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Nr. 16. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 10. Februar 1910. Seite 2. mit fortzukommen, sich und anderen zur Last, wenn nicht noch schlimmeres einttitt. Eine rüstige körperliche Ge sundheit verlangt heute bei der ungeheuren Konkurrenz und den harten Existenzbedingungen mit erhöhten An sprüchen an Zähigkeit, Ausdauer und Energie wohl jeder Beruf, und Kränkliche und Schwächliche sind daher aus tiefstem Herzen zu beklagen. Wir wollen nur hoffen, daß das Gesagte Beherzigung findet, denn heutigen Tages gibt eS leider mehr als genug, die unter einer unglück lich getroffenen Berufswahl zu leiden haben. Ohorn. Am Mittwoch, den 9. Februar, wurde auf Ohorner Revier durch den Waldwärter Richter ein starker Edel- oder Baummarder, ein sehr schönes Exemplar, zur Strecke gebracht. Kamenz, 9. Februar. Der Königlichen Amtshaupt mannschaft Kamenz ist vom 1. März ab Herr Assessor Or. Naumann von der Amtshauptmannschaft Dresden-N. zur Dienstleistung zugeteilt worden. Kamenz, 9. Februar. (Bestätigte Wahl.) Die Kreishauptmannschaft Bautzen hat, wie verlautet, die Wahl des Genossen Otto Wehner-Kamenz als Stadtver ordneter, gegen welche Einspruch erhoben worden war, für gültig erklärt. 8. Dresden, 9. Februar. (Reform der Ersten Kammer.) Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, wird am kommenden Dienstag in der Zweiten Ständekammer die Reform der Ersten Kammer behandelt werden. Es steht demnach ein großer Tag bevor. — Anstelle des in das Ministerium berufenen AmtS- hauptmanns Morgenstern wird, wie wir hören, im Mai dieses Jahres der Auerbacher Amtshauptmann Michel die Amtshauptmannschaft Chemnitz übernehmen. Für die Amtshauptmannschaft Auerbach wird als Nachfolger Al fred von Nostitz-Wallwitz genannt, der bekanntlich vor einigen Jahren in weimarische Pienste ging, bei seinem Abgänge aber die Zusicherung erhielt, daß er wieder in sächsische Staatsdienste zurückkehren könne. Die mit sei nen! Namen verknüpfte und von den Gegnern der Kon servativen weidlich auSgenützte Differenz, die in den er sten Teil der Aera Hohenthal fiel, ist längst beglichen und beigelegt. Herr von Nostiz-Wallwitz hat aus seiner konservativen Gesinnung früher kein Hohl gemacht, und wir stad sicher, daß er sie auch in Zukunft bestätigen wird. 8. Dresden, 9. Februar. (Selbstmord-Epidemie.) In Dresden scheint eine förmliche Selbstmord-Epidemie auSgebrochen zu sein. Es vergeht selten ein Tag, an dem nicht der Polizeiber cht neue Selbstmorde oder min destens Selbstmordversuche ankündigt. Jetzt hat sich in einem Hotel der Altstadt der Besitzer des GosthofeS „Zum Goldenen Stern" in Dippoldiswalde wegen Geschästs- sorgen mit Zyankali vergiftet, während der Panorama- besitzer Knorre aus Teischen sich bei der Bismarksäule zu erschießen versuchte. Er wurde in das Friedrichstäd- ter Krankenhaus geschafft. 8. Dresden, 9. Febr. (Doktor-Ingenieur.) Die Königliche Technische Hochschule zu Dresden hat dem Diplom-Ingenieur Maximilian Voigt aus Vogelsdorf (Schlesien) die Würde eines Doktor-Ingenieur verliehen. 8. Dresden, 9. Februar. Der bekannte Besitzer der Tinten- und chemischen Fabrik August Leonhardi, Richard Kropp, ist, 70 Jahre alt, gestorben. Dresden, 8. Februar. (Attentat.) Gestern abend 11 Uhr überfiel in Großweitzschen (Sachsen) ein Einbre cher, der sich in das Haus eingeschlichen hatte, die Frau des Kantors Reinhold und verletzte sie schwer. Auf den zu Hilfe eilenden Ehemann feuerte der Bursche mehrere Revolverschüsse ab, die Reinhold an der Brust leicht ver letzten. Der Täter, ein 19jähriger Schneider, konnte fest genommen werden. Dresden. Ueber das neue Restaurant an der Elbe, das anstelle des gegenwärtig in Abbruch befind lichen „Italienischen Dörfchen" von der Stadt errichtet werden soll, veröffentlicht das städtische Grundstücksamt jetzt Näheres: Der Neubau kommt zwischen Theaterplatz und der Elbe und neben der AugustuSbrücke, sowie in unmittelbare Nähe des König!. Schlaffes, der Museen, des Opernhauses, des Hotel Bellevue und der Brühlschen Terrasse zu stehen. Das Restaurant soll in vornehmem Stile gehalten sein und einen Festsaal mit Cafe, ein Weinrestaurant, ein Bierrestaurant, drei Gesellschaftszim mer, eine Restaurationsterrasse und ein Forum in einer Gesamtgröße von 1685 Quadratmetern enthalten und für 1350 Personen Platz bieten. Außerdem soll noch ge trennt hiervon, aber in unmittelbarer Nähe, ein aus Un ter- und Obergeschoß bestehendes Restaurationsgebäude als Ersatz für das mit abzubrechendes „Basteischlößchen" von ca. 124 Quadratmetern Grundfläche und mit einem ca. 138 Quadratmeter großen Restaurationsgarten neu hergestellt werden. Die Ausstattung des Restaurants soll mit Ausnahme des Silbers und des Geschirrs von der Stadtgemeinde in gediegener und künstlerischer Weise be schafft werden. Die Eröffnung kann voraussichtlich be reits im Herbst nächsten Jahres erfolgen. Die Verpach tung soll zunächst auf 6 Jahre erfolgen. 8. Dresden, 9. Februar. (Zweigfabrik) Die Ak- kumulatoren-Fabrik Alsr.d Huscher in Dresden-Neustadt errichtet in Bodenbach eine Zweigfabrik. Dresden, 9. Februar. (Hauptversammlung des Landesverbandes der Eo Arbeitervereine im Königreich Sachsen.) Für die am 6. März in Waldheim stattfindende Landesverbands-Hauptversamm lung der Eo Arbeitervereine sind zahlreiche wichtige An träge eingegangen. Der Kreisverband Chemnitz hat fol genden Antrag gestellt: Der Landesverband wolle den ihm angeschlossenen Vereinen, namentlich solchen in Orten mit zahlreicher weiblicher Arbeiterschaft, zur Aufgabe machen ihre Aufmerksamkeit auch auf die jugendlichen Arbeiterinnen auszudehnen init dem Ziele, diese in selb ständigen evangelischen Arbeiterinnenvereinen zu sammeln und zu organisieren. Um ein einheitliches und gleich ¬ zeitiges Vorgehen der Vereine in dieser Richtung zu er möglichen, soll ein besonderer Ausschuß zusammengesetzt werden, der über Mittel und Wege zur Gründung Evang. Arbeiterinnenvereine zu beraten und praktische Vor schläge zu machen hat. Zu diesem Zwecke soll der Ausschuß mit dem deutschen Verband Ev. Arbeiterver eine (Sitz Hannover) in Verbindung treten, geeignetes Werbematerial sich verschaffen und bei der Gründung solcher Vereine mit Rat und Tat behilflich sein. — Der Kreisverband Riesa beantragt: Die Königl. Staatsregie- ung ist zu ersuchen, dahin wirken zu wollen, daß 1. die staatsbürgerliche Erziehung der Jugend, sowohl in höheren Lehranstalten als auch Fortbildungsschulen, in wesent lich erweitertem Maße erfolge. 2. Das aktive und passive Wahlrecht zu Reichs- Landtags- und Kommunalwahl-n darf durch Steuerermäßigung oder Wegfall der Steuer nicht beeinflußt werden. Frankenberg beantragt: Der Landesverband Ev. Arbeitervereine in Königreich Sachsen wird ersucht, eins Petition an die Regierung zu richten, bei Abschaffung des Epiphaniasfestes als Ersatz dafür einen ki chlichen dritten Feiertag einsetzen zu wollen. Kreisverband Waldheim: Das Hohneujahrsfest in Weg fall zu bringen und an besten Stelle bezw. als Ersatz, den Johannistag (24. Juni) als einen Festtag zu feiern. Landesverband Leuben-Niedersedlitz: Der Landesverband Ev. Arbeitervereine im Königreich Sachsen wolle den Ständekammern folgende Petition unterbreiten, wonach der Königl. Sächs. Staatseisenbahn aufgegeben wird, den Fahrpreis der Schulkinder anstatt bis zum 10. Lebens jahr bis zur Beendigung des volkSfchulpflichtigen Lebens alters von 14 bezw. 15 Jahren aus di' Hälfte des bisher üblichen vollen Fahrpreises auf allen Linien herabzusetzen. 8. Dresden, 9. Februar. (Todessturz.) Aus dem 4. Stocke eines Hauses aus der Dürerstcaße stürzte sich aus Schwermut der 40 Jahre alte Kondukteur Richter auf die Siraße. Er war sofort tot. Neusalza. In hiesiger Stadt ist seit Oktober vori gen Jahres kein Todesfall vorgekommen. 8. Bodenbach, 9. Februar. (Eine Gerichts ko m- mission im Ballsaale.) Auf einem Maskenballe in der Volkshalle in Bodenbach ereignete sich dieser Tage ein erheiternder Vorfall. Während der Maskenball am dichtesten war erschien eine Gerichtskommission im Saale uud hielt unter den Tänzern Nachschau. Ein junger Mann, der sich aus dem Staube machen wollte, wurde von den Gerichtsbeamten angehalten und veranlaßt, in i ein Nebenzimmer zu gehen, wo er einer Leibesdurchfuchung > unterzogen wurde Mittlerweile hatte der größte Teil der im Saale Anwesenden erfahren, worum eS sich handle. Der junge Mann, ein Maurer aus Bühlau hatte ein Ver hältnis mit einem jungen Mädchen unterhalten, das nicht ohne Folgen geb'ieben war. Die Verpflichtung, für das Kind zu sorgen, hatte sich der junge Mann durch lange Zeit zu entziehen gewußt. Jetzt ereilte ihn aber sein Schicksal. Die Angehörigen seiner ehemaligen Braut erfuhren zufällig davon, daß er am Sonntag an dem Maskenbälle teilnehmen werde und erwirkten eine Ta schenpfändung. Leider verlief dieser Pfändung fast re- sultatloS. Der junge Mann hatte offenbar noch recht zeitig Kenntnis davon, was ihm beoorstand, erhalten, denn man fand nur eine einzige Mark bei ihm vor. Seine Taschenuhr und den größten Tul seines Geldes hatte er offenbar bereits vorher in Sicherheit gebracht. lagesgsscdiÄrte. Deutsches Reich. Die Reise des Prinzen Heinrich nach England erfolgt auf direkte Einladung des Königs Eduard an den Prinzen und seine Gemahlin. Der Prinz reist am 14. Februar nach London ab und verweilt dort bis Ende März. — Kaiser Franz Josef von Oesterreich ernannte den Prinzen Eitel Friedrich von Preußen, den zweiten Sohn unseres Kaiserpaares, zum Major im österreichischen In fanterie-Regiment Nr. 34. Am Geburtstage seines kaiser lichen Vaters wurde der Prinz zum Major in der preußi schen Armee befördert. Berlin, 9. Februar. Ihr' Stellung zur Wahlreform- vorlage berieten heute im Abgeordnetenhause die konser vative, die sreikonservative und die nationalliberale Frak tion. Die Sitzungen aller drei Parteien waren stark be sucht. Die nationalliberale Partei vertagte am Nachmittag die Weiterberatung, während die Konservativen und Frei konservativen die Erörterungen zu Ende führten. Beide entschieden sich für Kommissionsberatung. Für dir Kon servativen wird Abg. v. Rrchthofen, für die Freikonserva tiven Abg. v. Zedlitz und Neukirch das Wort führen. Die Vorlage blieb in beiden Lagern nicht ohne Kritik. Als verbesserungssähig wurde besonders die Bestimmung empfunden, der zufolge die mittleren und kleineren Be amten bei der Klasseneinteilung vor dem Gewerbetreiben den bevorzugt erscheinen. Es wurde diese als ungerecht fertigt erklärt und es werden in der Kommission entspre chende Abänderungen vorgeschlagen werden. chch >! Berlin, 9. Februar. Die hiesige schwedische Gesand- schaft erhielt heute vormittag nachstehendes Telegramm: „Der König hat die Nacht gut verbracht und ziemlich gute Ruhe gehabt. Der Zustand ist, den gegebenen Um ständen gemäß, durchaus zufriedenstellend". — Die Köni gin von Schweden ist heute früh von Karlsruhe in Ber lin eingetroffen und um 9 Uhr 45 Min. vom Stettiner Bahnhof nach Stockholm weitergereist. Das Kaiserpaar ließ der Königin bei ihrer Durchreise einen Blume"strauß überreichen. — Ob Deutschland noch mehr als 21 Universitäten nötig hat, die Frage wird von dem akademischen Mit arbeiter der „Voss. Ztg." rundweg verneint. ES heißt: Wenn in nächster Zeit neue Universitäten errichtet werden sollten, ist weit weniger von ihnen ein kultureller Nutzen zu erhoffen als eine kulturschädliche Vermehrung des akademischen Proletariats. Bremerhafeu, 9. Februar. Mit dem Lloyddampfer „Prinz Ludwig" ging die Besatzung für das neue Fluß kanonenboot „Otter" nach Schanghai ab. Gefterreich-Angarn. Wien, 9. Febr. Das jung tschechische Organ „Narodny Listy" im Prag bringt äußerst heftige Angriffe auf Deutschland wegen der Schiff fahrtsabgaben, anknüpfend an die Reise des Grafen Achrenthal, die dieser demnächst nach Berlin und Mün chen antritt. Es wird darin gesagt, daß Preußens Ab sicht dahin gehe, allen internationalen Verträgen ins Gesicht zu schlagen und die österreichischen Interessen aufs schwerste zu verletzen. In Berlin glaube man wohl, sich Oesterreich gegenüber alles erlauben zu dürfen, wegen der platonischen Freundschaft, welche man Preußen im Frühjahr erwiesen habe, und überhaupt keine Rücksicht auf Oesterreich mehr nehmen zu brauchen ES fei dies am Hellen lichten Tage ein rücksichtsloses Attentat des preußischen Staates auf die Lebensbedlngungen Oester reichs, das die ohnehin geringe Sympathie für das Bünd nis noch weiter vermindern würde. Frankreich. Paris, 9. Februar. In der heutigen Vormittags^tzung der Kammer beschäftigte sich diese mit dem KnegSbudget. Der Abgeordnete Allemane verlangt die Abschaffung der afrikanischen Gefängnisse, in welcher die Sträflinge gefoldert werden. Der Deputierte Or. La- chaud verglich die gesundheitlichen Verhältnisse in der deutschen Armee mit der in dem französischen Heere und wies die Vorzüge der Deutschen in dieser Beziehung nach. Die vorteilhafteren Verhältnisse in dem deutschen Heere sührte er auf die besseren sanitären Verhältnisse in den Kasernen sowie aus das bessere und ausgesuchtere Men schenmaterial bei der Aushebung zurück. Türkei. Saloniki, 9. Februar. Der Geisteszustand des Exsultans Abdul Hamid verschlimmert sich von Tag zu Tag. Der Exsultan gebährdet sich schon seit mehreren Tagen wie wahnsinnig, läuft im Zimmer umher und stößt gellende, unartikulierte Rufe aus. Gestern hatte er einen überaus heftigen Anfall, in dessen Verlauf er sich mit einem Handtuch zu erdrosseln versuchte. Emen Diener, der ihn daran hindern woltte, warf er zu Boden und biß diesem einen Finges der rechten Hand ab. Auf die Hilferufe des Dieners eilte die Wache herbei und legte dem Sultan, der wild um sich schlug, eine Zwangs jacke an. König Gustav von Schweden hat sich in der Nacht vom 7. zum 8. Februar einer ernsten Blinddarmopera tion unterzogen, die glücklich v rlief. Die schwere Er krankung des Monarchen begann am letzten Sonntag mit Kolikschmerzen, die den hohen Patienten zwangen, das Bett zu hüten. Tags darauf konstatierten die Aerzte eine bedenkliche Blinddarmentzündung. König Gustav V. ist am 16, Juni 1858 geboren, steht also im 52. Lebensjahre. Den schwedischen Thron bestieg er nach dem Tode seines Vaters, des Königs Oskar II., am 8. De zember 1907. QsutzfLs Virskrs MvMunHLn von Hirfch'S Teleg tllphenbureau. Wien, 10. Februar. Im niederösterreichischen Land tag interpellierte gestern der Abgeordnete Nagler den Statthalter über die von der deutschen ReichSregierung geplanten Einführung von Schiffahrtsabgaben, wodurch die bisher freie Ausfahrtspforte des Außenhandels nach den Nordhäfen dem administrativer! Ermessen auslän discher Regierungen preisgegeben würde. Rom, 10 Februar. Aus Konstantinopel kommt die Nachricht, die Kreta - Schutzmächte würden der Türkei vorschlagen, Kreta an Griechenland gegen Geld abzu treten. Die Pforte sei noch unentschlossen, würde aber dem Vorschlag schließlich zustimmen. Belgrad, 10. Februar. Dem Prinzen Georg ist der Aufenthalt in Milanovatz unerträglich. Er richtete deshalb an den Kriegs Minister ein Gesuch, in dem er um die Erlaubnis bittet, zur Heilung seiner Hand nach Belgrad zu ückkehren zu dürfen. Das Gesuch wird dem Minister rat vorgelegt werden. Madrid, 10. Februar. Einer der hervorragendsten deutschen Diplomaten, der besonders durch seine erfolg reiche Tätigkeit auf der Algeciras-Konferenz bekannt ge wordene deutsche Botschafter in Madrid, Graf Tattenbach, liegt infolge einer Lungenentzündung im Sterben. Er hat gestern die Sterbesakramente erhalten. Die Krank-