wenige Minuten notwendig machen werden. Ich bin nämlich der Bevollmächtigte eine» Konsortium» von Kapitalisten, welche in dieser Gegend eine Kuranstalt zu er richten gedenken." „Da» Konsortium hat sein Augenmerk auf Ihr Besitztum gerichtet, Herr Baron", fuhr Herr Springer in seiner Rede fort, „und würde Ihnen für da»selbe eventuell einen sehr hohen Prei» bieten, «inen Prei» für den Sie zwei oder drei anderer solcher Burgen sich kaufen könnten. Doch ich bin etwa» müde, gnädiger Herr, und daher erlauben Sie mir wohl, daß ich mich setze." Damit ergriff er, ohne di« erbet«»« Antwort abzuwarten, einen Stuhl und ließ sich mit gelassenster Miene neben den üb rigen Anwesenden nieder. Unter anderen Verhältnissen würde der Baron eine solche Dreistigkeit auf» schärfste gerügt haben, aber da» unerwartete Anerbieten hatte ihn derartig erregt, daß er diesen Vorstoß gegen die ihm gebührende Hochachtung gar nicht bemerkte. Auch die Baronin und ihre Tochter betrachteten jetzt den Fremden mit etwa» größerem Interesse. Marga» Augen schienen sogar nicht ohne Wohlgefallen auf dem hübschen und selbstbewußten jungen Mann« zu ruh«n. „Allerdings höchst eigentümlich', rief der Baron au», „daß da» Konsortium gerade mein Schloß für einen solchen Zweck ««»ersehen ha»! Der Gedanke ist freilich vorzüglich, denn einen