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Nr. 72. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 17. Juni 1909. Seite 6. vormlsedtss * Frankfurt, 16. Juni. Die Allgemeine Elektrizitäts gesellschaft Siemens L Halske und die Siemens-Schuckert- Werke stellen der internationalen LuftschifsauSstellung einen Preis von 20000 M zur Verfügung. * Vom Exsnlta» Abdul Hamid weiß die „Voss. Ztg." eine hübsche Geschichte zu erzählen: Eine seiner Lieb- lingS-Haremsdamen war erkrankt, und alle türkischen Wunderdoktoren zerbrachen sich die Köpfe, was es sein könnte. Sie konnten es nicht wissen, weil ihnen nach dem strengen Zeremoniell eine Untersuchung verboten war. Endlich wurde Sanitätsrat I)r. Werdtmann geholt, ein Europäer, sogar ein Deutscher. Der kehrte sich wenig ans Zeremoniell, untersuchte die Schöne und stellte fest, daß sie demnächst einem Osmanensprößling das Leben schenken werde. Als der Sultan sein Attest las, rief er aus: „Die Esel, Werdtmann aber hat wieder Recht!" * Eintrittspreise zum Jildis-Kiosk. Die Kommission, die die Ueberwachung und Instandhaltung des Jildis- Kiosks übernommen hat, hat jetzt eine Tabelle der Ein trittspreise festgestellt, auf Grund derer jedermann die einst so sorgsam gehüteten Gemächer und Gartenwinkel besichtigen kann, in denen der Ex-Sultan Abdul Hamid gelebt hat. Der Eintrittspreis zum Jildis-Park beträgt eine Mark. Wer die berühmten Haremsgärten sehen will, von denen so viele romantische Geschichtchen erzählt wer den, hat zwei Mark zu entrichten. Für vier Mark er wirbt der Besucher das Recht, alle Räume zu besichtigen, auch die Privatgemächer, in denen der Ex-Sultan seine Regierungsjahre verbracht hat. Bootfahrten auf den Seen — es gibt sowohl Ruder- und Motorboote — wird mit einer Mark pro Kopf berechnet. Zur Erhöhung der Stimmung ist bestimmt worden, daß alle Beamten und Angestellten, die im Jildis-Kiosk und im Parke beschäftigt sind, prachtvolle reiche Livreen tragen. Aber der jung türkische Geschäftssinn ist noch weiter gegangen und hat die Errichtung zahlreicher Büfsetts vorgesehen, an denen der Besuch gegen angemessene Bezahlung allerlei Er frischungen zu sich nehmen kann, während er über die Wandelbarkeit des menschlichen Schicksals philosophiert. * Der Vorteil des Bibellesens. Aus Neuyork wird berichtet: „Es macht sich bezahlt, die Bibel zu lesen," das ist die tiefsinnige Erkenntnis, die Stephen Marsh in Caldwell Neujersey aufging, als er jetzt eine alte Bibel aufschlug, die seit Jahrzehnten in seinem Hause lag, ohne daß ein Mensch sie je angerührt. 35 Jahre sind ver gangen, seitdem eine alte Tante Stephen Marsh ihr Be sitztum und damit auch ihre alte Hausbibel vermachte, einen großen, dicken Folianten mit einem altertümlichen starken Messingschloß. Das Besitztum der Tante brachte dem Erben einige tausend Mark und die Bibel wurde in die Ecke gelegt. „Ihr Inhalt reizt meine Neugier nicht," meinte Marsh damals leichtfertig. Als er jetzt seinen Wohnsitz nach Colorado verlegte, fiel ihm beim Umzug das längst vergessene alte Buch in die Hände, und bevor er es in eine Kiste verstaute, schlug er mecha nisch den Deckel zurück. In der Bibel verborgen fand er zu seiner nicht geringen Ueberraschung eine Anzahl von Banknoten im Betrage von etwa 20000 Mark, die die verstorbene Tante, vielleicht nicht ohne Vorbedacht, indem heiligen Buche verborgen hatte. * Zwiebeln als Lebenselexier. Im Alter von 115 Jahren ist jetzt in ihrem Heime bei Bellefontaine in Ohio Frau Rebekka Burne, die berühmte „Tante Bekky", gestorben. Mit Stolz pflegte die greise Dame jedem das Geheimnis ihrer Langlebigkeit zu verraten: alles kommt darauf an, täglich zweimal Zwiebeln zu essen. Als junges Mädchen nahm sie diese Gewohnheit an und hat sie bis zu ihrem Tode nicht mehr aufgegeben. Noch zwei Tage vor ihrem Ende bestand sie darauf, ihre Zwiebeln zu er halten. Oft pflegte die greise Dame davon zu erzählen, wie sie in ihren Kindertagen George Washington gesehen habe. WWcht aus der Straße mS aus der LegMayu. (Nachdruck auch im Auszug verboten.) j. X. Fast jeden Tag entscheidet das Reichsgericht über Haftpflichtfälle und fast stets verurteilt es den haft pflichtig gemachten Beklagten. Drei wichtige Fälle mö gen zur Warnung dienen. Der Beklagte hatte einen Langholzwagen in der Erwartung, daß er ihn noch vor der Dunkelheit abfahren könne, ohne Licht aus der Straße stehen lassen. Der Kläger fuhr auf seinem Fahrrad den Wagen an und verletzte sich schwer. Das Landge richt hatte verurteilt; das O. L. G. Stuttgart wies die Klage ab; das Reichsgericht stellte aber das Urteil I. Instanz wieder her. Es sei verkehrswidrig und fahrläs sig, ein Fuhrwerk ohne Laterne zur Nachtzeit auf der Straße stehen zu lassen und es komme nicht in Betracht, ob der Kläger den Wagen gesehen und unvorsichtig gefahren sei. (Urteil des R. G. vom 11./2. 09.) Die mangelhafte Ver wahrung von Düngergruben auf Höfen hat unzählige Male schon Unfälle verursacht. Auch im Hose des Be klagten war die Tür zur Grube wahrscheinlich offen ge blieben oder wenigstens ungenügend verschlossen gewesen. Sie lag in der Nähe des Aborts; der Kläger war voraus sichtlich an ihr vorübergegangen und in die Grube ge tappt. Der Tod war durch Ersticken eingetreten, vielleicht hatte den Kläger der Anprall an die Gehirnschale betäubt und an der Selbstrettung verhindert. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen verurteilte das Reichsgericht. Die An lage der Grube auf dem dunklen Hof des Gasthauses in der Nähe der Aborte war bedenklich. Bei der mangel haften Beleuchtung konnte der Kläger die Grubenwand mit dem Abort wohl verwechseln. Die Grube hätte bes ser verwahrt oder es hätte für bessere Beleuchtung ge sorgt werden müssen. (Urteil des R. G. vom 29. 4 09.) Sogar Unfälle auf der Kegelbahn machen den Wirt haft pflichtig. Der Beklagte hatte seine Kegelbahn einem Ke gelklub vermietet. Der Kläger stützte sich auf ein Sei tenbrett des Kegelkastens. Es war infolge verrosteter Nägel und durch die niederrollenden Kugeln gelockert und brach durch, so daß der Kläger hinstürzte und den Oberschenkel brach. Er forderte 3600 Mt. jährliche Rente. Das Reichsgericht verurteilte. Wenn der Beklagte seine Kegelbahn an einen Kegelklub überließ und sich dafür be zahlen ließ, so war er ein Vertragsverhältnis eingegangen, aus dem er für Verschulden verantwortlich wurde; er war unter dem Gesichtspunkt eines Mietvertrages ver pflichtet, die Kegelbahn in gebrauchsmäßigem Zustand zu erhalten und es kann auf eine Einwendung, daß er dem Kellner die Aufsicht übertragen habe und dieser durchaus eine zuverlässige Person sei, nicht ankommen. (Urteil des R. G. vom 23. 4 09) patsnlscdau. Vom Verbands-Patentbureau O. Krueger S- Co., Dresden, Schloßstr 2. Abschriften billigst, Auskünfte frei. Karl Heiduk, Radeberg und Fritz Rasch, Arnsdorf: Abort- Spülvorrichtung mit einem von Hand zu öffnenden Spülventil, dessen Offenhaltevorrichtung durch ein unterhalb des Ventilsitzes angebrachtes Schaufelrad auSgerückt wird. (Ang. Pat.) C. G. Boden L Söhne, Großröhrsdorf: Brustbeutel aus gewebtem Stoff mit wasserdichtem Futter und mit auf dem Deckel festgenähter Schnur. (Gm.) Fa C. H. Schäfer, Ohorn: Bandwebstuhl mit Spulen auswechslung. (Ang. Pat.) Friedrich Arthur Große, Bischofswerda: Kon.'cher Schutz- montel für Drehrostgeneratoren. (Gm.) Wettervorhersage der KSntsUch S hstsche» Kandeswettermarte ;n Dresden. Freitag, den 18. Juni. Nordwest.U)md, ausheiternd, wärmer, trocken. Magdeburger Wettervorhersage. Meist heiter, trocken, fortgesetzte Erwärmung. MrckNcks Nacbricdten. pulsnltz. Sonnabend, den 19. Juni: 1 Uhr Betstunde Pastor Halank. Sonntag, drn 20. Juni, 2. nach TrinitatiS: 8 Uhr Beichte i Pastor Resch. -/z9 „ Predigt (Luc. 14, 16—24) j V-2 „ Jnnere-MissionS-Stunde: Christliche LiebeStä- tigkeit unserer Tage, die Bodelschwingschen Anstalten bei Bielefeld. Pastor Halank. 8 „ Männer- und Jünglingsverein. Amtswoche: Pastor Halank. 2 — Um die bisher noch wenig verbreitete Krankheit im Keime zu ersticken, wird den Interessenten die nachdrücklichste Bekämpfung durch die angegebenen Mittel dringend anempfohlen. Außerdem ist beim Auftreten dieser und sonstiger Pflanzenkraukheiten baldige Mitteilung an die zuständige Hauptsammelstelle zur Beobachtung der Pflanzen krankheiten geboten. Wa-Mml gegen Mriinter. In neuerer Zeit haben verschiedene Landwirte Beobachtungen über das Verhalten einzelner Kulturgewächse gegen Eisenvitriol gemacht, die für weitere Kreise Wert besitzen. Das Eisenvitriol ist in einer Lösung von 15 bis 20 Teilen auf 100 Teile Wasser ein treffliches Mittel zur Ausrottung von Unkraut, das mit Sicherheit wirkt und zu em pfehlen ist, wo eine mechanische Entfernung nicht angängig ist. Bei Halr.igetreide ist die Bespritzung mit Eisenvitriollösung unbedenklich anwendbar, da die leichte Schwärzung der Blätter, die in ihrem Ge folge auftritt, wieder schwindet und keinen Schaden tut. Gerste ist anscheinend etwas empfindlicher als Hafer, doch ist im allgemeinen das Bespritzen dem Getreide zuträglich. Klee wird wohl anfänglich ein wenig angegriffen, erholt sich jedoch bald. Bedenkliche Folgen hat die Bespritzung bei Rüben, Kartoffeln, Bohnen, Wicken, sowie gelben und weißen Lupinen, während sie von Erbsen und blauen Lupinen besser vertragen wird. Der günstigste Moment zum Spritzen ist vor der Entwicklung der Blütenknospen des Unkrautes und bei möglichst son nigem Wetter und feuchter Luft. Wie Maier-Bode in einer kleinen Sonderschrift „Bekämpfung der Acker-Unkräuter" ausführt, wird da durch Kleeseide vollständig unterdrückt, Löwenzahn, Flohkraut, Huflattich und Polygonum Persicaria zurückgebracht, während Quecke, Ackerwinde, Gänsedistel, Ampfer, Windenknöterich u. a. durch wiederholtes Be spritzen wenigstens im Wachstum gehemmt werden. Ein neuer Md der MM. Unter den in letzter Zeit eingewanderten Pflanzenkrankheiten hat der in Schlesien ausgetretene falsche Meltau der Gurke, der die be teiligten Teile lebhaft beunruhigte, auch in der Gegend von Bernburg in beängstigender Weise um sich gegriffen und größere Striche von Gurkenpflanzungen befallen. Am schlimmsten war seine Wirkung bis her im August vorigen Jahres. Infolge des feuchtwarmen Wetters verbreitete sich der Pilz außerordentlich schnell und schädigte die Ernte bedeutend. Soweit die Früchte überhaupt zur Entwickelung kamen, 3 waren sie vielfach kümmerlich und verfaulten zum Teil, wobei noch andere Parasiten mitwirkten. Nach Mitteilungen von Hecker in der Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten hat der falsche Meltau der Gurken folgenden Weg zurückgelegt. Er wurde zum erstenmal vor ungefähr 40 Jahren auf der Insel Kuba beobachtet und im Jahre 1876 in der Mandschurei als Parasit des Kürbisses wiedergefunden. Im Jahre 1891 und 1892 verwüstete er die Anpflanzungen Nordamerikas in hohem Maße. Gleichzeitig fand ihn Rostowzew in Moskau und im Jahre darauf Linhart in Südungarn, wo er stellenweise 80 von 100 der Melonenernte verwüstete. Auch in Italien wurde er um diese Zeit beobachtet und im Jahre 1904 fanden ihn Hecke bei Wien und Zimmermann in Ost-Usambara. MnMausen im GeMMaf. Mau wird immer bemerken, daß sich beim Umgraben deS Kom posthaufens eine große Menge der verschiedensten Ungeziefer vorfinden, so daß man zu der Annahme gezwungen ist, daß derselbe so quasi die Brutstätte hiervon ist. Man verstärke jedoch seinen Federviehbe stand und sperre die Tiere für den Sommer über in den Kompost garten und dieser Uebelstand wird gehoben werden. Am vorteilhaf testen bewähren sich Truthühner und Enten, die unermüdlich im Jn- sektensuchen sind; auch Gänse haben sich gut bewährt; sie lasten fast gar kein Gras aufkommen, so daß man den Komposthaufen nur ein mal im Herbst umzugraben braucht. Die Tiere haben die Gewohn heit, auf dem höchsten Gipfel des Haufens zu schlafen, wodurch sie ihn fest zusammentreten, was das Antrocknen sehr hindert. Die Kaninchenzucht und ihre Bedeutung. Wenn sich je eine Kleintiergattung eines regen Interesses erfreut, so ist es derzeit das Kaninchen. Nicht nur, daß sich dies schöne, nette und liebliche Tier mit wenig Raum und wenig Futter begnügt, hat es den großen Vorteil, daß sich bei rationeller Zucht hübsch verdienen läßt, da sich das gewonnene Fleisch auf viele Art zubereiten läßt und neben seinem guten Geschmack auch sehr billig ist; es wird daher sehr bald dem kleinen Mann als Ersatz für teures Fleisch dienen, nebenbei aber auch als Leckerbissen die bessere Tafel zieren. Auf das Kaninchen, dessen Zucht und Ausbeute hier weiter ein zugehen, ist nicht der Zweck dieser Zeilen, wir wollen nur den Be suchern der landwirtschaftlichen Ausstellung in Leipzig Gelegenheit geben, sich über die von der Deutschen Kaninchen-Züchtergenoffenschaft,