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187 gemacht — habe ich es immer und überall, wo ich es getroffen, als sehr bewährt gefunden, wenn die Gemeinden unter die Zahl ihrer Repräsentanten einen Juristen gewählt hatten. Denn so sehr man auch gegen das juristische Element zu eifern gewohnt ist, wir müssen cs doch eingcstehen, daß die Herren Juristen in der hierher gehörigen Beziehung nicht wohl zu entbehren sind, und fast alle teutsche Stände- versammlungcn haben dargcthan, daß unter den tüch tigsten Abgeordneten inuner die größere Anzahl dem Stande der Juristen angehörte. So auch bei der städtischen Vertretung. Schenken die Bürger da, wo es geht, bei der Wahl der Gemcindevcrtrcter einem Juristen ihr Vertrauen mit, so haben sie den Vorthcil, daß sie, wenn es Noth thut, dem Stadtrathc eher die Spitze bieten können. Allein es bringt das auch noch andern Gewinn. Es ist dann Jemand vorhanden, der die schriftlichen Arbeiten zu fertigen, vorzüglich das Protokoll regelrecht zu füh- ,rcn vermag (wiewohl das Letztere oft auch recht gut von andern Bürgern besorgt wird). Ganz besonders aber ist Jemand da, der die nöthige Gesetz künde hat und also seinen Genossen bei der Vertretung, ohne daß diese sich erst bloszustellcn, oder, wenn sie das nicht wollen, in der Ferne und außer ihrem Kreise Raths zu erholen brauchen, sagen kann, ob sie mit diesem oder jenem Anträge durchkommen können, was mitunter viel unnöthigcn Disputat von Haus aus erstickt und zur Erhaltung des Frie dens wesentlich beigetragen hat. Freilich müssen sich auf der andern Seite die Gcmcindevertrcter, welche dem Bürgerslande angehören, auch wieder hüten, daß sie nicht dem Juristen unter ihnen ein zu großes Uebcrgewicht cinräumen, weil das ebenfalls wieder seine schlimmen Folgen haben kann und dann die Scilla nur mit der Charibdis öder, um tcutsch zu reden, der Regen mit der Traufe vertauscht sein würde. Jndeß das würde man hoffentlich bald merken, und daher bleibt es immer gut, wenn man es haben kann, einen Juristen mit anzubringen. Ich sprach oben von der zu großen Eintracht lm städtischen Leben und wagte zu behaupten, daß dieses Auviel keinen tüchtigen Grund habe. Aber ich habe mitunter auch gefunden, daß diejenigen, welche berufen sind, der Stadt Bestes zu fördern, viel Fehde mit einander führten. Man kann hierbei nicht sagen, es waren die Stadträlhe, man kann auch nicht sagen, cs waren die Stadtverordneten Schuld, das Recht lag oft in der Mitte und die Schuld trugen Beide. Allerdings verfallen meine lieben Kollegen oft in den entgegengesetzten Fehler der Schwachheit oder Schüch ternheit oder Liebe zur Eintracht, und greifen Alles an, was nur vom Stadtrathe beschlossen, gewünscht und gethan worden ist, oder werden soll. Sie glau ben d. h. Viele, die noch nicht vollständig cingc- drungen sind in den Geist der Städtcordnung, und davon gehört oder gelesen haben, Opposizion müsse sein — Solche glauben, nur durch steten Widerspruch erfüllten sic ihrcn Beruf. Wahr, Freun de und Kollegen! Auch ich hänge der Regel an: „Opposizion muß sein." Durch Rede und Gegen rede — ich weiß cs — kommt man zur Wahrheit. Oder, wie Emerenzius Skävola irgendwo sagt: „dcx „Gewinn wächst immer lediglich zwischen den Gegen- „sätzen; wo sich Land und Wasser berühren, gedeiht „das schönste Gras und die farbigste Blume." Aber Unrecht muß ich doch denen von Euch geben, die nie die Nachgiebigen spielen wollen und in jeder Maß, regel des Stadtrathes Verrath wittern, Gefahr für die Gemeinde fürchten und.daher — die Lanze cin- legcn, um die Fehde zu beginnen. Ist Unfrieden zu vermeiden, vermeidet ihn ja, denn „Unfriede ver zehrt" bekanntlich, und wenn diejenigen, welche der Gemeinde Bestes gemeinschaftlich besorgen sollen — Stadtmth und Gemcindevcrtrcter — in ewigem Ha der liege», kann das Beste natürlich nicht zu Staide kommen, weil nach cingetrctcnem Frieden vielleicht die günstigste Zeit zum Wirken schon vorüber ist. Mein und meiner Kollegen Grundsatz war immer der, die Verwaltungsbehörde, wenn sie blos irrt, nicht scho nungslos anzugreifen, weil Irren ja menschlich und cs manchmal gefährlich ist, diejenige Behörde, die zugleich die Obrigkeit ist, eines bloßen Jrrthums hal ber bloszustellen, indem das minder gebildete Publi kum glcich Schlimmes zu denken pflegt und daher daS moralische Ansehen der Behörde für die Folgezeit ge schwächt wird. Wo ich aber absichtliches Abweichen vom rechten Wege wahrnahm, da schreckte mich weder „Bürgermeister" noch „Rath," da schonte ich weder „Bürgermeister" noch „Rath," da wurde offener Widerspruch erhoben, ohne daß ich mich um die Folgen gekümmert hätte. Und bei diesem Der-