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B ei läge; um Pulsnitzer Wochenblatt Dientsag -4- Ar. 45. -4— 19. April 1910. Die Emaltzslilili Auslands gegenüber Finn land. Die nun schon seit Jahren betriebene Vergewalti gungspolitik Rußlands gegenüber dem Großfürstentume Finnland hat mit dem neuesten Gesetze betreffs Finn lands ihre Krönung erfahren. Denn dieses Gesetz ver nichtet mit einem Schlage alle Sonderrechte, welche sich Finnland bis jetzt noch mühsam zu wahren gewußt halte. ES unterdrückt alle Reste von Selbständigkeit in der in neren Verwaltung Finnlands, degradiert den Landtag von HelstngforS zu einem bedeutungslosen Beratungskör per und öffnet der Russiftzicrung des finnländischen Be amtentums Tür und Tor. Und dies, obwohl der jetzige Zar Nikolaus II., wie alle seine Vorgänger auf dem russischen Throne, seit der Zugehörigkeit Finnlands zum russischen Reiche, bei seinem Regierungsantritt die ver brieften Sonderrechte Finnlands feierlich beschworen hatte. Aber auch sein Vater, Alexander lll., hatte bei seiner Thronbesteigung gelobt, die Privilegion und Vorrechte der Finnländer aufrecht zu erhalten, und doch war eS gerade seine Regierung, unter welcher die Aera der russi schen Uebergriffe gegen die Sonderstellung Finnlands be gonnen und konsequent durchgeführt wurde. Da braucht man sich nicht zu wundern, daß sich auch sein Sohn und Nachfolger nicht weiter an sein den finnischen Ländern gegebenes Wort gebunden erachtet, sondern die Russifizie- rungspolitik in Finnland fortführt, offenbar mit dem Entschlusse, sie jetzt zum Abschluß zu bringen. Vielfach hatte man in den liberalen Kreisen Rußlands und in Finnland selber geglaubt, daß der angeblich so konsti tutionell gesinnte Ministerpräsident Stolypin nicht die Hand zu den neuesten Vergewaltigungsmaßnahmen gegen Finnland bieten würde. Aber das Hst sich mS ein gro ßer Irrtum erwiesen, war es doch vor allem Stolypin, der die Vertreter der altrussischen Partei in der Umgebung Nikolaus II, die den schwachen Fürsten zu dem jetzigen neuesten Schlage gegen Finnland überredeten, hierbei mit seinem ganzen Einflüsse unterstützte, zweifellos in der Nebenabsicht, hierdurch seine etwas wackelig gewordene Stellung wieder zu stärken. Ob letzteres Herrn Stolypin gelingen wird, dies muß noch sehr dahin gestellt bleiben, aber umso mehr Erfolg hat er mit seinen antistnnländi- schen Bestrebungen und Vorschlägen gehabt, und wenn sie nunmehr zu dem neuesten Unterdrückungsgesetz für Finnland geführt haben, so halber leitende Staatsmann Rußlands an dieser zweifelhaften gesetzgeberischen Leistung einen hervorragenden Anteil. Mit Empörung und Verachtung zugleich muß jedoch die Haltung erfüllen, welche die russische RetchSduma zu den neuesten RussifizierungSmaßnahmen gegen Finnland eingenommen hat. Die große Mehrheit der russischen Volksvertretung, mit Einschluß der Oktobristenpartei, die sich doch sonst immer so gern mit ihrer liberalen und konstitutionellen Gesinnung zu brüsten pflegt, h t nicht das Geringste gegen diese brutale Entrechtung Finnlands einzuwenden gehabt, sondern dem neuen finnländischen Gesetze zugestimmt. Warum sollten wohl auch die Finn- lünder noch länger bevorrechtet gegenüber dem großen Völkergemisch des eigentlichen Zarenreiches sein, warum sollte die sie von dem übrigen russischen Volke trennende Scheidewand noch länger aufrecht erhalten bleiben? fragte man sich in Dumakreisen und gab seine Einwilligung zu dem neuesten Gewaltakte gegen Finnland, ohne sich wei ter durum zu kümmern, daß Finnland durch seine hoch entwickelte Kultur und seine ganze Geschichte ein wohl begründetes Anrecht darauf besitzt, nicht auf die gleiche Stufe mit dem übrigen Rußland gestellt zu wernen. So ist denn das Schicksal des eigenartigen „Landes dec tau send Seen" besigelt, es wird den Forderungen der reak tionären altrussischen Partei vollständig geopfert, und aus den Rang eines gewöhnlichen altrussischen Gouvernements herabgedrückt. Und die Finnländer werden sich wohl oder Dos Feuer im Hamburger Freihafen. Durch die unvorsichtige Hand habung eines Lötofens entstand am Bounittag des 15. April im Dachgeschoß eines großen Speichers an der Kehrwieder Spitze, im Hamburger Freihafen ein großer Brand. Zum Un glück befand sich ein großes Zel luloidlager in der Nähe, das alsbald explodierte u. den Brand weiterverbreitete. Trotz des ra schen Eingreifens der Feuerwehr wurde ein großer Teil der auf dem Speicher verwahrten Güter ein Raub der Flammen, so wurde ein großes Kaffeelager völlig vernichtet. Der Gesamtschaden wird auf 200 000 M geschätzt. Leider blieb es nicht bei diesen materiellen Verlusten, sondern eS sind auch zwei Menschenleben zu beklagen. übel hierein finden müssen, da menschlicher Voraussicht nach nicht mehr das ihnen drohende Schicksal, nunmehr mit den andern Völkern Rußlands in einen Topf gewor fen zu werden, abzuwenden vermag. Das also ist der Lohn dafür, daß bisher die Finnländer die treuesten und loyalsten Untertanen des Zaren waren, daß bei ihnen die revolutionären Zuckungen, welche seit Jahrzehnten das russische Reich durchzitterten, niemals ein Echo fanden. Sollte nunmehr in den zarentreuen Gesinnungen des ruhigen finnländischen Volkes nicht vielleicht ein radika ler Umschwung eintreten? OsrMcdes unv Säcbsiscbss. — Nach der vom Königlich Sächsischen Statistischen Landesamte zusammengestellten Uebersicht über die bei den Sparkassen im Königreiche Sachsen erfolgten Ein- und Rückzahlungen erfolgten solche im Monat Januar 1910 bei den Sparkassen im hiesigen Bezirke in zahlungen 51 048 921 Mark, die Gesamt-Rückzahlungen 35 901 858 Mark, während der Gesamt-Barbestand am nachstehender Weise: Pulsnitz: 1972 Einz. im Betrage von 146617 Mk. 670 Rückz. 95 760 Ohorn: 261 Einz. 20559 43 Rückz. ,, 12702 ,, Großröhrsdorf: 1162 Einz. .» ,, 85327 ,, 405 Rückz. ,, ,, 49167 ,, Bretnig: 510 Einz. ,, 33733 ,, 134 Rückz. ,, 20150 ,, HauSwalde: 173 Einz. ,, 22629 59 Rückz. 6421 Kamenz 1992 Einz. ,, ,, 189743 ,, 1092 Rückz. ,, z, 173050 Elstra: 230 Einz. f, ,, 15 803 ,, 76 Rückz. 16048 Schwepnitz: 207 Einz. z, 12632 ,, 79 Rückz. ,, ,, i. 6572 ,, Königsbrück: 1013 Einz. » , 106143 674 Rückz. ,, 76786 In allen 359 Kassen Sachsens betrugen die Gesamt-Ein- Schluffe des Monats sich auf 10 956 537 Mark bezifferte. Dresden. Am Sonntag waren vier Monate ver gangen, seitdem Leutnant Richter in Nünchritz mit dem Ballon „Luna" aufstieg; seitdem ist er bekanntlich verschollen. AuS Stockholm wurde nun jetzt gemeldet: Die schwedische aeronautische Gesellschaft, die sich lebhaft mit dem Schicksal des verunglückten Dresdner Ballons „Luna" beschäftigt, hat am Donnerstag von einem Förster in Peckabjaervi in Finnland einen Brief erhalten, wonach einige Personen vor etlicher Zeit an einem stürmischen Abend einen Ballon gesehen hätten, der in etwa 20 m Höhe sich dem Lande näherte, aber bald über den großen Wäldern verschwand. Später hätten einige Personen in den Wäldern, wo hoher Schnee lag, nach dem Ballon gesucht, aber ihn nicht gefunden. Die aeronautische Ge sellschaft betrachtet die Nachricht als äußerst wertvoll. Dernburg über die MummUM. Vor dem Deutschen Handelstage in Berlin sprach der Staatssekretär des Reichskolonialamts, Dernburg, über Baumwollsragen. Der Staatssekretär hält seine vor drei Jahren ausgesprochene Anschauung aufrecht, wonach er als Hauptaufgabe der deutschen kolonialen Entwickelung —Irrungen. 4— Kriminal-Novelle von G. Str über. 2S. Nachdruck verboten. »Ich kenne jenen Herrn gar nicht/ fuhr Hedwig fort, „und der Glanz seine« Namen« macht auf mich nicht den geringsten Eindruck, wenigsten« nicht einen solchen, daß derselbe miL ver. leiten könnte, meine Hand an einen mir ganz fremden Mann zu vergeben. Ich trenne mich niemal« von dir, Papa, und nunmehr, nachdem ich dir meinen unabänderlichen Entschluß miigeteilt habe, wirst du mir wohl erlauben, daß ich mich wieder entferne." Verstohlen eine Träne au« ihren Augen wischend, wandte sie sich der Türe zu, al« der junge Mann ihr in den Weg trat. „Fräulein Hedwig, ich bitte, bleiben Sie noch einen Mo ment", sprach er in herzlichem und dabei freudig brrvealem Tone, „noch ein Wort möchte ich in Gegenwart Ihre« Vater« mit Ihnen reden." „Ich wüßte nicht, ->a« Sie mir noch zu sagen hätten, Herr Springer!" entgegnete sie mit der Miene gekränkter Würde, blieb aber gleichwohl stehen, al« erwartete sie seine weiteren Mit teilungen. „Ihnen, Fräulein Hedwig", begann dieser, „bin ich, ebenso wie Herrn Haubrecht, noch eine Erklärung schuldig, die mir schon seit langem schwer auf dem Herzen lie-st, für welche in dessen erst jetzt der richtige Moment gekommen ist. E« handelt sich hierbei um den echten Ferdinand von Dürenstein, meinen treuesten und vertrautesten Freund. Hören Sie mich einige Minuten ruhig an. ich muß zwar etwa« weit autholen, aber die« ist zum vollen Vsrständni« der Sache unbedingt erforderlich. Jener Herr v. Dürenstein kam nämlich von Südamerika nach Eu opa herüber mit der Absicht, wenn da» Fräulein v. Siepen sich nicht al« eine ihm gar zu unsympatische Persönlichkeit Herausstellen würde, um deren Hand sich zu bewerben. In Hamburg hatte mein Freund da« Unglück, seine Legitimationspapiere zu ver« lieren, die einem Gauner in die Hände fielen und von diesem Lazu benutzt wurden, um Lem Baron v. Siepen al« Herr von Dürenstein vorzustellen. Der echte v. Dürenstein schrieb sofort nach seiner »weiten Heimat, um Ersatz für die abhanden ge« kommenen Papier« zu erhalten, und begab sich dann auf den Weg, um den Baron v. Siepen und dessen Angehörig« k«nn«n zu lernen. Al« man ihn auf dieser Reise wegen ungenügender Legitimation arretierte, legt« er sich, einem augenblickl chen über« mütigen Einfalle gehorchend, einen fremden Namen bei. Bald nachher wieder in Freiheit gesetzt, erblickte er Sie, Fräulein Hedwig, und verlor dabei, w e ich vorhin schon bemerkt«, sein Herz. Unter falschem Namen hat er sich Ihnen genaht, er war überzeugt, daß er auch Ihne» nicht ganz gleichgültig sei, aber die von ihm vorgeschützt, Stellung al» armer Kommi« hinderte ihn bi« jetzt daran, sich »ffe» vor Ihnen in Gegenwart Ihre« Vater« zu erklären. Der arme Kommi« Karl Springer heißt in Wirklichkeit Ferdinand v. Dürenstein und ist ein reicher und ganz unabhängiger Mann, und erliube ich mir nochmal« im Namen de« letzteren d-e Frage zu wiederholen: Dars dirser Ferdinand von Dürenstein hoffen, daß Sie ihm dasselbe Wohlwollen, wie dem für immer verschwundenen Karl Springer, beweisen und daß Sie seine redliche Werbung um Ihre Hand nicht zurückstoßen werden." Mit wachsendem Feuer halte Herr v. Dürenstein gesprochen und al« er geendet, richtet er fragend den Blick bald auf di« Geliebte und bald auf den alten Herrn. War e« Verdruß oder war c« Freuds, wa« der r>flenn die T änen in die Augen pnßte, genug, mit einem Male fiel sie ihrem Vater um den Hal« und verbarg schluchzend ihr Antlitz an dessen Brust. „Nun, nun, beruhige dich nur, lieber Kind", sprach diese* tröstend, „ich denke nicht daran, dtch zu einer Heirat zwingen zu wollen .... Aber sagen Sw mir g fälligst mein lieber Herr Springer oder vielmehr Herr v. Dürenstein, besitzen Sie denn auch wirklich Legitimationlpapiere und können Sie mich die selben sehen lassen?" „Mit Vergnügen", erwiderte dieser lächelnd, während er ver" schieden« Schriftstücke dem Bürgermeister übereichte. „Hier ist mein Paß und hier zwei Schreiben mein«« Bankier«, au« denen Sie ersehen können, daß ich nicht nötig habe reich zu heiraten, und daß allein die Neigung zu Fräulein Hedwig meine Werbung veranlaßt." Der würdige Herr la« die Papiere aufmerksam durch und reichte sie al«dann mit einer tiefen Verbeugung dem jungen Manne zurück. „Es ist kein Zweifel, Sie sind der echte Herr v. Düren« stein und besitzen ein Vermögen, gegen welche« da« meinige nur eine Bagatelle ist. Gewiß ehrt Ihr Antrag un« beide in hohem Grade, aber gleichwohl hege ich ernste Bedenken gegen «ine solche Verbindung. Sie werden von jetzt an den Baron spielen, wie dieser Herr v. Siepen. Sir werden auf mich von oben herabblicken und mit der Zeit, sowie die erste Leidenschaft verrauscht ist, würde auch mein Kind unter Ihrem überlegenen Standetbewußtsein leiden. Nein, Herr Baron, «8 geht wirklich nicht, daß Eie meine Herwig heiraten. Bewerben Sie sich doch um Fräulein Marga, die Ihrer weit ebenbürtiger ist" „So glauben Eie also, daß ich ein Heuchler sei!" er« widerte der andere unwillig. „Welhalb denn da«?" „Weil Sie sonst nie behaupten können, daß ich mich in Zukunft ander« al« bi« dahin benehmen würde. Haben Sie j- eine Spur von Anmaßung oder Ueberhebung bei mir entdeckt und sind Sie Wirklich der Ansicht, ein ehrenhafter Mensch braucht nur seinen Namen zu verändern, um auch sofort einen anderen Charakter zu besitzen? Da« hätte ich Ihnen, nachdem wir so lange un« kennen, wahrlichZ nicht zugetraut, Herr Bürgermeister, und da« schmerzt mich in hohem Maße. Wenn Ihr Verhalten in dem gegenwärtigen Fall, woran ich nicht zweifle, allein durch die Absicht bestimmt wird, da« Glück Ihrer Tochter zu be gründen, so mache ich Ihnen den Vorschlag, daß Sie die Ent scheidung über die Zukunft Hedwig« dieser allein anheimgeben,