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29. Juli 1841 ^30 Erscheint jeden Donnerstag. Die Macht der öffentlichen Meinung in Amerika *). Neben der Herrschaft der Gesetze hat sich in Amerika die öffentliche Meinung einen mächtigen Thron er bauet, einen mächtigeren, als in irgend einem Reiche der Erde. Sie ist die Königin, der Alle — Regierer und Regierte — huldigen, auf deren Stimme Jeder achtet, deren Ge - und Verbote, gleich denen eines ge waltigen Herrschers, respektirt werden, und die einen großen Einfluß übt, sowohl auf die politischen Verhält nisse, als die socialen. In einer demokratischen Re publik, wie die amerikanische, aber ist die Mehrheit, der die Entscheidung in Sachen der öffentlichen Meinung gebührt und der sich die Minderzahl, mag sie auch ab weichend oder verschieden denken, unterwerfen muß. Alles wird daher darauf ankommen, daß die Mei nung der Mehrzahl durch richtige Leitung oder durch eigene Einsicht vor Verirrungen bewahrt werde. Daher liegt möglichste Verbreitung der Bildung, Aufklärung und Kenntnisse unter allen Klassen der Bürger ganz in der Politik einer Demokratie. Die Amerikaner erkennen die Nützlichkeit, ja Nothwendigkeit einer solchen Herr schaft der öffentlichen Meinung in einem freien Ge meinwesen; tadelnde Stimmen über dieselbe werden nur insofern vernommen, als sie ost bis zu einer ungebühr lichen Einmischung in an sich ganz unschuldige Dinge, die aber unmittelbar mit der Unabhängigkeit der Hand lungen und Denkungsart eines Jeden in nahem Zu sammenhänge stehen, geht. Der beurthcilende, anregen de, richtende Einfluß der öffentlichen Meinung, bemerkt Kooper, ist unstreitig von heilsamer Einwirkung aus die äußere Sittlichkeit eines Landes. Die große Gleich gültigkeit, welche vorzüglich die höheren Stände in den meisten europ. Ländern gegen die Lebensweise der einzelnen Glieder ihres verschiedenen Umganges zu äußern pflegen, ') Der obstehende Aufsatz ist der wörtliche Auszug aus einem von dem bekannten Publizisten Murhard hcrruhrenden Ar tikel über die „nordamerikanische Verfassung" in einem der neuesten Hefte des Staatslerikons von Rotteck und Welker. Unsere Leser werden ihm eine freundliche Aufnahme nicht versagen, sie mögen ihn nun als eine Zeichnung nord amerikanischer Zustände, oder als eine Lobrede auf die Macht der öffentlichen Meinung überhaupt ansehen. D. Red. so lange als der äußere Schern lrgend gewahrt Ml dieses kann gewiß keine positiv heilsame Wirkung ! das gesellige Leben überhaupt haben, wenn em solches unbekümmertes Benehmen in Beziehung aus Andere au-y keine schädliche positive Wirkung haben mag. Luem auf der andern Seite muß die gesellige Freiheit beein. lrächtigt werden, wenn man, wie rn Amerika, m seinen Beschäftigungen, in seiner Lebensweise, selbst sogar «n der Anwendung seiner Zeit sich in Abhängigkeit von o r öffentlichen Meinung befindet. „Diejenigen durften gleich wohl irren", setzt jener amerikanische Schriftsteller Yuu zu, „welche geneigt sein könnten, diese Erscheinung auS dem Geiste der Demokratie herleiten zu wollen." Denn wäre das demokratische Princip daran Schuld, dann würden dergleichen Eingriffe in die Freiheit Anderer bei deren Thun oder Lassen von den unteren Volksklaffen ausgehen. Es ist vielmehr eine Art Kastengeist, der die Handlungen der Privaten vor den Richterstuhl seiner vor gefaßten Meinungen zieht,-Jedem verwehren will, sich nach eigenem Gutdünken zu benehmen, von Jedem ver langt, daß er in dem Kreise, wohin er einmal gehört, vorher forschend umblicke, um ja nichts vorzunehmen, was in demselben mißfallen könnte, der sogar Jedem vorzuschreiben sich anmaßt, was er thun oder lassen soll. Es wäre wahrhaft thörigt, für ein solches Verfahren die hochtönenden Namen eines demokratischen oder re publikanischen Verfahrens mißbrauchen zu wollen; denn ein solches fordert gerade umgekehrt, daß in jedem Ein zelnen die persönliche Freiheit ganz unbedingt geachtet werde, so lange sie dem öffentlichen Wohle kein Hinter niß in den Weg legt. Das müßte ein äußerst unselbst ständiger, unfreier, zur Unterwürfigkeit geneigter Mensch sein, der als Republikaner vorher bei seinen sämmt- lichen Nachbarn um ihre Zustimmung betteln wollte, br- vor er es wagte, nach eigener Gewohnheit und Ueber- legung zu Werke zu gehen. Es ist nichts weiter, al» unberufene Einmischungssucht und keine noch so spitz findige Schutzrede ist rin Stande, durch einen andern Namen die Sache zu beschönigen. Sie führt dahin, daß solche, welche einen großen Werth darauf sehen in ihrer Umgebung in einem vortheilhasten Ruse »ü stehen , unter solchen Umständen ihre Zuflucht nicht selten zu Täuschungen und zur Heuchelei nehmen müssen Der Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 2l Neugroschcn, bei Beziehung des Blattes durch Botengclegenh 15 Neugroschen. - M ä § § H lK z n D D H 2 D über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sechster Jahrgang.