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106 Gerichte nicht getadelt hat. Wenn diese Begräbnlß- »eise nach.dem Gesetze war, nun freilich — da gab eS nichts zu tadeln. Sollte aber dieses Gesetz mit den Anforderungen der Humanität im Widerspruch stehen, so würde die H. Kreisdirckzion wahrscheinlich auch nicht getadelt haben, wenn die Dorfsladter Ge richte sich mehr an die Humanität, als an das Gesetz d. h. an den Buchstaben des Gesetzes gehalten hätten. Wenigstens hak die Regierung bis jetzt diese humane Richtung der Zeit in alle Wege begünstigt, dagegen das dieser Humanität widersprechende alte Dorurtheil da, wo es vorkam, mit bekämpfen helfen. So wäre ich denn zu Ende, und der geneigte Leser wird nun selbst ermessen, daß, wenn ich auch in Ansehung zweier Nebenpunkte bei meiner ersten Darstellung, durch falsche Angaben verleitet, vom Wege der strengen Wahrheit abgewichen gewesen sein sollte, die Hauptsache doch dieselbe geblieben ist, dieselbe geblieben ist Trotz der „Berichtigung" des Herrn re. Adlers. Es ist Thatsache, daß der 72jährige Greis, der am 10. April d. I. un ter Dorfstädter Gerichtsbar keitentleibt ge funden worden ist und sich eines gleich gu ten Rufes zu erfreuen hatte, wie die beiden letzten Selbstmörder, am zweiten Tage dar auf, auf Anordnung der Gerichte, durch den Fallmeister in dasjenige Loch eingescharrt worden ist, welches dem ersten Selbstmör der bestimmt war, dessen Begräbniß unter mili tärischem Beistände vollzogen ward. Das Loch soll zwar „eine ganz gleichgültige Sache sein;" wenn das aber so gleichgültig ist, warum hat man denn den ersten Selbstmörder nicht dahin begraben dürfen? mit aller Gewalt nicht dahin begraben dürfen? sogar wie der ausgraben müssen? Wie mir übrigens in der „Berichtigung" Schuld gegeben werden kann, daß Ich nur „aufgcraffte An sichten" habe veröffentlichen wollen, kann ich eigent lich nicht absehen. Es ist ja nur von That fachen die Rede gewesen. Eine entscheidende Ansicht habe ich mir eben nicht zugetraut und darum öffentlich an gefragt, was Andere darüber denken. Insoweit aber wirklich meine Ansicht durch die Erzählung durchge- blickt haben sollte, bin ich darüber selbst dann ganz unbekümmerten Herzens, wenn ich mit dem Herrn «. Adler, wie es fast scheint, nicht zusammenstimmen sollte. Ich habe dann nur die „Ansicht aufgerafft," die In der heutigen Zeit alle wirklich Aufgeklärte« haben. H. Nachträgliche Bemerkungen der Redakzion. Als der Herr Einsender vorstehender „Entgegnung" den hier besprochenen Gegenstand zuerst durch seine Frage: was in Bezug auf selbigen Rechtens sei t anregle, versprachen wir darauf bald eine Antwort. Wenn wir diese jetzt erst geben, so müssen wir uns zuvörderst bei unsern Lesern entschuldigen. Es lag aber die Verzögerung lediglich der Umstand zum Grunde, daß wir vor der Beantwortung der „Berichtigung" in Nr. >7 des Boigtländ. Anzeigers Seiten des Herrn Einsenders nicht gern daß Wort er greifen wollten, für diese Beantwortung jedoch nicht sogleich den passenden Raum in unserem Blatte gewinnen konnten. Glück licherweise hat dieser Verzug uns selbst den meisten Vortheil ge tragen, indem wir nunmehr, nachdem beide streitende Theile sich gehörig ausgelassen haben, mit unserem Nachtrage um so kürzer sein können. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, als ob un« durch den Schriftenwcchsel der Parteien über den hier in Frage stehenden Beerdigungsfall der Stoff zu unserem Nachtrage ent nommen worden wäre. Nein! wir erklären vielmehr, daß wir uns in den Streit über gegenwärtigen Fall nicht cinmischen kön nen und wollen, eines Theils weil uns die Thatsachen, die zu dessen Entscheidung dienen, nicht zur eigenen Prüfung vorgelegen haben, andern Theils weil wir uns nicht zum Richter einer gleich- stehenden Behörde aufwcrfcn mögen, die uns als solchen schwer lich anerkennen wird. Mit dieser letzteren Bemerkung hoffen wir den etwaigen Einspruch der Gerichte zu Dorfstadt beseitigt zu haben, als ob wir weder das Recht noch auch die Befähigung hätten,, über die Sache zu reden, da, was die Hohe Kreißdirek- zion nach Einsicht der Akten gebilligt habe, nicht von uns getadelt werden könne. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß wir hier — in einem Voltsblatte — keine gelehrte Abhandlung über ehrliches und unehrliches Begräbniß zu geben haben. Das Mandat vom Sv. November I77S stellt über die Beerdi gung der Selbstmörder folgende Regeln auf: 1) „Diejenigen, welche aus Wahnwitz, Melancholie und Zerrüttung des Verstände- sich selbst das Leben nehmen, sollen ganz in der Stille beerdigt werden (unter Einverständniß mit dem Superintendenten oder Pfarrer.)" Diesen entgegengesetzt werden S) „die freventlichen Selbst- mörder, welche nicht aus Wahnwitz, Melancholie und Zerrüt tung des Verstandes sich entleiben," und von welchen das Gesetz wieder zwei Klassen macht: ») „diejenigen, die aus dem Bewußt sein begangener Verbrechen und Furcht vor der zu gewartenhaben- den Strafe" sich entleiben, sollen „auf dem Schindkarrcn, oder Schleife fortgeschaffet und auf dem dazu angewiesenen Anger ein- gescharret werden;" b) „diejenigen aber, welche aus Verzweif lung über ihre Umstände (?) oder aus andern Ursachen, ohne daß sie dabei wegen eines begangenen Verbrechens Strafe zu erwarten haben, sich das Leben nehme», sollen entweder durch besonder- dazu zu vermögende Personen an einem abgesonderten Orte unter die Erde gebracht," oder an ein anatomisches Theater (in Dres den und Leipzig) abgegeben werden. „Damit aber" — heißt et nun in einem andern Paragraphen des Gesetze« weiter — ,,dcr Selbstmord nicht ohne hinlänglichen Grund einem wahnwitzigen oder melancholischen Zustand deß Thäters zugeschrieben werde, so soll die Obrigkeit die Sache untersuchen und das unter t erwähnte (ehrliche) stille Begräbniß „andrcrgestalt nicht geschehen lassen, als wenn der Entleibte entweder in einer hitzigen Krankheit sich um das Leben gebracht, oder noch vor der That von dessen Me lancholie oder Gemüthszerrüttung bei der Obrigkeit Anzeige ge schehen, oder durch glaubwürdige, und, soviel möglich, einet oder mehrer geschwornen ZeugenAussagc, odersonst von seinem verwirrten Gemüthszustand hinlängliche Nachricht zu den Akten gebracht worden." Sow.it das Mandat nach seinen eigenen Worten. Nach ihm also sollen die Selbstmörder unter Nr. s, b, also dir rr nicht