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A-orker Wochenblatt. Mitthe 1.1 ungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Vierter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 1« gr. Sechs., bei Bcziehuna des Blattes durch Botengclegenheit 12 Gr. Sächs. -»A47. Erscheint jeden Donnerstag. 22. Novbr. 1838. s Au/S Leipzig. Seit langer Zeit hat wohl nichts die Gemüther der Leipziger Einwohner so allgemein und lebhaft angeregt, als die unterm 28. Oktober dies. Jahres erschienene Bee kanntmachung des dasigen Stadtrathcs, wornach vom 1. Januar 1839 an eine Hundesteuer von 1 Thaler 8 Groschen für jeden Hund eingeführt werden soll. Es ist Gegenstand des Tagesgesprächs geworden und, wie es scheint, findet die neue Einrichtung wenig Gunst. Allenthalben wenigstens beschwert man sich über die Art und Weise, mit der man diese Maßregel ins Leben treten läßt. Verkennen wir auch nicht, wie ein unfreundlicher Empfang am Ende das unvermeidliche Loos jeder neuen, selbst der gerechtesten und zweckmäßigsten Steuer ist, so müssen wir doch andererseits gestehen, daß in uns selbst mehrfacheBedenken gegen das neueJnstitut aufgcsticgc» sind. Wohi odxr übel, wir halten es für Pflicht, die selben der öffentlichen Erörterung zu übergeben. Als Zweck der einzuführenden Hundesteuer wird im Eingänge der erwähnten Bekanntmachung „die mög lichste Verminderung der in der Stadt Leipzig befind lichen großen Anzahl von Hunden und der daraus ent springenden Ucbelstände und Gefahren" ausdrücklich be- zcichuet. Wer die Verhältnisse in dieser Beziehung kennt, kann die Verfolgung dieses Zweckes nur lobens- werth finden. Es ist ein wahrer Scandal, wenn das schöne Geschlecht unter den Hunden in den wärmeren Jahreszeiten den Bewerbungen seiner Anbeter zugänglich wird. Selten eine Straße oder ein öffentlicher Platz in Leipzig, wo nicht diese Thierc praclische Anleitungen über ihre Fortpflanzung den Vorübergehenden jedes Alters und Geschlechtes darbieten, anderer Uebelstände gar nicht zu gedenken. Allein so lobcnswerth auch rin Zweck sein mag, die Mittel zu dessen Erreichung dürfen keine überlästigen oder gor unmöglichen Anforderungen an dir Freiheit der Einzelnen, noch weniger aber Be schränkungen enthalten, welche die Ausübung bürger licher Thätigkciten erschweren. Anders handeln hieße, wie daS Sprüchwort sagt, die Wurst nach der Speckseite werfen. Ein solcher Vorwurf aber trifft unscrs Er achtens vorzugsweise den §. 9 des der erlassenen Bekannt machung beigefügten Regulativs, demzufolge diejenigen Hunde, welche ohne die (gegen Erlegung der Steuer auszuhändigende) Marke oder bet Nacht ausge- sperrt ang etroffen werden, aufgegriffen und wenn binnen drei Tagen von Ihrer Aufgrcifung an die Eigen- thümer sich nicht melden, nach obrigkeitlicher Anord nung entweder gelödtet oder dem Scharfrichter eigen, thümlich überlassen werden sollen. Meldet sich der Eigenthümer innerhalb der gedachten Frist, so wird ihm der eingefangene Hund nur gegen vier Groschen Auf- greifegeld und gegen einen Thaler für Fütterung und Aufbewahrung wieder verabfolgt. Man darf wohl an, nehmen, daß bei dieser Bestimmung ganz übersehen worden, wie ein frei hernmlaufender Hund nicht selten seinem Herrn auf kurze Zeit die Treue aufkündigt und seinem Vergnügen nachgeht. Es ist ganz unmöglich, selbst einen gut dressirten Hund, zumal in der sogenann ten Laufzeit, stets im Hause zu halten, man müßte ihn denn fortwährend einspcrren oder an die Kette hängen. Besonders junge Hunde, die sich so leicht verlaufen, wird das Mißgeschick des Einfangens oft treffen. Doch wie dem auch sei, waS soll diese Maßregel bezwecken? Wir leben seit langer Zeit in Leipzig, sind oft und zu allen Zeiten der Nacht durch die verschiedendsten Quartiere der Stadt nach Hause gegangen und haben keine Be lästigung oder einen andern Uebelstand wahrgenommen, den ein bei Nacht ausgesperrter Hund verursacht hätte. Mit eben so viel Recht würde sich die Einsperrung der Hunde während des Tages rechtfertigen lassen. Auch wir sind Freunde derOrdnung, auch wir lieben dieRuhc bei Nacht, allein man muß die Liebe zur Ordnung nicht auf die Spitze treiben und nicht die Ruhe eines Friedhofs