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Zenfemanns erster Datt. Lon Barbara Ring. Autorisierte Übersetzung aus dem Norwegischen von R. St. (Nachdruck verboten.) «Ja, ja, die Jahre vergehen, und die Kleinen werben groß", sagte die alte Dada, während sie die halbwüchsigen Mädchen und Jensemann zum Ball anzog. Es war Jense- mannS erster. Er war sehr gespannt und — ein bißchen ängstlich. .Du bist doch nur unsertwegen eingeladen. So ist's mit solchen Kleinen immer nur", hatten Rikke und Gerda gesagt. DaS ist eine schreckliche Wichtigtuerei von Rikke und Gerda, dachte Jememann, denn Tante Mally war seine Patin, also, meinte er, war er wohl auch ein wenig um seiner selbst willen eingeladen. Jensemann war gerade beim Zähneputzen; er nahm deS besonderen Anlasses wegen doppelt soviel Zahnpulver wie sonst, die Schlemmkreide spritzte nur so an die Wand und — an seinen Hosen hinab. „Du, Jensemann", deine Hosen", warnte die alte Dada. Jensemann brummte. Uff, diese alte Dadai Sie sah alles, selbst wenn sie mit der Hinterseite zu einem stand. Aber er vergaß, daß Dada ihn im Spiegel sehen konnte. Vor diesem saß Gei da ängstlich und vorsichtig auf dem äußersten Rande des Stuhles, um sich die Röcke nicht zu zerknüllen, während Dada bürstete und bürstete, damit das Haar richtig blank werde. .Meinst du nicht, daß es noch ein bißchen höher herausgezogen werden kann?" fragte Gerda. Sie war nicht wenig stolz auf ihr dickes Haar, das genau so war wie Mamas. .Kümmere dich nicht drum", antwortete Dada und machte es so, wie sie es für gut befand. Die alte Dada fand, daß heutzutage mit den Haaren der kleinen Mädchen nicht viel Staat zu machen war. „Ja, wie Mama klein war", sagte Dada, „da hättest du sehen sollen. Den ganzen Abend vorher mußte ich stehen und ihr Papierwickel ins Haar stecken, aber nachher war sie denn auch schön auf dem Ball wie eine Braut. Und wie die getanzt hat! Jesses, wie die getanzt hat! Wenn wir sie abholten, durften wir in der Tür stehen und zusehen. Und wenn wir dann nach Haus gingen, dann schwadronierten und erzählten sie, das ging nur so." „Ja, Diama tanzt gut", sagte Jensemann mit Über zeugung. Ec konnte nur Polka und Galopp, das hatte Mama ihn gelehrt. Aber es war zu komisch: wenn er mit Rikke und Gerda zu tanzen versuchte, ging es nicht halb so flott wie mit Mama, obwohl sie doch schon auf so vielen Bällen gewesen waren. Mit Gerda ging es noch allenfalls, aber mit Rikke war es rein unmöglich. Es war ordentlich ärgerlich, daß Mama gerade fort war, wo Jensemann zu Ball sollte. Denn nun konnte er mit keinem üben. Rilke und Gerda darum bitten, das mochte er nicht. Und die alte Dada konnte gewiß nickt. Gestern hatte er ganz heimlich mit den« größten Sofa- kissen getanzt, aber das war zu dumm gewesen. „Tut man auf dem Ball nichts anderes als tanzen?" fragte Jensemann zum zwanzigsten Male. Er hatte immer nur dieselbe Antwort bekommen, er solle doch mit seinem Fragen authören. Aber endlich erbarmte sich Rilke seiner. Sie war fertig und lag mit den Beinen gekreuzt auf Aem Sofa. Rilke machte sich nie etwas daraus, wie ihre Kleider aussahen, wenn sie nur bequem waren — ihre Manieren waren der Kummer der Familie. „Oh ja", sagte Rilke, „wenn kleine Kinder da sind, also wie du, bann pflegen sie umherzuspringen und uns zu stören, auf dem Tanzpulver zu schlittern und der gleichen mehr." „Äcklitternl" Jensemann horchte auf. Es ivar viel leicht gar nicht so gefährlich aus so einen Ball! Wenn nur Mama und Papa zu Hause gewesen mären, dann! Er überlegte. Er wollte alles so machen, wie Para es machte, wenn er zum Echloßball ging. Dann hatte Papa immer etwas Wohlriechendes im Haar und Taschentuch. Und seinen Orden hatte er auch an. „Meinst du, ich soll mir meine Erinnerungsmedaille anstecken, Gerda?" »Bist Lu ganz verrückt geworden, Jensemann? H-tst du, Rikke, seine gelbe Medaille will er sich anstecken!' .Ja, aber Papa —" begann Jensemann. „Aw, du bist ein süßer kleiner Dummkopf," sagt« Gerda, die nun mit ihrem Haar fertig war. Und st« küßte ihn auf beide Wangen. Jensemann war tief enttäuscht. Aber er nahm sich vor, nun klüger zu sein und nicht davon zu reden, daß er sich Duttendes ins Haar tun wolle. Lr wollte warten, bis sie ganz fertig waren, sich Hann schnell das Haarwasser holen und gleich die Mütze aufsetzen, bannt sie nichts merkten. Endlich waren sie fertig. Die Schwester« standen mit Ballgamaschen, Radmänteln und Hellen Tüchern auf den Köpfen. Dada ging in daS Mädchenzimmer, um sich fertig zu machen. ! Der Augenblick war gekommen. Jensemann schlüpfte in Mamas und Papas Schlafzimmer und begann auf dem Waschtisch zu suchen. Wenn Papa nur nicht daS Duftende mit auf die Reise genommen hat. Da fand er eine Flasche mit etwas Braunem darin. Nein, das war eS nicht! Er erinnerte sich, daß eS ganz war wie Wasser. Da war eine Flasche mit etwa- Klarem. Jensemann strahlte. „Jensemann, bist du fertig?" rief die alte Dada aus dem Entree. Rasch riß er den Korken heraus und goß sich den Kopf voll, daß es über den Rücken hinabrieselte. ES war toll, wie das roch! Er hatte gewiß zu viel genommen! Wenn sie es nur nickt merkten! Er stülpte die Mütze fest aufs Haar und schoß wir ein Pfeil an den anderen vorüber, zur Tür hinaus. Und auf dem ganzen Wege hielt er sich klüglich ein Endchen vor den andern. Als sie vor Tante Mallys Tür standen, begann Dada zu schnüffeln: „Du host doch wohl deine Handschuhe nach dem Waschen gelüftet, Rikke?" Ja, sie hatte sie gelüftet .. . Dann ver'chwand Dada mit den Mädchen in der Damengarderobe und Jensemann blieb allein mit den Knaben in« Entree. Er sah sich um. Nur große Jungen. Alle entsetzlich groß. Einer der größten schnauzte Jensemann an: „Na, du kleiner Stinker! Deine Mama hat dir wohl eben die Flecke aus dem Rock gerieben, was? Oder hast du vielleicht ein Automobil in der Tasche?" Schallendes Gelächter der Umstehende«« belohnte diesen Witz. Jensemann wurde unruhig. Er vermutet«, daß eS dem Haarwasser galt. Uf, daß er so viel genommen hatte. Es roch wirklich ein bibcken arg. In der Stube standen die kleinen Mädchen, redeten sehr erwachsen und wedelten mit ihren Fächern. Di« Knaben hatten sich in einen Haufen gesammelt und studierten die Tanzliste, die an die Eßzimmertür ange schlagen war. Hier sollte getanzt werden. Die Dienst- Mädchen reichten Tee und Kuchen heruni. Tante Mally und Sigrid standen voran und be grüßten die Gäste. Jensemann reichte ihnen die Hand und machte einen Diener. „Das ist aber nett, daß du gekonimen bist, Jensemann", sagte Tante Mally. „Ja" antwortete er, denn er wußte nicht recht, waS er sagen sollte. „Gott, wie riechst du denn, Jensemann", rief Sigrid aus. Es war aber wirklich ärgerlich, daß all« darüber redeten. „Ich habe ein bißchen zu viel Haarwasser genommen", meinte er. Tante Mally beugt« sich über ihn: „Wer in aller Welt hat dir diese- Haarwasser ge geben. Kleiner? DaS ist ja das reine Benzin." „Papa gebraucht eS immer, wenn «r zu Ball geht", sagte Jensemann zuversichtlich. „Tut bas Papa wirklich, mein Junge?" lächelte Tante Mally. Dock nun kamen Gerda und Rikke herbrigestürzt. Sigrid hatte ihnen erzählt, daß Jensemann so rieche. „Du schrecklichrr Bengel!" sagt« Rikk«. (Schluß folgt.)