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- IS4 - fach, vielleicht in zu starken Worten, den Zustand der damaligen Verwaltung. Da »ar ein verrückter König, den ein nichtsnutziger Toryliebling dominirte, und die ser ein Günstling, der, die ihm verhaßte Parthei recht verächtlich zu machen, ein durch allerhand Jntriguen zum voraus entkräftetes Ministerium von ihr besetzen ließ. Gibt eS etwas Schmählicheres, als solches Spiel mit des Landes Wohl? Da wäre nicht ein Junius zu verdammen, sondern zehne zu wünschen gewesen. Und dieser Junius war anerkanntermaßen eines der größten Genies, dessen Schriften jedenfalls der Cultur mehr nützen, alS sie der Ruhe schadeten. Nie hat vielleicht die Preßsreiheit ein größeres, aber ganz gewiß die Cen- sur niemals ein ähnliches Talent geweckt! — Ferner war er höchst wahrscheinlich ein edler, uneigennütziger Mensch, denn kein unreiner Grund läßt sich erfinden, auS welchem dieser nie entschleierte Anonymus sein heil sames Gegengift ausgestreut hätte. Und selbst INr. Xronci«, den noch bei seinen Lebzeiten die letzte Instanz der Kritik für den wahren Junius erklärt, ist ein von allen Partheien verehrter Mann. WaS Junius schrieb, hätte er auch, und noch mehr und Stärkeres täglich bei einem andern Utting vor versammeltem Volk sprechen können, und es sollte so gefährlich seyn, dergleichen vor einem aus gebildeten Männern zusammengesetzten Ge- schwsrncngrrichte und einem kleinen Publikum zu wie derholen. WaS einmal gedruckt ist, kann durch gericht liche Vertheidigung nicht weiter verbreitet werden. — Bei einem Libelle ist eigentlich immer nur zu beur- theilen, ob eine Verläumdung oder Aufwiegelung be zweckt worden. Zu beiden gehört mehr ein gewisser injuriöser Ton, der Haß erwecken soll, als factische Aus- sührungen. Aber die Willkühr der Jury— und welcher Beklagte fürchtete einer Jury Willkühr? — ist nicht dadurch gegen den Libellisten losgelassen, daß die Wahr heit der Behauptungen kein Rechtfertigungsgrund sey. G. trägt hier zum zweiten Male sein überflüssiges Mit leid mit dem unschuldigen Autor vor. — Blackstone sagt ausdrücklich im IV. Buche, II. Kap., daß diese Ansicht von der kxceptio reritsti» allerdings in den zwei früheren Jahrhunderten grassirt habe, daß aber viele Gerichte die Einrede der Wahrheit als Entschuldigung, und die Wahrheit selbst als Schwächung der Injurie haben gelten lassen, bis zuletzt der Hof von Xing« Vvoek selbst die allgemeine Regel ausgestellt hat, daß jeder Kläger die Unwahrheit der speciellen Behauptungen des Libells erst beweisen müsse, ehe ihm eine Infor mation gestattet wird. Ist «S ja nur Wahrheit, was die Freunde der Preß freiheit wollen! Und während sie in England ein Grund gesetz ist, dürfen Burke'S giftige Diatriben gegen sie, die G. triumphirend übersetzt, gedruckt werden, dagegen bei uns halb so heftige Ausfälle gegen die Censur ge strichen werden. Das ist der Vorzug der Preßfreiheit, daß sie die Prüfung nicht scheut! — Nichts aber ist komi scher, als wenn G. zum Schluß die Maske seiner Geg ner anzieht, um sich selbst zu bekämpfen. Er macht sich es dann ungeheuer bequem, und gibt gleich von vorne herein zu, daß die englische Preßfreiheit Anarchie wäre. Gesetzlosigkeit hat nie Großes geschaffen, nur das Gesetz; und diese sogenannte Anarchie, mit der das Volk erzogeü ist, hat es politisch weise gemacht. Frei lich, wönn unter den dortigen Umständen die Deutschen Proletarier vielleicht schweigend verhungerten, die französ. Fabrikarbeiter und der spanische Pöbel Städte und Klöster in Brand setzten, und der Italiener zu meuch lerischen Verschwörungen seine Zuflucht nähme, macht der Eifer der brittischen Noth friedliche Demonstrationen, ihre ganze Wuth löst sich in ein paai stürmischen Reden auf. Die Ruhe eines Prachtsalons, oder Kirchhossruhe, das Resultat von Flintenschüssen, solche Ideale lassen sich freilich nicht überall, und zuletzt in England, effec- tuiren. Weil man Ruhe und Ordnung stets zusammen nennt, verwechselt man Beide. Das Gesetz verlangt zwar die höchste Ordnung, aber diese verträgt sich mit der größten Unruhe. In Bewegung ist das Leben und der Geist! — Ob ein Volk glücklich zu preisen wäre, das sich im ruhigen Verdauen seiner spärlichen Nahrung glücklich fühlte?! Mag man vielmehr dem Englischen Volke glückwünschen, daß es ihm nie so wohl gewor den, und daß die Engländer dieses selbst, trotz aller Landesnöthe einsehen, beweist die totale Unmöglichkeit, ihre Preßfreiheit zu unterdrücken; obgleich der wohl meinende G- das Volk bedauert, welchem dieser Gräuel alle Zufriedenheit, alle Heiterkeit, allen Lebensgenuß geraubt» habe. Ferner habe sie das Gefühl der Sicher heit und des Wohlseyns, das Vertrauen zu den Oberen untergraben, die standhafte Ergebung in unvermeidliche Opfer bitterlich verkümmert! - Selbst den ruhigen und willigen Gehorsam ? — Arme, verblendete Britten! Nur mitleidig hört man Euer „Uul« Lrittsnni»" an. — Es ist wahr, die freie Presse hat die englische Ver fassung, wenn auch erhalten, doch nickt geschaffen; aber sie ist dermaßen ihre nothwendige Folge, daß selbst die Einführung einer Censur dem Volke Nicht» entziehen,