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Nr. 30. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 1L. März 1910. Seite 6. Geiz, die jemals vorgekommen oder verzeichnet worden sind. Der alte Hudson hatte in einem kleinen Häuschen unweit der Bahnstatton Salford gelebt und wöchentlich nicht mehr als 2 M ausgegeb n. Seine Lebensweise ver dient geschildert zu werden: er kaufte alle vier Tage für 4 Pf. Milch; jede Woche ein Kilogramm Brot, alle 3 Monate 250 Gramm Zucker und jede Woche 250 Gramm Fleisch. Das genügte ihm, wie es scheint, vollständig zu seinem Lebensunterhalt. Hudson hat ferner etngestanden, daß er seit zwanzig Jahren kein Bad genommen hat! In feinem Häuschen fanden die Beamten des Hospitals einen Schmutz, der sich gar nicht beschreiben läßt; mitten unter dem Schmutz aber entdeckte man Spuren eines Liebes romans, der den alten Harpagon bis in die letzten Tage hinein beschäftigt haben muß. In einem versteckten Zimmerchen stand ein Tisch, der für zwei Personen ge deckt war. So, wie man ihn fand, stand der Tisch schon seit 20 Jahren. Der alte Geizhalz erklärte auf Befragen, daß er in diesem Allerheiligsten seines Hauses den Besuch einer Frau erwartet habe, der einzigen Frau, die ihm einst etwas gewesen sei. * (Die letzte Bitte des zum Tode Verur teilten.) Vor dem Schwurgericht in Limoges stand dieser Tage ein Mann unter der Anklage, einen scheuß lichen Mord begangen zu haben; die Geschworenen ver urteilten ihn zum Tode. Der Vorsitzende des Gerichts hofes fragte den Mörder darauf, ob er noch etwas zu sagen habe. „Jawohl", erwidert der Mann, „Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mir ein sauberes Hemd verschafften, denn ich trage mein Hemd schon seit meiner Verhaftung, d. h. seit September 1900. Ich habe mein Hemd so lange getragen wie Isabella die Katholische, die während der Belagerung Granadas das Gelübde tat, daß sie ihr Hemd erst wechseln würde, wenn die Festung erobert sein würde. Und die Belagerung dauerte 6 Monate, genau so lange wie meine Unter suchungshaft!" Natürlich wurde dem Verurteilten das reine Hemd anstandslos bewilligt. Der „Gill Blas" be- merkt dazu, daß der Exminister Pelletan, der im Rufe steht ein wenig wasserscheu zu sein, beim Lesen der Zei tungsberichte, die von der sonderbaren Bitte des Mörders erzählten, voll Entrüstung ausgerufen habe: „Wer nicht wenigstens einmal im Monat das Hemd wechselt, ist ein Schwein!" Lieferung trotz Ablaufs der oeMagsmätzigen sulWoen Lieferungsfrist uertztudet W Mutz- lieserung nicht. -— (Nachdruck auch im Auszug verboten.) — s. K. Zwischen den Parteien kam ein Vertrag über Lieferung von 6 — 8000 Ztr. Kartoffeln zum Preise von 1,50 M für den Zentner unter folgenden Bedingungen zustande: „Quantum innerhalb dieser Zahlen nach Wahl des Beklagten bei frostfreiem Wetter im Laufe des Mo nats März sukzessive abzunehmen, aber so, daß Kläger Monat April keine Kartoffeln mehr zu liefern verpflichtet sein solle." Kläger lieferte darauf am 24. März 1907 10 600 Ic§, dann am 3., 4., 8., 11., 12., 18., 19. und 24. April weitere Mengen Kartoffeln, zusammen 142181 KZ zum Preise von 4250 M. Auf Zahlung dieser Summe klagte er. Beklagter wendete ein, daß die Lieferung nicht vollständig erfüllt fei und verlangte 4432 M Schadenersatz und zwar, weil Kläger nach Brief vom 25. April weitere Lieferungen verweigert und trotz Nachfrist nicht geliefert Habs. Kläger bestritt den Schadenanspruch und behauptete, daß der Beklagte im März 1907, obwohl frostfreies Wetter gewesen sei, und obwohl er von ihm durch Bries vom 20. März noch besonders aufgefordert worden fei, über die Kartoffeln zu verfügen, über sie nicht verfügt habe; deshalb sei durch Schuld des Beklagten die Lieferung im März unterblieben; zur Lieferung im April sei er, Kläger, aber nicht verpflichtet gewesen. Landgericht und Ober landesgericht verurteilten zur Zahlung der Kaufsumme und lehnten Schadenersatzansprüche des Beklagten ab. DaS Reichsgericht wies die Revision zurück. Die Ver pflichtung des Klägers zur Lieferung von Kartoffeln habe vertragsmäßig mit Ende März aufgehört. Wenn er gleichwohl mit Rücksicht auf den jetzt streitigen VertragS- /Tz/L/ Lcc Zv-ZL/Szz^/^ . Vie tzmit Nordsee-Mt des Kaisers. Der Raffer hat in diesem Jahre nach der Nekrutenvereidi- gung in Wilhelmshaven eine kurze Nordseereise unternommen. An Bord des Flottenflaggschiffes „Deutschland", das von dem Rreuzer „Königsberg" und zwei Depeschenbooten begleitet wurde, fuhr der Raiser zunächst nach Helgoland und von dort nach Bremerhaven. Im Gefolge sei ner Majestät befanden sich ver schiedene hochgestellte Persönlich keiten der Flotte und der Fürst zu Fürstenberg. In Bremer haven verließ der Raiser das Linienschiff und unternahm auf dem neuen Schnelldampfer des Norddeutschen Llo^d „Raiser Wilhelm II" eine 2 tägige Probe fahrt nach der norwegischen Rüste. Selbstverständlich. Arzt: Ha- ben Sie des Nachts oft kalte Füße? Patient: G ja, wenn ich die Beens raus strecke. Guter Rat. Fremder: „wie komme ich am schnellsten nach dem Opernhaus?" Schusterjunge: „wenn Sie tücbtig laufen!" schluß zu den darin bedungenen Preisen weitere Liefe rungen gemacht habe, io habe er damit keineswegs seine Rechtsposition aufgeben wollen, sondern dies getan, um seinem Abnehmer sich gefällig zu erweisen, vielleicht auch in seinem eigenen Interesse, um seinen vorhandenen Kar toffelvorrat loszuwerden. Sein Verhalten dürfe aber nicht so ausgefaßt werden, daß er die durch Ablauf der vertragsmäßigen Lieferungszeit untergegangene alte Ver pflichtung von neuem habe übernehmen wollen. In diesem Sinne habe es auch der Beklagte nicht auffaffen können und er habe nach der Ueberzeugung des Gerichts tatsächlich es auch nicht so aufgefaßt. Ein besonderer Vorbehalt bei Lieferung der Kartoffeln im April fei nicht notwendig gewesen, weil bereits bei Abschluß des Ver trags die Zeit der Lieferungsverpflichtung bestimmt und klar abgegrenzt gewesen und Kläger jede Lieferungsver pflichtung über den Monat Mörz mit Entschiedenheit abgelehnt habe. (Urteil des R. G. C. R. II 189/09 vom 11. Januar 1910. Dresdner Produkten-Börse, 14. März 1910. Wetter: Schön. Stimmung: Ruhig. Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: Weizen, weißer, — — — M, brauner, neuer, 74—78 Kilo, 214—222 M, do. feuchter M, russischer rot 233—245 M, do. russisch, weiß M, Kansas 245—248 M, Argentinier M, Amerikanischer, weiß —M. Roggen, sächsischer 70-73 Kilo 152—158 M, russ. 180-183 M. Gerste, sächsische, 152-165 M, schlesische 162-175 M, Posener 159—170 M, böhmische 179—190 M, Futtergerste 132-138 M Hafer, sächsischer 158—164 M, beregneter 140—152 M. schlesischer 158—164 M., russischer 148-154 M. Mais Cinquantine 177—186 M, alter M, Laplata, gelb, 159—162 M, amerikan. Mired-Mais , Rundmais, gelb, 156—160 M, do. neu, feucht M. Erbsen, 180-190 M, Wicken, sächs. 170-185 M. Buchweizen, inländischer 185—190 M, do. fremder 185—190 M. Oelsaaten, Winterraps, feucht —, trocken M. Leinsaat, feine —, ,— M, mittl. —, ,— M. Laplata 320,00—330,00 M. Bombay 335,00—340,00 M. Rüböl, raffiniertes 61,00 M. Rapskuchen (Dresdner Marken) lange 13,50 M, runde M Leinkuchen (Dresdner Marken) I 19,50 M, 11 19,00 M. Mal? 26,00-31,00 M. Weizenmehle (Dresdner Marken): Kaiserauszug 37,00—37,50 M, Grießlerauszug 36,00—36,50 M, Semmelmehl 3500,—35,50 M, Väckermundmehl33,50—34,00 M, Grießlermundmehl 25,00 bis 26,00 M, Pohlmehl 18,00—19,00 M. Roggenmehle (Dresdner Marken) Nr.O 25,00—25,5-0 M, Nr. 0/1, 24,00—24,50 M, Nr. 1 23,00—23,50 M, Nr. 2 20,50—21,50M Nr. 3 17,00—17,50 M, Futtermehl 14,00—14,20 M, ercl. der städtischen Abgabe. weizenkleie (Dresd. Mark.): grobe 11,60—11,80, feine 11,00—11,20. Roggenkleie (Dresdner Marken): 11,50—11,70 M. Wettervorhersage der Königlich Sächsische« Kaudeswetterrvarte ;« Dresden. Mittwoch, den 16. März: Nordostwind, Bewölkungszunahme, kühl, kein erheblicher Nieder- — schlag. — Magdeb«rger Wettervorhersage. Mildes, ziemlich trübes oder wolkiges Wetter mit etwas Regen, im Westen und Nordwesten ergibigere Reife. XVocdsn - Spislplan der königlicdsn kZottbsatsr su vrssdsn. Königliches Opernhaus. Mittwoch, 16. März: Rienzi. (Anfang 7 Uhr.) Donnerstag: Aida. (>/,8 Uhr.) Freitag: Geschlossen. Sonnabend: Mit Allerhöchster Genehmigung: Generalprobe zum Palmsonntags-Konzert. (7 Uhr. Sonntag: Mit Allerhöchster Genehmigung: Zum Besten des Unterstützungsfonds für die Witwen und Waisen von Mitgliedern der Königlichen musikalischen Kapelle Palm sonntags-Konzert. (7 Uhr.) Königliches Schauspielhaus: Mittwoch, 16. März: Don Carlos. ('/,7 Uhr.) Donnerstag: Zum ersten Male: Hanneies Himmelfahrt. (>/z8 Uhr.) Freitag: Zweimalzwei ist fünf. ('/,8 Uhr.) Sonnabend: Hanneles Himmelfahrt. (V28 Uhr.) Sonntag, 20. März: Hanneles Himmelfahrt. ft/28 Uhr) Vom 21. bis mit 26. März bleiben die Königlich. Hoftheater geschlossen. Gemütigkeit lag, der Springer auf der Stelle für den Fremden einnahm. Der letztere schien die Verwunderung, welche seine Erschei nung bei dem jungen Manne erregte, gar nicht zu bemerken. Unfangen ließ er sich diesem gegenüber an dem Tische nieder und agte dann in fließendem Deutsch, wenn auch mit etwa» fremd« ländischer Betonung: „Da ich von dem Wirte gehört habe, daß wir sür einig« Zeit auf den Verkehr miteinander werden angewiesen sein, so erlauben Eie mir wohl, daß ich mich Ihnen vorstelle. Mein Nam« ist Jame» Stumpf." „Mein Name ist Karl Springer" erwiderte dieser höflich- „Nach den Arußerungen de» Wirte» glaubte ich in Ihnen einen Engländer anzutreffen, um so angenehmer ist daher meine Ueber- raschung, daß sie gleichfall» «in Deutscher sind." „Ich bin ein Deutsch. Amerikaner", erwiderte Stumpf. »Mein Vater war ein Deutscher, meine Mutter dagegen ein« Amerikanerin, und ich selbst bin in Amerika, in Newyork ge boren. E» war eine gute Idee von mir, di« Aufregung«« und Anstrengungen de» Geschäft» einmal ganz bei Seite zu legen und diese» köstliche Land zu bereisen. Ich glaube, um diese Zeit läßt e» sich noch schöner und angenehmer hier leben, al» ,m Sommer, wo die große Schar von Touristen au» allen Weltteilen hier eintreffen. „Darin haben Sie vollkommen Recht. Darf ich vielleicht fragen, ob Sie längere Zeit in diesem Städtchen sich aufzu- halten gedenken?" „Da« ist noch ganz unbestimmt. E« hängt die» davon ab, wie «» mir hier gefällt, und ob nicht die Sehnsucht, weiter zu wandern, mit einem Male mich ergreift. Der Wein könnte mich allerding» zum Bleiben veranlassen, denn er ist ganz vor züglich, ander« dagegen verhält e« sich mit der Frage, ob ich auch die nötige Zerstreuung hierselbst finden werde. Ich habe nämlich den ganzen Tag über nicht» zu tun, und Ihnen, dem einzigen gebildeten Menschen hierselbst, den ich kenne, wird wohl die Zeit fehlen, um mir gelegentlich «in wenig Gesellschaft zu leisten." „Ach ich bin in meiner Zeit unbeschänkt", entgegnet« Karl. „Ich hab« nur einen einzigen, zwar ziemlich wichtigen, aber doch schnell zu erledigenden Auftrag hierselbst au»zuführen, und wenn e» Ihnen daher Vergnügen macht, zuweilen mit mir die Umgegend sich anzusehen, so stehe ich Ihnen in Jeder freien Stund« g«rn zu Dienst«»." Herr Stumpf occ-ptiert« diese» Anerbieten mit großer Freude und lud darauf seinen neuen Bekannten ein, mit ihm zu sammen noch eine Flasche vom „Allerbesten" zu leeren, welcher Karl später rin« zweite auf seine Rechnung folgen ließ. Man sprach dabei über die verschiedenartigsten Dinge, di« sür Herrn Stumpf sämtlich interessant zu sein schienen, aber seine Aufmerk samkeit wurde eine fast auffallende, al» Springer davon zu erzählen begann, daß er den größten Teil seine» Leben» in Südamerika zugrbracht und auch in Newyork «ine zeitlang sich aufgehalten habe. „So sprechen Sie wohl auch englisch?" frug der erstere plötzlich. „Zemlich leidlich, wie man mir gesagt hat", erwiderte Springer lächelnd. „Er stimmt", sprach Stumpf mit einem Mal« so laut vor sich hin, daß d«r and«r« verwundert frug, wa» er mit dieser Bemerkung habe sagen wollen. „Da» wollte weiter nicht» besagen", entgegnete jener treu herzig, „al« daß e» «ine große Seltenheit ist, daß ein Fremder, wenn er nicht Jahrzehnte lang in England oder Amerika sich aushielt, die englisch« Sprache vollkommen beherrscht. Im Uebr'gen muß ichi jetzt, so lieb auch Ihre Gesellschaft mir ist, auf mein Zimmer mich zurückziehen. E« ist «ine alte Gewohn heit von m», nach Tisch, wenn auch nur aus einige Minuten, di« Augrn zu schloßen. Jetzt ist e« noch nicht zwei Uhr, wie wäre e» nun, wenn wir in einer halben Stunde gemeinschaftlich «inen Autflug in die Umgegend unternehmen? Sie kennen die selbe zweifello« bereit« ziemlich gut und daher würde ich mich hierbei ganz und gar Ihren Anordnungen fügen. Selbstver ständlich gingen die gesamten Unkosten auf meine Rechnung. „Ein liebenswürdige« Nnerbitten", entgegnete Karl lachend, „aber von dem ich leider keinen Gebrauch machen kann. Denn mit pekuniären Mitteln bin ich reichlich versehen, sodaß ich e« für «in« Schänd« hielte, von einem anderen die Kosten für mein Vergnügen bestreiten zu lassen." „Auch gut", bemerkte der Amerikaner mit einem eigen tümlichen Blick« auf den jungen Mann. „In einer halben Stunde also sehen wir un« hier unten wieder." Da« Ziel de« Auifluge«, welchen Springer in Gemeinschaft mit seinem n«uen Bekannten unternahm, bildete eine tief im Wald« gelegene Schänke, welche wegen ihrer romantischen Lage weit und breit bekannt war und von Touristen sowohl, wie von den Honoratioren der Umgegend häufig besucht wurde. Um dorthin zu gelangen, ging man erst etwa eine Viertelstunde den Rhein abwärt« und bog dann nach recht« einen breiten sahr baren Waldweg ein, der direkt nach dem „Waldschlößchen", wie jene Schänke hieß, hinführte. Da der Weg bi« dorthin, abge- sehen von der aus der Chaussee zurückzulegenden Strecke, über ein« Stunde betrug, so hatte Springer vorgeschlagen, einen Wagen zu mieten. Doch hiervon wollte der rüstige Amerikaner nicht« wissen. Er wollte die herrliche Natur einmal recht gründlich genießen, und je weiter daher der Weg, desto lieber s«i e« ihm. Bestände sein jüngerer Gefährte indessen auf einen Wagen, so werde er sich dessen Wünschen selbstver ständlich fügen. Da Springer jedoch nur mit Rücksicht auf den älteren Herrn jenen Vorschlag gemacht hatte, so war er gleich fall« gern bereit, die Tour zu Fuß au«,»führen. Herr Stumpf zeigte sich unterweg« al« einen sehr unter haltender Gesellschafter. (Fortsetzung folgt.)