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Nr. SO. Pulsnitzer Wochenblatt. -- Mittwoch, den 19. Mai 1909. Seite S. besteigen. Im Bahnhof in Paris droht ihm Entdeckung; der Knabe überwindet alle Gefahren und verläßt unbe- merkt den Bahnhof. Er glaubt sich gerettet, geht aus die Suche nach Arbeit, wird von der Nacht überrascht und schließlich, so nahe am Ziele seiner Hoffnungen, von der Polizei aufgegriffen. Aber die bittren Schicksale des kleinen Coster sind jetzt zu Ende, der Direktor der Römi schen Bank, der von den Abenteuern des Knaben erfuhr, hat sich bereit erklärt, für den Unterhalt und für eine gute Erziehung zu sorgen. >Vadret das Neckt auk Invalidenrente! Die Mittelfränkische Versicherungsanstalt hat eine Ein richtung eingeführt, die den Frauen eine Mahnung in letzter Stunde sein soll sich zu überlegen, ob sie nach dem Ausschei den aus erwerbstätiger Beschäftigung die Invalidenbeiträge zurückverlangen sollen. Sie hat auf Bogen, mit denen die Zurückerstattung der Beiträge beantragt werden kann, Fragen und Antworten aufgedruckt und fordert, daß jede Antrag stellende durch Unterschrift bekundet, daß sie die Fragen durch gelesen hat. Die letzte Mahnung ist so gehalten: Beitragserstattung'? (. Frage: Sollen heiratende weibliche versicherte ihre Beiträge zur Invalidenversicherung zurückverlangen? Antwort: Nein, sie sollen ihre Beiträge nicht zurück verlangen. 2. Frage: warum sollen sie das nicht tun? Die Bei träge machen doch oft 30 Mark und mehr aus und sind zum Haushalt eine immerhin nicht zu verachtende Beisteuer! Antwort: Das ist freilich richtig; aber mit der Rück- Zahlung verliert die junge Hausfrau: (. den Anspruch auf eine Invaliden- und auf eine Alters rente ; 2. es wird ihr bei Erkrankungen von der Versicherungs anstalt keine Krankenhilfe mehr geleistet. 3. Frage: was tut daher eine kluge, versicherte Frau, wenn sie heiratet? Antwort: Sie klebt die Versicherungsmarken kort, alle Jahre wenigstens zehn Marken, und tauscht vor Ablauf von zwei Zähren diese Karte um. Damit sichert sie sich (. das Recht auf eine Invaliden- und auf eine Alters rente von durchschnittlich alle Zahre (50 Mark. 2. kann sie dann darauf rechnen, daß ihr bei schweren Erkrankungen die Kosten des Arztes, des Apothekers, wenn nötig die Kosten des Aufenthaltes in einem Kran kenhause, einer Lungen- oder Walderholungsstätte oder dergleichen ersetzt werden. Manche Frau hat es schon bitter bereut, daß sie sich unüberlegter weise ihre Beitragsmarken hat herauszahlen lassen und dadurch ihrer Familie später zur Last gefallen ist. Die Maßregel der Mittelfränkischen Versicherungsanstalt verdient Beachtung, wir raten unseren Leserinnen, sich die obenstehenden Antworten gut einzuprägen. Soweit sie nicht für sie selbst von Nutzen sind, können sie andere damit auf klären. Wettervorhersage der Königlich Sächsische« Ka«de»«»etterwarte r« Dresden. Donnerstag, den SO. Mai: lvest-winde, veränderlich, kein erheblicher Niederschlag, Gewitterneigung §adrplan fürs Sommsrkalbjadr 1909. Giltig vom 1. Mai 1909. Kamen?—Arnsdorf—Dresden. Bischofswerda Kamen;. Abfahrt Kamenz 5,42 8,40 12,15 3,02 7,13 9,25 10,28 Bischheim 5,54 8,51 12,27 3,12 7,25 9,35 10,41 Pulsnitz 6,03 9,00 12,37 3,20 7,34 9,46 10,52 Großröhrsdorf 6,12 9,08 12,46 3,28 7,44 9,54 11,01 Kleinröhrsdorf 6,17 9,13 12,51 3,33 7,50 9,59 Ankunft Arnsdorf 6,25 9,20 12,59 3,40 7,58 10,07 11,16 Abfahrt Arnsdorf 6,48 9,50 1,08 3,47 8,45 10.18 1,00 Ankunft Bautzen 7,39 10,40 1,58 4,34 9,34 11,08 1,59 Abfahrt Arnsdorf 6,30 9,27 1,17 3,47 8,11 10,16 11,21 Radeberg 6,38 9,35 1,25 3,55 8,19 10,25 11,29 Ankunft Dresden -Neust. 6,55 10,00 1,43 4,20 8,44 10,51 11,53 Dresden-Hptbf. 7,07 10,11 1,55 4,32 8,55 >11,03 12,05 Dresden—Arnsdorf—Karnen?. Abfahrt Dresden -Hptbf. 6,03 9,39 12,21 4,04 7,00 8,16 10,50 Dresden-Neust. 6,14 9,51 12,35 4,14 7,15 8,27 11,00 Ankunft Arnsdorf 6,47 10,30 1,06 4,53 7,56 9,00 11,39 Abfahrt Bautzen 5,34 9,18 12,23 3,44 5,44 8,21 10,26 Ankunft Arnsdorf 6,29 10,24 1,16 4,38 6,34 9,18 11,20 Abfahrt Arnsdorf 6,54 10,38 1,20 5,02 8,09 9,23 11,44 Kleinröhrsdorf 7,02 10,46 1,28 5,10 8,17 9,33 Großröhrsdorf 7,09 10,53 1,34 5,16 8,24 9,40 11,56 Pulsnitz 7,18 11,01 1,42 5,25 8,32 9,50 12,04 Bischheim 7,26 11,10 1,50 5,33 8,40 10,00 12,12 Ankunft Kamenz 7,35 11,19 1,59 5,42 8,49 10,12 12,21 Kamen?—Bischofswerda. Abfahrt Bischofswerda 7,25 1,40 4,20 9,12 Schönbrunn 7,36 1,52 4,36 9,24 Burka» 7,47 2,04 4,51' 9,36 Rauschwitz 8,00 2,16 5,08 9,48 Elstra 8,10 2,28 5,30 10,00 Thonberg-Prietitz 8,17 2,36 5,42 10,07 Wiesa 8,24 2,45 5,54 10,15 Ankunft Kamenz 8,34 2,56 6,06 10,25 Abfahrt Kamenz Wiesa 5,50 6,01 11,30 11,42 2,03 2,14 7,02 7,16 Thonberg-Prietitz 6,08 11,49' 2,21 7,25 Elstra 6,17 11,58 2,30 7,36 Rauschwitz 6,27 12,08 2,41 7,48 Burkau 6,40 12,21 2,56 8,03 Schönbrunn 6,52 12,33 3,09 8,16 Ankunst Bischofswerda 7,03 12,44 3,21 8,27 Hmnibus-WerkeHv Pulsnitz KSnlgsbrück. Abfahrt Vorm.: v. Pulsnitz (Post) oder Sächsischer Hof Ankunft Königsbrück 700 s 930 l Abfahrt Nachm.: v. Königsbrück (Post) Ankunst Pulsnitz 4-» 6" Achtey Me genau-Nlfitel- ^6U6 LIMtzrstoük lilslvi» van 7S PI. di» s Uli. dlusterkollektion franko. Kei kestebuox ist die ^n^sbs äer ?arde unä ungekäbren Preislage eewünscbt. 4 Kassenrabatt werben sofort in ^brug Aebrscbt. äuftrLAe von 20 dl an franko. AeMell 8rI>Illii>M, Ukelei. Mrcklicks Nackrlcktsn. Sonnabend, den 22. Mai: 1 Uhr Betstunde Hilfsgeistl. Halank. Sonntag, den 23. Mai, Exaudi: 8 Uhr Beichte > Hilfsgeistl. >/,9 „ Predigt (Joh. 15, 26—36, 4) s Halank. »/,2 „ Gottesdienst für die konfirmierte weibliche Jugend. („Jesus der Armenfreund") Pfarrer Schulze. 8 „ Jünglings- und Männerverein. Amtswoche: Pastor Resch. ktäfiigsn sromsiisefisn ffsffssgssefimscst fielt wis kV Das Kamitienkreuz. Roman von M. Gräfin v. Bünau. 4. Nachdruck verboten. S. Käthe unterdrückte mühsam ein Schluchzen, al« sie mit Heiner!« an der Hand die Treppe zu ihrem Zimmer erstieg. Sie stand am Fenster und sah auf die im Sonnenschein glänzenden Blätter der Bäume. Da» Lachen und Rufen der unten auf dem Tennisplatz Spielenden drang zu ihr herauf. Heinerle stand mürrisch am anderen Fenster. Er sah auch dem Tennisspiel zu. »Darf ich nicht runtergehen" bat er. „Nein, laß sie die Bälle sich nur selbst aussuchen." „Ich krieg aber doch immer einen Groschen dafür!" murrte Heinerle, dem feinere seel sche Empfindungen abzugehen schienen. „Lakaienseele!" dachte Käthe verächtlich. Meinetwegen lauf und spiel den Diener, sagte sie kalt. Der Junge ließ sich da» nicht zweimal sagen. Eilig lief er fort. Unten im Garten wurde er mit großem Halloh von Benno der da» Bücken satt hatte, empfangen. Erst die eintretende Dämmerung machte dem Spiel «in End«. E» war Zeit zum Umziehen. Käthe wollte jedenfalls ihren Vater noch vor dem Esten allein sprechen, um ihm die Untat de» Gärt ner» vorzuhalten. Ihr weißwollener Kleid fiel in glatten Falten an ihrer schlanken Gestalt herab. Die gelblichen Spitzen am Halse stan- den dem schönen bräunlichen Gesicht ausgezeichnet. Sie nahm ein paar brennendrot« Geranien und befestigte sie im Gürtel. Da» gab der Toilette Ausdruck. „Sind die Herren schon von d«r Jagd zurückgekommen?" fragte sie den D euer der im Eßzimmer die Servietten ln kunst gerechte Falten legte. „Jawohl, gnädige» Fräulein, Der gnädige Herr und der Herr Leutnant ziehen sich um. Herr Graf und der Herr Baron au» Melkhof werden auch zu Tisch erwart«»." Di« liebenswürdigen Herren Schwäger kamen also, um ihre Frauen abzuholen. Dann war ja heute da« Familienglück voll kommen ! Käthe klopfte an der Tür de» Arbeitszimmer» ihre» Vater». „Papa, ich muß dich eine Minute sprechen. Bitte, mach auf." Der Riegel flog zurück. Herr v. Rochlitz, schon im Frack, den grauen Bart aber noch mit einer rosa Gazebinde hochge- bunden, stand vor seiner Tochter. Er war noch immer ein auf fallend schöner Mann, mit lebhaften braunen Augen und kurz verschnittenem, vollem, grauem Haar. Seine Begrüßung klang infolge de» halb zugebundenen Munde« etwa« unverständlich. Käthe brachte ihre Klagen wegen der Rohheit de» Gärtner» vor und verlangte diktatorisch seine sofortige Entlastung. Rochlitz lachte kurz auf. Er befreite seinen Bart von der Binde und kämmte ihn sorgfältig vor dem Spiegel au« „Den Jen« soll ich entlasten, weil er dem Lümmel ein paar Ohrfeigen gab? Nee, mein Döchting, da« kannst du nicht verlangen." Käthe stieg da« leichterregte Blut in die Wangen. „Du mußt e« tun," sagte sie heftig, „sonst blamierst du mich vor den Leuten! Ich habe Jen« gesagt, er müsse da« Hau« verlassen " Herr von Rochlitz amüsierte da» hitzige Temperament seiner Tochter. Käthe war sein Liebling, ihm selbst am ähnlichsten, äußerlich und innerlich. Gerade de»halb aber ärgerte er sich, daß die schönste seiner Töchter bi«her jede gute Partie au«schlug und lauter überspannt« Ideen im Kopf hatte, immer alle» mög liche leisten und beweisen wollte, statt al» Frau Baronin von Rantzau auf Hirschhagen ein Leben herrlich und in Freuden zu führen. Er strich ihr über di« heiß«» Back«n, Der Zorn stand ihr gar zu hübsch Und wie sie wieder au»sah in dem weißen Kleid, mit dem Geranienzweig vor der Brust und den leuchten, den braunen Augen, den hochmütig zurückgeworsenen Kopf. „Käthe, du Tollkopf, wie kann ich denn den Gärtner de»wegen entlassen!" sagte er endlich halb ärgerlich, halb gutmütig. „Ich werd' dem Jen« verbieten, den Bengel zu hauen. Er soll >hn mir ein and«rmal selber bringen. Glaub aber ja nicht, daß du deinem Heinerle einen Gefallen damit tust." „Der rohe Mensch hätte dem Kind« da« Trommelfell zer- schlagen können!" „Na gut — ich werd' mir also eine andere Stell« seine« Fell» aufsuchen," versprach Herr v. Rochlitz gutmütig — „da, wo'« ihm nicht schaden, sondern nur nützen kann, wenn er Schläge darauf kriegt. Bist du nun zufrieden?" „Nein. Da« Kind wird überhaupt hier zu schlecht behandelt." „Dumme» Zeug! Verwöhnt wird der Bengel. Kommt der nicht bald weg, wird überhaupt nicht« au« ihm. Ich mach' der verdrehten Geschichte bald ein Ende." „Wenn du eine Unterkunst für ihn weißt, bin ich einver standen, da ich selbst doch auch bald von hier fort will." „Du willst von hier fort? Wohin denn, wenn ich fragen darf?" Rochlitz goß sich Eau de Cologne auf sein Taschentuch. „Willst auch wa» haben. Kleine?" Eie hielt mechanisch ihre Hände hin. „Vater — ich will Krankenpflege lernen." „Du? Du pflegst ja schon alle Leut« im Dorf« krank — Pardon, wollte sagen gesund." „Ich verstehe so gut wie nicht», außer dem bißchen, wa» ich dem Doktor absah. Ich will aber gründlich in einem Kran kenhause ausgebildet werden." „Hat Dir Doktor Hartung den Blödsinn in den Kopf ge setzt?" „Nein. ES ist auch kein Blödsinn. Mir ist da« Nichtstun schrecklich. Zucker und Tee herausgeben, Kaffee aufbrühen, hin ter Mama her in der Speisekammer 'rumlaufen und die Ein machtöpfe besehen — da» füllt mein Leben nicht au»." „Hättest längst deinen eigenen Hausstand haben können, dumme Dirn'." „Al« Rantzau« Frau? Ich wußte, daß da« kommen würde. Aber wenn mir da« bi« zum jüngsten Tage vorgehalten wird — ich heirate ihn doch nicht." „Brauchst du auch nicht. Er wird dich gar nicht mehr haben wollen. Er findet genug andere." „Gewiß. Er gibt viele alberne Gänse in der Welt, die sich für einen Frauentitel seidene Kleider und Schmuck verkaufen." „Nun hör mal zu, mein Kind!" Sein Gesicht wurde ernst. „Ich zwing' dich zu keiner Heirat, aber die Idee, Schwester in einem Spital zu werden, die lab dir vergehen. Da» paßt mir nicht für meine Tochter, daß sie alt« Weiber kämmt, Handwerk»- burschen wäscht und Dielen scheuert. Basta — und nun fang n cht wieder davon an. Du kannst meinetwegen h er im Dorf di« Leute besuchen — lieber wär' mir'» aber, du tätest e» ohne den Doktor. Ich find« da« nicht paff«nd, wenn du mit ihm herumziehst. Hartung ist ein anständiger Mensch, aber man weiß doch nie bei solchen Leuten, ob sie nicht auch einmal au» der Rolle fallen und taktlo» werden. Daß du ihn zu heut Mittag eingeladen hast, w»r auch überflüssig. Da» überlaß ein andermal deiner Mutter. — So und nun gib mir einen Kuß — wir müssen gehen." Käthe wandte da» Gesicht unmutig zur Seite. Der Kuß de» Vater« streifte nur flüchtig ihre Stirn. ,Kleiner Trotzkops!" Er faßte sie unter» Kinn. „Beinah glaub ich auch, der Rantzau wär' nicht« für dich gewesen — viel zu weich." „Die reinste Milchsuppr!" Käthe zuckte verächtlich mit den Schultern. Sie ging dem Vater voran in den Salon ihrer Mutter. (Fortsetzung folgt.)