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186 Jetzt ist das ander- und kesser. Die Vertreter der Bürgerschaft sind auf der einen Seite der Zahl nach nicht zu schwach, um, wie die vormaligen Ge meindevorsteher, schon in dieser Hinsicht vom Ueber- gewichte des Stadtrathes erdrückt zu werden; auf der andern Seite aber nicht zu zahlreich, wie Ge meindeversammlungen, um die Anwendung der Regel zu gestalten: „viel Köche verderben den Drei." Auch hat sich nach einem Zeiträume von 6 bis 7 Jahren die Sache schon so gut eingerichtet und so praktisch bewährt, daß die Klagen, die man Anfangs hier und da vernahm, jetzt immer mehr und mehr verstummen. In den meisten Städten, die mir in dieser Beziehung bekannt geworden sind, herrscht Friede und Eintracht zwischen den Stadträthen und Gemeindeverrrclern, ohne daß deshalb den Ersteren durch die Finger gesehen und der alte Schlendrian gut geheißen würde, und ein — dem Ganzen na türlich nur förderliches — Zusammenwirken Beider, der städtischen Verwalter sowohl, wie der Kontrolörs und Aufseher derselben, zeigt sich selbst da, wo An fangs viel siebenjähriger Krieg war. Freilich ganz ausgegohren hat der junge Most noch nicht, oder um es mit andern klaren Worten zu bezeichnen, ganz in Saft und Kraft in das Volks leben übergegangen ist das moderne Institut der Ge meindevertretung, wie es uns die neue Stadtordnung gcbohrcn hat, noch nicht überall. Ich habe mich namentlich deshalb einmal in meinem lieben Voigt« lande umgesehen, und so erfreulich es mir war, zu bemerken, daß man fast allenthalben viel guten Willen hatte, in den Geist der Städteordnung einzu- dringcn, so blieb es mir doch auch nicht verborgen, daß es Vielen damit noch nicht so eigentlich geglückt war. Vergönnen Sie mir, als Sachverständigen, als Mann vom Fache mit einiger Erfahrung, hier über in Ihrem Blatte noch einige Bemerkungen nie- derzulegen. Hier und da fand ich große, große Eintracht, hier und da auch wohl einigen Zwiespalt, der mit unter in persönlichen Angriff übergegangen war. Natürlich es paßt Beides nicht und Eines wie das Andere kann dem Gemeinwesen nur schaden. Wo ich zu großen Frieden fand, da hatte das Ding gewöhnlich keine sehr sonderliche Veranlassung und — wenn ich's offen sagen, wenn ich das Kind bei dem rechten Namen nennen soll — es beruhte die Ein tracht gar zu häufig auf der Schwachheit meiner Herren Kollegen, der Stadtverordneten, gegenüber den Stadträthen uud insonderheit den Herren Bür germeistern. Sobald diese Letzteren nur mit den Sporen auf den Stufen des Rathhauses klirrten, ward es den Volksvertretern schon unheimlich. Und in der That man kann cs dem schlichten Bürger, der so eben dem Wcbestuhle oder dem Ambos ent nommen worden und noch von Alters her gewohnt ist, den Stadtrath sich blos als Obrigkeit, nicht auch als Gemeinde-Vermögens-Verwalter zu denken, am Ende nicht verargen, wenn er seinen Vorge setzten, die sie allerdings sind, gegenüber nicht so gleich die regelrechte Stellung einzunehmcn weiß. So etwas kann nur durch Uebung erlangt werden, wird aber freilich auch durch bereitwilliges Entgegen kommen der Rathsmitglicder, vorzüglich der Ge- studirten, in hohem Grade befördert, und ist inson derheit da nöthig, wo die Gcsammthcil der Gemeinde- Vertreter aus lauter einfachen Bürgern besteht und nicht auch einen gcstudirten Mann oder sonst ein hervorragendes Talent in ihrer Mitte hat, das nach den geheiligte,? Begriffen des Ranges oder Standes nicht allzuweit von dem gestrengen Herrn Bürger meister entfernt Ist oder wenigstens Muth genug hat, gegen diesen in verkommenden Fällen mit einem kecken Widerspruche hervorzutreten. Hierbei habe ich moch zweierlei Beobachtungen gemacht. Einmal nämlich habe ich gefunden, daß man den — Uebelstand muß ich cs nennen, der aus der Schwachheit oder Schüchternheit der Gemeinde- Vertreter hcrvorgeht, vorzüglich in solchen Orten vorfindtt, wo das Regiment nur der Form nach gewechselt hat und mit der neuen Städtcordnung nicht auch neue Stadträthe, nagelneue Bürgermeister und Rathsvcrwandtc, eingctreren sind. Brachten diese nämlich auf der einen Seite in der Regel den alten Geist noch mit — wie man am Ende sehr ver zeihlich finden, muß — so waren auf der andern Seite auch die einzelnen Bürger selbst noch zu sehr an das alte Sistem gewöhnt, das bekanntlich mit unter ein „Schreckcnssistcm" war, und die Städteordnung fand da natürlich dem Geiste nach schon einen viel schwierigern Eingang. — Eben des halb — und dies ist die zweite Beobachtung, die ich