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eine Kamnlt», die ihre Schuldigkeit nicht thut, au zulösen und sich so von einer übel unterrichteten Kam wer an das besser unterrichtete Volk zu wenden Hätte die Regierung dies gcthan, so hätte sie damit ganz loyal und verfaffungsmäsig gehandelt. Aber es geht nicht an, eine nicht aufgelöste Kammer und ihre Mitglieder bei dem Volke zu vetdächligen und Be schuldigungen gegen sie hinaus zuschleudern. Es i inkonsequent und gegen alle parlamentarische Sitte dass die Regierung dem Volke sagt: diejenigen, wel <he ihr uns als die Männer eures Vertrauens be zeichnet habt, verdienen euer Vertrauen nicht, da man dessen ungeachtet fortan mit diesen Männern verhandelt und dem Volke nicht Gelegenheit giebt, an dere zu wählen, die sein Vertrauen mehr verdienen." Unter solchen Eindrücken wurde der Antrag des Abg. von Jtzstein angenommen. Doch fehlte dies mal allerdings die von der H. Kammer in Baden bei solchen allgemeinen Vcrfassungsfragen früher kundge gebene Einstimmigkeit, was sich daher erklärt, dass diese Kammer stets eine grose Menge Slaatsdiener in ihrer Mitte zählte, die es bei der gegenwärtigen Frage zum Theil denn doch für bedenklich hielten, gegen die Regierung zu stimmen. Die Annahme erfolgte demnach nur mit 31 gegen 26 Stimmen. Am 18. Februar hatte die Diskussion Stall ge funden, jund bei selbiger der Minister von Böckh gcaussert: „Eine Kammerauflösung ist immer eine un angenehme Maasregel." Am 19., in einer um 5 Uhr gehaltenen außerordentlichen Abcndsizung, wurde aber schon durch ein landesherrliches Reskript diese Auflö sung ausgesprochen. Ein Korrespondenzartikcl der „Sächsischen Vatcr- landsblatrer" aus Karlsruhe, der unmitteloar nach der Kammerauflösung in Baden erschien, lässt sich darü der sehr treffend auf folgende Weise vernehmen: „Es war vorauszusehen, dass der Beschluss der Kammer vom 18. Februar ihre Auflösung herbeiführcn würde Sie selbst wünschte schon im vorigen Sommer die Auflösung, damit sich das Land durch neue Wahlen über die Urlaubsfrage aussprechen könne. Somit ist nur ihrem eigenen Wunsche Genüge geschehen. Ma» wird es auswärts vielleicht eine übertriebene Aengsl lichkeit für Aufrechthaltung der Verfassung nennen, daß sie um einer blosen Form willen, der mangeln den Unterschrift eines verantwortlichen Ministers un ter dem Manifest vom 5 August v. I. die Sache auf diese Spize der Entscheidung getrieben hat, wo »S — sie nicht mehr Liegen konnte, sondern brechen mußte. Aber bei den Zeichen, die an unserm konstitutionelle» Himmel geschehen, ist es Pflicht, bei Zeiten das Haus zu bestellen und der ersten Gefahr, selbst wenn sie nur scheinbar und eingebildet wäre, mit der ganzen Kraft männlichen Muthes entgegen zu treten. Das ganze Recht ist nur formell: im Staatsrecht vollends kann man nicht vorsichtig und wachsam genug sein. Wie viel auf den unscheinbarsten Formalitäten beruht, das hat das Schiksal Hannovers in der traurigsten Ge stalt gezeigt, und ist erst eine rechtliche Form durch löchert, so ist das Einströmen eines das Verfassungs leben crtödtenden Luftzuges nicht mehr oder nur schwer zu verhindern. Weil man von der Zukunft nichts Gutes erwartet, sondern Schlimmes befürchtet, darum sezt unsere Opposizion, wo sie nicht einzelne Jrrthü- mcr, sondern fast ein Sistem gegen die konstituzionel- le Verfassung zu erbliken glaubt, den Handlungen der Minister in ihren ersten Anfängen und sogleich beim Entstehen den heftigsten Widerstand entgegen. Auf diesen Standpunkt muss man sich stellen, um den An trag des Herrn v. Jtzstein, dieses unermüdlichen Ver- theidigers des verfassungsmäsigen Rechtes, zu begrei. fen. Das Manifest vom 5. August v. I. hatte einen peinlichen Eindruk auf das Land gemacht. Der Gros herzog selbst harte über die Urlaubsverweigerung zu einem Volke gesprochen. Er hatte die von der Kam mer gefassten Beschlüsse gcmiSbilligt, Tadel ausgespro chen gegen die Volksvertreter und ihre Verirrung be- llagt, weil sie in der Urlaubsfrage die Ansichten der Regierung nicht theilen konnten. Er hatte die Staats diener angewiesen, die irrigen Ansichten über diese Sache zu berichtigen und denselben mit Nachdrük zu vegegnen: — Der Monarch selbst, der nach konstitu tionellem Rechte nur durch seine Minister spricht. Bei den Gesinnungen des Volkes zu seinem Fürsten konnte durch diese Misbilligung gefaßter Beschlüsse, durch diese Anschuldigung von Verirrungen der Kam mer das Vertrauen des Landes zu seinen Vertretern wohl vernichtet, wenigstens geschwächt werden: und Vas war eine Erscheinung ohne Beispiel in einem Repräsentalivstaal, wo die Minister veranrwortlich sind und kein Manifest, keine die verfassungsmäsigen Rech te berührende Verfügung oder Beschluss ohne die Un terschrift wenigstens eines Ministers erscheinen darf, dass kein Minister das Manifest gegengezeichnel halte."') ') Siehe >o. SK. von diesem Jahre.