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40 Hätte Euch Jemand bisher beleidigt, so bitte ich, daß Jhr's vergessen wollet. Es steht keinem Fürsten wohl, wenn er eine im Privatstand empfangene Unbil ligkeit rächen will. Hingegen straft die Schmeich ler, die Alles Euch zu Liebe und Nichts zu des Landes, Wohlfahrt reden wollen. Des Schmeichlers Rede gleichet dem Schlangengifte, welches im süßen Schlafe zum Herzen dringt, und den Tod wirket, ehe man es ge wahr wird. .... Jetzo werde ich, liebster Sohn, versammelt zu meinen Vätern; lebet Ihr glückselig und regieret wohl, so werden Euch die Frommen lieben, und die Bösen fürchten; Ihr werdet von den Gegenwärtigen geehrt, von den Abwesenden geliebt, und wenn Ihr diese meine Vatertreue zu Herzen nehmen und solgen werdet, mit unsterblichem Nachruhm gekrönt werden." So dachte und schrieb, einfach und treuherzig, wie seine Zeit, Kurfürst Johann von Brandenburg, und es ist wörtlich so zu lesen in Pauli's allgemeiner preußi scher Staatsgeschichte, gedruckt zu Halle 1761, Bd. II., Seite 428. Unter den Erinnerungen im Besondern, welche wir nicht mit angeführt haben, ist auch die Ermahnung, eine Universität zu stiften, was der Kurfürst selbst nicht mehr hatte ausführen können, und was ihm sehr am Herzen lag. Denn damals hielt man Viel auf Licht und Aufklärung und machte sich eine Ehrensache daraus: je Heller unter dem Volke, desto besser. Heutzutage ist freilich Vieles anders geworden, und es hat die Auf klärung bei Manchem seine Bedenklichkeiten. Wie würde es dem guten Kurfürsten ergangen sein, wenn er z. B. einer Hos - Zeitung inkognito in die Hände gefallen wäre. Diese Regierungsregeln, würde es geheißen haben, sind eher ein klarer Beweis, baß der Verfasser nicht gut kur fürstlich gesinnt ist. Die Stelle von bösen und ungetreuen Räthen ist eine offenbare Ehrenkränkung, und zugleich be leidigend für den Kurprinzen, als wenn derselbe mög licherweise schlecht berathen sein könnte. Die abgedrosche nen Redensarten von Verlust der Liebe und des Ver trauens sind Aufreizungen zum Haß und zur Verach tung gegen die Regierung. Noch deutlicher wird diese Absicht in dem nächsten Satze, wo davon die Rede ist, daß der Fürst nicht in Sicherheit sitze, und damit indi rekt zur Empörung aufgefordert wird. In Verbindung damit steht auch der boshafte Angriff aus den Adel, was einem Angriff auf den Thron gleich zu achten ist, denn bekanntlich kann der Thron nicht bestehen ohne die Aristokratie. Wer vollends von „Recht und Gleich einem Jeglichen" spricht, der ist ein Volksaufwiegler, ein Ja kobiner, und verfehlt sich zugleich gegen die Verfassung, welche die Rechtsgleichheit ausdrücklich nur insoweit fest gesetzt, als keine Ausnahmen Statt finden. So ungefähr würde nach neuern Regierungsregeln über die Regierungsregeln des Kurfürsten Johann ge- llrtheilt werden, und wir geben zu, daß er ein schlechter Aristokrat war, und in seinen Ansichten viel Revolu- zionäres hatte. Ueberhaupt sieht man wohl, daß er weit hinter unserer Zeit zurück ist. So will er z. B. die Schmeichler bestraft wissen, welche Alles einer Per son zu Liebe, und Nichts zu des Landes Wohlfahrt reden wollen. Heutzutage aber werden solche Leute eigends dazu angestellt, und heißen Hofzeitungsschreiber und Hosschranzen. „Es kann nicht Jedem zugemuthet werden, in solchen Fällen, die eine Rüge verdienen, sich den Unannehnu, lichkeiten, womit offizielle Denunziazionen verbunden sind, auszusetzen. Sollte nun auch eine anständige Publizität (Ocffentlichkeit) darüber unterdrückt werden, so würde ja gar kein Mittel übrig bleiben, hinter die Pflichtwidrigkeiten der untergeordneten Behörden zu kommen, die dadurch eine sehr bedenkliche Eigenmacbt erhalten würden. In dieser Rücksicht ist eine anständige Publizität der Regierung und der Unterthanen die sicherste Bürgschaft gegen Nachlässigkeit und den bösen Willen der untergeordneten Offizianten, und verdient aus alle Weise befördert und geschützt zu werden." So lautet eine Kabinetsordre des verstorbenen Königs von Preußen Friedrich Wilhelm III. vom 20. Februar 1804; wie die darin ausgesprochenen Grundsätze in der Wirklichkeit zur Ausführung gelangt sind, braucht hier nicht eröriert zu werden, aber — die Worte sind gut. „Ist es nicht Unsinn, zu glauben, daß die Obrig keiten das Land besaßen, bevor noch Unterthanen waren, und daß sie das Ihrige unter gewissen Bedingungen an die Letzteren abgetreten haben? Müßten sie nicht auf der Stelle vor Hunger davon laufen, wenn Nie mand den Grund baute'? Eben so absurd wäre es, wenn sich ein Landesfürst einbildete, das Land gehöre ihm, nicht er dem Lande zu; Millionen Menschen seien für ihn, und nicht er für sie gemacht, um ihnen zu dienen." Diese Worte, welche nicht überall die Zensur passiven würden, sind Kaiserworte: es sind Worte Josephs des II., Kaisers von Teutschland. Ehre sei seinem Andenken! „Müßte man nicht wahnsinnig sein," sagt Fried rich der Große, wenn man sich vorstellen wollte, daß Menschen zu 'einem ihres Gleichen gesagt hätten: wir erheben dich über uns, weil wir gerne Sklaven sein möchten. Sie haben vielmehr gesagt: wir bedürfen deiner, um die Gesetze ausrecht zu halten, denen wir gehorchen wollen, um weise regiert zu werden, und uns zu vertheidigen; übrigens fordern wir von dir Achtung für unsere Freiheit. Man kann über dieses Kapitel Bettachtungen an stellen, insofern es fürstliche Reden enthält. Man kann aber auch Betrachtungen anstellen, insofern fürst liche Reden darin mitgetheilt werden.