Volltext Seite (XML)
20. Mm 1841. Erscheint jeden Donnerstag. Pr«s für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 21 Neugroschen, bei Beziehung des Blattes durch Botengelegenheit 15 Ncugroschcn. ^or^cr Wochcn-ls„ über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. -Lech st er Jahrgang. Die gute alte Zeit. Zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts waren die Sitten der Höfe auf tiefer Stufe. Es ist bekannt, wie sehr Luther um jene Zeit darüber in Klagen ausbrach. „Alles" sagt er, „ist heutzutage anders und prächtiger, als vormals: Wohnungen, Kleidung und Tafel. Vor Zeiten lebten sie sparsam und hatten dann bei öffent lichen Nöthen und Gefahren stets eine Zuflucht zu den Unterthanen. Nun bleibt ihnen dergleichen nicht übrig, und sie entfernen noch dazu die Gemüther ihrer Völker von sich, wodurch der Grund zu Ausruhren gelegt wird." Auf dem Reichstage vom Jahre 1495 wurde unter an dern verordnet: „daß der Kaiser allen Cyurfürsten, Fürsten und Ständen schreiben und gebieten soll«, an ihren Höfen ihren Dienern, auch sonst allen Unterthanen das Trinken zu gleichen, vollen und halben, nicht zu gestatten, sondern das ernstlich zu strafen, und ist gerathschlagt, daß Seine Majestät solches an dero Hofe zu verbieten und zu handhaben an fangen." Im Jahre 1524 aber schloffen verschiedene geistliche und weltliche Fürsten eine besondere Verbindung: „sich für ihre eigenen Personen der Gotteslästerung und des Zu trinkens ganz oder halb zu enthalten;" doch mit der ausdrücklichen Ausnahme, daß sie daran nicht gebunden sein sollten, wenn sie in Länder kämen, wo Zutrinkcn noch Gewohnheit sei, z. B. in den Niederlanden, in Sachsen, in der Mark, in Mecklenburg und in Pom mern. Im Jahre 1526 machten aus Antrag des Land grafen von Hessen, der Churfürst von Sachsen und an dere protestantische Fürsten die strengste Verordnung ge gen das Uebertrinken, gegen die Unzucht und andere gotteslästerliche Dinge, damit die Sitten ihres Hofge sindes aus dem bevorstehenden Reichstage der Sache des Evangeliums keine Schande und keinen Schaden bräch ten. Es war noch auf dem Reichstage, der im Jahre 1521 zu Worms gehalten wurde, daß viele Fürsten und Herren sich zu Tode tranken, und es vergieng keine Nacht., wo nicht daselbst drei bis vier Menschen ermordet wurden, ungeachtet der kaiserliche Profos Missethäter zu Dutzenden hinrichtete. ES ging — nach den Nachrichten eines Augenzeugen — in Worms mit Morden und Steh» len aus römisch zu, und alle Straßen waren mit „schonen Frauen" oder feilen Dirnen ungefüllt. Die Wissen schaften waren um jene Zeiten nirgends zu finden alS hier und da in einem Kloster; hierher hatten sie sich aus dem Getümmel der Alelt geflüchtet; der Lare widmete sich ihnen nicht. Insbesondere beim Adel waren sie gänzlich verachtet; er bracbte seine Tage lieber mit Feh den, Jagen, Reiten und Tourniren, sein- Nächte aber in Saufgelagen zu. Ein Dalberg, ein Hutten waren unerhört seltene Ausnahmen von dieser Regel. WaS war nun auch natürlicher, als daß der Landsriede, der das ritterliche Gewerbe in seiner Leibeswurzel angriff, mit allgem-inem Unwillen vom Adel ausgenommen wurde, und daß seine Vollziehung mit unglaublichen Schwierig keiten verbunden war? Man fürchtete sich zwar, deS Landfriedensbruches wegen vor das Kammergericht gela- den zu werden; man gab aher doch das Faustrecht nicht auf und trieb es nur um so heimlicher und grausamer. So klagt der Rcichsabschied, der 17 Jahre nach dem Landsrieden zu Stande kam, über unerhörte Mißhand lungen, wie Einer den Andern heimlich fahr, verblende und hinwegsühre, in Gefängnissen heimlich halte oder verkaufe, und so gedenkt noch ein, im Jahre 1620 von einem Mitgliedc der Reichsritterschasl gefertigtes Be- denken mit Wehmuth des edlen Faustrechts, das doch ehedem das Beste gethan, so lange noch der Adel sich gegenseitige Hülfe geleistet habe. Besser sah es auch nicht in den Städten auS. Von Wien z. B. galt auch noch um diese Zeit, was gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts Aeneas Sylvmö in seiner Beschreibung dieser Stadt berichtet. „Man kämpft Tag und Nacht in den Straßen" — so sagt er — wie in der Schlacht geht es da zu; bald sind eS die Handwerker, welche gegen die Studenten, und bald die Hosleute, welche gegen die Bürger die Waffen er- greifen. Todschlage sind sehr häufig und um die Strei tenden kümmert sich Niemand .... die Zahl der öffent- lichen Mädchen ,st ungeheuer groß und es finden sich wenige Frauen, welche eheliche Treue beobachten. Häu-