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Beilage Mm Pulsnitzer Wochenblatt Donnerstag -4- Ar. 4ü. 7. April IStü. ßm Salteummd ans der ündflraße. 8. Dresden, 6. April., Eine furchtbare Ehetragödie, über die wir schon berichteten, spielte sich anr Montag nachmittag in unmittelbarer Nähe der Dresdner Heide auf dem Wege zum Kurort „Weißer Hirsch" ab. Der Schwiegersohn des Inhabers „zum ArtuShof" auf der Fürstenstraße, der Kaufmann Karl Georg Semper in Oberkötzschcnbroda, der früher das bekannte „Stadtbad" in Tharandt bewirtschaftet, lebt schon seit längerer Z.it mit seiner jungen Frau in Unfrieden. Die ehelichen Zwistig keiten führten schließlich zur Trennung der Ehegarten und seitens der Ehefrau Semper wurde mit Einwilligung ihres Gatten die Scheidungsklage eingeleitet. Anschei ¬ nend ist die Trübung der Ehe auf dsS Verhalten des Ehemannes zurückzuführen und in Rücksicht hierauf hatte sich auch der Ehemann schriftlich verpflichtet, für den Unterhalt feiner Frau aufzukommen. Er hatte an seine Gattin monatlich 180 M zu zahlen, konnte aber aus Grund seiner zerrütteten finanziellen Verhältnisse seinen Verpflichtungen nicht in vollem Umfange nachkommen. Um nun mit seiner Gattin nach dieser Richtung hin sich gütlich auseinanderzusetzen, hatte Semper seine Ehefrau gebeten, sich mit ihm im Tunnelrestaurant des bekannten Waldschlößchen-RestaurantS in Dresden-Neustadt auf der Schillerstraße zu treffen. Frau Semper traf auch pünkt lich ein und wurde von ihrem Ehemann freundlich be grüßt. Die Unterhaltung der Ehegatten war anfangs Reichstagsabgeordneter Or Delbrück Professor Abegg -f. Zu den Ballonkakastrophen in Pommern. Zur vallonkalaslropds del Satznltz. Der bei dem furchtbaren Unglück auf so jähe Weise umS Leben gekommene Reichstagsabgeordnete Or. Werner Hugo Wilhelm Delbrück war an der Ostsee eine wohlbe kannte Persönlichkeit, er war Direktor der Aktiengesell schaft Seebad Heringsdorf in Heringsdorf. Er war am 31. Dezember 1868 in Züllchow, Kreis Randow, geboren und evange isch. Seine humanistische Vorbildung erhielt er in Stettin, studierte in Berlin, Freiburg i. Br. und Greifswald Chemie und Physik. Er arbeitete dann als Chemiker in verschiedenen Portlandzementfabriken im Osten und im Westen, zuletzt in der Stettiner Portland zementfabrik LossiuS Delbrück in Züllchow, bis er 1899 Seebad-Direktor wurde. Er war Leutnant der Landwehr und tüchtiger Sportsmann. Seine Mitbürger entsandten ihn 1905 in den Kreistag Usedom-Wollin. Dem Reichs tage gehörte er seit 1907 an als Vertreter des Wahlkreises Ueckermünde-Usedom-Wollin. Er hat in der Stichwahl 1907 den konservativen Abgeordneten von Böhlendorff- Kölpin auf den 9415 Stimmen entfallen waren, mit 11,011 Stimmen besiegt. Im Reichstage hatte er noch nicht Gelegenheit, das besondere Augenmerk auf sich zu richten. Or. Delbrück, der den Ballon „Pommern" ge steuert hat, besaß die Führerqualifikation erst seit dem vorigen Sommer. Er hat sie beim Berliner Verein für Luftschiffahrt noch auf Grund des alten Reglements er worben, d. h. nach nur vier Fahrten. Im ganzen hat er wohl sieben bis acht Fahrten zurückgelegt. Er hatte schon einmal mit dem Ballon „Ernst" des Berliner Ver eins eine Fahrt von Heringsdorf unternommen, die ihn mitten über da§ Meer führte und nur durch die schnelle Hilfe einiger hinzueilender Schiffe kein verhängnisvolles Ende nahm. Zum Unfall vss Luftballons „Scblssisn." Professor Or. Richard Abegg, der bei dem Aufstieg des Luftballons „Schlesien" des schlesischen Vereins für Luftschiffahrt umS Leben gekommen ist, war bisher als außerordentlicher Professor der anorganischen und physi kalischen Chemie sowie als Abteilungsvorstand des Chemi schen Instituts in BreSlau tätig. Er mar dazu auSer- sehen, im Herbst an der neugegrundeten Technischen Hoch schule in BreSlau als einziger ordentlicher Professor der physikalischen Chemie zu wirken. Nun hat ein furcht barer Unfall der Laufbahn des erst 41 Jahre alten Ge lehrten ein Ende gemacht. Professor Abegg hat den Auf stieg in Gesellschaft des Kaufmanns Gerstel und einer Dame unternommen. Als der Ballon in Latzig, im Kreise Belgrad in Pommern, landete, blieb der Professor allein in der Gondel. Auf einmal riß ein Windstoß den Bal lon los und trieb ihn bis Tessin. Dort fand man den Gelehrten schwer verletzt neben dem gestrandeten Ballon. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und erlag dort seinen Wunden. ruhig und sachlich. Als aber die Ehefrau ihren Mann ersuchte, seiner Alimentationspflicht in vollem Umfange nachzukommen, geriet dieser in Wut. Er erklärte sich bereit monatlich 100 Mark zu zahlen und verlangte von seiner Frau eine diesbezügliche Einwilligungserklärung. Die Frau weigerte sich. Es kam hierauf zu erregten Aus einandersetzungen und in höchster Erregung verließ Frau Semper das Lokal. Sie schlug die Richtung nach dem „Weißen Hirsch" ein, aber in unmittelbarer Entfernung folgte ihr der Mann, der in seiner Erregung nicht ein- mal seinen Hut mitgenommen hatte. Als Semper seine Gattin auf der Landstraße wiedereingeholt hatte, soll er noch einmal Vorstellungen gemacht haben. Als aber auch jetzt noch keine Einigung erfolgte, zog der Mann einen Revolver. Er ergriff seine Frau am Arme und feuerte aus unmittelbarer Nähe einen Schuß auf sie ab. Die Kugel traf das Herz und streckte sie tot zu Boden. Dann packte der wahnwitzige Mann den Leichnam seiner Frau und warf die Leiche über die Straßenbarriere in den Abgrund. Hierauf richtete er die Waffe gegen sich selbst, schoß sich eine Kugel in den Kopf und brach auf der Landstraße bewußtlos zusammen. Lebend wurde er ins CarolahauS geschafft. Die Verletzung ist jedoch nicht tätlich. Die Staatsanwaltschaft hat sofort die weiteren Schritte veranlaßt. Nus aller ^?slt. Graz, 6. April. (Großer Fabrikbrand.) Die PapierfabriS Leykam Josepystal in Zwischenwaoffern in Krain ist vollständig niedergebrannt. Vier Personen wur den schwer verletzt. Der Schaden soll über 2 Millionen Kronen betragen. Rom, 6. April. (Zur Ehescheidung der Frau Toselli.) Frau Toselli und ihr Gatte haben heute bet dem Anwalt Casetschi die Vorakte ihres Antrags auf Ehescheidung unterzeichnet. Oeynhausen, 6. April. (Theaterbrand.) Heute ist das Lurtheater in Oeynhausen ein Raub der Flammen geworden. Das Feuer entstand wahrscheinlich durch Kurz schluß in dem anstoßenden Wohnhause, das dicht an das alte Kurhaus grenzt und dem Kapellmeister Ladewig als Dienstwohnung dient. Von hier aus griff das Feuer auf das Theatergebäude über. Bis zu den Mittagsstun den war der Brand noch nicht gelöscht, aber es besteht die Hoffnung, daß wenigstens die Bühne und ein Teil der Requisiten gerettet werden kann. Für die diesjährige Saison soll ein provisorischer Theaterraum geschaffen werden. Petersburg, 6. Apri. (Der Stationschef als Eisenbahnräuber.) Der Chef der Station Ktkerino, zwischen Petersburg und Gatschina, Bergmann, wurde wegen Beraubung von Passagieren verhaftet. In der letzten Zeit wurde eine ganze Menge von Diebstählen angezeigt, die einen bedeutenden Wert repräsentierten. Der Stationschef kontrollierte stets abends die Billerts. Nachdem er gestern abend einen Wagen zweiter Klasse verlassen hatte, erhob eine Dame Lärm, ihre Handtasche sei abhanden gekommen, und sie beschuldigte direkt den Kontrolleur Bergmann als Dieb. Er wurde untersucht, wobei man die Tasche tatsächlich fand. Bet einer Haus suchung bei Bergmann wurde dann eine große Menge fremden Eigentums gefunden Vermlscktss. * Erschütternde Einzelheiten von dem Ret tungswerke in Mülheim werden jetzt bekannt. Ein am Rettungswerk bet der Eisenbahnkatastrophe von Mülheim Irrungen. Kriminal-Novelle von G. Str über. 21. Nachdruck verboten. Herr Stumpf fuhr in seiner Rede fort: „Ich w ll nur da« gestohlene Geld haben, denn von der Summ«, die ich zurückbringe, sind mir 15 Prozent zugesagt, und repräsentieren für mich ein kleine« Kapital, mit dem ich mir im Falle der Not einmal eine andere Existenz gründen kann. Schöpft der Mensch den geringsten Verdacht, daß man ihm auf den Fersen ist, so wird er in der nächsten Stund» spurlo« ver- schwunden sein. Darum gilt e« — wie ich die« ja bei Ihnen früher versuchte — ihn zu verwirren und zu überraschen, ihn altdann direkt zu überführen und auf der Stelle festzuhalten." „Nun, ich zwe sie nicht, daß Sie in dergleichen Dingen Erfahrung genug besitzen, um am besten urteilen zu können, wa« zu tun ist. Wa« mir im übrigen bei der ganzen Geschichte noch immer rätselhaft erscheint, da« bleibt der Umstand, zu welchem Zwecke dieser Schwindler sich nach Etzelhof begeben haben mag. Er mußte doch vorher erfahren haben, daß der Baron nicht reich genug sei, um ihn in lohnender Weise be trügen oder rupfen zu können." „Daß er die« vorher gewußt habe, ist keinetweg« erwiesen", bemerkte Stumpf, „er kann die« auch erst nachträglich erfahren und dann den Entschluß gefaßt haben, den edlen Baron um da« Wenige wa« er besitzt, zu prellen. Denn ein solcher Schurke ist zu Allem fähig. Wer weiß ob er nicht die Absicht hatte, da« Fräulein zu herraten um am nächsten Tage mit ihren Ju welen und Schmucksachen zu verschwinden! Ich glaube, lange wird er r« ohnehin nicht mehr dort oben authalten, au« Furcht, daß der wahre von Dürenstein eintrrffen könne, und darum ist schleunig,« Handeln geboten. Dithalb habe ich jemand be auftragt, mir mitzuteilen, wann der Schwindler zurückkehrt, und ich werde ihn al«dann ohne Verzug auf der Burg aussuchen.' „Guten Abend, meine Herren", unterbrach di« beiden Be kannten in diesem Augenblicke eine tiefe Stimme, und al« sie ausblickten, bemerkten sie den wackeren Bürgermeister von Hohen heim, der ihnen kräftig di« Hand schüttelte und sich al«dann an ihrem Tische niederließ. Der biedere Herr zeigte heute durchau« nicht die gravitä tische Würde, welche er sonst an den Tag zu legen pflegte. Etwa« nervö« Unruhige« lag in seinem Benehmen, e« schien, al« habe er soeben eine heftige Gemütsbewegung erlebt, sodaß Stumpf, welchem dieser Umstand nicht entging, ihn frug, ob ihm irgend eine Unannehmlichkeit zugestoßen sei. „Nicht« al« Aerger und Verdruß hat man auf der Welt", stieß Herr Haubrecht ingrimmig hervor, „diese« vornehme Volk glaubt sich Alle« gegen Unsereiner, herautnehmen zu dürfen! Doch ich will gar nicht mehr an die Geschichte denken, um mich nicht noch mehr zu ärgern, al« die» bereit« geschehen ist." »Hat sich der Baron wieder einmal in seiner ganzen aristo kratischen Höhe Ihnen gegenüber gezeigt?' frug der Erster« mit fr«undlichem Lächeln, worauf der Bürgermeister erwiderte: „Nein, der war e« die«mal nicht, wohl aber ein anderer, der in Bälde auch bald zu jener Sippe gehören wird. Denken Sie sich, meine Herren, jener fremde, hergelaufene Bursche, der sich v Dürenstein nennt, der hat die Frechheit, in meiner Ab wesenheit . . . Nein, e« ist zu stark", fuhr er sich unterbrechend und mit der flachen Hand auf den Tisch schlagend, fort, „und ich ärgere mich nur, daß ich dem dreisten Lasten nicht eine Portion tüchtiger bürgerliche Prügel verabre cht habe. Meint.der Mensch vielleicht, wir Bürger, die wir zwar keinen adligen Namen, aber auch keine Schulden haben, seien dazu da, um al« Spielzeug für die nicht«nutzigen Launen aristokratischer Herr schaften zu dienen!' „Um Himmel«willen, wa« ist geschehen, Herr Bürgermeister? ' rief Springer erschrocken au«. Denn eine Ahnung sagte e« ihm, daß bei dem gegenwärtigen Vorfälle e» um seine Hedwig sich handle. Einen Augenblick überlegte jener und dann begann er mit gedämpfter Stimme: „Ich will Ihnen alle« mitteilen, denn ich halte Eie beide für ehrenwerte Männer und verlasse mich darauf, da« Sie das jenige, wa« ich Ihnen jetzt anvertraue, al« ein strenge« Ge« heimni« betrachten werden Diesen Nachmittag also hatten mich privat« Angelegenheiten nach au«wärt« gerufen und erst gegen halb 7 Uhr, bei Anbruch der Dunkelheit, kehrte ich heim. Vor meinem Hause sah ich eine Kutsche halten, ein Bewei«, daß Be such anwesend war. In beschleunigtem Schritte ging ich nun mehr meiner Wohnung zu, blieb aber überrascht im Hautflur stehen, al« ich oben zwei laute Stimmen hörte, die sich zu streiten schienen. Deutlich unterschied ich die Stimme meiner Tochter, auch die zweite kam mir bekannt vor, doch wußte ich mich nicht im ersten Momente darauf zu besinnen, wem dieselbe gehörte. „Unverschämter", hörte ich mit «inem Male Hedwig au«- rufen, „entweder entfernen Sie sich auf der Stell« od«r ich ruf« laut um Hilfe", und dabei lief ich, so schnell ich konnte, die Treppe hinauf. Ich kam gerade zur rechten Zeit. Denn dort stand jener v. Dürenstein meiner Hedwig gegenüber und suchte dieselbe gewaltsam an sich zu ziehen. Bei meinem Eintreten ließ er sie lo« und schaute mich mit blöden Augen lächelnd an. Ich bemerkte sofort, daß er zu viel getrunken hatte. „Wa« geht hier vor?" rief ich au«, während Hedwig auf mich zueilte und mit Tränen de« Zorne« und der Scham in ihren Augen sich an mich lehnte. »Wat soll hier Große« vorgehrn!" sagte der freche Bursche höhnisch. »Ich habe Ihrem Töchterchen ein bi«chen den Hof machen wollen und sie hat die« übel genommen. Da« ist alle«. Wer hätte auch wohl denken sollen, daß die hübsche Kleine ein solche« Trotzköpfchen hätte!" Dec unverschämte Ton in Verbindung mit den Tränen meiner Tochter brachte in mir kochenden Zorn zum Autbruche.