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A-orker Wochenblatt. Mittheklunge n über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Vierter Jahrgang. Prri» für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 16 gr. Gächs., bei Beziehung des Blattes durch Botengclegenheit 12 Gr. Sächs. 30. Erscheint jeden Donnerstag. 26. Aull 1838. Was ist Wucher? Wundere dich nicht, lieber Leser, wenn diese Frage hier aufgeworfen wird. Du meinst vielleicht, daß dieselbe überflüssig ist, weil erst die neueste Gesetz» gebung sich wieder bestimmt darüber ausgesprochen und gegen den Wucher Vorkehrungen getroffen hat. Ällein daß gesetzliche Bestimmungen gegen das, was man als Wucher zu beurtheilen hat, nicht eben leicht zu treffen sind, haben die Bcrathungen über das neue Criminalgcsetzbuch auf dem letzten Landtage zur Gnügd bewiesen, und zuletzt ist man doch wohl auch durch dieses neue Gesetz nicht weiter gekommen, als daß man weiß, waS als Wucher nicht anzuschen d. h. nicht bürgerlich zu bestrafen Ist. Was ist aber nun dadurch gewonnen worden? Nichts, als daß man die Unzulänglichkeit der bürgerlichen Gesetzgebung in ihrer Blase erblickt. Die öffentliche Moral und die Humanität haben von diesem Gesetze wenig zu hoffen, wie überhaupt für diese von bürgerlichen Strafbestim mungen kein großes Heil zu erwarten stehet. Es kann jemand ein untadelhafter Staatsbürger seyn und als solcher alle Ehrenrechte in Dörfern und Städten, auf Kreis - und Landtagen ausüben, Lind doch — das Brandmal eines Schurken an sich tragen. Darum noch einmal die Frage: was ist Wucher? Ich will dir einen Spiegel vorhalten, lieber Leser; blicke in denselben hinein gerade und offen, ohne Flor und Brille; erkennest du unter den mannigfachen Gc- sMen, die er dir var.das Auge führet,, auch dein Bild mit — dann weißt du, was Wucher ist, auch wenn du niemals deshalb vor Gericht gestanden bist. A. ist ein Capitalist. Nie hat er einem Schuldi ner angesonnen, mehr als 5 Procent ihm zu bewil ligen, nein! vielmehr leihet er sein Geld bei guter Versicherung stets nur gegen 4 vom Hundert weg. Nicht einmal eine Provision stipulirct er sich von dem, der Geld von ihm empfängt, um ja nicht dem Kauf» manne und Banquier ins Handwerk zu pfuschen. Er würde sich so etwas nicht verzeihen können. Allein der Schuldner ist sein Hause und Fcldnachbar; da trägt er kein Bedenken, ihm bisweilen ein kleines Opfer zuzumuthcn! Er hat Hauögeräthe öfters nöthig; warum soll er dergleichen selbst anschaffen? Der Nachbar ist ihm rin Capital schuldig, der macht sich ein Vergnügen daraus, mit allem auSzuhelfen.' Er hat das Unglück, immer seine Feld - und Wiesen- gränzen nicht gut im Gedächtnisse zu behalten; was schadet's? Der Nachbar ist sein Schuldner, der wird wohl so leicht nicht sich regen, wenn er demselben auch mit dem Pfluge oder der Sense etwa- zu nahe kommt. Er ist zugleich Handelsmann, und einem Handclsmanne begegnet es leicht, daß er nicht die bcßten und nicht hie wohlfeilsten Waaren hat! Dar über aber kann er sich beruhigen; diejenigen, welche ihm schuldig sind, müssen doch ihre Bedürfnisse -ii ihm erkaufen. Auch hat er, wenn er ein Capital an den Mann bringt, nicht immer gleich die volle Summe in Baapcm nöthig!^ Dem, der dasselbe rrborge,