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M. 137. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 16. November 1909. Seite 6. um zu erfahren, welche Strafe im Falle eines auf schuldig lautenden Geschworenenspruches die Angeklagte treffen würde. AlS der Gerichtshof das sreisprechende Urteil verkündete, erlitt Frau Steinheil einen Ohnmachtsanfall, worauf die Aerzte sie aus dem Saale brachten. Von dem im GerichtSsaal anwesenden Publikum wurde der Freispruch mit lauten Beifallsrufen ausgenommen. Frau Steinheil kehrt nicht mehr ins Gefängnis zurück, da die Formalitäten der Freilassung sofort erledigt wurden. Um 2 Uhr nachlS verließ sie in einem Automobil den Justizpalast; sie beabsichtigt, wie es heißt, sich auf einen Landsitzzur ückzuziehen. Vor dem Justizpalast mußte ein umfassender Ordnungsdienst eingerichtet werden, da eine über 2000 Köpfe zählende Menschenmenge trotz der späten Nachtstunde' die Abfahrt der Frau Steinheil erwartete. Als diese den Justizpalast verlassen hatte, folgten ihr gleichfalls im Automobil mehrere Journalisten. Das neue ÄS-Pfennigstück Die neuesten deutschen Münzen, die 2ö-Pfennig. Stücke, werden in diesen Tagen allmählich in den Ver kehr gesetzt, nachdem die zuständigen Instanzen die Pro bestücke geprüft und genehmigt haben. Die neue Münze besteht aus fast reinem, unlegiertem Nickel. Ihr Durch messer ist nur Millimeter größer als der Durchmes ser des 10-Pfennig-StückeS. Das Gewicht beider Münz sorten ist fast das gleiche. DaS neue Geldstück trägt auf der Schauseite zwei gekreuzte Aehren und die Zahl 25, auf der Rückseite den Reichsadler. bocken -Spislplan der könlglickon ISoktdeater zu Dresden. Königliches Opernhaus. Mittwoch: Geschlossen. Donnerstag: Zum Besten der Wohlfahrtskasse für deutsche Büh nenmitglieder: Carmen. Carmen: Fr. Arnoldson a. G. (7 Uhr.) Freitag: Madame Butterfly. (>/>8 Uhr.) Sonnabend: Die Afrikanerin. (7 Uhr.) Sonntag: Die Zauberflöte. Serastro: Herr Zee a. G. (7 Uhr.) Montag, 22. November: Margarethe. Margarethe: Frau Ar noldson a. G. (7 Uhr.) - Königliches Schauspielhaus: Mittwoch: Geschlossen. Donnerstag: Für die Mittwoch-Abonnenten des 17. November: Die goldene Freiheit. (>/,8 Uhr.) Freitag: Die Räuber. ('/?7 Uhr.) Sonnabend: Der Graf von Gleichen. C/28 Uhr.) Sonntag: Hamlet, ff/,7 Uhr) Montag, 22. November: Taniris der Narr. C/,8 Uhr.) Die Meinung eines asthmalranlenMrrtes über Apotheker Neumeier's Aflhma-Pulver und Asthma-Cigarillo«. Derselbe schreibt wörtlich : „Ich kann nicht genug danken fiw.M gefällige Sendung des Asthma - Pulvers, das gerade einer Z-it eintraf, als ich schwer an Asthma -u leide^hatte. Jie Wirkung war eine Vorzügriche.>«*Dr. Kirschner, Arzt, Polzin Pommern. Erhäl tlich nur in den Apotheken, die Dose Pulver Hk. 1,50 oder den Karton Cia-nlloS Mk. 1.50. Apotheker Neumeier Frankfurt a. M. Best.: Nit^BrachhcladuS Kraut 45, Lobel. Kraut 5, Salpeter Kali 5, SalpetMs. Ratr. 5, Jodk. S, Rohrzucker 15 Teile. Dresdner Prodnkten-Börse, 15. Nov. 1909. Wetter: Regnerisch. Stimmung: Ruhig. Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: Westen, weißer, — — — M, brauner, neuer, 74—78 Kilo, 206—214 M, do. feuchter M, russischer rot 238—248 M, do. russisch, weiß M, Kansas 247—251 M, Argentinier 247—252 M, Amerikanischer, weiß 242—250 M. Roggen, sächsischer 70—73 Kilo 158—164 M, russ. 183—186 M., Gerste, sächsische, 167—182 M, schlesische 177—192 M, Posener 172—187 M, böhmische 192—207 M, Futtergerste 130—138 M. tfafer, sächs. alt. — M, do neuer 160—166 M. schles. u. Pos. 160-165 M., russischer 160—165 M. Mais Cinquantine M, neu 184—191 M, Laplata, gelb, 155—158 M, amerikan. Mired-Mais 166—171, Rundmais, gelb, alt 154—158 M, do. neu, feucht M. Erbsen, M, Wicken, sächs. M. Bncstwesten, inländischer 200—205 M, do. fremder 200—205 M. Gelsaaten, Winterraps, feucht —,—, trocken M. Leinsaat, feine 310,00—320.00 M, mittl. 300,00—310,00 M, Laplata 315,00—320,00 M. Bombay 325,00—330,00 M. Rüb öl, raffiniertes 61,00 M. Rapskuchen (Dresdner Marken) lange 14,00 M, runde M. Leinkuchen (Dresdner Marken) I 19,00 M, II 18,50 M. Mal? 30,00—32,00 M. Weizenmehle (Dresdner Marken): Kaiserauszng 37,00—37,50 M, Grießlerauszug 36,00—36,50 M, Semmelmehl 35,00—35,50 M, Bäckermundmehl 33,50—34,00 M, Erießlermundmehl 25,50 bis 26,50 M, Pohlmehl 19,00—20,00 SN. Roqgenmehle (Dresdner Marken) Nr. 0 25,00—25,50 M, Nr. 0/1 24,00—24,50 M, Nr. 1 23,00- 23,50 M, Nr. 2 20,50-21,50 M, Nr. 3 17,00—17,50 M, Futtermehl 14,80—15,00 M, ercl. der städtischen Abgabe. Westenkleie (Dresd. Mark.): grobe 11,60—11,80, feine 11,20—11,40. Roggenkleie (Dresdner Marken): 13,20—13,40 M. Wettervorhersage der Königlich Sächsischen Kartdeswettrrrvarte r« Dresden. Mittwoch, 17. November: Nordwestwind, bedeckt, zeitweise Regen oder Schnee. Magdeburger Wettervorhersage. Mittwoch, 17. November: Teils heiteres, teils wolkiges, ziemlich kaltes Wetter mit etwas Schnee. Nachts Frost und Reif. — Im Westen trocken. Donnerstag, 18. November: Meist trocken, teilweise heiter, ziemlich kalt, nachts Frost und Reif. Pulsnitz. Mittwoch, den 17. November, II. Bußtag: stz9 Uhr Beichte. I Vastor Resch 9 „ Predigt (1. Petr. 4, 17—18). j -/-2 „ Predigt (1. Joh. 2, 17). HilfSgetstl. Prehn. 5 „ Beichte und heiliges Abendmahl. Pastor Resch. 8 „ Jungfrauenverein. An diesem Tage soll eine Kollekte für die Gesang buchkasse unserer Parochie gesammelt werden. Licktsnvsrg. Mittwoch, den 17. November, 2. Bußtag: '^9 Uhr Begräbnis. 9 „ Gottesdienst mit Predigt. 2 „ Taufe. 3 „ Beicht- und Abendmahlsgottesdienst. Getraut: Ernst Friedrich Leupold, Steinarbeiter in Gräfen hain, ledig, und Linda Flora Wimmer, Dienftmagd hier, ledig. — Paul Mar Gebauer, Steinarbeiter in Obersteina, ledig, und Emma Minna Gottlöber, Dienstmädchen hier, ledig. Oberllcdtenau. Mittwoch, den 17. November, 2. Bußtag: 9 Uhr Pretigt über Petr. 4, 17—18. 5 Uhr Beichte und heiliges Abendmahl. ElKvlvllM »Nen »MU In »Nen beriesln tzearkSNen erNIMick Msteu - k4rrg,r<ne — rrstr okns Slelrden. — derte ve! ein Sutter z« Körper, esser, Nöten n. Schön» M hcrtsfcstler Sie nicht lange mehr bAN Gebrauch von xA Nockstri IIul - diajj'«;, .- ärztlich empfohleu-ö. 1000 fach bewährt, ü Stück 50 Pf. (15 ^ig) und M. 150 (35 ^ig, stärkste Form). glättcl ynUcÄ >1 Runzeln, ncachl die Sun, ia>n!wenl> » zart, gchMcu Wangen ein rrslges Kolorit u. oerlewt nniörUE'e Anmut ».««ndiich»- '»« köchk« Alu«,' Preis 7L Ps. n A! 2.— UcberaU crliuulich Echt bei Max )eutscst, Lntr -Dro^ Fernsprecher 76. Kin Opfer. Roman von M. Gräfin v. Bünau. 19. Nachdruck verboten. „So werde ich selbst mit Frau v. Geldern sprechen. Viel« leicht besitzt sie die Vernunft, die dir gänzlich zu mangeln scheint." »Mit Irma darfst du nicht darüber reden. Jede Auf regung kann ihr den Tod bringen." „Und du willst trotz allem, was ich dir gesagt habe, dich nach wie vor übler Ausrede und Selden« Nachstellungen au«, setzten?" Uebrr Oertzin« Stirn lief ein« dick« blaue Ader, in der das Blut stürmisch hämmerte. Seine feinen Nasenflügel bebten. Er kannte sich kaum noch vor Zorn. Ilse» Her, klopfte heftig. Sie fühlte einen qualvollen Druck im Halse. Mit Mühe schluckte sie die aussteigenden Tränen hinunter. Sein« Worte kränkten sie tief. Wie konnte er sich so Hinreißen lassen? „Ich verlaffe Irma nicht", wiederholte sie fest. „DaS ist nur ein Vorwand", stieß er außer sich hervor. „Du bist wahrscheinilich sehr gern in Glockenburg; Geldern» lieben»würdige Aufmerksamkeiten gefallen dir vorzüglich. — Nun, du mußt jetzt zwischen un» beiden wählen. Ich kann nicht mehr an deine Liebe glauben, wenn du mir nicht die» Opfer bringen willst". „Ich brächt« dir jede» Opfer —" „Nur da» nicht, welche» ich fordere." „Laß mich in Glockenburg bleiben, bi» Irma wieder bester ist." „Nein. Entweder — oder. Du mußt dich entscheiden." Ilse stand auf. Ihr Gesicht war totenblaß, aber ihre Augen blieben trocken. Der Schmerz, der ihr Herz zerriß, war zu groß für Tränen. „Ich habe schon gesagt, daß ich bei Irma bleibe." „Oder bei Geldern — was da»selbe sagen will. Ist das dein letzte» Wort?' fragte Oertzin erregt. Sie neigte den Kopf ohne zu sprechen und wandte sich zur Tür, Oertzin vertrat ihr den Weg. „Ilse!" Er nahm noch einmal ihre Hand. „Fahre wenigstens mit Langen» nach Hause, nicht mit Geldern allein. Willst du da» tun?" Der Gedanke, daß die» berückend schöne Geschöpf in seiner grenzenlosen Unschuld der Leidenschaft diese» Manne» preiSge- geben, die lange Heimfahrt allein mit ihm im Wagen zurück legen wollte, regte ihn wahnsinnig auf. Sie rang ihre Hand au« der seinen. „Jede» weitere Wort ist eine Beleidigung! Laß mich lo» I Ich fahre jetzt gleich nach Hause." „So geh", antwortete er finster. Er ließ ihre Hand fallen und öffnete ihr di« Tür. Er selbst wandte sich zur andern Seite und kehrte durch den Korridor in die G«sellschaft»räume zurück. Ilse drückte ihr Tachentuch gegen die Augen: sie brannten, wie wenn sie all die zurückgedrängten Tränen wirklich geweint hätte. Ein krampfhafte« Schluchzen hob ihre Brust. Sie blieb noch eine Minute stehen. Die Musik klang gedämpft herein. „Frühingtkinder" bliesen die Husaren. Ihr Lieblingswalzer,! Sie lehnte die Stirn gegen da« harte Hol, der Tür. Das also war da« Ende des Balles, auf den sie sich so gefreut hatte! Endlich beruhigte sie sich so weit, daß sie mit leidlich ge faßter Miene den Ballsaal betreten konnte. Ohne recht« oder link» zu sehen, ging sie direkt auf Geldern zu : „Bitte, bestelle den Wagen. Ich möchte nach Hause fahren I" „Wo warst du nur, Ilse? Ich habe dich überall ge sucht ?" „Mir war etwa« am Kleide zerriffen — mach nur jetzt, daß wir fortkommen." Kurt merkte sofort, daß irgend etwa« geschehen sein mußte. Sollte sie sich mit Oertzin veruneinigt haben? „Ich bestelle sogleich den Wagen. Verabschiede dich nur inzwischen." Ilse sagte nur Frau v. Rosen adieu. „Sie wollen schon fort? Aber mein liebe» Fräulein von Hanstein, jetzt kommt ja da« Schönste, d«r Kotillon. Wollen Sie den nicht abwarten?" Ilse schüttelte den Kopf. „Danke sehr, gnädige Frau. Mein« Schwester ist so allein. Sie schläft sichrr nicht, ehe ich nicht da bin." Frau v. Rosen umarmte sie herzlich. „Sie gute« Kmd. Besuchen Sie mich doch bald einmal. Ich habe jetzt so netten jungen Besuch, drei Nichten!' Ilse beugte sich über die Hand, die auf ihrer Schulter lag, und drückte leise die Lippen darauf. „Danke", sagte sie nur leise; mehr brachte sie nicht herau«. Frau v. Rosen wunderte sich über da« verstörte Wesen de« jungen Mädchen«. Sie war zu taktvoll, um weitere Fragen zu stellen Sollten dem jungen Mädchen die häßlichen Reden, die heute Abend über sie in der Luft schwirrten, zu Ohren ge kommen sein? Sie beschloß, da« arme Kind eifrig zu verteidigen. Al« die heimlich verlobte Braut eine« O fizier« ihre« Regiment» hatte Ilse vollen Anspruch auf ihren Schutz; überdies war sie entzückt von der Schönheit und dem lieblich bescheidenen Wesen de» jungen Mädchen». „Alte Giftspinnen!" dachte sie empört. Ihr Blick flog über den „Drachenfel«", auf dem die Mütter saßen. Sie schienen Ilse« allgemeinen Abschied»knick« noch vor Beginn de» Kotillon» sehr gern zu sehen. Kurt legte Ilse den Mandel um. Ihr zarte« Gesichtchen erschien reizend in der dunklen Umrahmung de« hochgeschlagenen Pelzkragen». „Der Wagen wartet", sagte er. Sie nahm seinen Arm. Einige Herren standen am Aul gang und begleiten sie mit hinau«. Oertzin war mit darunter. Ilse schlug die Augen nicht auf, obgleich sie fühlte, daß sein Blick durchdringend au? ihr ruhte. War e« Absicht oder Zufall — da» Rosenbukett, dar er ihr geschenkt hatte und da» sie den ganzen Abend bei sich trug, entglitt ihren Händen Oertzin hob e» auf und reichte e» ihr mit einer leichten Verbeugung. „Ich danke, ich mag die Blumen nicht mehr", sagte sie kurz. Sie neigte flüchtig den Kopf und stieg in den Wagen. Eine Sekunde sah er noch dem Umriß ihre» feinen, blonden Köpfchen», da» sich lässig in die Kiffen zurücklehnte — Geldern neigte sich dicht zu ihr — mit einer halblauten Verwünschung warf Oertzin die Rosen auf da« Pflaster. Die P'erde zogen an, die Räder gingen über da« Bukett hinweg in einer Sekunde war ein Gemisch von zermalmten Rosenblättern und Straßenschmutz. „Ich gehe nach Hause", sagte Oertzin mit heiserer Stimme zu seinem Freund Reitzenstein. „Ich halte e» nicht länger hier au«. Entschuldige mich." „Womit denn aber?^ „Sag ich wäre krank — tot — wa« du willst, Gute Nacht." Dabei riß Oertzin seinen Mantel und die Mütze vom Ständer. Ohne sich umzusehen ging er in die dunkle kalte Nacht hinau«. Hinter ihm her jauchzten und schmetterten dir Trompeten. Kurt saß eine geraume Zeit schweigsam neben Ilse. Der Wagen stieß und holperte auf den schlechten Landwegen. Di« Laternen warfen einen unruhig zitternden Lichtstreifen auf die gespenstisch vorüberziehenden Weidensümpfe an den Graben rädern. „Ilse, du weinst?' fragte er endlich leise. „Nein ich — wein« nicht." Stockend, halb von Schluchzen erstickt, stieß sie di« Anwort h«rau». „Warum — sollt' ich denn weinen? Ich hin nur so schrecklich un glücklich." „We«halb denn, süße, kleine Ilse?" Sie schuchzte heftiger, „Kann ich dir nicht helfen?" „Nein, mir kann niemand helfen" „Da« käme auf «inen Versuch an. Hast du dich mit Oertzin gezankt, Ilse? So wa» kommt schon vor — da« renkt sich wieder ein." Nein — niemal«." (Fortsetzung folgt.) ! im