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Pulsnitzer Wochenblatt : 07.05.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840935979-191005077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840935979-19100507
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840935979-19100507
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Wochenblatt
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-07
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
- Titel
- Pulsnitzer Wochenblatt : 07.05.1910
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Beilage K Pulsnitzer wocbenbiatt Sonnabend, Ar. SS. 7. Mai MO. Säcksiscbsr Landtag. Dresden, 4. Mai. Die 2. Kammer nahm heute zuerst Ka pitel 102 und 103 des ordentlichen Etats, Ministerium der äußeren Angelegenheiten und Gesandten betr., in Schlußberamng. Abg. Anders (Natl.) kann sich mit einem großen Teil seiner politischen Freunde nicht von der Notwendigkeit der Gesandtschaften in Berlin, Wien und München überzeugen lassen. Abg. Sindermann (Soz.) erklärt, gleichfalls gegen die Kapitel stimmen zu wollen. Der Bundesrat sei die einzige Stelle, wo die Interessen Sachsens durch seinen Vertreter gefördert werden könnten. Für die Ausgabe von 200000 M könne man besser sozialpolitische Aufgaben fördern. Abg. Günther (Fortschr. Vp.) erklärt, für Kapitel 102 stimmen zu wollen. Bei Kapitel 103 könne er mit seinen Parteifreunden nur die Notwendigkeit der Gesandtschaft in Berlin anerkennen, während die Gesandtschaften in Wien und München ganz gut ge strichen werden könnten. Der Minister des Aeußeren Graf Vitz thum legt in längerer Ausführung die Notwendigkeit der Ge sandtschaften dar. Vizepräsident Opitz (Kons.» erklärt namens seiner politischen Freunde, für beide Kapitel stimmen zu wollen. Diese werden alsdann von der Kammer genehmigt. Weiter ge nehmigte das Haus den zweiten Nachtrag des ordentlichen Haus haltsetats für 1908/09 und einen weiteren Nachtrag zu dein Fi nanzgesetz auf die Jahre 1908 und 1909. Es folgt die allgemeine Vorberatung des Dekrets betr. die Veräußerung eines Teiles des vormalichen militärfiskalischen Areals in Dresden-Neustadt an die Stadtgemeinde Dresden. Es fand sofortige Schlußberatung statt. Abg. Seltner (Natl.) erklärt, daß die Vorlage nur auf die Stadt Dresden wesentliches Interesse habe. Die Kammer erklärte sich mit dem Vertrage einverstanden und beschließt weiter, mit den in den Jahren 1907/08 vorgenommenen Veränderungen an Staats gut ihr Einverständnis zu erklären und demselben, soweit solches verfassungsmäßig erforderlich ist, ihre Genehmigung zu erteilen. Zur Schlußberatung steht ferner Kapitel 1 des Etats, Forsten betr. Von dem sozialdemokratischen Abgeordneten Uhlig werden die niederen Arbeiterlöhne beklagt. Abg. Roch (Fortschr. Vp.) führt Klage über die hohen Gehälter der Oberförster und meint, die sächsische Forstverwaltung stehe nicht auf der Höhe der Zeit. Fi nanzminister Dr. v. Rüger erklärt, daß ihm von ganz hervor ragenden Sachverständigen, vor allen: von dem höchsten Forst beamten Preußens gesagt worden sei, daß die sächsische Forstver waltung über allen Tadel erhaben sei. Die Gehälter der Ober förster seien, wenn man alle einschlägigen Verhältnisse in Betracht ziehe, durchaus nicht zu hoch. Das Kapitel wird hierauf in den Einnahmen und Ausgaben genehmigt. Die Petition der Jagd gesellschaft in Seyde bei Hermsdorf i. Erzgeb. erklärt man für erledigt. Es folgt die Beratung des freisinnigen Antrages Günther und Gen. um jährliche Einberufung des Landtages. Auf Vor schlag des Direktoriums wird dieser Antrag ebenfalls sofort in Schlußberatung genommen. Abg. Schwager lFreis.) begründet den Antrag und führt aus, daß die Verhältnisse sich seit dem Jahre 1870, wo man auf die zweijährige Finanz- und Landtags periode zugekommen sei, so erheblich verändert hätten, namentlich was die industrielle Entwickelung Sachsens und die Zunahme seiner Bevölkerung anlange, daß wir mit dem jetzigen Zustande nicht mehr auskämen. Die jährliche Einberufung des Landtages erfolge jetzt schon in vielen Bundesstaaten. Der Minister des Innern Graf Vitzthum v. Lckstädt führte unter anderem aus, die Regierung habe um so weniger Veranlassung, von ihrem früher dargelegten Standpunkt abzugehen, als die Gründe, die heute pom Abg. Schwager vorgeführt wurden, nicht neu sind und als die Bedenken, die die Regierung schon früher gegen die Ein führung alljährlicher Landtagssessionen hatte, durchaus nicht ent kräftet worden sind. Was zunächst die von den Antragstellern erhoffte raschere Anpassung der Regierung an die modernen Be dürfnisse der Kulturentwickelung des Staates anlangt, so behaupte ich, daß diese Entwickelung in Sachsen eine reichlich rasche ist und daß wir eher dazu kommen möchten etwas langsamere Schritte zu tun. Was die intensivere Kontrolle der Staatstätigkeit durch die Stände anlangt, so fürchtet die Negierung eine solche nicht. Im Gegenteil, sie würde es nur begrüßen, wenn die Herren Abgeord neten durch intensivere Vertiefung in die Spezialitäten des Etats sich von der Vorzüglichkeit der Staatsverwaltung überzeugen wollten. Ich muß es bestreiten, daß der Ständeversammlung und dem Lande nicht genügend Gelegenheit gegeben werde, sich über die Tätigkeit der Regierung zu informieren. Durch die jährlichen Landtagssessionen würde die Vertretung der Volksinteressen mehr und mehr in die Hände von Berufsparlamentariern kommen und wir würden uns einen Parlamentarismus großziehen, der weit gefährlicher wäre, als der Bureaukratismus der Staatsbehörde. Auch die Regierungsbeamten in den Ministerien würden ihren eigentlichen Aufgaben in bedenklicher Weise entzogen werden Die Steigerung der Tätigkeit der Behörden würde nur möglich sein durch eine starke Vermehrung des Beamtenpersonals, und das würde geschehen in einer Zeit, in der man auf Vereinfachung der Geschäfte und größte Sparsamkeit dringt. Um den Wünschen der Antragsteller nachzukommen, bedürfte es einer Verfassungsänderung. Ich bedaure, dem Abg. Günther und seinen Parteifreunden die Mitwirkung der Regierung bei dieser Verfassungsänderung nicht zusagen zu können. Abg. Niethammer (Natl.): Wenn meine Freunde von dem Anträge eine tatsächliche Besserung unserer Ver hältnisse erwarten dürften, so würden sie dem Anträge zustimmen; aber grau, lieber Freund, ist alle Theorie. Es wird vielleicht einer Reform unserer Geschäftsordnung vorbehalten sein, die gewünschten Fortschritte, zu machen Abg. Dr. Mangler (Kons.): Die konser vative Fraktion steht einhellig auf dem schon früher gekennzeich neten Standpunkte, daß sie keinerlei Konzessionen auf diesem Ge biete zu machen gewillt ist. Abg. Fraßdorf (Soz.) unterstützt den Antrag. Abg. Seltner (Natl.) erklärt sich dagegen, desgleichen auch Vizepräsident Opitz. Die Abstimmung über den Antrag mußte ausgesetzt werden, da die zu einer entgültigen Beschluß fassung über eine Verfassungsänderung erforderleche ^-Majorität nicht vorhanden war. Es waren nur 60 Abgeordnete im Hause anwesend. Die Abstimmung wird in der nächsten Sitzung vorge nommen werden. Die Kammer beschließt dann ohne wesentliche Debatte bei Kapitel 1 und 66 des ordentlichen Etats, Obereichungs kommission und Staatseichämter, die Einnahmen und Ausgaben nach der Vorlage zu bewilligen, desgleichen auch bei Kapitel 61 des ordentlichen Etats, Landstallamt zu Moritzburg betr. Nächste Sitzung Freitag nachmittag 2 Uhr. Schluß ^/j9 Uhr. Dresden, 6. Mai. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Abg. Langhammer (Natl.) eine Erklärung ab, die Regierung möge zu den Petitionen von Beamten um Ausgleich von Härten infolge der neuen Besoldungsordnung den Mitgliedern des Hauses mit tunlichster Beschleunigung eine schriftliche Erklärung zustellen, damit die Arbeiten der Finanzdeputation wirksam gefördert wer den könnten. Abg. Roch (Freis.) gibt namens seiner Fraktion eine ähnliche Erklärung ab. Abg. Opitz (Kons.) erklärt, daß seine Freunde sich eine Stellungnahme zu dieser Frage vorbehalten müssen. Präsident Dr. Vogel teilt mit: Die Direktorien beider Kammern würden morgen zu einer Sitzung zusammentreten, um über die Geschäftslage zu sprechen und sich darüber schlüssig zu machen, ob bis zu dem in Aussicht genommenen Termin ein Schluß des Landtages möglich sei. Selbstverständlich werde von seiten des Direktoriums alles aufgeboten, um die notwendigsten Aufgaben des Landtages noch ordnungsgemäß zu erledigen. Sei dies jedoch nicht möglich, so werde der Versuch gemacht werden eine Hinausschiebnng des Landtagsschlusses herbeizuführen. Es folgt sodann die am Mittwoch abgesetzte Abstimmung über den Antrag Günther (Freis) betreffend die alljährliche Einberufung des ordentlichen Landtages. Nach einer längeren Geschäftsord nungsdebatte wird namentlich abgestimmt und der Antrag Günther mit 49 gegen 36 Stimmen abgelehnt. In die Tagesordnung ein tretend, beschließt das Haus, die ersten drei Punkte gemeinschaftlich zu behandeln, nämlich Kapitel 60 des ordentlichen Etats, land wirtschaftliche, gewerbliche und Handelsschulen sowie allgemeine Ausgaben für Landwirtschaft und Gewerbe betr., sowie die An träge Schanz (Kons.) und Nitzschke (Natl.) betr. die Verwendung eines Betrages von 20000 M zur Errichtung einer Submissions zentrale zu Gunsten des Handwerks und des gewerblichen Mittel standes. Abg. Wappler (Natl.) beantragt namens der Deputation, die Einnahmen mit 16 200 000 M nach der Vorlage zu genehmigen und die Ausgaben mit 1569288 M, anstatt 1471288 M, zu be willigen. Die Erhöhung bei den Ausgaben soll stattfinden bei den Handelsschulen, Zeichen-, Fortbildungs- und Fachschulen. Hierauf begründen die Abg. Schanz (Kons.) und Nitzschke (Natl.) in längeren Ausführungen ihre Anträge. Abg. Bär (Freis.) er klärt, daß seine Parteifreunde den beiden Anträgen im allgemeinen sympathisch gegenüberständen, wenn auch die Hauptwaffe des Handwerkerstandes stets die Selbsthilfe bleiben werde. Es findet über diese Gegenstände eine sehr ausgedehnte Diskussion statt, bis schließlich ein Antrag auf Schluß der Debatte mit 38 gegen 18 Stimmen Annahme findet. Es liegt ein Antrag Merkel (Natl.) vor, der die Unterstützung für die gewerblichen usw. Schulen von 168 000 auf 200000 M erhöht wissen will; sowie ferner ein An trag Hähnel (Kons.), diesen Antrag Merkel zunächst der Finanz deputation ä. zur Vorberatung und gleichzeitigen Behandlung mit dem Ergänzungsetat zu überweisen. Der Antrag Hähnel findet die Zustimmung des Hauses. Die Deputationsanträge werden auf Vorschlag des Direktoriums sofort in Schlußberatung ge nommen und finden ebenfalls mit 52 gegen 22 sozialdemokratische Stimmen Annahme. Es folgt die Schlußberatung über die auf Stratzenbauten bezüglichen Petitionen. Staatsminister Dr. von Rüger erklärt, daß die Regierung nach wie vor an dem Grund sätze festhalte, Straßen nicht in Unterhalt zu nehmen. Härten könnten daraus für die Gemeinden nicht entstehen. In der nun folgenden Einzelberatung werden die elf Petitionen sämtlich nach den Anträgen der Deputation erledigt. Es folgt die Schlußbera tung über den Bau einer Eisenbahn von Klingenthal nach Unter- sachjenberg. Die Deputation beantragt, die geforderten 790000 M zu bewilligen Staatsminister Dr. v. Rüger sucht in längeren Ausführungen die in der Deputation geäußerten Bedenken gegen die Erbauung von Schmalspurbahnen zu zerstreuen. Der schmal spurige Ausbau sei in diesem Falle um eine Million billiger als der normalspurige. Der jährliche Zuschuß werde von 70000 M auf 30000 M verringert. Die von Schmalspurbahnen durchzoge nen Bahnen hätten sich vielfach sehr gut entwickelt. Abg. Gleis berg (Statt.) erwidert, die Ausführungen des Ministers hätten ihn von der Zweckmäßigkeit der Schmalspurbahnen überzeugen können. Das Haus beschließt endlich mit 47 gegen 5 Stimmen nach dem Anträge der Deputation. Es folgt die Schlußberatung über die durch Ergänzung zum außerordentlichen Etat geforderten 285000 Mark für die schmalspurige Fortsetzung der elektrischen Straßen bahn Dresden-Mickten von Kötzschenbroda bis Zitzschewig. Die Mehrheit der Deputation beantragt, sich mit der Fortsetzung der Straßenbahn nicht einverstanden zu erklären und die geforderten Mittel abzulehnen. Die Abgg. Trüber (Kons.) und Mehnert (Soz.) beantragen namens ihrer politischen Freunde, die Regierungs vorlage wieder herzustellen. Das Haus beschließt nach längerer Debatte gegen 18 Stimmen, den Antrag der Deputation abzu lehnen und die geforderten 285000 M für die Weiterführung der Bahn in Meißener Spurweite zu bewilligen. Die Kammer erledigte hierauf noch eine größere Anzahl Eisen bahnangelegenheiten bezw. darauf gerichtete Petitionen und bewilligte ferner die zur Gew8hrung von Baudarlehin aus Staatsmitteln an ge meinnützige Bauvereine und Baugenossenschaften zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Eisenbahnbediensteten geforderte -eine Mil lion Mark. Die Ortttrankenkassenpetition wegen Abänderung der ärzt vis aukstünSifcden Mvansssn am katscdanik-passs. /?/> /Ässe- »-oe? Den albanesischen Stäm men, die sich gegen die Tür ken empört haben, ist es dank einem Fehler des türkischen Oberbefehlshabers gelungen, eine sehr wichtige strategesische Position zu besetzen. Schefket Target-Pascha hatte es ver säumt, den Engpaß von Kat- schanik zu besetzen, und so konnten sich einige tausend Albanesen unter ihrem Füh rer Jdris-Sefer dort festjetzen. Sie hielten den nächsten Zug, der durch das Defilee fahren wollte, durch Gewehr-Schüsse aus, entwaffneten 20 Solda ten, die die Bedeckung der Militär-Post bildeten, und schickten sie nach UeSküb zurück. Andere Züge, die weder Trup pen noch Kriegsmaterial enthielten, konnten ungehindert ihren Weg fortsetzen. Die türkischen Streitkräfte suchen jetzt die in Aufruhr befindliche Gebirgsgegend zurückzuerobern. lichen Standesordnung wird der Regierung zur Kenntnisnahme über wiesen, daß sie sür die Entscheidung von Differenzen zwischen Aerzten und Krankenkaffen eine paritätische Schiedsinstanz schafft, sonst aber wird die Petition auf sich beruhen gelassen. Nach Besprechung der Interpellation wegen des KörgesetzeS werden die hierzu eingegangenen Petitionen, soweit sie die Aushebung des Gesetzes verlangten, auf sich beruhen gelaffen, soweit aber der allgemeine Körzwang gewünscht wird, der Regietung zur Kenntnisnahme überwiesen. Um halb zwölf Uhr nachts vertagte sich daS Haus auf Sonnabend mittag zwölf Uhr. Etatkapitel und Dekrets. Nsrckstags-SrrmmungsbNdsr. Bertin, 4. Mai. Im Reichstage hieß es heute, das mögli- licherweise auch nach Pfingsten noch getagt werden solle, vielleicht ein Schreckschuß, um den Redelustigen etwas Beschränkung aufzu erlegen. Heute machte diese Meldung allem Anscheine nach wenig Eindruck, denn einzelne Redner verfuhten recht gründlich. Die Posttarnovelle wurde allerdings ziemlich rasch abgetan, bei der Entlastung des Reichsgerichtes kam es bei einzelnen Paragraphen doch zu längeren Debatten. Die Erhöhung der Revisionssumme wurde angenommen nicht ohne das von sozialdemokratischer Seite dagegen Widerspruch erhoben wurde, mit der Begründung, daß infolgedessen die kleinen Leute nur noch sehr selten bis zum Reichs gericht gehen könnten. Das die Reichsregierung die Erhöhung eben wolle, um selber beim Reichsgericht zu sparen, mußte vom Regierungstische aus selber zugegeben werden, wie auch die vor geschlagene Gebührenerhöhung der Belastung des Reichsgerichtes vorbeugen soll. Mit ganz geringer Mehrheit wurde schließlich aber die Gebührenerhöhung angenommen und schließlich die Novelle in zweiter Lesung verabschiedet, nachdem der Staatssekretär eine even tuelle Vermehrung der Hitfsrichter und Schaffung eines neuen Senates zugesagt hatte. Die dritte Beratung des Stellenvermit telungsgesetzes nahm nur kurze Zeit in Anspruch, umsomehr holte man bei den Aufstandsausgaben für Südwestafrika nach. Hier kam es zu einem erneuten Duell Erzberger-Dernburg, bei welchem man die innere Erregung des Kolonialsekretärs diesem deutlich an merkte. Herr Erzberger richtete erneute Angriffe gegen die Kolo- nialoplitik Dernburgs und insbesondere gegen den Vertrag mit der Kolonialgesellschaft. Sehr ausführlich und scharf antwortete ihm der Staatssekretär, indem er betonte, es handele sich hier um eine nationale Sache, die man nicht wieder auf das Gebiet der Partei politik hinüberziehen solle. Das Herr Dernburg soviel Geschütz auffuhr, hatte guten Grund, er kämpfte um seine Position als Kolonialpolitiker. Warme Unterstützung wurde dem Staatssekretär von der linken zuteil, deren Redner Semler und Wiemer sich in dieser Frage auf den Standpunkt des Staatssekretärs stellten. Hierbei kam es zu einem neuen Duell und zwar -wischen Semler und Erzberger, indem der erstere den Erzbergerschen Vorwurf, daß er als Beteiligter eigentlich in der Sache garnicht das Wort er greifen dürfe, entschieden zurückwies; Herrn Semler wurde oben drein durch den Kommissionsvorsitzenden Gamp eine Ehrenerklä rung zuteil. Die ganze Auseinandersetzung, die wohl nur Wirkung nach außen ausüben sollte, endete, wie zu erwarten, mit unverän derter Annahme der Vorlage. - Berlin, 6. Mai. Nicht mit Unrecht bemerkte heute ein Mit glied des Reichstages, man streite sich bei der Vorlage betreffs Ausgabe kleiner Aktien in Kiautschau etc. wie um eine Sache, bei der es sich um das Wohl und Wehe des ganzen deutschen Reiches handele. Leider fanden diese Worte wenig Beachtung, die Debatte war eine ziemlich ausgiebige, aber keine ergiebige, und man hatte das ergötzliche Schauspiel, das Redner derselben Partei ihren Frak tionsgenossen widersprachen. Hatte es sich schon in der Debatte gezeigt, das man im großen und ganzen für den Gesetzentwurf nicht allzuviel übrig habe, so schwankten doch die Ansichten Yin und her, und auch die erste Abstimmung war eine schwankende, es mußte Hammelsprung vorgenommen werden, siehe da, die Vorlage war mit der kleinen Mehrheit von 17 Stimmen abgelehnt. Dann folgte das Konsulatsgebührenzesetz, welches nach unwesentlicher Debatte mit einigen kleinen Zusätzen angenommen wurde. Nachdem die Berner Konvention debattelos in dritter Lesung angenommen wor den war, ging man zum schwierigsten Thema des Tages über, der Vorlage betreffend der Entlastung des Reichsgerichts. Nicht viel gefehlt hätte, daß diese Vorlage bei einem grundlegenden Paragraphen scheiterte und zwar wurde die Gebührenerhöhung beim Reichsgerichte mit sage und schreibe einer Stimme Mehrheit angenommen Schließlich ließ mau aber Gnade für Recht ergehen, das ganze Gesetz wurde schließlich doch mit geringer Mehrheit ge nehmigt. Es folgte dis zweite Beratung des Entwurfs eines Ko- lonialbeamtengrsetzes. Von den Parteien geht eine Resolution ein, welche ausspricht, daß der Reichskanzler noch in dieser Session einen neuen Entwurf vorlegen werde, der das Wiederaufnahme verfahren für alle Reichsbeamten regelte. Das Gesetz wurde nach uner heblicher Debatte angenommen. Sodann folgt noch die zweite Be ratung der Vorlage betr. Diäten für Mitglieder der während der großen Vertagung arbeitenden Kommissionen. Nachdem sich noch Staatssekretär Delbrück m-t den Kommisstonsbeschlüssen einverstan den erklärt, wird die Vorlage ebenso der zugehörige Nachtragsetat angenommen. Montag zwei Uhr Petitionen, vorher dritte Lesung der heute in zweiter Lesung verhandelten drei Vorlagen. Schluß 7-/4 Uhr. Cingegangsns vücker. Ein Roman, der einst ein ungeheueres Aufsehen besonders in Sachsen machte, jetzt aber, je näher wir dem hundertjährigen Jubiläum der Befreiungskriege rücken, von weittragendem Interesse für ganz Deutschland ist, beginnt eben neu zu erscheinen im Literaturverlag Alic», Dresden-Deuben. Er ist der von dem auf literarischem Gebiete wohlbekannten, vor 30 Jahren verstor benen, aber noch heute durch seinen umfassenden „Moniteur des Dates" fortlebenden LdNard Maria Oettinger verfaßte Roman aus dem sächsischen Hochadel: „Gräfin Aielmannsegge und Aaiser Napoleon". Die Verlagshandlung zeigt den Roman durch einen Prospekt folgenden Inhalts an: „Die Weltgeschichte kennt keinen größeren Namen, als den des ersten Franzosenkaisers Napoleon, jenes Titanen, unter dessen Zepter ganz Europa fast zwei Dezennien schmachtete — der Kaiser und Könige zu seinen Füßen sah — der Monarchien stürzte und neue schuf, je nachdem es seiner Herrscherlaune beliebte — der aber Mensch zuletzt war und blieb wie andere große Männer und, wie sie, der hol den Weiblichkeit Tribut zu zollen immer auch Stunden übrig hatte. — Eine der interessantesten Frauen, die dem großen Kaiser sehr nahe gestanden, trotzdem er bekanntlich zweinial verheiratet gewesen, war die dem sächsischen Hochadel an gehörige Gräfin Kielmannsegge, die in der Lausitz reich be gütert war und ihren Lebensabend bei Dresden im Plauen- schen Grunde beschloß — ihr und Napoleons Sohn war zwar kein Graf Malewski, sah im aber am ähnlichsten von all seinen Kindern — sein Schicksal und seiner hochadligen Mutter Verhältnis zu dem größten Manne aller Zeiten schildert dieser Roman." Wir dürfen diese Worte unterschreiben — der Roman „Kiel mannsegge" ist eine vorzügliche Lektüre — er unterricht über allerhand intime Vorgänge am sächsischen Hofe in memoiren- geschichtlicher Weise und gibt ein seltsam getreues Bild von der besonders in Sachsen bekanntlich am nachhaltigsten herrschenden Franzosenherrschaft unter dem korsischen Welteroberer, wie von diesem selbst und feinen Satelliten. — Die Ausstattung, in welcher der Roman erscheint, hebt sich wohltuend ab von den sonstigen Erscheinungen^ des billigen fHeftverlags; man darf sagen, auch
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